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Kriegschronik 1870/71.

13. Dezember 187«.

Straßburg. Pfalzburg heute auf Gnade und Ungnade übergeben, wird morgen früh 10 Uhr besetzt.

v. Hartmann.

In Pfalzburg gefangen genommen 52 Offiziere, 1839 Mann, und 85 Geschütze erbeutet.

Blois ist von den dieseitigen Truppen am 13. besetzt worden. v. Podbielski.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Neuenbürg, 13. Dez. Bei der gestrigen Gemeinderatswahl, wobei nicht weniger als 7 Mitglieder zu wählen waren, machte sich der Vielseiligkeit der Vorschläge entsprechend eine lebhafte Beteiligung geltend. Es haben etwa 80°/» der Wähler abgestimmt. Die Meisten Stimmen, 197 erhielt Karl Wagner, der aus 3 gedruckten Zetteln stand; es erhielten weiter Gg. Kienzle 135, Wilh. Essig 116, Eng. Seeger 114, welche auf 2 Zetteln standen, dann Wilh. Bauer 101, L. Müller 95, Stadtpfleger O lpp 84 Stimmen. Die letzteren 3 Mitglieder sind auf 4 bezw. 2 Jahre gewählt. Die nächsten in der Stimmenzahl sind Emil Meisel, Ehr. Wagner, Scnsenschmicd, P. Lutz, Th. Weiß.

Das k. Ministerium der auswärtigen An- gelegenheiten, Abteilung für die Verkehrsanstalten, hat die neu errichtete Stationskassierstelle in Wildbad dem Expedienten Büg in Horb übertragen.

Beinberg, 7. Dezbr. Mehrere Tage lang herrschte hier oben ein furchtbarer von starkem Regen begleiteter Sturm, der Obstbäume und Tannen beschädigte und entwurzelte. Die Holzfuhrleute wagten sich nicht mehr in den Wald. Auch hatten wir infolge des Regens über Beschädigungen durchDruckwasser" zu klagen, so daß sogar die Feuerwehr alarmiert werden mußte.

Pforzheim, 10. Dez. Im Laufe des gestrigen Tages sind 8 verdächtige Personen verhaftet worden, die von Jahrmarkt zu Jahr­markt ziehen und dort ihr Diebeshandwerk be­treiben. Durch die vorherige Festnahme ist ihnen nun ihr Handwerk auf der hier statt­findenden Messe gelegt worden. Im Ganzen sind in den letzten Tagen 36 Personen festge­nommen worden.

Calw. 11. Dez. (Bi eh mar kt.) Der heutige Markt war mit 638 Stück Rindvieh und 47 Pferden befahren. Der Handel ging flau bei gleichbleibenden, mehr zum Fallen neigenden Preisen. Höchster erlöster Preis für 1 Paar fette Ochsen 1150-/L Durchschnittspreis für fette Ware 950 vkL Dem Schweinemarkt waren zugeführt 146 Stück Läufer, 26 Körbe Milchschweiiie. Preis der elfteren 3050 der letzteren 1016 ^ das Paar.

Deutsches Weich.

Berlin, 10. Dez. Der Kaiser hat dem Entwürfe der Arbeiterjchutzbestimmungen für das Bäckereigewerbe nach dem Vorschläge des Ministers v. Berlepsch zugestimmt.

Der Reichstag begann letzten Donnerstag die erste Beratung des Reichshaushaltsetats. Aus der Einführungsrede des Reichsschatzsekretärs ist hervorzuheben, daß die Bundesstaaten für das laufende Rechnungsjahr auf außeretat­mäßige Mehrüberweisungen im Betrag von 80 Millionen rechnen können. Die Zölle allein haben einen Mehrerlrag von 25'/, Millionen ergeben, die Börsensteuer eine Mehreinnahme von 8 Millionen. Am zweiten Tag der Be­ratung des Reichshaushaltsetats erklärte der Kriegsminister Bronsart v. Schellendors: Die Beratungen der Militärstrafprozeßordnung haben im preuß. Ministerium nhczu ihren Ab­schluß gefunden. Der Entwurf wird bald dem Bundesrate zugehen. Ob er noch in dieser Ses­sion an den Reichstag kommt, kann ich nicht sagen. Daß die vierten Bataillone sich bewährt haben, kann ich nach den Aeußerungen der kam- mandierenden Generäle hierüber nicht zugebcn. Die Stärke und Zusammensetzung wird einstimmig bemängelt. Eine Reform ist daher nötig. Im Rahmen der gegenwärtigen Präsenz wird die- selbe sich ohne Erhöhung der laufenden Aus­gaben durchführen lassen. Die Ausbildung der

Leute ist nicht schlechter geworden als früher. Der Kriegsminister schließt: Um ein endgiltiges Urteil über die zweijährige Dienstzeit abzugeben, ist die Zeit seit der Einführung noch zu kurz.

Berlin, 10. Dez. Auch derReichsan­zeiger" erklärt nunmehr die in mehreren Zeit­ungen enthaltene Nachricht, es sei beabsichtigt, zum früheren Mantelluch für die Armee zurück­zukehren und Beschaffung von Paletots und Mäntel aus grauem Tuch nicht weiter eintreten zu lassen, für unbegründet.

München, II. Dezbr. Der Anführer einer Räuberbande, die seit einiger Zeit die Umgegend von Mainburg in Niederbayern un­sicher machte und im vorigen Monat einen Carriol-Postwagen beraubte, Johann Leydig, ist bei Mainburg festgenommen worden.

In Bruchsal war der Saalbach bedeutend angeschwollen; ein 9jähriger Knabe wurde vom Sturm in die Fluten getrieben und ertrank.

Villingen, 9. Dez. Der Sturm der i letzten Tage hat besonders in unseren Wald­ungen böse gehaust. Die allein im Stadtwalde Hingerissenen Bäume dürften einen Cubikinhalt von etwa 40 000 Fcstmeter habe».

Furtwangen, 9. Dez. Der Schnee liegt hier schon fußtief, und es schneit immer noch kräftig zu.

Mannheim, 10. Dez. Schneidermeister Dowe von Mannheim, der Erfinder des kugelsicheren Panzers", ist gestern in Wiesbaden nach längerem Krankenlager gestorben. Sein Panzergeheimnis hat er der Kunstschützin Miß Diana anvertraut, mit der er in der Welt herumzog und die noch wenige Tage vor seinem Tode seine Frau geworden ist. Man wird dem nunmehr verstorbenen Erfinder ein tiefes Mit- gesühl nicht versagen können. Wie die meisten Erfindergenies ist auch er, von dem eine Zeit lang die ganze Welt sprach und dessen Name in allen Zeitungen zu lesen war, mit getäuschten Hoffnungen in's Grab gesunken, gebrochen an Leib und Seele und verzweifelnd an der Mensch­heit. Mit dem Tode Domes wird wohl auch dessenkugelsicherer Panzer" zur ewigen Ruhe kommen.

Württemberg.

Stuttgart, 6. Dezbr. (Landtag.) Es war ein harter vierstündiger Redekampf, welcher sich heute im Halbmondsaal über die Frage der Einführung der fakulativen Feuer» bestattung entwickelte. Bei den Debatten kamen mehr die Gegner zum Wort als die Anhänger der neuen Bestattungsweise, für welche neben dem Berichterstatter Haffner in sehr geschickter Weise der unermüdliche Herr v. Geß und Betz das Wort führten. Man gefiel sich eigentlich auf allen Seiten darin, die Reden mit mehr oder weniger guten Witzen aufzuputzen, die stürmischste Heiterkeit wußte aber der Herr Mini- ster des Innern v. Pischek zu entfesseln, als er, wie es schien, auch seinerseits des trockenen Tones satt, der sonst am Ministertisch beliebt wird, erzählte, der verstorbene Präsident von Steinbeis habe s. Z. den Vorschlag gemacht, die Leichname zu zementieren und davon die Kirchenböden Her­stellen zu lassen. Das ist allerdings eine Be­stattungsart, die der Originalität nicht entbehrt. Im übrigen war der Minister nicht sehr günstig gesinnt und stand damit so ziemlich auf dem Boden des Zentrums, der Mehrzahl des Zentrums, der Mehrzahl der ritterschoftlichen Abgeordneten und der ev. Prälaten, von denen die letztge­nannten beider Kategorien die alte christliche Sitte des Erbbegräbnisses wenigstens so lange aufrecht erhalten wollen, als die überwiegende Mehrheit des Volkes noch daran hängt. Bei der Abstimmung ergab sich nur ein Plus von 5 Stimmen für die Zulassung der fakultativen Feuerbestattung, 44 Stimmen, bestehend aus der Volkspartei, der deutschen Partei, den Sozialisten und den ritterschaftl. Abgeordneten v. Wöllwarth und v. Hermann. 39 Stimmen, das geschlossene Zentrum, die überwiegende Zahl der ritterschaft- Uchen Abgeordneten und die evangel. Prälaten waren dagegen. Eine der Kommisstonsderatung über das neue Kunstweinsteuer-Gejetz vorauf­gehende Generaldebatte wurde nicht beliebt. Ob die erste Kammer dem Beschluß beitreten wird, ercheint sehr fraglich, ebenso auch, ob die

Regierung die fakultative Feuerbestattung nun­mehr auf dem Verordnungsweg gestatten wird. Es läßt sich natürlich viel für und gegen die Feuerbestattung sagen, aber wenn man einesteils an der unbestreitbaren Thalsache festhält, daß die Kirchhöfe keine sanitären Schaden angerichtet haben und andererseits an der weiteren Thatsache, daß dem allgemeinen christlichen Volksbewußtsein die Feuerbestattung nicht gefallen kann, so wird es kein großes Unglück sein, wenn die reichen Leute ihre Leichen auch fernerhin nach Heidelberg zur Verbrennung bringen lassen. Für die Armen ist die Feuerbestattung ohnehin viel zu teuer, auch wenn sie in eigenem Lande eingerichtet wird. Kirchhöfe müßten also neben den Ver­brennungsöfen doch noch weiter bestehen.

Stuttgart, 11. Dez. Gestern trat die Kammer der Abgeordneten in die Berat­ung der Steuervorlage ein; wie lange diese Beratung dauern wird, ist vorderhand noch gar nicht abzusehen. Immerhin dürfte die zweite Kammer mit dieser Vorlage noch vor den Weih­nachtsferien fertig werden. Da der Staats­vertrag zwischen Bayern und Württemberg betr. die Fortführung der Bodenseegürtelbahn von Lindau nach Friedrichshafen in der 2. Kammer einstimmig angenommen und auch in der ersten Kammer keinerlei Beanstandung finden wird, so dürfte die genannte Bahn vertragsmäßig inner­halb 4 Jahren dem Betrieb übergeben werden können. Wie gefährlich cs ist einerseits für eine Bahn zu schwärmen und andererseits bei einer anderen nach der mutmaßlichen Rentabilität zu fragen, hat der Abg. Hähnle von Heidenhcim zu seinem Schrecken in der Kammer der Abge­ordneten erfahren. Dieser Abgeordnete ist Feuer und Flamme für die baldige Herstellung einer Bahn von Beilstein nach Heilbronn, hätte aber gerne gewußt, wie sich die Bahn Lindau- Friedrichshafen rentieren werde, worauf unser Ministerpräsident und Verkehrsminister Frhr. v. Mittnacht mit einem stürmische Heiterkeit her- vorrufenden Sarkasmus erwiderte, die Bahn Lindau-Friedrichshafen werde mindestens ebenso rentabel sein als diejenige von Beilstein nach Heilbronn.

Stuttgart, 8. Dez. Für die Reichs­tagsersatzwahl im XV. Wahlkreise ist von der Deutschen Partei in Blaubeuren Gutspächter Schmid von Christophshof als Kandidat aus­gestellt worden und hat angenomen. Somit stehen nun (von der sozialdemokratischen Zähl- kandidatur Kloß abgesehen) drei Kandidaten gegenüber: der seitherige Abg. Gröber (Ztr.), Prof. Quidde (Volkspartei) und Gutspächter Schmid.

Für den gesteigerten Päckereiverkehr vor Weihnachten sind von der Postverwaltung besondere Vorkehrungen durch Vermehrung der Beförderungseinrichtungen, der Arbeitskräfte rc. getroffen. Im Zusammenhang damit wird den Aufgebern von Postpacketsendungen, wenn sie auf die rechtzeitige und unversehrte Ankunft der Sendungen rechnen, dringend empfohlen, die Einlieferung zur Post nicht erst in den letzte« Tagen vor dem Christfest, sondern möglich früh­zeitig zu bewirken, auch die Sendungen fest und dauerhaft zu verpacken und mit einer deut­lichen, vollständigen und haltbar befestigten Aufschrift zu versehen.

Cannstatt, 11. Dezember. Heute früh zwischen 4 und 5 Uhr ist die LokomotiveMöck- mühl" in der Nähe des Durchlasses vor der Neckarbrücke über den Abschlußdamm eines Seitengeleises hinausgefahren und hängt nun an der Böschung des ziemlich hohen Hauptfahr­dammes in der Richtung nach der Durchlaß­straße. der Tender blieb noch auf dem Geleise bezw. dem Abschlußdamm stehen und verhinderte den völligen Absturz der Lokomotive. Die Arbeiten zur Heraufschaffung der Lokomotive gestalten sich sehr schwierig.

Ulm, 11. Dezbr. Das neue Ulmer Ge- meindckollegium hat nunmehr, nachdem die Stadt Ulm mit sehr günstigen Bedingungen entgegengekommen ist, der Erbauung einer Gänsthorbrücke und eines Jllerkanals oberhalb Neu-Ulms zugestimmt.

Tübingen. (Tagesordnung zu den Schwurgerichts-Sitzungen des 4. Quartals 1895).