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selbst sangen auch noch einige ihrer beliebtesten Lieder. Der Abend nahm so einen recht gelungenen Verlauf. Wir schließen darüber unfern Bericht mit den schönen Worten Karl Geroks, welche Festredner Braun zur Einleitung seiner Schilderungen gewählt hatte:
„Unvergessen bleibt in Schwaben,
Siegesfeld von Champigny,
Wo verblutend unsere Knaben Mannhaft ihre Losung gaben Halt! Gut Württemberg ist hie."
Deutsches Weich.
Der Kaiser hat auf dem kürzlichen Diner beim Finanzminister Dr. Miguel, dos er mit seiner Gegenwart beehrte, lebhafte Unterhaltung über verschiedene Fragen gepflogen. So erkundigte sich der hohe Herr bei den anwesenden Ausschußmitglicdern der Zentralgenossenschaftskasse eingehend nach dem Stande der Genossenschaftsentwickelung in den einzelnen Landesteilen und legte er überhaupt ein reges Interesse für diese Fragen an den Tag. Nach Tisch unterhielt sich der Kaiser mit einigen der anwesenden Vertreter des Handwerks angelegentlich über die Organisation des Handwerks und zeichnete speziell die Jnnungsmcister Faster-Berlin und Herzog- Danzig durch die Aufforderung aus, ihm ihre Wünsche betreff des Befähigungnachweises und der Handwerkerkammer darzulegen Anderen Teilnehmern an dem Diner gegenüber sprach sich der Monarch über das dem Reichstage vorzulegende neue Zuckersteucrgesetz aus und betonte, wie notwendig das Zustandekommen desselben sei.
Der Bundesrat genehmigte in seiner Wochenplcnarsitzung vom 28. November zunächst den Gesetzentwurf über die Feststellung des neuen Kolonialetats auf Grund des betreffenden Ausschußberichtes. Alsdann stimmte die Versammlung noch dem Ausschußberichte bctr. die Spezialetats des Auswärtigen Amtes und der Reichsschuld, sowie betr. die Entwürfe wegen Feststellung des Reichshaushaltselats und des Anleihegesetzes zu.
Berlin, 30. Nov. Die kaiserliche Verordnung betreffend das Kronland und Grundeigentum in Deutsch Ostafrika erklärt vorbehaltlich aller Eigentumsrechte alles Land für herrenlos. Voran steht das Eigentumsrecht dem Reiche zu. Die Verordnung setzt zur Regelung der Landsrage Landeskommissionen ein. Die Überlassung des Kconlandes geschieht durch den Gouverneur. Erwerb und Verpachtung von Grundstücken von Nichteingeborenen erfordert keine Genehmigung.
Kiel, 30. Nov. Das Panzerschiff „Hagen" erhielt Befehl, nach der Türkei abzugehen. Es tritt seine Reise voraussichtlich morgen an.
In Dresden tagte am Mittwoch eine Konferenz der Vorsitzenden sämtlicher sächsischer Gewerbekammern. Die Versammlung erörterte u. A. namentlich den Gesetzentwurf über die Errichtung von Handwerkerkammern, gegen welchen sich die Konferenz durchaus ablehnend verhielt.
Neudenau (Amt Mosbach), 28. Nov. Beim Holzfällen im Tannenwald wurden zwei Männer zugleich erschlagen.
Württemberg.
Seine Majestät der König hat aus Anlaß der diesjährigen Jubel-Gedenkfeiern an den Krieg gegen Frankreich auf Vortrag des Kriegsministers eine gnadenweise Geldzuwendung im Betrage von je 25 an 62 durch Verwundung vor dem Feinde verstümmelte Kriegsinvaliden von 1870/71 zu befehlen geruht. Weiter hat der König bestimmt, daß die Namen der in den Feldzügen von 1866 und 1870/71 gefallenen würtl. Krieger in der Garnisonskirche zu Stuttgart auf Marmortafeln verewigt werden. Es werden voraussichtlich auf 16 Tafeln zus. rund 1400 Namen in der Kirche angebracht werden. (Anm. d. Red. Unter den mit der Geldzuwendung bedachten Invaliden befindet sich: Franz Andräs von Neuenbürg.)
Seine Majestät der König hat den General der Infanterie z. D. v. Haldenwang für sich und seine ehelichen Nachkommen in den erblichen Adelsstand des Königreichs erhoben; ferner hat Se. Majestät für die Offiziere a. D., die am Feldzug 1870/71 und an den Kämpfen vom 30. Nov./2. Dez. teilgenommcn haben,,
Eharaktercrhöhungen verfügt oder Orden und Medaillen verliehen.
Stuttgart. 30. Nov. Heute Morgen hat Seine Majestät der König folgendes Telegramm von Seiner Majestät dem deutschen Kaiser erhalten: An des Königs von Württemberg Majestät Stuttgart. Neues Palais den 30. Novbr. 1895. Euere Majestät wollen sich versichert halten, daß Ich Mich bei der 25. Wiederkehr der Gedenktage von Villiers und Mont Mesly auf das dankbarste der im Kampf für die deutsche Sacke so glänzend bewiesenen württembergischen Tapferkeit erinnere. Wilhelm I. U Bon Seiner Majestät dem Könige ist sofort folgendes Antworttelegramm an Seine Majestät den deutschen Kaiser abgegangen: Seiner Majestät dem deutschen Kaiser und König von Preußen Neues Palais. Euere Majestät wollen den tiefempfundenen Dank für die huldvollen Warte der Anerkennung und Erinnerung entgegennehmen, welche Eure Majestät Mir und Meinem Armeekorps am heutigen Tage auszusprechen geruhten, an welchem es vor 25 Jahren Meinen Truppen vergönnt war. ihr Blut für des Vaterlandes Einheit und Größe zu vergießen. Wilhelm König von Württemberg.
Stuttgart. Bei der kürzlich stattgehabten Korpsversammlung der freiwilligen Feuerwehr wurde der vom Verwaltungsrat ausgearbeitete Statutenentwurf en dloe mit überwiegender Mehrheit angenommen. Der neue Entwurf bringt eine Reorganisation der freiwilligen Feuerwehr in der Form, daß künftig 7 Kompagnien gebildet werden, die je für sich eine vollständig ausgerüstete Feuerwehr bilden. An der Spitze des ganzen Korps steht der Kommandant, der zur Unterstützung und event. Stellvertretung 2 Kommandantenstellvertreter hat. An der Spitze einer Kompagnie steht der Hauptmann. Jede Kompagnie zerfällt in: 1. einen Zug Steiger, 2. einen Zug Retter mit Sanitätsabteilung, 3. einen Zug Spritzenmannschaft, 4. einen Zug Hydranten- und Buttenmannschaft. Jeder Kompagnie wird ein Arzt zugeteilt. Die ganze Kompagnie, einschließlich der Chargierten, zählt ca. 130 Mann. Die 7. Kompagnie erhält einen besonderen Zug für Ostheim. Die oberste Leitung über alle Feuer- löschanstalten im Stadtdirektionsbezirk hat der Stadtdirektor bezw. dessen Stellvertreter, dem der Oberbürgermeister und Vorstand des Stadtpolizeiamts oder deren Stellvertreter zur Seite stehen. Die Alarmierung der einzelnen Kompagnien erfolgt durch Hornsignale der Hornisten. Es werden deshalb die Wohnungen der sämtlichen Hornisten mit elektrischen Läute- werken versehen. Außerdem werden eine Anzahl von Feuerwehrmännern, welche festen Wohnsitz haben, mit Läutewerken versehen, und es sind diese berechtigt und verpflichtet, auf Requisition durch Huppensignale auf dem Wege zur Brandstelle zu alarmieren. Ebenso sind die Hauptleute, welche mit Fernsprecheinrichtungen zur versehen sind, sofort von einem in ihrem Brand telephonisch in Kenntnis zu setzen.
Marktpreise.
Neuenbürg, 3l>. November.
Butter, V- Kilo .0.95—1.—
Landeier. 0.08—0.09
Kisteneier ... 2 Stück 13 1 Stück 7
Pforzheim, 30. November.
Landbutter, V» Kilo.; 0.95 1.—
Süßrahmbutter.vkL 1.10—1.20
Landeier 2 Stück.14—15 ^
Kisteneier, 2 Stück.12—14 ^
Stuttgart, 30. November.
Saure Butter, Vr Kilo. ^ 1.—
Süße Butter, V, Kilo ....-« 1.10—1.20
Frische Eier 10 Stück . 70 ^
Kalkeier, 10 Stück. 60 ^
Ausland.
Die Frage der Zulassung zweier Stalionsschiffe der Mächte in Konstantinopel droht zu einem ganz neuen Konfliktsfall zwischen den Mächten und der Pforte auszuwachsen. Die Fermans, welche diese Erlaubnis gewähren, sind noch immer nicht ergangen, obwohl der Minister des Aeußern Tewfik Pascha dies dem englischen Botschafter ganz bestimmt zugcstchert hatte. Alle
Mächte haben ihre Botschafter angewiesen, auf Durchfahrt der zweiten Stationsschiffe zu bestehen. Man zweifeltnicht, daß nun der Sultan nachgeben werde.
Konstantinopel, 30 Nov. Aus Talfa vom 28. d. Mts. meldet man der „Times": Zwischen der persischen Grenze und Wan seien viele armenische Dörfer durch die Hamidiehreiterei zerstört worden. Die Flüchtlinge ziehen nach Wan, wo wahrscheinlich bald eine Metzelei statt- sinden wird. Die Geschütze sind auf die armenischen Häuser gerichtet und die Bäume gefällt, damit freies Schußfeld da ist. Alle Berichte melden, die Hamidiehreiterei brandschatzte die ganze Provinz Wan unter fürchterlichen Greuel- lhalen.
Petersburg. 29. Nov. Dem Vernehmen nach wurde von der Regierung die offizielle Beteiligung an der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 beschlossen.
Wnterüattender Heil.
Der Ueberfall von Neuenbürg.
Von Albert Brau«.
„Von Neuenbürg?" fragt der geneigte Leser verwundert. Glaub cs ihm gern. Nicht wahr, der „Ueberfall im Wildbad" ist bekannter, und schon in der Schule lernt man ja das schöne Gedicht auswendig, in welchem Uhland so anschaulich schildert, wie etliche Herren des Schlegler- bundes den alten Haudegen Grafen Eberhard II. von Württemberg „aufheben" und für einige Zeit unschädlich machen wollten. S' ist ihnen ja nicht geglückt, denn die Treue eines Hirten hat den ganzen Plan vereitelt, wie männiglich bekannt.
Vom Ueberfall von Neuenbürg kündet kein Sang, nur ein altes Buch, in das „gemeiner Statt Newenbürg habende Recht und Gerechtigkeiten eingezaichnet", erzählt uns davon und das in behäbiger Breite mit viel eingestreuten lateinischen Brocken. Ein anderer Zeuge des „laidigen Handels" könnte auch darüber berichten, wenn ihm nur die Sprache nicht sehlen würde; es ist jener wenig beachtete Stein an einer Gartenmauer am Anfang der Hafnersteige, welcher unter der Jahreszahl 1593 eine grob ausgehauene Hand trägt und einst das Ziel manches Flüchtlings war. Es hatte nämlich vermeldte „gemeine Statt Newen Bürgen ein besonder Recht und Herkommen: eine uhralte Freiheit, welche vermag, falls sich einer übersehe und ungefährer Weise einen Totschlag oder Entleibung begangen, daß er auf solchen Fall seine Sicherheit, doch mit seiner Maß allhie zu suchen und zu haben befugt sein solle." In dem „Frcybrief" heißt es: „Item auch so habend die Burger und die Statt Freyheit, wer es ob ein Mensch, der sich übersehen hätte im Zorn oder sonst in anderen Sachen, ausgenommen Morderei, Dieb» stahlung oder Straßenraub, daß er weichen müße und kümpt zu Unß unbeschrihen vor daS Thor, daß er kann mit einem Wappenhandschn werffen an die Stattmur, so sollen wir Burger dem Menschen Helsen in die Freyheit und darnach so bat derselb Mensch Freyung Sechs Wochen und Drey Tag, daß Wir rhn nit ver- uctheyllen sollen zu dem Tode in dieser Zyt nach dieser Statt Recht und Herkommen." Manch einer mag eilenden Fußes die alte Steige herabgekommen sein. um mit dem Handschuh oder der Hand den Stein vor dem Thore zu erreichen und dadurch in der Stadt, nachdem er peinlich verhört worden, Schutz auf 45 Tage zu finden. Sein Quartier bekam der Totschläger im Bären angewiesen, allwo ein im Ofenstein eingehauenes Freiheitszeichen (ausgestreckte Hand) das Zimmer bezeichnete, in dem sich derjenige aufhaltcn durfte, welcher von dieser Freiheit Gebrauch machte. Wann und von wem dieses Recht verliehen worden, ist nicht bekannt, da der Freibrief bei „der großen Brunst" verloren gegangen soll. „Das Stättlin ist auß der Rmk- mauer herauß zum andernmal verbronnen", berichtet ein Stadtschreiber. Kaiser Friedrich III. Römischer König, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs und König zu Ungarn, zu Behem, Dalmatien , Kroatien :c. rc. hat den Brief kraft Römischer Königlicher Machtvollkommenheit im