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Italiens, Rußlands und Englands erbaten die großherrlichen Fermans für die Einfahrt je eines zweiten Depeschenbootes in Konstantinopel, welches den betreffenden Botschaften beigegeben werden soll. Das französische Orientgeschwader verließ am 21. November den Piräus wieder; dafür wird dort nächster Tage das Eintreffen des österreichischen Geschwaders erwartet.
L o n d o n. 23. Nov. Nach einer Meldung aus Wan zerstörte ein Kurdenstamm 5 Dörfer; von 13 000 Einwohnern sind nur noch 3000 vorhanden. — In Mittelalbanien herrschen anarchische Zustände. Die Albanesenhäuptlinge bieten der Autorität des Sultans Trotz.
M a d ri d, 23Nov. Weitere 12000 Mann sind nach Cuba abgegangen.
Aus Ungarn, 22. Nov. In Jesztreb, Saroser Comitat. hat, wie das „N. W. Tagbl." berichtet, ein heftiger Brand gewütet, bei welchem 204 Häuser und mehr als 500 Nebengebäude mit sämtlichen Getreide- und Futtervorräten eingeäschert wurden. Viele Haustiere verbrannten. Es sollen auch mehrere Menschenleben dem Feuer zum Opfer gefallen sein. Das Elend ist groß. Der Schaden dürfte eine halbe Million Mark übersteigen.
Unterhaltender Heil.
Polizeirats Jagd.
Humoreske von Friedrich Schreiber.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
„Herrgott, der Nero. Von fürchterlichen Ahnungen gefoltert, eilte der Polizeirat nach der Stelle, von wo das Geheul ertönte; da lag Nero und wälzte sich in seinem Blute. Die Thränen traten dem unglücklichen Jäger in die Augen bei diesem Anblick; zärtlich beugte er sich über das Tier, gab ihm die süßesten Namen, versuchte ihn aufzurichten, doch Nero winselte nur kläglich und ließ sich wieder auf die Seite fallen. Als Pohl etwas ruhiger geworden war, untersuchte er die Wunden des Hundes, und das Resultat fiel günstiger aus, als er je gedacht hätte; nur ein Schrotkorn konnte Nero getroffen haben, und auch nur oberflächlich, denn das Blut hatte bereits zu fließen aufgehört. Der Polizeirat atmete auf. der Schaden ließ sich vielleicht noch reparieren; vorläufig allerdings konnte Nero nicht laufen, das stand fest. Was sollte Pohl mit ihm anfangen? Liegen lassen konnte er ihn nicht, da blieb ihm nichts anderes übrig, als den Hund zu tragen; er nahm ihn also auf seine Arme und machte sich mit ihm auf den Heim- weg. So schwer war unserm Helden noch kein Weg geworden; Nero winselte zwar immer noch, .schien aber sonst mit seiner Lage nicht unzufrieden, da sein Träger mit ihm wie mit einem Kinde umging. Manchen Schweißtropfen hatte Pohl verloren, unzählige Male hatte er Halt machen müssen, bis er endlich den Gutshof erreichte. Ihm war nicht sonderlich gut zu Mute, wenn er seinem Gastfreunde nur erst sein Unglück mitgeteilt hätte! Doch dieser stand gerade vor seinem Pferdestall und sah den Jäger mit einem Tier auf dem Arm, das er wegen der Dunkelheit nicht erkennen konnte, den Hof betreten.
„Na, da gratuliere ich von Herzen," rief er von fern; ich hörte ihren Schuß und freute mich, daß ihre Jagd noch so glücklich geendet habe."
Aber was machte der gute Mann für Augen, als er die Bescheerung sah, zwar beruhigte er sich, als er die Harmlosigkeit der Wunde sah, doch schien das Thermometer seiner freundschaftlichen Gefühle zu dem Polizeirat stark zu sinken. Dieser mußte, als das Schwerste überwunden war, jenem doch noch seine weitere Jagdbeute, die beiden Enten zeigen.
Schmidt hob sie in die Höhe und ging mit ihnen zu einer Laterne, die den Hof erhellte, er bekam einen tödlichen Schreck, dann schüttelte er leise den Kopf und gab die Tiere dem tapfcrn Jäger wieder. „Herr Polizeirat", sagte er, und eine Wehmut lag in seiner Stimme, „ich werde Ihnen die Enten ordentlich in Papier einwickeln,
oder noch besser. Sie verpacken sie fest in meine Jagdtasche, die Sie mitnehmen können; lassen Sie sie aber meine Frau nicht sehen; wissen Sie, sie wäre im Stande und machte mir Vorwürfe, daß ich nicht die ausgezeichneten Dinger geschossen habe, so sind die Frauen."
Die Einladung zum Abendbrot schlug Pohl aus, es trieb ihn nach Hause.
Auf dem Wagen überfiel ihn eine Bangigkeit. der er nicht Herr werden konnte; er mußte an seine kleine energische Frau denken. Wenn sie zum Schuster gegangen wäre um Erkundigungen über die Art, wie die Stiefel bestellt wurden, cinzöge? Oder zum Arzt? Unsinn, das that seine Lene nicht; aber kombinieren, kombinieren konnte sie: Kalte Füße, Influenza, Arzt. Gutsbesitzer, Jagd, Stiefel, Wagen, Gesundheit — hm, hm. Zwei Enten waren doch wohl zu wenig; er mußte mehr mit bringen. Im Städt- chen angelangt, kaufte er von dem Besitzer des ersten Hotels noch einen Hasen, und nun betrat er schon etwas mutiger sein Haus. Es ging stark auf 12 Uhr, im Korridor entledigte er sich seiner Wasserstiefel, um nicht seine Fcau, falls die Gute schon schlafen sollte, zu stören; rücksichtsvoll, wie er stets war, öffnete er leise die Schlafstube, in welcher das Nachtlicht brannte. Frau Leuchen schlief anscheinend' ganz fest, denn sie rückte und rührte sich beim Eintritt ihres lieben Männchen gar nicht. Otto schien auch weiter nicht auf eine Begrüßung erpicht zu sein, so leise wie möglich entkleidete er sich u streckte sich, rechtschaffen müde, auf .seinem Lager aus. Doch einen Blick mußte er noch auf seine Ehehälfte werfen; friedlich und ruhig lag sie da, kaum daß er ihr Atmen bemerken konnte, nur ein Zug lag um ihren Mund, so herb, fast verbissen, daß Otto wieder Herzklopfen bekam. Er dachte aber an seine reiche Jagdbeute, die er auf den Küchentisch niedergelegt hatte, und zufrieden mit sich schlief er ein.
Am nächsten Morgen sah er beim Erwachen das Bett an seiner Seite bereits verlassen; nun, dachte er im Stillen, desto besser; jetzt hat sie sich wohl bei dem schönen Anblick in der Küche beruhigt.
Da wird die Schlafstubenthür aufgerissen; bleich. aber mit blitzendem Auge tritt seine Gattin ein.
„Wo warst Du gestern?" frägt sie mit bebenden Lippen.
„Nun, in Hascnfeld auf der Jagd", antwortete er erstaunt über die Frage.
„Haha", lachte sie Hönisch, „die Enten und den Hasen hast Du wohl geschossen?"
„Gewiß, liebes Kind."
„Treuloser, Elender, da lies", und sie wirft ihm ein blutbeflecktes Stück Papier auf das Bett.
„Hiermit wird bescheinigt, daß beiliegender Hase auf der Elmenhorster Feldmark von dem Jagdpächter Rentier Müller geschossen wurde
Elmenhorst, den 2l. Oktober 1894.
Der Gemeinde-Vorstand." Otto sinkt erblassend auf das Lager zurück; in oder an dem Hasen hat das Ursprungsattest gesteckt, das jedem Stück Wild bei seiner Versendung beigesügt sein muß; aber die Enten, die
hat er doch wirklich geschossen.-
Am Tage darauf steht oie Frau Gutsbesitzer Schmidt auf ihrem Hühnerhofe und zählt und zählt das dort wimmelnde Geflügel, sie sucht und sucht in allen Ställen, schließlich im Garten und auf dem Felde.
„Mann", sagt sie zu ihrem Ehegatten, der ihr in den Weg läuft, „hast Du vielleicht hier in der Nähe einen Fuchs gespürt?"
„Nein", antwortete dieser, „daß ich nicht wüßte," damit will er sich abwenden.
„Mir fehlen seit gestern zwei der besten Enten", klagte seine Frau im weinerlichen Tone. „Werden sich schon wieder auffinden",
brummte jener im Davongehen.-
Selbst die ältesten Leute in Buschhausen können sich nicht entsinnen, daß Herr Polizeirat Pohl noch ein Mal zur Jagd eingeladen worden wäre.
Chloroformiertes Pferd. Bei einer Hufkrebs'Operation, welche vor einiger Zeit zu Kottbus an einem Pferde vollzogen wurde, wurde die Chloroformierung des Tieres vorgenommen. Das Pferd, welchem zuerst eine Einspritzung unter die Haut beigebracht worden war. wurde auf die mit Stroh belegte Scheunentenne geworfen und ihm dann ein mit Chloroform getränkter Schwamm in ein Nasenloch gesteckt. Nachdem das Tier einige Mal gewichen, trat die Narkose ein. Nach Beendigung der Operation wurde ein Verband angelegt und dann der Kops des Pferdes mit Wasser gekühlt. Nach kurzer Zeit richtete sich das Tier auf, und eine halbe Stunde später nahm es mit Appetit das ihm gereichte Futter.
(Fürstliche Einkommen.) Das tägliche Einkommen der europäischen Monarchen soll sich „Society" nach belaufen beim Kaiser von Ruß. land auf 120 000 »lL, beim Sultan auf 80 000 Mark, beim österreichischen Kaiser auf 50000 vlL, beim König von Italien auf 32 000 bei der Königin Viktoria auf ebensoviel, beim Kai,er von Deutschland auf 30 000 beim König von Belgien auf 8000 ofL Der Präsident von Frankreich hat ein tägliches Einkommen von 36 000 vlL und der der Vereinigten Staaten ein solches von 700 vlL
Ein neues Hotel in London. Das große Hotel „Cocil", zwischen Strand und der Thames Emlankment gelegen, geht seiner Vollendung entgegen. Es enthält lausend Zimmer und seine Kosten werden auf Lstr. 1 550 000 (^ 31 000 000) veranschlagt.
(Vom Exerzierplatz) Ein St. Galler Büblein schaut bei der Kaserne in St. Gallen dem Exerzieren zu, hört, wie der instruierende Offizier eine Fülle von sogenannten Kraftwörtern über die Mannschaft ausschüttet. Da tritt das vier- bis fünfjährige Knäblein zum Offizier hin, nimmt ihn, demokratischen Gefühles voll, am Aermel und sagt: Sie. Herr Offizier, Sie mönd nüd e so flueche, sus lerned's d'Soldate o!
(Mißverstanden). Herr: „Junge, laß das Pfeifen sein, ich kann's nun einmal nicht hören!" — Junge (der das letzte nur gehört): „Das thut mer herzlich leed, aber lauter kann ich Se weeß Kneppchen nich pfeifen."
(Zärtlichkeit.) Mann: „Na, Seppel warum ißt' denn net?" — Seppel: „Vatta, i kann nimmer!" — Mann: „Du Kerl, warum frißt' denn so viel, daß D' nimmer kannst?"
Telegramme.
Hof, 25. Novbr. Bei Modendorf sind gestern nachmittag 2 Knaben von 7 bezw. 9 Jahren heim Schlittschuhlaufen auf der Saale durch das Eis gebrochen. Ein hinzueilender 19jähriger Porzellanmalcr brach ebenfalls ein und ertrank, ehe Hilfe herbeikommen konnte. Die 3 Leichen sind noch nicht gefunden.
Tuttlingen, 25 Nov. Zum vierten Male seit einem Monat bräunte es in Trossingen am letzten Freitag auf Samstag. Es brannten 3 Wohn- und Oekonomiegebäude nieder. Der Schaden ist sehr bedeutend. Wieder muß Brandstiftung vermutet werden. Aus die Ergreifung des Brandstifters von der Gemeinde 500 ^ Belohnung ausgesetzt.
Paris, 25. Nov. Das Schwurgericht von Auxeres verurteilte den Notar von Chatellcensoir Lefranc wegen Vertreuung von 445 000 Frcs. zu 6 Jahren Gefängnis.
Paris, 25. Nov. Bei Calois in Korsika scheiterte gestern Nacht die Brügge „Giuseppe"; 5 Matrosen ertranken.
Petersburg, 24. Nov. Nach amtlichen Ausweisen erkrankten hier an Cholera und choleraartigen Krankheiten vom 20.—23. Nov. 14 Personen, von welchen 7 starben, im Gouvernement Wolhynien vom 27. Okt. bis 2. Nov. 439 bezw. 176, vom 3. bis 9. Nov. 368 bezw. 160; im Kreis Berdischew vom 27. Okt. bis 2. Nov. 41 bezw. 16 Personen; vom 3.—9. Nov. 77 bezw. 36 Personen.
Redaktion, Dvuck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.