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Vom 9. bis 14 Dezember kommen nachstehende Strafsachen zur Verhandlung: I) gegen den Metzger und Viehhändler Ä. Hölderlein von Deckenpfronn wegen betrügerischen Bankerotts; 2) gegen Magdalene Friedrich, Dienstmagd von Bühl wegen Kindstötung; 3) gegen den Samenhändler G. I Reiber von Gönningen wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod; 4) gegen den M. Frey von Thalheim wegen Mein- eids; 5) gegen den Drehergesellen P. F. Scheffel von Neckarems wegen versuchter Notzucht; 6) gegen den Taglöhner I. Steinwand von Mötz- ingen und den Straßenwart G. Bertsch daselbst wegen Meineids und Anstiftung hiezu; 7) gegen den Taglöhner H. F. Riexingcr in Wildbad wegen versuchter Notzucht.
Marbach a. N., 12. Dez. In Klein- bottwar bekam ein 25jähriges Mädchen mit ihrem 13 Jahre alten Bruder wegen eines zerbrochenen Kruges Streit. Der Bruder stieß seiner Schwester dabei oberhalb des Handgelenks einen Glasscherben in die Hand. Obgleich sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen wurde, verschlimmerte sich die Verwundung so, daß nun dem bedauernswürdigen Mädchen der Unterarm abgenommen werden mußte.
Ausland.
Wien, 11. Dez. Heute Vormittag wurde in der Hofburg ein 26jähriger Schneidergesclle verhaftet, in dessen Besitz eine bombenähnliche Kugel gefunden wurde, welche sich als ungefährliche massive Kegelkugel (!) herausstellte. Der Verhaftete machte über seine Anwesenheit in der Hofburg verworrene Angaben.
Amsterdam, 10. Dez. Das Landesgespräch bildet seit einer Woche die Ermordung eines 12jährigen Knaben in Rotterdam unter sehr geheimnisvollen Umständen; bis jetzt ist es noch nicht gelungen, den oder die Thäter ausfindig zu machen; die Polizei trifft dabei der Vorwurf, daß sie ihre Nachforschungen viel zu spät, erst am 6. Tage, nachdem der Knabe verschwunden war, angestellt, hatte. In den letzten drei Jahren sind im Lande 6 Menschen ermordet worden, ohne daß die Thäter bis jetzt entdeckt wordeu wären.
Der Arton-Skcindal in Frankreich verspricht nach und nach recht niedlich werden zu wollen. Der Anwalt des in London verhafteten Alton wies nach, daß verschiedene französische Minister, darunter auch der jetzige Justizminister Ricard, den Aufenthalt Artons nicht nur gewußt, sondern ihm u. a. in Venedig durch Polizeiagenten für die Auslieferung seiner Papiere eine große Geldsumme und dabei wenn er nach Frankreich zurückkehre, eine sehr milde Behandlung durch das Gericht und baldigste Begnadig, ung versprochen haben. Es ist nun leicht mög lich, daß das englische Gericht 2. Instanz eben dieser Thatsachen wegen die Auslieferung Artons Verweigert. Dabei beschuldigen sich die einzelnen Parteien und ihre Organe, sie hätten einen Beschimpfungsfeldzug gegen den Präsidenten Faure vorbereitet, um diesem die Präsidentschaft ebenso zu entleiben, wie dies gegenüber seinem Vorgänger geschah und dann bei dem Wieder- zusammentritt des Kongresses eine Aenderung der gegenwärtigen Verfassung sei es in royali- stischem, sei es in sozialistischem Sinne zu verlangen.
Inder türkischen Hauptstadt ist die Sache wiederum viel ernster geworden, als sie vorher war. Der frühere Großvezier Said Pascha hat sich mit seinem Sohne in das Gebäude der englischen Botschaft geflüchtet, weil er offenbar für sein Leben fürchtete und erst nach mehreren Tagen ließ sich Said Pascha durch die feierlichen Versicherungen eigener Abgesandten des Sultans bewegen, in seine Wohnung zurückzukehren.
Vermischtes.
Hannover, 29. Nov. In einem Kreisorte der Provinz wurde kürzlich der neuernannte Landrat in die Kreisdeputiertenversammlung eingeführt. Nach Erledigung des geschäftlichen Teils bemerkt der Landrat, daß die Deputierten, meist Landbewohner, sich überall mit dem vertraulichen „Du" anreden. Mit den Sitten und
Gebräuchen der Landbevölkerung wohl noch unbekannt, fällt ihm dieses auf, und er erkundigt sich bei seinen Tischnachbarn, einem Gemeindevorsteher, wie es hier denn eigentlich mit der persönlichen Anrede gehalten, und ob das Duzen überall im Kreise so üblich sei. „Jo, dat is woll so", erklärt der Gefragte mit harmlosester Miene, „unner uns in'n Dorp segt wie „Du", blot de Herr Pastor un Du un Ji werd mit „See" anredt." Der Landral soll sehr belustigt ge« wesen sein; der Gemeindevorsteher ist nachher sein bester Freund geworden.
Die verhältnismäßig größte Garnison des Reiches hat nicht etwa Berlin, auch nicht Metz, sondern der Flecken Mörchingen in Lothringen. Während in Berlin bei einer Einwohnerzahl von 1 600 000 und 28 000 Mann Militär auf rund 60 Einwohner erst ein Soldat kommt, entfällt auf Mitz mit 47 000 Einwohner Zivil und einer Garnison von 23 000 schon auf zwei Einwohner ein Soldat. In Mörchingen aber, das knapp 3000 Seelen zählt und dabei 4000 Soldaten, auf drei Einwohner Zivil vier Soldaten.
Jetzt werden die Briefe an das Christkind geschrieben. Einer, der in einen Briefkasten in Mannheim geworfen wurde, kam nicht an die rechte Adresse, aber in die Redaktion einer Zeitung, die indiskret genug war, ihn zu ver- öffentlichen. Hier ist er:
Lieber Weihnachtsmann!
Ich schreibe dir meinen Wunschzettel für Weihnachten heute schon, aber du brauchst nicht erschrecken, das es so ein groser Bris wird. Du wirst gleich sehn, es get nicht anders ich habe so fiel zu wünschen aber keine Spielsachen. Die große Puppe bei Sauers in der Burggasse die ihre Augen zuklabben kann und 4 Zehne hat und auch ein Waagen dabei wollte ich mir zu Weihnachten wünschen aber ich weis jetz bessere Dinge. Das Mama und unsere Dora wieder froh werden und das wir wieder mehr Geld haben um einzukaufen! Die Jungen brauchen Anzüche und Maus braucht Schuh und Du kannst es gewis machen, das wir wieder einen möblirten Herrn in unser Forderzimmer kriegen. Mama hat es in die Zeitung drucken lassen das wir ein Miether suchen aber am liebsten wäre es uns wenn Herr Belten wiederkäme und wieder Abends mit uns Lodderie um Feffernisse spielte und mit unserer Dora Musik machte. Unsere Dora singt garnicht meer seit Herr Velten weck ist und sie weint oft wenns niemand sieht und er hat ihr einmal einen Kuß gegeben am Klasier und nun kommt er garnicht meer. Karl wird eine Brifmarkensammlung auf sein Wunschzettel schreiben aber wenn die sehr teuer ist so gib Du lieber das Geld an Mama. Karl braucht keine Markensamlung und wir brauchen keine Spielsachen bis wir wieder reicher sind und must so gut sein und das alles dem lieben Christkindchen sagen! Das wird schon wissen und schon helfen. Bergis nur nicht das wir Friedrichstraße Nr. 6 wohnen lieber Weihnachtsmann und ich will am Heiligenabend gar nicht fortgehen und imer auf dich warten, ob du mein Wunschzettel richtich erhalten hast und thun willst wodrum ich dich gebeten habe, und es schickt dir fiele tausent Grüse, lieber Weihnachtsmann Dein hoffnungsvolles Evchen.
Nachschrift.
Wenn du dich beim Herr Nngerec befragen willst der ist mein Klassenlehrer und ich bin noch nie bestraft und nur einmal zu spät gekommen aber nicht aus Faulheit sondern ein großer Knabe hatte mich in den Schnee geschmissen.
Kamerun-Neger als Handwerker. Das Deutsche Kslonialblatt schreibt: Die beiden Negerknaben Demba und Lukenje, welche seiner Zeit von dem Hauptmann Kund nach Deutschland mitgenommen wurden, sind unter der! Aufsicht der Schwester desselben, Frau Döesting, in Görlitz erzogen worden. Nach beendeter Schulzeit im Frühjahr 1894 haben die Knaben ein Handwerk erlernt, zu welchem Zwecke Lukenje bei dem Zimmermeister Rothenburg und Demba bei dem Schlosscrmcister Kirchhofs zu Görlitz in die Lehre gegeben wurden. Nachdem sie in einjähriger Lehrzeit bei gutem Betragen und unermüdlichem Fleiß einige Fertigkeit im Handwerk angeeignet harten, sind die Knaben im Mai 1895 nach Kamerun zurückgesandt worden, zu welchem Zweck sie von Frau Dörfling, welcher sie in hohem Matze zugethan waren, nach Hamburg gebracht wurden. Nach einem Bericht des Gouverneurs von Kamerun werden Demba und Lukenje. die sich zu einer 4jährigen Dienstzeit beim Gouvernement verpflichtet haben, in der dortigen Reparaturwerkstätte unter Auf
sicht europäischer Handwerker beschäftigt. Sie haben auch dort sich bisher recht fleißig erwiesen und sind insbesondere stets regelmäßig und pünktlich zur Arbeit erschienen. Da auch ihre Leistungen zufriedenstellende waren, hat sich der Gouverneur in der Lage befunden, den beiden Knaben einen Monalslohn von 20 auszu- setzen. Die Erhöhung desselben auf 30 ^ soll nach Ablauf von 6 Monaten bei weiteren guten Leistungen in Erwägung genommen werden.
Berliner Blätter erzählten, daß jüngst ein Schutzmann einer Dame, die mit einigen anderen auf dem Trottoir stand, auf die Schulter geklopft und gesagt habe: „Treten Sie lieber beiseite, es könnte sonst ein Schutzmann kommen rc." Auf einen Ermittelungsbesehl hin hatte sich ein alter Wachtmeister als Thäter gemeldet. Er wurde nun zu seinem Chef befohlen, um, wie er befürchtete, sich einen Verweis zu holen. Zu seiner freudigen Uebcrraschung erhielt er aber eine Belobung und zwanzig Mark.
Eine gereimte Zählerliste. Folgendes Poem fand, wie die Berliner Lokalkorrespondenz berichtet, am Zählungstage ein mit der Zählarbeit betrauter Magistratsbeamter an einem Zählbrief angeheftet: „Ich heiße Gottfried Schulze und bin ein wack'rer Mann
— Im Jahr' 1840 fing ich zu leben an. — Noch bin ich glücklich, ledig, Hab' nie die Eh' gekennt, — Und bin, weil Sie mich fragen, schon lange Dissident. — Berlin hat mich gezeuget, hier stand die Wiege mein
— Muß also — 's ist nicht anders — natürlich Preuße sein. — Ich bin bei „Punkte Neune" zu rechnen nicht, ach nee, — Ich habe 'nen Beruf nicht, ich bin man bloß Rentier. — Soldat bin ich gewesen; vor Sedan und Paris — Hab wacker ich gefochten; -da fanden Sie mich gewiß. — Ob Mängel, ob Gebrechen ich Hab', kann sein Ihnen Wurst. — Nur einen Fehler Hab ich, das ist — gewaltiger Durst! — Das kommt, weil ich getrunken beim lieben Mütterlein — Als Baby, mild und artig, die Milch ohn' viel zu schrer'n. — Nun esst Familienkost ich, Eisbein mit Sauerkraut, — Was unberufen, stets ich Hab' auf Las Best' verdaut. — Das ist mein Zählbrief, Zähler, nimm auf ihn nur getrost;
— Zu Deinem schweren Amte komm' ich 'nen „Ganzen"
— Prost!!"
Reiseplan zur Besichtigung der nächsten Sonnenfinsternis. Am 9. August 1896 wird die letzte vollständige und in Europa sichtbare Sonnenfinsternis dieses Jahrhunderts stattfinden. Der Mondschatten trifft die Erde zuerst im Atlantischen Ozean, geht über Norwegen hinweg durch Rußland, Japan und verläßt die Erde im großen Ozean. Die Orient! Lteam MviMtioll Oompun^ lüinitock beabsichtigt, wie die Astronomischen Nachrichten mitteilen, eines ihrer großen Dampfschiffe von ungefähr 4000 Registertonnen Größe mit 3000 Pferdekräften nach Badsö im Varranger-Fjord, Lappland, zu senden, um Beobachtungen über diese Sonnenfinsternis zu ermöglichen. Der Reiseplan lautet: Abfahrt von London am 21. Juli, Besuch in Odde, Bergen, Naes. Molde, Dront- heim, Hammersest, Nordkap. Ankunft in Badsö am 3. August. Abfahrt von Badsö am 10. August und Ankunft in London am 17. August. Fahrgeld 40 Guineen, Angeld 5 Pfund Sterl. Frühzeitige Anmeldung ist erwünscht. Auskunft: Anderson. Anderson u. Co., 5 Fcnchurch Avenue, London LO.
(Nach und nach.) Die Gnädige (aus dem Bad zurückkehrend): Haben Sie für die Tiere während meiner Abwesenheit auch gut gesorgt, Anna? — Dienstmädchen: O, ja; (weinend) nur ein einzigesmal habe ich vergessen, die Katze
zu füttern.-Gnädige: Nun davon, wird
sie nicht gleich gestorben sein. — Dienstmädchen: Nein, aber sie ist hingegangen und hat den Papagei gefressen.
(Auch ein Kündigungsgrund.) Frau: „Denke nur, die Frau Sekretär im ersten Stock hat schon wieder einen neuen Hut, während ich . . . !" — Hausherr (brummend): „Nun ja, Du sollst auch einen haben, . . . aber die Sekretärs müssen wir am Ersten hinaus!"
(Zur Orthographie.) Hannele: Du. Mutter, schreibt man Vater mit einem oder zwei t? — Mutter: Seit net so faul, Hannele - derweil du fragscht, machst du drei t!
Redaktion, Druck und Verlag von E. Meeh in Neuenbürg.