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dauern darauf bcschräuken, durch die gleiche Ver- I mittlung den Ausdruck seines wärmsten Dankes ' für die hochherzige Leistung an den unbekannten Stifter derselben gelangen zu lassen,
Tübingen, 15. Nov, Der so beliebte Kanzelredner, Sladtpfarrer Römer, wird in Bälde unsere Stadt verlassen, um seinen neuen Wirkungskreis in Nagold als Dekan anzutreten.
Tübingen, 12 Novbr, Der heutige Martinimarkt war sehr gut besucht, doch waren die Händler mit dem Erlös nicht sonder- lich zufrieden, denn man merkte deutlich, daß infolge des schlechten Obstertrags das Geld rar war. — Auf dem Viehmarkt war so viel Vieh zugetrieben, wie seit vielen Jahren nicht mehr; da die Preise zurückgingen, ging der Handel etwas flau. — Auch Läuferschweine und Milchschweine waren sehr viele zugeführt, welche bei niederen Preisen Absatz fanden.
Ellwangen, 14. Novbr. Der wegen Erstechens des Wirts Oehler in Gmünd steckbrieflich verfolgte Brauer Karl Sautter von Gaxhardt. Gemeinde Stödtlen, hies. Oberamts, wurde heute Nacht, nach der Jagstztg., in seinem elterlichen Hause festgenommen und dem Gerichte überliefert. Sautter war in Gmünd nicht vom Gasthausbesitzer Oehler, sondern von Handwerksburschen an die Luft befördert worden. Oehler hatte einem Gast in den oberen Stock geleuchtet und wurde gestochen, als er ahnungslos aus der Zimmerthür in den Hausflur trat.
Haiterbach, 12. Nov. Welch bedauerliche Folgen manchmal entstehen, wenn Kinder, sei es auch nur vorübergehend, ohne Aufsicht gelassen werden, mußte heule ein hiesiges Elternpaar zu feinem großen Schmerz erfahren. Der Lehrling und der Gehilfe des Küblermeisters G. M. waren zum Vespern gegangen und ließen die Thüre der Werkstatt unvorsichtigcrweise offen. Da schlichen sich zwei 4—5jährige Knaben von nahen Verwandten in die Werkstatt. Einer bemächtigte sich des Beiles und zerhackte auf dem Hauklotz Späne; der andere, ein Söhnlein des Sattlers und Fuhrmanns I. G. brachte unglücklicherweise feine Hand auf den Hauklotz. Er wurde durch einen Hieb seines kleinen Vetters getroffen, der ihm 2 Knochen der rechten Mittelhand zerschlug. Ob die entsprechenden Finger erhalten bleiben oder amputiert werden müssen, ist noch unentschieden.
Von der Tauber. 11. Nov. Dieser Tage hatte ein Bauer zwei Hundertmarkscheine für eine Kuh eingenommen und dieselben einstweilen in die Westentasche gesteckt. Später half er bei der Arbeit an der Futterschneidmaschine. Als die Magd die Häcksel einfaßte, bemerkte sie unter denselben Papierschnitzel, was sie dem Bauern mitteilte. Erschrocken griff er in die Westentasche und fand sie leer. Sorgfältigst wurde nachgesucht und es gelang, die Schnitzel wieder so zusammenzubringen, daß die Nummern vorhanden sind und der Bauer vor empfindlichem Schaden bewahrt bleibt.
Alpirsbach, 10. Nov. Ein Bienenschwarm im November gehört gewiß zu den größten Seltenheiten. Gestern Nachmittag — die Witterung war allerdings sommerlich warm — wurde ein hiesiger Bienenzüchter thatsächlich durch einen Schwarm überrascht. Das Bienenvolk verließ unbemerkt den Mutterstock, bewegte sich ins Innere der Stadt und setzte sich an einem Fensterladen des Gasthofs zum Schwanen hier fest, woselbst der Schwarm von dem Eigentümer eingefangen wurde. Letzterer schien ob diesem unerwarteten Zuwachs seiner Bienenvölker nicht besonders erfreut zu sein, da er von einem Novemberschwarm nicht viel Gutes erhofft.
Nagold, 14. Nov. Die für Regiments- und sonstige militärische Jubelfeiern eingeräumten Fahrpreis-Ermäßigungen sind auf die Zeit bis einschließlich 1. März 1896 ausgedehnt worden.
Herrenberg, 13. Nov. Bei der Reichstagswahl im Jahr 1893 haben hier 3896 Wahlberechtigte abgestimmt, bei der letzten Wahl 2951. Während hier im Jahre 1893 für Gröber 155 Stimmen abgegeben wurden, erhielt derselbe gestern gar keine. In den ganz katholischen Orten Oberndorf u. Poltrin gen
wurde v. Gültlingen in ersterem mit 79 Stimmen, in letzterem mit 49 Stimmen gewählt. Schuster erhielt in ersterem keine, in letzterem nur 1 Stimme.
Ausland.
Epinal, 14. Nov. Der durch einen 200 Meter langen Dammbruch des Kanals hervorgerufene Wasserschaden ist ziemlich be- trächtlich; er beträgt mehr als 100000 Franken. In Chatel sind 80 Häuser unter Wasser gekommen und die Verbindung mit Nomexy unterbrochen.
Konstantinopel, 4. Nov. Aus amtlicher türkischer Quelle verlautet, der Sultan habe befohlen, daß alle diejenigen Muselmänner oder Christen, welche durch die Unruhen in Kleinasien der Existenzmittel beraubt wurden, auf Staatskosten verpflegt oder untergebracht werden sollen Die betr. Weisung ist bereits an die Lokalbehörden ergangen.
New-Iork, 14. Nov Ein verwegener Eisenbahnraud wurde gestern um Mitternacht bei Colorado Springs verübt. Ein hierher konsignierter Geldtransport von 200 000 Dollars in Gold kam mit dem Schnellzuge von Santa Fe an. Das in einer Kiste befindliche Geld wurde ui das Stationsgebäude geschafft und einem Agenten der Expreß-Company übergeben. 5 Minuten nachdem der Zug abgegangen war, betraten zwei maskierte Männer das Gebäude und zwangen den Agenten mit vorgehaltenem Revolver das Sicherheitsgewölbe, in welchem das Geld sich befand, aufzuschließen. Sodann zwangen sie ihn, sich in seinem, im ersten Stocke gelegenen Schlafzimmer ouszuziehen und ins Bett zu legen, sodaß sie einige Minuten Zeit gewannen, um die Kiste auf einem schnellen Gefährt davon zu schaffen. Es gelang dem Agenten jedoch, 55000 Dollars in Noten den Blicken der Räuber zu entziehen.
Smyrna, 15 Nov. Das deutsche Schulschiff „Moltke" ist auf der hiesigen Rhede ein- getroffen und wird dem Vernehmen nach bis auf weiteres hier verbleiben.
Vermischtes.
Gin Mnidmnnn ans dem vorigen Jahrhundert.
Im Jahre 1760 starb zu Rehsen, einem anhaltischen Flecken zwischen Dessau und Witten- berg der Förster W., ein wahrhaftes Original eines Waidmannes und ein klassisches Muster deutscher Ergebenheit und Treue, gepaart mit einer naturwüchsigen Derbheit, kurz eine Erscheinung, die uns heute fast unglaublich scheint. Von diesem Original sind uns drei Briefe überkommen, welche durch Inhalt, Sprache, Stil und Orthographie gleichmäßig mit unwiderstehlicher Komik auf den Leser wirken, daß wir sie gern hier wiedergeben. Die Briefe wurden zuerst im Jahre 1823 von Georg Harnes in Hannover veröffentlicht, und der Herausgeber versichert, daß der Fürst, an den die köstlichen Briefe gerichtet waren, in dem Förster einen treuen Diener schätzte. Neuerdings sind die Schreiben von G. Klee in der „Zeitschrift für deutschen Unterricht" nochmals mitgeteilt worden. Sie tragen den Stempel der Echtheit an der Stirn, so daß an eine Fälschung nicht zu denken ist, wie auch bei der ersten Veröffentlichung bereits betont wurde. Die Briefe sind hier genau in der ursprünglichen Form wicdergegeben: Turchlaichister Ferst Gnettigster Haar,
In unse Forscht is e Schwein so groß wie Sie — Durchlaucht in ihren Läben noch nich gesehn Hann unn's missen strenge Maßregeln ge- nummen wären, daß de Pestje nich su mächtig werd, süst verlieren wer. hol mich der Deubel, alle junge Zucht, un da werd uns der Hund was braten, wenn mer ä mal eine Jagd machen wulln. Geben Se Befehl, daß das Luder weck kämmt. Uebrigens verbleube mit Hoch8tung Ihrer
Turchlaucht
unterthänigster
W.
Turchlauchister Wassergericht.
Gott straf mich, Turchlauch, ich kanns Wasser nich meh verhohlen; se müssen sugleich Befehl gähn, dasch de Kummischon Maaschregeln trifft; daß de Tämme auschgebcssert wären, süst geht de ganse Gegend und die edle Jacht zum Deubel und da Hann se sichs selber zuzuschreuben, wann mer hernach en Dreck ze jagen Hann. Machen Se nur balle Anstalt, Gott straf mich, 's werd süst nich gut, un da Hann se sich selber zuzuschreuben, wcmmer hernach keene Schweine un kenn Hcrsch meh Hann, un da kenne Se unser <inen kee Brot meh gähn, und da hol der Deubel des Läben, und ich mag denn nich mehr sein ihr
getreuer W.
(Kurz vor seinem Tod schrieb er an den Herzog)):
Gott straf mich, Turchlaucht, es scheint mer, als wenn mich der Deubel bald holen un su meinen Vättern versammeln wulle. Na, de ahlen Knochen wullen oh cmal Ruhe Hann. Nur lauern mich meine Schweine und Sie Turchlaucht. Die, nämlich die Schweine, wären nich Widder so gut abgewart wären. Ich halbe se, hol mich der Deubel, lieber gehakt als meine Kinner, un ah Sie, Turchlaucht, denn die Pestjeu Haan mer mehr Ehre un Fröde gemacht, als wie de Bengels, un Hann mer^in meinen Läben nich geärgert. Eh Tel war mangmal noch klüger wie ich, un ich hatte wohl vun se gc- larnd. Na's kann nu nische hälfen, ich muß uf un dervon. Und da will ich auch, wie's e guten Krischden geziemt, mei Hausch bestell«. Ich tanke se fer ahle Gnade un daß se Geduld met mar ahlen Mann gehatt Ham, un thun se mer doch de letzte Ehre an, un laschen se mich, wo ich hingeheere, im Lug (Lagerplatz) bei meine Schweine begraben. Ich mack nich ul'n Gottesacker be, den Böbel, der das edle Waidwerk nich versteht, liegen, un vam Schulmeester seinen Kühen un Schafen beunehren lassen. Nu Gott befohlen! Se wären manchmal noch an ahlen W. denken. Ich Habs immer gut mit Se un ihren Schweinen gemeent, ich habe se 3 un redlich getient, un ferchte mich nich vorn Tode wie and're Hausväter, die nurs Geld nehmen un sich'n Deubel um die edle Jacht bekümmern. Mer wärn ja sähen, wies dort aussieht. An liebsten war mers sreulich, wenns dort Schweine gäb, daß mer was zu thune hätte; denn mer kann doch nich Dag un Nacht Hallelug singen. Ich habe eh mal geheert, daß die Diere ah en ewig Läben hätten, un wenn das is so müssen meine lieben Schweine oben ahn im Himmel stehn, un wenn Sie, Durchlaucht, e mal angewackelt kummen, da freut sich halb dot
Ihr
ahler Fersler
W.
Nagschrift: Lassen se mich nur rächt tief graben, daß de Schweine mich nich raus ruhnen (— wühlen).
Dem ersten Herausgeber der Briefe, G. Harris zufolge, ist der Fürst nach Empfang dieses letzten Schreibens zu dem Alten hinge- gangen und hat ihm die Hand darauf gegeben, seinen letzten Wunsch zu erfüllen, worauf derselbe auch ruhig gestorben und auch wirklich im „Lug bei seinen Schweinen" begraben worden ist.
Die Taufe des 1895er. Aus der Pfalz schreibt man: Der Bolkswitz hat bekanntlich bei den verschiedenen Jahrgängen, sowohl bei den besten, wie bei den schlechtesten, dem Weine besondere Namen gegeben, sobald der „Federweiße" angezapft wurde. So wurde der edle 46er „Michel" getauft, der.saure 60er zum Andenken an den eben verflossenen Krieg in Italien „Garibaldi", der giftig saure 71er „Turkos", der womöglich noch saurere 79er zum Andenken an den türkischen Krieg „Schipka", der 94er wegen des chinesisch-japanischen Kriegs „Wei-hei-wei" u. s. w. Nun hat in diesem Jahre unser großer Altreichskanzler unter der wärmsten Teilnahme der ganzen Nation seinen 80. Geburtstag gefeiert und die deutschen Weinlande Baden, Bayern und Württemberg und Preußen fanden sich nicht in letzter Reihe ein, Bismarck mit dem Edelsten, was die Keller bergen, zu