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sicherten, nämlich solche, welche von der lieber, einkunft keinen Gebrauch machten und deshalb den etwaigen Nachschuß selbst zu tragen, aber auch keinen Anspruch auf Annahme zur Ver­sicherung hatten, und solche, welche in Gemäß­heit der Uebereinkunft den 30°/»igen Zuschlag auf sich nahmen und hiedurch den Anspruch auf Versicherung und auf Entlastung des Nachschuß, fonds erlangten. Nach dem vorläufigen Ge­schäftsergebnis der Norddeutschen Hagelversicher- ungsgesellschaft von 1895 ist in Württemberg, trotzdem die Uebereinkunft erst so spät in Wirk- sämkeit getreten ist, eine sehr erhebliche Zunahme der Versicherung zu verzeichnen. Es ist gegen­über dem Vorjahr die Versicherungssumme ge­stiegen von rund 15V, Millionen auf rund 24 Millionen, also um 8Vr Mill. Mark. Aus dieser Versicherungssumme waren zu bezahlen 175820 Mark Neltovorprämie, wovon entfallen auf die nach der Uebereinkunft Versicherten 56 499 40 also rund der dritte Teil. Der hieraus zu zahlende 30°/»ige Zuschlag für die beiden Fonds beträgt sonach 16 949 ^ 52 L, von welcher Summe Vs mit 11299 ^ 68 dem Nachschußfonds, Vs mit 5649 84 L dem

Präcipualleistungsfonds zugeflossen sind. Da die Norddeutsche Hagelversicherungsgesellschaft in diesem Jahr wieder, wie in den drei Vor­jahren, sich in der glücklichen Lage befindet, keine Nachschußprämie erheben zu müssen, so wird der württembergische Nachschußfonds, welchem der Staatsbeitrag von 160 000 vkL und der ange- führte Zuschlag mit 11 299 68 also zus.

171299 68 angcfallen sind, nicht in An»

spruch genommen und geht in vollem Betrag auf das nächste Jahr über. Dieses günstige Ergebnis verdanken die württ. Versicherten dem Anschluß an ein weites Versicherungsgebiet, denn in Württemberg selbst waren leider die Hagel» schäden nicht unbeträchtlich höher als die bezahlten Vorprämien. Es steht nämlich der Vorprämie sämtlicher württembergischer Versicherten von 175 820 Mark eine Bruttoschadensumme von 291912 Mk. 16605°/» und der Vorprämie der in Gemäßheit der Uebereinkunft Versicherten von 56 498 Mk. ein Bruttoschaden von 163 810 Mark 290°/» gegenüber. Da hienach der Schaden in Württemberg mehr als 150°/» der Vorprämie beträgt, während er sich in dem übrigen Versicherungsgebiet der Gesellschaft nur auf 99,34°/» beläuft, sind die Voraussetzungen für den Eintritt der Präcipualleistung gegeben, und es muß deshalb der bezügliche Fonds seinen Bestand mit 5649 Mk. 84 L an die Versicher­ungsgesellschaft abgeben.

Tuttlingen, 15. Nov. Manche der hie- sigen Hausbesitzer haben die elektrische Leitung über ihre Gebäude nicht gestattet, wegen der Befürchtung als könnte dadurch der Blitz ange­zogen werden, oder ein Einfluß auf die Nerven und das Wohlbefinden der Einwohner hervor- gerufen werden. Das Elektrizitätswerk wider- legt diese Befürchtungen aus einer Rede des Staatssekretärs Dr. Stephan, aus welcher her- vorgeht, daß nach der Statistik weder Blitzschlag noch eine Einwirkung auf die Nerven durch elektrische Leitungen die über den Gebäuden hin­führen, beobachtet wurden. Ueber die Zuver­lässigkeit dieser Erfahrungen bestand übrigens in sachverständigen Kreisen längst kein Zweifel.

Weinsberg, 16. Nov. Bei der Ober­amtssparkasse hier wurde gestern ein falscher Fünfzigmarkschein einbezahlt. Derselbe wurde sofort als solcher erkannt und angehalten. Die Anwendung äußerster Vorsicht bei Annahme von Papiergeld ist daher dringend geboten.

Marktpreise.

Neuenbürg, 16. November.

Butter, V- Kilo .^0.800.95

Landeier. ^L 0.080.09

Kisteneier ... 2 Stück 13 1 Stück 7

Pforzheim, 16. November.

Landbutter, V, Kilo .-4L 0.90 1.05

Süßrahmbutter.-4L 1.101.20

Landeier 2 Stück .1415 ^

Kisteneier, 2 Stück .1213 ^

Stuttgart, 16. November.

Saure Butter, V? Kilo. 1.

Süße Butter, V, Kilo .... -4L 1.101.20

Frische Eier 10 Stück . 70 ^

Kalkeier, 10 Stück . 60 ^

Ausland.

Die Lueger-Affaire scheint der neuen österreichischen Regierung doch schwerer im Magen zu liegen, als sie selber bis jetzt zuge­geben hat. So hat Ministexpräsident Graf Badern in der Donnerstagsitzung des Budget- Ausschusses des Abgeordnetenhauses die Nicht- bestätigung Dr. Luegers als Oberbürgermeister von Wien und die erfolgte abermalige Auflösung des Gemeinderates nochmals förmlich zu recht- fertigen versucht, obwohl er zu Beginn seiner Rede erklärte, daß die Regierung zu einer Recht­fertigung ihres Verhaltens durchaus nicht ver­pflichtet sei. Dem niederösterreichischen Land­tage wird bei seinem Wiederzusammentritte eine Vorlage über die vorläufige kommissarische Ver­waltung Wiens gemacht werden.

Wien, 15. Nov. In der heutigen Fest­versammlung des katholischen Schulvereins, welcher der Bischof Rösler, die Abgeordneten Prinz Liechtenstein, Morsch, Mitglieder der Aristokratie, und der deutsche Reichstagsabge­ordnete Lieber beiwohnten, kam es bei der An­spielung eines Redners auf die Wiener Bürger­meisterwahl zu einer stürmischen Kundgebung für Lueger. Prinz Liechtenstein hielt die Festrede. Lieber hielt eine Rede über den Kampf um die Schule.

Das Kabinet Bourgeois hat am Donnerstag sein erstes Vertrauensvotum seitens der französischen Deputiertenkammer eingeheimst. Die Kammer debattierte über die Anwendung des Gesetzes gegen anarchistische Umtriebe, wobei Ministerpräsident Bourgeois eine vom Hause mit Beifall aufgenommene Erklärung abgab. Als nun Sarrien eine Tagesordnung einbrachte, welche die Billigung der von Bourgeois abge­gebenen Erklärung aussprach, wurde dieselbe mit unerwartet großer Mehrheit angenommen, mit 347 gegen 87 Stimmrn. Das neue radikale Regime in Frankreich scheint sich mit aller Ge­walt den Ruf einesmoralischen Ministeriums" erwerben zu wollen. Nicht nur will das Kabinet Bourgeois die Südbahn-Skandalaffaire weiter verfolgen, sondern es ist auch entschlossen, die Panama-Affaire von neuem aufzunehmen. Wenn nur auch die Kräfte des neuen Regimes zu dieser modernen Herkulesarbeit ausreichcn!

Paris, 16. Nov. Falls der Gesetzentwurf über die Unvereinbarkeit des parlamentarischen Mandats mit gewissen Finanz- und Industrie- Unternehmungen angenommen wird, werden 17 Senatoren und 25 Deputierte vor die Alternative gestellt werden, entweder auf ihre Volksvertreter- Würde oder auf ihre, zumeist sehr einträglichen Aemter bei Aktiengesellschaften, zu verzichten. Unter den elfteren befinden sich mehrereunab­setzbare" Senatoren, wie Jules Simon, Magnie, der Herzog von Audiffret-Pasquier, Denormandie, unter den letzteren Leon Sah, Jules Roche und M6ziereS.

Paris. 17. Nov. In Kammerkreisen ver­lautet, daß ein radikaler Deputierter den Unfall, welcher vorgestern den 3 PanzerschiffenFormt- dable",Raudin" undCourbet" widerfahren ist, zum Gegenstand einer Interpellation machen will, um die Angriffe der Konservativen gegen denzivilen" Marineminister Lockroy zurückzu- weisen. Von der Marineverwaltung wird der Unfall damit erklärt, daß die hydrographi­schen Karten für die Stelle, wo die Schiffe auf­fuhren, eine Tiefe von 12 Mtr. angaben, während dieselbe in Wirklichkeit nur 7 Mtr beträgt. Zu diesem Rechtfertigungsversuch bemerken ein­zelne Blätter, es sei traurig, daß ein derartiger Unfall sich in einer Gegend ereignen konnte, die von den französischen Kriegsschiffen zahllose Male befahren worden sei. Die Zahl der diesmal zum Militärdienst eingerückten Re­kruten beträgt 220000, die stärkste Ziffer, die bisher in Friedenszeiten erreicht wurde.

Paris, 16. Nov. Der heutigeHerald" bringt an erster Stelle in durchschossener Schrift und mit fettgedruckter Ueberschrift eine Draht- Nachricht seines Korrespondenten in Peters­burg, die lautet:Die russische Regier- ung ist bereit. England in seinem Vorgehen gegen die Türken zu unterstützen und

einen Wechsel in der Regierung, aber ohne Zerstückelung des Reichs herbeizuführen."

P e t e r b u r g, 16. Nov. DieKaiserin wurde gestern abend 9 Uhr von einer Tochter glücklich entbunden. Die neugeborene Groß­fürstin erhielt beim heiligen Gebet den Namen Olga. Die Geburt der kaiserlichen Tochter wurde gestern noch spät abends der Bevölkerung durch Kanonenschüsse verkündigt. Die Nachricht wurde vor Schluß der Theater bekannt und rief in den Theatern patriotische Kundgebungen her­vor. Die Nationalhymne wurde dreimal gespielt.

Petersburg, 16. Nov. Der russische Gesandte in Washington, Fürst Kantakuzenos, ist zum Gesandten in Württemberg und Baden ernannt worden, an Stelle des Hrn. v. Kotzebue, der den Gesandschaftsposten in Washington über­nimmt

Aus Cuba lauten die Nachrichten immer bedenklicher für die Spanier. Eine Privat- Depesche aus Havannah besagt, daß der Auf­stand in der Provinz Santa Clara beträchtliche Ausdehnung annimmt.

M o n t p e l l i e r, 16. Nov. Der Wein­händler Domergue, der in einem Tobsuchts- Anfälle seine Mutter, ferner den Fleischhauer Therond und dessen 4 jährige Tochter gelötet und 10 Personen verwundet hatte, wurde in'S Irrenhaus verbracht. Die Gensdarmerie hatte sich des Wahnsinnigen erst bemächtigen können, nachdem er durch die, mittelst Feuerspritzen ge­schleuderten, mächtigen Wasserstrahlen gezwungen worden war, das Schießen einzustellen. In der Stadt herrscht furchtbare Aufregung über das tragische Ereignis, das zahlreiche Familien in Trauer versetzt hat.

Anteryaltender Hett.

Polizeirats Jagd.

Humoreske von Friedrich Schreiber.

Herr Otto Pohl, Königlich Preußischer Polizeirat in Buschhausen, hatte soeben seine Dienststunden beendet; er lenkte deshalb seine Schritte den heimischen Penaten zu. Wer ihn in diesem Augenblick näher beobachtet, ihm tiefer in das besorgte Antlitz geschaut hätte, in welchem die Augenbrauen düster zusammengezogen, die Lippen herb aufeinander gepreßt waren, der mußte auf den Gedanken kommen, daß Polizei­rat Pohl soeben einen Menschen unschuldig ins Gefängnis geworfen hatte oder in wenigen Minuten in seiner Wohnung von einem Haus­drachen von Frau erwartet wurde, gegen welche Tantippe eine sanfte Taube zu nennen war. Und doch plagte ihn weder ein böses Gewissen, noch ein böses Weib; im Gegenteil hatte, was seine Hausehre anbetraf, ihm das Geschick so wohl gewollt, wie selten einem Sterblichen.

Seit zwei Jahren war er verheiratet, ver­heiratet mit derjenigen, welche er seit einem Jahr­zehnt angebetet hatte und mit welcher er drei Jahre verlobt gewesen war; dieselben Lebens­anschauungen. dieselben Neigungen, diese Leiden­schaft für einander hatte sie zusammengeführt war's Wunder, wenn sie sich für die Glück­lichsten der Sterblichen hielten, als vor 2 Jahren die Ernennung Otto's zum Polizeirat erfolgte» und jetzt nach 2jähriger Ehe, was noch mehr sagen will dasselbe glaubten. Trotzdem war sie nicht etwa ein Engel, ein bescheidenes, füg­sames Weibchen, das nur dem Eheherrn zu Ge­fallen lebt. Gott bewahre! sie beanspruchte in der Ehe dieselben Rechte wie der Mann; wie oft hatten sie beide in ihrem langen Brautstande von den gleichen Rechten, gleichen Pflichten, die sie in der Ehe genießen und übernehmen müßten, gesprochen; wie feurig war Otto für die volle Gleichberechtigung der Frau eingctreten, so feurig, daß ihm der Vorschlag seiner Braut, alles und jedes Vergnügen in der Ehe nur gemeinsam ge­nießen zu wollen, als etwas ganz selbstverständ­liches erschien.

Und sie hatten thatsächlich an dieser Ge­meinsamkeit festgehalten; zwar hatte der junge Ehemann wiederholt Anfechtungen von einigen Scatbrüdern zu erleiden, einige Corpsbrüder hätten ihn einmal fast wankend gemacht, doch seine treue Ehehälfte hatte ihn immer wieder auf den Pfad der Tugend zurückgeführt, zumeist