Kriegschronik 1870/71.
23. November 1870.
Der Berfa ssungsverlrag mit Bayern kommt in Versailles zu Stande, wohin sich dessen Minister von Bray, v. Lutz und v. Pranckh dieserhalb begeben hatten.
Das Königreich Bayern tritt dem deutschen Reiche bei.
An demselben Tage fortgesetzte Beschießung von Thionville, gegen welches 76 Geschütze gerichtet sind. Die Stadt brennt.
Der Großherzog von Mecklenburg setzt seinen Vormarsch fort. Rekognoszierungs-Gefechte finden bei Neuville, Bois Commun und Nai- zisres statt.
General von Treskow wirft den Feind aus seinen Positionen vor Belfort und schlägt einen Ausfall zurück.
24. November 1870.
Der Vertrag zwischen dem norddeutschen Bunde und Bayern wird in Versailles unterzeichnet.
Eröffnung des Reichstags des norddeutschen Bundes m Berlin durch Staatsminister Delbrück.
Die Festung Thionville kapituliert.
800 Geschütze genommen und 4000 Gefangene wurden gemacht.
Voigts-Rhetz schlägt einen großen Teil der französi» schen Loire-Armee unter Aurelle de Paladines bei Beaume-la>-Rolande.
Psalzburg wird bombardiert.
25. November 1870.
Militär-Konvention Preußens mit Baden.
Vertrag und Militär-Konvention mit Württembergs
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Die Schulstelle in Oberkollbach, Bez. Calw, wurde dem Unterlehrer Albert Müller io Schwann; die in Sprollenhaus dem Unterlehrer Hermann Häberlin in Hausen, Bez. Brackenhcim Neipperg; die 2. Schulstelle rn Bonlanden, B.z. Plieningen, nachdem Schullehrer Eisenmann in Conweiler seinem Ansuchen gemäß derselben enthoben worden, dem Unterlehrer Kraft in Hermaringen, Bez. Heiden- heim-KönigSdronu übertragen.
Neuenbürg, 25. Novdr. Gestern fand in der hiesigen Siadlknche die feierliche AmtSeinsetzung unseres neuen Dekans und Sladipfarrers Uhl statt. Im vorangehenden Gottesdienste begrüßte derselbe die Gemeinde m herzlichen Worten und versprach, feine ganze Kraft zur Erjüllung seiner neuen schweren Aufgabe emzujetzen, dabei gelte ihm aber: „An mir und meinem Leben ist nichts auf dieser Erd', Was Christus mir gegeben, das ist der Liebe wert". Der Geistliche beantwortete nun die drei Fragen: Wer zeigt uns den Weg durch das Dunkel der Welt? Wer schenkt uns Freudigkeit zu mutigem Thun? Wer reicht uns Trost zu geduldigem Leiden? und wies hin auf Jesum Christum, der auch ihm Mittelpunkt seine Predigt sein werde. Prälat Dr. v. Wittich betrat nun den Altar zur feierlichen Handlung und gedachte zuerst des verstorbenen Dekans Cranz, der in dem neuen Stadlpfarrer einen würdigen Nachfolger bekomme. Auf schweren Posten habe sich der neue Hirte schon erprobt und werde auch in Neuenbürg seine Manns- und Christentüchtigkeit bewähren. Die Gemeinde möge ihm deshalb mit Vertrauen und Liebe, deren der Geistliche bei seinem schweren Amte so sehr bedürfe, entgegen- kommcn Mit einem aus bewegtem Herzen kommenden: „Ja, mit Gottes Hilfe", gelobte Dekan Uhl seine Pflichten treu und gewissenhaft zu erfüllen und verlas nun seinen Lebenslauf. Hierauf begrüßte ihn namens der Diözese, Dekanatsverweser Seeg er von Birkenseld als Mitarbeiter am Werke des Herrn und rief ihm zu, er solle handeln nach dem Wort: „Am Himmel hänge ich. den Menschen diene ich." Als langjähriger Freund erinnert ihn Dekan Dr. Kolv an den Text, den er ihm vor 11 Jahren an seiner Hochzeit auf den Weg habe geben dürfen: „Freuet euch in dem Herrn allewege. Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Menschen" und an seinen LieblingsverS: „Da bist du mein Heil kommen und hast mich froh gemacht." Stadtschultheiß Stirn wünscht dem neuen Stadtpfarrer den Segen des Herrn für Haus und Familie, Kirche und Schule, und Forstrat Graf Uxkull ruft ihm zu, Gott möge ihm ein allezeit unverzagtes Herz schenken. Mit der Erteilung des Segens durch den Generalsuper-
> intendenten schloß die erhebende Feier. — ! Während des im Gasthvf z. Bären abgehaltenen ^ Festessens erhob sich Prälat v. Wittich, um den neuen Dekan auch hier zu begrüßen. Er habe ihn eine zeitlang auf seinem Berufswege begleiten dürfen und freue sich auf's neue mit »hm in amtliche und auch freundschaftliche Beziehungen treten zu können. In dem enzdurchflossenen, schloßgekrönteu und waldumgebenen Städtchen gefalle es ihm immer, und stets habe er gute Eindrücke mitgenommen. Ec wünsche nur. daß der neue Stadlpfarrer hier bald heimisch werden und sein Zusammenarbeiten mit Gemeinde und Diözese ein gesegnetes iein möge. Dekan Uhl dankte für das freundliche Entgegenkommen des Prälaten wie auch der Gemeinde. Daß er von drm Orte feiner früheren Wirksamkeit, dem Waffenplatz Oberndorf, nun zu Sensenarbeitern komme, sei ihm eine gute Vorbedeutung im Hinblick auf das Prophetenworl, nach dem einit in der goldenen Friedenszeit die Schwerter in Pflug scharen und die Spieße in Sicheln verwandelt werden sollen. Möchte von diesem Frieden auch während seiner hiesigen Wirksamkeit etwas zu verspüren sein. Das Wappen Neuenbürgs, der Turm oder die Burg, erinnere ihn an Psalm 46: „daß die Stadt Gottes fest gegründet" fei. Mit dem Wunsche, daß die Diözese Neuenbürg stets ein würdiges Glied der Landeskirche bleiben möge, brachte er dem Vertreter der letzteren sein Glas. Dekan Dr. Kolb gedenkt der ihm befreundeten Familie Uhl und verleiht der Hoffnung Ausdruck, daß die angegriffene Gesundheit der Frau Dekan in der herrlichen Schwarzwaldluft sich kräftige. — Möchten all' die ausgesprochenen Wünsche und Hoffnungen in Erfüllung gehen!
** Neuenbürg. Kaum 4 Wochen sind es her, daß der hiesige Turnverein seinen Kassier verloren hat und schon wieder droht ihm ein herber Verlust Der langjährige GesangSdirigent des Vereins, Hc. Reallehrer Geiger verläßt Ende d. Mts. unsere Stadt, um seinen Wirkungskreis in Heilbronn anzutreten. Zn Ehren desselben veranstaltete der Turnverein am Samstag abend in der alten Post eine A v s ch i edsfeie r. Die zahlreiche Beteiligung von seiten der Turn- vereinsmitglieder und sonstiger Freunde gaben Zeugnis von der Beliebtheit des Scheidenden. Zuerst ergriff Vorstand Bogt das Wort. Er dankte in beredten Worten dem Scheidenden für seine viele Mühe, die er sich mit dem Verein gegeben habe und führt u. a. aus, daß wir cs nur dem Hrn. Reallehrer zu verdanken haben, daß der Turnverein jetzt einen so geschulten Sängerchor besitze. Die in den letzten Jahren gegebenen Konzerte und sonstigen Veranstaltungen gaben Zeugnis von der Tüchtigkeit und Aufopferung seines Dirigenten. Zum Schluß wünschte er ihm namens des Vereins für sein und seiner Familie ferneres Wohlergehen Glück. Als zweiter Redner trat der Gesangvereinsoorstand Heisig auf, um dem Scheidenden für seine aufoplerungs- volle Thätigkeit während seiner 4'/r jährigen Dirigentenzeit zu danken. Er führte insbesondere aus, wie der verehrte Dirigent weder Zeit noch Mühe gespart habe, die jungen Sänger heran- zubilden, nichts sei ihm zu viel gewesen, davon gebe Zeugnis, daß er, wenn es sich um die Abhaltung eines Konzerts oder einer sonstigen Veranstaltung handelte, sogar seine Sonntagnachmittage dem Verein geopfert habe. Zum Danke hiefür und zur bleibenden Erinnerung an den Turnergesangverein überreichte Heisig namens des Vereins einen silbernen Pokal. Hieraus erhob sich der Scheidende und dankte gerührt für das ihm gespendete Lob und für die ihm erwiesenen Ehrungen; erjagte, wenn er nur einen kleinen Teil des ihm gespendeten Lobes verdient habe, so sei er glücklich. Des weiteren führte er aus, wie gern er jederzeit in seinem Turnergesangverein gewirkt und mir seinen Sängern verkehrt habe, durch ihre große Opferfreudigkeit und ihren Eifer haben sie ihm sein Dirigenlen- amt leicht gemacht. Er ermahnte die Sänger und Turner in ihrem Eifer fortzufahren und stets treu zusammenzuhalten, denn der Zusammenhalt sei die Hauptsache. Die großen Erfolge desjVercins in den letzten Jahren haben gezeigt, daß das alte Sprichwort „Einigkeit macht stark" das einzig richtige sei, er wünsche, daß jeder sich
l dieses Sprichwort zum Wahlspruch nehme, dann ' werde der Verein auch fernerhin gedeihen und blühen. Mit diesem Wunsche und mit der Bitte auch unter dem neuen Dirigenten. Hrn. Lehrer Vollmer, gleich eifrig zu sein, schloß er mit einem Gut Heil. Durch die schönen Klaviervorträge des Hrn. Reallehrers, die letztmals unter feiner Direktion gesungenen schönen Lieder, abwechselnd mit den gelungenen, humoristischen Vorträgen des Vereinskomikers Fritz Höhn gestaltete sich der Abend zu einer schönen, jedem Teilnehmer im Gedächtnis bleibenden Feier. Zum Schluß rufen wir dem Scheidenden und seiner werten Familie ein herzliches Lebewohl zu
Neuenbürg, 25. Nov. Die Brandfälle in den Bezirksorten haben sich in den letzten Wochen bedauerlicherweise wiederholt. Nachdem erst am letzten Mittwoch in Conweiler das von 3 Familien bewohnte Haus des Sägers Berweck abgebrannt ist, brach am gestrigen Sonntag früh 4 Uhr wieder in Schwann, in dem, dem Bauern Philipp Treiber und dem Rechenmacher ^eiler gehörenden Wohn- und Oekonomiegebäude Feuer aus. In kurzer Zeit lagen deren zusammengebaute, reichlich mit Futter- oorräten angefüllte Scheuern, sowie die anstoßende Wohnung des Feiler in Asche. Das an die Feiler'sche Behausung angebaute Wohnhaus des Philipp Treiber wurde zum größten Teil gerettet. Da das Feuer bet der Entdeckung schon zu weit vorangeschrilken war, mußten zwei schöne Kühe dem verzehrenden Element zum Opfer gelassen werden. Einer der Abgebrannten, Ludwig Feiler soll nicht versichert sein. Ueber die Entstehungsursache herrscht bisweilen noch geheimnisvolles Dunkel.
Neuenbürg. Um das heutige Blatt noch rechtzeitig zur Ausgabe zu bringen, müssen wir die etwas zu spät übergebenen Einsendungen betr. das Liederkranzjubiläum für die nächste Nummer zurücklegen. Die Red.
Calw, 23. Nov. Da das hies. Oelgas- werk nicht mehr den Anforderungen entspricht, die man in unserer Zeit an eine gute Beleuchtung stellt, so legt diese Sachlage der städtischen Verwaltung die Frage nahe, sich nach dem Vorgang anderer Srädte mit der Herstellung eines Elektrizitätswerkes zu beschäftigen, durch welches eine gute Beleuchtung gewonnen und die Abgabe von Kraft an Gewerbetreibende ermöglicht würde. Es werden daher in dieser Frage von den bürgerlichen Kollegien zur Zeit eingehende Erhebungen angestellt, welche den Zweck haben, die Be- leuchtungsfrage sowohl im Interesse der städtischen Verwaltung als der bei der Beleuchtung und der Kraftabgabe Beteiligten einer baldigen Lösung entgegentühren. — Für die hiesige Stadt wurden nun auch die Quarlaltermine für Hausmiete- und Dienstbotenverträge verändert und von den Kollegien die Einführung der Kalender. Quartaltermine 1. Jan., 1. April, 1. Juli und 1 . Okt. auf 1. Jan. oder 1. April 1896 beschlossen.
Pforzheim, 23. Novbr. Am letzten Donnerstag fand in Besenseld ein Treibjagen auf Hirsche statt, wobei ein Alttier zur Strecke kam. welches aufgebrochen 149 Pfund wog. Es ist seit Menschengedenken kein Tier von dieser abnormen Größe erlegt worben und verdient noch außerdem der Umstand sehr anerkennend erwähnt zu werden, daß das Tier in voller Flucht durch einen wohlgezielten Kugelschuß dicht hinter das Blatt getroffen wurde und un Feuer zusammenbrach. Der glückliche, vortreffliche Schütze ist ein hiesiger Herr, welcher als tüchtiger, braver Jäger bekannt ist und in dieser Jagdsaijon schon mehrfach Glück mit seltenen Abnormitäten hatte. Wir rufen demselben ein herzliches Waidmannsheil zu.
P f o r z h e i m, 23. Nov. Eine am Stickel- häldenweg wohnhafte 48 Jahre alte frühere Kellnerin wurde gestern Vormittag beim Milch- holen in einem Haus der Eutingerstraße plötzlich vom Schlag getroffen und starb sofort. Als sie von zwei Leichenträgern nach der Leichenhalle im Friedhof befördert werden sollte, traf plötzlich in der Nähe des Felsenkellers auch einen der beiden Träger, einen älteren verheirateten Mann namens Hief, der Schlag, so daß er alsbald verschied. Gewiß eine seltsame Verkettung der Verhältnisse.