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NUN volle 25 Jahre als Sänger dem Verein an­gehören und bis heute dem deutschen Volkslied treu geblieben sind. Der dritte Jubilar im Bunde (Aug. Essig) hat erst vor wenigen Wochen das Zeitliche gesegnet, nachdem er noch am 18. August, an dem Tage, wo das Jubiläum statlfinden sollte, einer geselligen Unterhaltung auf dem Münster anwohnen konnte. Der Lieder- Iranz will sein Fest nicht mit großem Pomp ab­halten, vielmehr möchte er die Feier mit seinem alljährlichen Novemberlränzchen verbinden, nach­dem von einer besonderen Feier im August d. I. mit Rücksicht auf die allgemeine Feier der fünf­undzwanzigsten Wiederkehr des Tages von Sedan Abstand genommen wurde.

60 Jahre sind eine lange Zeit; es möge daher Manche interessieren, über die Gründung und aus der Geschichte des Liederkranzes weniges zu erfahren. Als älteste Urkunde besitzt der Verein einAktum" vom 12. Februar 1836 betr. die Plenarversammlung der 6 Monate zuvor gegründeten Gesellschaft Lieder­kranz Neuenbürg. An diesem Tag und weiter am 30. April 1837 wurden die von einer Kommission sorgfältig ausgearbeiteten Satzungen von folgenden Mitgliedern unterschriftlich aner­kannt: Karl Chrn. Fr. Meeh (Geschäftsführer der Gesellschaft), Karl Fr. Groß, Joh. M. Genßle, Gottlob Goßweiler, Ludwig, Knapp, Bub, Karl Wilhelm, Gustav Renz, Philipp Silbereisen, Memel, Horst, Kaiser. Ernst Lutz, Gentner (Ober- amtmann), Franz Anton Erat, Johann Müller, Friedrich Krauß, Friedr. Bohnenberger, Freuden­reich , Wilhelm Lustnauer, Friedrich Müller, Christian Genßle, Johann Bender, C. Mann­weiler, Christian Schnepf. Der Zweck des Vereins ist in § 1 klar ausgesprochen:Die Gesellschaft Liederkranz hat sich vereinigt, um sich durch Gesang zu vergnügen, um den Volks- gesong durch Mehrstimmigkeit und Verdrängung schlechter Lieder und Melodien zu veredeln und solchen in seiner Veredelung zu verbreiten; auch im Interesse des Kirchengesanges sein Möglichstes beizutragen, da die Einführung der Vierstimmig- keit längst als BedüHn^ der neueren Zeit er­schienen und anerkannt ist." Die ersten Chöre, welche unter der Direktion des Hrn. Schulmeister Kaiser eingcübt wurden, waren:Die Sonn er- wacht" undIm Wald, im frischen grünen Wald" aus Pretiosa von C. M. v. Weber. In letzterem Liede wurden die Solostellen in der Ferne ge­sungen. *

In den vierziger Jahren kamen noch zu dem Häuflein Sänger: Fr. Blaich, Mich. Höhn, Jak. Meeh, Chrn. Pet. Finkbeiner, Chrn. Knöller, Chrn. Metzger, Chrn. Finkbeiner, Dieterlen, Faulhaber, Phil. Hummel, M. Hummel, Läpple, Keller, Kieser, Mahler, Fritz Meeh, Karl Schnepf, Stiegelbauer, Wagner, Wurst, Moriz Weiß. Anno 1843, also 8 Jahre nach der Gründung gab sich der Liederkranz aus Beiträgen oben ge­nannter Mitglieder und weiterer Freunde eine Standarte, um deren Herstellung sich Karl Wilhelm und Jakob Meeh besonders verdient machten. Sie dient heute noch als Bereins- banner, nachdem sie vor nun 9 Jahren eine notwendige Auffrischung erfahren hat, und wenn man auch manchmal Stimmen hören konnte, die meinen, diese alte Standarte sei ihrer bescheidenen Fotzn wegen nicht mehr zeitgemäs und sollte deshalb notwendig durch eineneue" ersetzt werden, so betrachtete es die Mehrheit des Vereins bislang doch nicht als Erfordernis, eine kostspielige Fahne anzuschaffen und Fahnenweihe zu halten, obwohl man mit Veranstaltung einer Fahnenweihe" dem modernen Zug und dem Beispiel einer großen Zahl anderer, vielfach kleinerer Vereine folgen würde. Der Verein möchte eben mit seinen Mitteln in erster Linie die Zwecke des Gesangs fördern. So besitzt er Neben einem sehr reichen Musikalien-Material seit mehreren Jahren ein Klavierinstrument. Der Liederkranz will also in seiner Standarte das Alter ehren, unbekümmert um da und dort leicht hingeworfene Neckereien. Doch wir sind dem Gang der Dinge vorausgecilt. In dem achtundvierziger Sturmjahr und in den nächst­folgenden Jahren hatte auch der Liederkranz eine Krise zu bestehen, es gab Vorstands- oder Dirigenten-Wechsel und es entstanden durch Ver­

lust mehrerer Sänger Lücken. Im Jahr 1856 trat wieder regeres Sängerleben ein, ja es tauchte für kurze Dauer ein Liederkranz Nr. 2 auf. Der alle Verein konnte am 10. November 1859, dem 100jährigen Geburtstag Friedrich Schillers, des großen deutschen Sängers, eine würdige Feier veranstalten, wie dies in vielen Städten der schwäbischen Heimat geschah. Der Ertrag dieser Schillerfeier nn oberen Saale des Gasthofs zumOchsen" war zur Errichtung eines Fonds unter dem NamenSchillerstiftung" bestimmt, womit eine Bibliothek geschaffen werden konnte, um Gesellen und Lehrlingen Gelegen­heit zu geben, in bestimmten Lokalen sich durch Lesen nützlicher und anregender Bücher zu be- schäftigen. Wie der Liederkranz bei allen patrio- tischen Anlässen aus dem Plane steht, so beteiligte er sich auch am 18. Oktober 1863 an der Feier der 50jährigen Wiederkehr des Tages der Völker­schlacht bei Leipzig in hervorragender Weise. Kurz zuvor beschloß das hiesige Gemeinde­kollegium dem Licderkranz in Anerkennung seiner Mitwirkung bei öffentlichen Feierlichkeiten eine Büste Uhlands anzuschaffen, welches Geschenk mit dankbarer Freude ausgenommen wurde. Die Jahre vergingen; es kam die Zeit, wo gesungen wurdeSchleswig-Holstein meerumschlungen"; die Aufzeichnungen über die Vereinsthätigkeit sind oft lückenhaft, wenn nicht da oder dort unterbrochen. Einzelne Namen stehen aber in der Chronik des Liederkranzes besonders ver- zeichnet: es sind dies die mehrerer HH. Be­amte« der Stadt, die dem Verein als Gönner zugethan waren, voran Dekan M. Eisenbach, dessen Anhänglichkeit die Sänger durch ein alljährliches Ständchen an seinem Geburtstage anzuerkennen wußten; ebenso war es Verwalter Fr. Loos, der. eine Zeit lang aktiv, den Lieder­kranz als patriotischen Verein, in jeder Weise ehrte und unterstützte. Unerwähnt darf auch nicht bleiben der Ausflug des Neuenbürger Liederkranzes ins bad. Oberland und nach Straß- bürg i. E., welcher Ende Juni 1868, wenige Tage nach Eröffnung unserer Enzthaleisenbahn vor sich ging. Die damaligen Erlebnisse auf der Reise dahin, wo namentlich der Dirigent Hafner in Appenweier in einen Zug stieg, der vor den Augen der Sänger nach einer ganz andern Richtung abdampfte, weiter die Erlebnisse in der damals noch welschen Stadt, sind heute noch den alten Mitgliedern in lebhaftem Ge­dächtnis und bildeten unter ihnen schon manches­mal den Unterhaltungsstoff. Niemand von ihnen dachte damals daran, daß die stolze Stadt zwei Jahre darauf wieder in deutschen Besitz kommen würde. Es kam 1870/71, von wo an der Verein Gelegenheit fand, sich an den jährlichen Gedenkfeiern der großen Kriegsereignisse zu be­teiligen. Jede Gesellschaft von langem Be­stände hat Zeiten des Aufschwungs und Zeiten des Niederganges. Dieser Wechsel hängt teils mit dem Abgehen belebender und treibender Per­sönlichkeiten , teils mit den allgemeinen Zeit- Verhältnissen zusammen. Es mag auch oft ein gewisser Schlendrian und einige Teilnahmlosig- keit eingetreten sein. Während aber die Diri­genten mit der Besetzung der Schulstellen im Laufe der Jahre öfters wechselten, hatte der Liederkranz das Glück, in seinem Vorstande Jakob Meeh, der nahezu 40 Jahre unentwegt an der Spitze stand und der so ein Stück Ge­schichte mit dem Verein erlebte, einen verdienten Leiter und warmen Freund zu haben. Das Jahr 1881/82 brachte dem Verein neue zeitge­mäßere Statuten, welche ihm heute noch zur Grundlage dienen. Die Gesangsübungen mußten aber bald darauf wegen Dirigentenmangels un­liebsame Unterbrechung erleiden, bis im März 1885, also in dem Jubeljahr des 50jährigen Bestehens, der jetzige technische Leiter unter der gegenwärtigen Vorstandschaft den Dirigenten­stab ergriff. Es begann darauf eine Zeit eifrigster Pflege des Gesangs, so daß sich der Verein bei verschiedenen Konzerten und abermals bei den patriotischen Feiern mit einer Reihe schöner, neuer Chöre hören lassen konnte. Man erließ nun im Jahre 1886 Einladungen, um Freunde des Gesangs als passive Mitglieder zu gewinnen, der Liederkranz hielt andererseits darauf, seinen Freunden alljährliche Unterhaltungen zu bieten,

so die Weihnachtsfeiern, welche er früher als ältester Verein mit dem Schützenverein jeweils am Stephanstage veranstaltete, wieder aufleben zu lassen, auch regelmäßig im November ein Kränzchen abzuhalten. Der Verein erfreut sich einer regen Beteiligung, bäufig lesen wir von' Neuaufnahmen, selten von Austritten. Die nicht­singenden Mitglieder stehen ihm mit finanzieller Unterstützung in dankenswerter Weise zur Seite. Am 19. August des Jahres 1891 wurde dem Liederkranz eine liebenswürdige Schenkung von 500 Mark zum Andenken an sein verstorbenes früheres Mitglied Hch. Bleyer zu Teil, wodurch der Verein finanziell so günstig gestellt wurde, daß er den Zwecken des Gesangs in erwünschtem Maße gerecht werden kann/ Einem Zug der Zeit folgte der Liederkranz damit, daß er sich schon im Jahre 1857 dem Schwäb. Sängerbund anschloß und diese Mitgliedschaft heute noch auf­recht hält. Der Verein konnte es im Juli 1892 auch wagen, erstmals beim 23. Schwäb. Sänger­bundsfest zu Reutlingen sich am Wettgesang, wenn auch mit wenig Glück, zu beteiligen. Im Jahr 1889 HM der Liederkranz auch dem neu- gegründetenW« - Nagold - Gausängerbund bei, welcher die Beteiligung an den Gausängerfesten mit sich brachte>»«id wobei der Verein wieder­holt mit Ehren bestand. Da die Zulassung zum Wettgesang von der Einübung einer Reihe obli­gatorischer Chöre abhängig gemacht wird, so galt es solche neben den Preisliedern tüchtig einzuüben. Der Gesangverein vermehrte dadurch seinen Liederschatz in vorteilhafter Weise.

So hat sich der aus freiem Trieb von hiesigen Gesangsfreunden gebildete Liederkranz die lange Reihe von Jahren der Pflege des Gesangs gewidmet; er hat seine Herkunft nie verleugnet; bei patriotischen Festen und lokalen Ereignissen hat er stets milgeholfen, er war in Freud und Leid, zum Lied bereit", er hat ge­sungen zum Preis des Vaterlandes, zum Lobe der Stadt, an den Gräbern hiesiger Mitbürger und zur Verherrlichung irgend welcher Feierlichkeiten, ob immer mit Erfolg, das zu behaupten, wäre vermessen; aber stets aus treuem gutem Bürger­herzen das steht fest.

Nun begeht er sein demantenes Stiftungsfest und er möchte an diesem Tage in erster Linie seine alten Sänger um sich sehen; sie wie alle aufrichtigen Freunde seien hiemit herzlich dazu eingeladen. Noch ist von der altehrwürdigen Vereinsstandarte zu sagen, daß sie erst kürzlich, es war am Sedansfest den 1. September d. I., einen hübschen Schmuck erfahren durfte, dadurch, daß ein Sänger (Kfm. Osk. Martz), der in der Zeit seines hiesigen 5jährigen Aufenthalts eifriges Mitglied war, ein Fahnenband stiftete. Das­selbe erregte lebhafte Freude; es trägt, von Frauenhand gestickt, den Sängerspruch des Vereins:

Grüß Gott mit Hellem Klang,

Heil deutschem Wort und Sang!"

Möchte der Verein allezeit seinem Ideale getreu bleiben, die Pflege des deutschen LiedeS hochzuhalten. Eins ist ja geblieben in allem Wechsel der Zeiten, die Liebe des deutschen Volkes zu unserer Sangeskunst, die Freude unserer liederfrohen schwäbischen Bevölkerung am Gesänge, der edle Gesittung fördernd, alles Ideale im Menschengeiste weckend, alle Gegensätze des Lebens mildernd und versöhnend wirkt.

Deutsches Lied und deutsche That

Sei gepriesen früh und spat.

Pforzheim, 18. Nov. Die evangelisch­sozialen Arbeitervereine Badens hielten Sams­tag, Sonntag und heute hier ihre Delegierlen- Versammlung ab, welche aus allen Teilen des Landes zahlreich beschickt war. Auch aus Württemberg waren Gäste anwesend. Konstatiert wurde die zunehmende Ausbreitung der christlich­sozialen Bewegung, die trotz ihrer Jugend die Gemüter schon mächtig erregt habe. Wie seit­her, so soll auch in der Zukunft die Sozial­demokratie durch energische Gegenagitation be­kämpft, nichtsdestoweniger aber für notwendige soziale Reformen ohne Scheu eingetreten werden. Die Maßregelung christlich-sozialer Geistlichen wurde scharf getadelt. Gestern abend fand eine massenhaft besuchte gesellige Veranstaltung statt