Deutsches Weich.
Der dem Bundesrate zugegangene, umge- arbeitete Entwurf des Gesetzes über die Errichtung von Handwerkerkammern ist von der „Deutschen Wacht" in Dresden, welcher er „auf den Redaktionstisch gebracht" wurde, veröffentlicht worden. 8 1 umgrenzt die Aufgaben der Handwerkerkammern, § 2 bestimmt, daß die Kammerbezirke von den Landeszentralbehörden festzustellen seien. Der Bundesrat kann jedoch verfügen, daß die Einrichtung von Handwerkerkammern in solchen Bezirken, in denen bereits andere Institute für eine genügende Vertretung der Interessen des Handwerks bestehen, event. zu unterbleiben hat. § 3 behandelt die Maßnahmen zur Errichtung von Handwerkerkammern, desgleichen H 4. Im § 5 wird festgesetzt, daß wählbar als Mitglieder der Handels' kammern nur Personen sind, welche mindestens 30 Jahre alt sind und die ferner im Kammerbezirke mindestens seit einem Jahr lang ein Handwerk selbständig betreiben. 8 6 bezieht sich auf die Wahl von Ersatzmännern und 8 7 bestimmt, daß die Wahl auf vier Jahre zu erfolgen habe. 8 H enthält das Nähere über die Berechtigung zur Teilnahme an den Wahlen, 8 13 unterstellt die Handwerkerkammern der Aufsicht der höheren Verwaltungsbehörde und 8 14 betrifft die Bestellung von Regierungs- kommissaren; im Ganzen soll der Entwurf 17 Paragraphen aufweisen. Ob diese Mittest- ungen der „D. W." auf authentischen Grundlagen beruhen, muß zunächst dahingestellt bleiben.
In Berlin ist am 21. November die Kommission zur Beratung des neuen Handelsgesetzbuches zusammengetreten. Der Kommission gehören Juristen, Kaufleute und Industrielle an, aber keine Landwirte, da. wie die „Nordd. Allg. Ztg." hervorhebt, künftig für Nichlkauf- leute meist die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches an Stelle desjenigen des Handelsgesetzbuches zu gelten haben würden.
Berlin, 24 Nov. Die Konferenz zur Vorberatung des Entwurfs eines neuen Handelsgesetzbuchs setzte in ihrer Sitzung am Samstag die Beratungen fort. Die Artikel 13—18, 19 und 20 (Handelsfirmen) wurden durchberaten. Die Konferenz beabsichtigt, bis Ende nächster Woche bestimmte Abschnitte zu erledigen und sich dann auf kurze Zeit zu vertagen, um später wieder zusammenzukommen.
Der deutsch-französische Zwischen- fall in der marokkanischen Hafenstadt Casablanca, welcher dadurch herbeigeführt wurde, daß sich der dortige französische Konsul Farrieu schwere Eigenmächtigkeiten gegenüber einem deutschen Reichsangehörigen hatte zu Schulden kommen lassen, ist befriedigend beigelegt worden. Der deutsche Konsul v. Brück nahm sich auf die Kunde von den Amtsüberschreitungen Farrieu's sofort seines Landsmannes energisch an und setzte es gegenüber dem französischen Konsul durch, daß dieser schriftlich Abbitte leistete und dem Geschädigten eine Geldsumme als Sühne zahlte. Auch hat sich Mr. Farrieu zur Leistung eines besonderen Schadenersatzes bereit erklärt, dessen Festsetzung dem englischen Konsul über- tragen worden ist.
Mannheim, 20. Nov. In der letzten Versammlung des h>es. Vereins zum Schutze des Detailgeschäfts machte der Vorsitzende. Kaufmann Kern, die Mitteilung, daß der jüngst gegründete Verband selbständiger Kaufleute und Gewerbetreibender Badens die im vorigen Jahre wegen Besteuerung der Hausierer, Detailreisenden, Wanderlager, von hier und dem Verein Donaueschingen-Baar bei der Regierung eingereichten Petitionen bei dem gegenwärtigen Landtage wiederholt zur Vorlage bringen und, sobald der Reichstag Zusammentritt, die badischen Abgeordneten besonders ersuchen wird, bei den darauf bezüglichen Verhandlungen für die Interessen der seßhaften reellen Kleinhändler einzutreten, namentlich in der Richtung, daß gegen Verfehlungen wider das neu zu schaffende Gesetz über den unlauteren Wettbewerb die strafrechtliche Verfolgung in den Vordergrund gestellt und den Vereinen und Verbänden, auch wenn sie Korporationsrechte nicht besitzen, das Recht
zu Anzeigen und Anträgen auf strafrechtliche Verfolgung zugestanden werde.
Württemberg.
Die Deutsche Landwirtschafts-Ausstellung zu Stuttgart-Cannstatt 1896.
Seit neun Jahren macht es sich die deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft zur Aufgabe, jährlich eine große allgemein deutsche landwirtschaftliche Ausstellung zu veranstalten, welche abwechselnd in verschiedenen Gauen Deutschlands stattfindet. Frankfurt a. M., Breslau, Magdeburg, Straßburg, Bremen. Königsberg, München, Berlin und Köln waren von 1887 bis 1895 der Reihe nach die Stätten dieser großen Schauen, deren Zweck in erster Linie der ist, dem Gau, in welchem die Ausstellung stattfindet, Gelegenheit zu bieten, seine landwirtschaftlichen Leistungen vor ganz Deutschland zu entfalten, und ihm das beste vorzuführen, was auf landwirtschaftlichem Gebiete anderwärts geleistet wird; auf diese Weise also einerseits zum Fortschritt anzuregen, andererseits hervorragende Leistungen in weitesten Kreisen zur Geltung zu bringen Diese auf die Entwicklung des größten Gewerbes unseres Vaterlandes gerichteten Absichten der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft wurden verstanden und anerkannt, die beträchtlichen Opfer, welche die Gesellschaft für ihre Unternehmen brachte, begannen Früchte zu tragen, so daß heute die Wanderausstellungen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft überall, wo man sich für Landwirtschaft interessiert, selbst über die Grenzen des weiteren Vaterlandes hinaus, reger Teilnahme sicher sind.
Die zehnte Wanderausstellung wird vom 11. bis 15. Juni 1896 in Württemberg, dem »11. Gau" der Gesellschaft stattfinden, und zwar unmittelbar an der Grenze der Gemarkung der Hauptstadt des Königreichs, auf zu Cannstatt gehörigen Grundstücken, die der Gesellschaft teils von der Stadt Cannstatt, teils von den Militärbehörden, welche im Besitz derselben sind, in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurden. Daher die Bezeichnung der Ausstellung zu „Stuttgart-Cannstatt". Das ganze Gelände, eine Fläche von etwa 18 dg. beginnt an der prächtigen Karlsbrücke, welche Cannstatt mit Stuttgart verbindet, zieht sich am Neckar entlang, bis in den neuen Exerzierplatz und umfaßt somit den allen Württembergern wohlbekannten Volksfestplatz, den Cannstatter Wasen. Für einen Ausstellungsplatz ließe sich in Deutschland eine reizendere Lage wohl kaum finden, und auch die praktischen Vorteile desselben, das ebene freie Gelände, die mannichfache Verbindung mit der Hauptstadt, (Pferdebahn, elektrische Bahn und Staatseisenbahn) die Nähe des Bahnhofs, namentlich aber des Güterbahnhoss von Cannstatt, bieten alle Vorteile einer ausnahmsweise günstigen Lage. Die Platzfrage ist bei allen großen Ausstellungen eine der schwierigsten: Sie hat in Stuttgart-Cannstatt eine Lösung gefunden, die der zehnten Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts. Gesellschaft die besten Aussichten des Gelingens eröffnet.
Bietigheim, 21. Nov. In der Ber- sammlung des Gewerbevereins gab Prokurist Nagel einen leichtverständlichen Bericht über die Steuerreform. Ueber die Zweckmäßigkeit, die Vor- und Nachteile derselben für das Ge- werbe fand ein lebhafter Gedankenaustausch statt. Die Versammelten beauftragten den Redner, den Abgeordneten des Bezirks von ihrer Anschauung in Kenntnis zu setzen und demselben folgenden Beschluß mitzuteilen: Wir erklären uns im Großen und Ganzen mit der geplanten Reform einverstanden, verkennen aber gleichwohl nicht, daß bis zur gänzlichen Umgestaltung der Ertragssteuern dem Gewerbe eine neue Belastung entsteht. Wir erwarten, daß die Regierung veranlaßt werde, in möglichster Kürze diese Steuern einer gründlichen Reform zu unterziehen und der Ertrag derselben an die schwer belasteten Gemeinden und Korporationen überwiesen werde, sowie daß die Progression bei der Einkommensteuer nicht bei 15000 ^ aufhöre, sondern daß die größeren Einkommen entsprechend höher herangezogen werden.
Nagold. Zum Fremdwörterunwesen. Ein freundlicher Leser hat uns eine Nr. des „Gesellschafters" vom 1. Oktober ds. Js. übergeben, in welcher er sämlliche „Fremdwörter" angestrichen hat. Kuriosität halber haben wir dieselben abgezählt und nicht weniger als 410 herausgebracht. Wenn dies bei einem kleinen Blatt der Fall ist, wie groß mag da die Zahl der Fremdwörter in einem großen Blatt sein! Freilich müssen wir zur Erklärung beifügen, daß obige 410 Fremdwörter zum größten Teil aus sogenannten Lehnwörtern bestehen, d. h. aus solchen Wörtern, welche wohl aus fremder Sprache stammen, aber unserer Sprache so angeartet sind, daß sie als Fremdwörter kaum mehr auffallea z. B. Adresse, Fabrik, Lokal, Interesse, Karle rc. Immerhin aber ist die Verwendung der eigentlichen Fremdwörter wie Redaktion, Detail, Asyl rc. in unserem Sprachgebrauchs noch eine sehr große und ist deren Ersatz durch deutsche Worte vielfach so schwierig, daß trotz allen Versuchen und Anstrengungen seitens einzelner Sprachreiniger und ganzer Sprachvereine noch geraume Zeit vergehen dürfte, bis es ermöglicht wird, für alle diese „Fremdlinge" je ein gutes, deutsches Wort zu finden! (Ges.)
Marktpreise.
Neuenbürg, 23. November.
Butter, '/, Kilo.1.10—1.20
Landeier. 0.08—0.0S
Kisteneier ... 2 Stück 13 1 Stück 7
Pforzheim, 23. November.
Landbutter, V, Kilo.j 0.95 1.—
Süßrahmbutter.«-L 1.10—1.20
Landeier 2 Stück.14—15 ^
Kisteneier, 2 Stück. 12—14 ^
Stuttgart, 23. November.
Saure Butter, Vr Kilo. 1.—
Süße Butter, Vr Kilo . . . . »kL 1.10—1.20
Frische Eier 10 Stück . 70 ^
Kalkeier, 10 Stück. 60
Ausland.
Rußland fährt mit bemerkenswerter Energie fort, seine Flotte zu vermehren. Am Donnerstag fanden auf den Petersburger Werften der Stapellauf des Hochsee-Kanonenbootes „Kweralry" und des Schulschiffes „Besny", sowie die Stapellegung zu dem Hoch- sec-Panzerschiffe „Odiabia" und zu dem Panzer „Perevet" statt. Der Zar und die sämtlichen in Petersburg anwesenden Großfürsten wohnten allen diesen maritinen Akten bei.. — Dem am 21. November ausgegebenen amtlichen Bulletio zufolge ist der Zustand der Kaiserin Alexandra Feodorowna uud der Großfürsten Olga fortgesetzt vollkommen zufriedenstellend.
Petersburg, 23. Nov. Die Taufe der Großfürstin Olga Nckolajewna findet am 26. d., am Geburtstage der Kaiserin Witwe, dem Jahrestage der Vermählung des Kaiserpaares, statt. — Der Kaiser besuchte gestern in Begleitung des Generaladmirals das in Petersburg eingetroffene, in England gebaute Torbedoboot Sokol, das zu den schnellsten Schiffen der Welt gehört. Der Kaiser besichtigte das Schiff aufs eingehendste.
Die Einmütigkeit des Vorgehens der Mächte gegenüber den Wirren in der Türkei ist nun auch vom ungarischen Ministerpräsidenten Baron Banffy in Erwiderung der von Helfy imAbgeordnetenhauseeingebrachtenJnterpellatiou festgestellt worden. Inzwischen versichert das Nämliche auch die offiziöse „Russische Tele- graphen-Agentur", gleichzeitig läßt sie hierbei aber durchblicken, daß Rußland von den Vorschlägen des Grafen Goluchowski absehe, was beinahe darauf hindeutet, daß sich Rußland bei der gemeinsamen Behandlung der orientalischen Wirren ein Hinterthürchen offen halten will. Viel Beachtung in der europäischen Tagespreffe findet die zu Brighten gehaltene jüngste Rede Lord Salisburys über die Lage in der Türkei, namentlich, weil der englische Premier hierbei wider allen diplomatischen Brauch den an ihn gerichteten Brief des Sultans zur Verlesung brachte. Was die fortgesetzte Botschafter-Konferenzen in Konstantinopel anbelangt, jo haben an einer der letzten derselben neben den Vertretern der sechs europäischen Großmächte auch diejenigen Spaniens und Nordamerikas teilgenommen. Die Botschafter Oesterreich-Ungarns,