Ausland.

Das österreichische Ministerium Badeni hat sich darüber noch nicht schlüssig gemacht, ob es die Wahl des Dr. Lueger zum Wiener Oberbürgermeister dem Kaiser zur Bestätigung vorlegen solle oder nicht. Die Frage ist inso­fern politisch etwas erschwert worden als die ungarischen Blätter die Nichtbestätigung Luegers lärmend verlangen, weil letzterer sich im österr. Abgeordnetenhaus mehrfach mißliebig über die Ungarn und den Ausgleich geäußert hat. Da nun aber bekanntlich die Ungarn sich ein Drein- reden in ihre ungarischen Angelegenheiten seitens der Oesterreicher absolut nicht gefallen lassen (man erinnere sich nur den Konflikt wegen des päpstlichen Nuntius Agliardi) so sind auch um­gekehrt jetzt zahlreiche österreichische Blätter, die sonst nicht für den Antisemiten Lueger schwärmen, mit gereizten Antworten auf die ungarischen Einmischungs-Versuche in die Wiener Bürger­meisterfrage nicht faul. Graf Badeni dürfte Wohl am klügsten handeln, wenn er den Dr. Lueger bestätigen und ihm so Gelegenheit geben würde, seine Verwaltungstalente im Wiener Rathaus einmal zu erproben; so lange man in der Opposition ist, ist es keine Kunst alles zu tadeln, wenn man dann aber die Verantwort­lichkeit aufgebürdet erhält, so sehen sich die Dinge plötzlich etwas anders an und zwar nicht nur für den Antisemitenführer Dr. Lueger, sondern bekanntlich auch für gewisse Parteien, wie z. B. im Lande Württemberg. Inzwischen ist die Be­stätigung des Dr. Lueger vom Kaiser verweigert worden. In Böhmen finden demnächst all­gemeine Landtagswahlen für den böhmischen Landtag statt. Die Altczechen werfen die Flinte ins Korn und wollen sich um keine Mandate mehr bewerben. Die Deutsch-Böhmen aber sind jetzt schon rührig an der Arbeit, um ihre Posi­tion im Prager Landtag zu behaupten.

Wien, 6 Nov. Dr. Lueger hat die kaiserliche Bestätigung als Wiener Bürgermeister nicht erhalten. In den Regierungskreisen wird dazu bemerkt, daß die kaiserliche Entschließ­ung sich nicht gegen eine communale Partei oder die Mehrheit des Wiener Bürgertums, sondern nur gegen die Person Luegers richte. Wenn die antisemitische Partei sachliche Zwecke ver­folge und nicht blos den Zweck, eine einzelne Persönlichkeit emporzubringen, so könne sie da­raus ihre Folgerungen ziehen, die ungarische Regierung Habenichts mit der Sache zu schaffen, was auch daraus erhelle, daß Badeni selber vor zwei Tagen noch nicht wußte, wozu der Kaiser sich entschließen werde.

Wien, 7. Nov. Graf Badeni erklärte im Reichsrat gegenüber den Junglschechen auf Ehrenwort, daß von ungarischer Seite gegen Lueger Niemand an ihn herangetreten sei. Der Ministerrat hat einstimmig die Nichtbestätig­ung beantragt. Abends fand ein kleiner Auf­lauf vor der Redaktion des Deutschen Volks­blatts statt.

Rotterdam, 6. Nov. Heute wurde das Urteil des Gerichtshofes in dem Prozeß wegen des Zusammenstoßes derElbe- und der Crathie" gefällt, und zwar wurde dieCra­thie" als der allein schuldige Teil erkannt. Die Eigentümer derCrathie" wurden nach dem Verhältnisse ihres Anteils verurteilt und die Be- schlagnahme derCrathie- bis zur erfolgten Zahlung als zulässig erklärt.

Das neue französische Ministerium hat in Kammer und Senat ein förmliches Regier­ungsprogramm vorgetragen und dabei eine ganze Reihe schöner Dinge versprochen. Was uns am besten dabei gefallen hatte, ist entschieden die Ankündigung, daß künftig keine Parlamentarier mehr bei einer Aktienmission, oder als Direktor, oder als Verwaltungsrat beteiligt sein dürfe, welche -mit dem Staat Geschäfte mache. Aehn- liche Vorschriften bestehen schon längst in Eng­land und Italien, leider nicht auch in Deutsch­land. Bourgeois kündigt in seinem Programm begreiflicherweise auch die Festhaltung des Bünd­nisses mit Rußland an, versprach eine ganze Reihe von Steuerreformen und will auch in dem Kampf zwischen Arbeit und Kapital Schieds-

geeichte einsetzen; ferner will er Maßregeln er- greifen,-um die französischen Landwirte vor der Uebermacht des Auslandes zu schützen. womit ohne Zweifel die Ankündigung höherer Getreide-, Vieh- und Fleischzölle gemacht ist. Trotz dieser schönen Versprechungen prophezeit man aber dem Kabinet nur ein sehr kurzes Leben. Die fran­zösischen Offiziere sind nicht erbaut, daß der Zivilist Cavaignac Kriegsminister geworden ist und den russischen Diplomaten graut es förm­lich vor dem neuen Minister des Auswärtigen, Professor Berthelot, welcher als ausgesprochener Sozialist längst bekannt ist. Berthelot soll ein sehr geriebener Streber sein, wie ihm denn auch ein witziger Franzose bereits die künftige In­schrift auf seinen Leichenstein geschrieben hat, welche lautet:Hier ruht Berthelot an der ein- zigen Stelle, um die er sich nicht beworben hat." Aber ein derartiger Streber ist deswegen noch lange kein kluger Diplomat. Als Professor der Chemie hat er wenigstens bis jetzt keine be­sondere Gelegenheit zu diplomatischen Hebungen bekommen. Zu allem hin will auch noch das Kabinet Bourgeois das Anarchistengesetz wieder aufheben und wenn dies geschehen ist und irgend einmal eine Bombe in Frankreich losgeht, so wird das jetzige Kabinet die Verantwortlichkeit dafür übernehmen und vor dem allgemeinen Un­willen des ganzen Volkes wieder in der Ver­senkung verschwinden müssen.

Die Engländer rüsten Hals über Kopf. Drei neue Kreuzer, die im Bau begriffen sind, sollen raschmöglichst fertig gestellt werden. Der Bau weiterer Kriegsschiffe wurde in Auftrag gegeben und alle in Reserve liegenden Kriegs­schiffe werden mit Henry Martini-Gewehren und Armstrong-Kanonen neu ausgerüstet. Daß diese Rüstungen nicht den Aschantis gelten', liegt auf der Hand. Mit diesen Afrikanern werden die Engländer ohne große Flotte schon fertig werden; auch den Venezuelanern gelten diese Rüstungen offenbar nicht, sondern einzig und allein den Russen. Die englische Regierung richtet sich auf die sehr nahe gerückte Möglichkeit ein, ihre Flotte entweder im Bosporus oder in den chinesischen Meeren mit dem denkbar größten Nachdruck in Aktion treten lassen zu müssen.

In der Türkei sieht es bedenklicher als jemals aus. In ganz türkisch Armenien ist ein Aufruhr der Armenier ausgebrochen und in türkisch Rumelien drohen neuerdings bewaffnete Banden aus Bulgarien einzudringen. In der türkischen Hauptstadt selbst ist ein großer Börsen­krach ausgebrochen und die Botschafter Englands, Frankreichs und Rußlands wollen nicht gestatten, daß der türkische Minister des Auswärtigen vom Sultan zum Vorsitzenden der Reformkommission ernannt werde. So gleicht die Türkei einem Pulverfaß, um welches rings herum bereits die Flammen in die Höhe züngeln. Wenn dieser Brand nicht rasch gelöscht wird, muß es dazu kommen, daß Rußland oder England thatfächlich eingreifen und dann kann der europäische Kriegs­brand von einem Tag zum andern auflodern.

Konstantinopel, 6. Nov. Zuverlässige Nachrichten aus Diarbekir bestätigen, daß zahl­reiche Christen, nicht bloß Armenier, getötet worden sind. Der französische Konsul wurde jedoch durch türkische Zaptiehs (Gendarmen) ge­rettet. Der französische Botschafter hatte mit den äußersten Maßregeln gedroht, falls die Konsuln angegriffen würden. Die Lage wird als sehr ernst betrachtet. Man ist auf wichtige Ereignisse und Aenderungen gefaßt.

Dover, 6. Nov. Ein gestern abend nach Calais abgegangener Dampfer nahm 150 000 Pfund Sterling (3 Mill. Mark) in barem Geld für Konstantinopel mit. Die Pariser Filiale derottomanischcn Bank" sandte 25 Millionen Francs in Gold nach Konstantinopel ab. Die Stimmung ist jetzt beruhigt, da die Hochfinanz eingreift.

Barcelona. 6. Novbr. Im Bahnhof von Gracia stießen zwei Personenzüge zusammen. Der Maschinist und der Heizer eines Zuges wurden getötet, mehrere Reisende verwundet.

New-Jork, 8. Nov. Die Wahlen zu den Gouverneursposten u. s. w. sind überwiegend republikanisch ausgefallen. So ist in den Staaten

Maryland, New-Iork, Massachussets, New-Jersey, Ohio. Pensylvanien, Cansas, Nebraska und Iowa ein Republikaner gewählt. In Kentucky blieb der Kampf unentschieden. Mississippi wählte einen Demokraten zum Gouverneur.

New-Jork, 6 . Nov. Ein großes Feuer, das in der letzten Nacht im Broadway und in der Bleeckerstraße ausbrach, verursachte einen Schaden von 3 Mill. Dollars. Viele Feuer­wehrleute wurden verletzt. Drei Gebäude, in welchen sich mehrere Kaufläden, eine Fabrik, so- wie die Manhattan-Bank befanden, wurden durch das Feuer zerstört.

Aus Moskau wird Berl. Blättern ge­meldet: Die Stadt Weliaminowo ist voll­ständig niedergebrannt. Die Stadt zählte 10 000 Einwohner.

Detroit. 6 . Nov. Heute früh 6 '/- Uhr stürzte infolge einer Kesselexplossion ein Teil des Gebäudes der ZeitungJournal" ein. Viele Personen wurden verschüttete Bisher sind vier Leichen geborgen. In dem Gebäude waren viele Mädchen und Frauen beschäftigt. Man glaubt 25 Personen unter den Trümmern, welche in Brand gerieten, wodurch die Nettungsarbeiten sehr erschwert sind.

vermischtes.

(Nobel.) Gigerl: Ich werde also das Vergnügen haben, gnädiges Fräulein bei Tische zu unterhalten. Bitte, suchen Sie sich ein Thema aus! (Mißverstanden.) Arzt:In welcher Gegend haben Sie zuerst den Schmerz gefühlt?" Patient:So zwischen Kufstein und Innsbruck"(Verständnisinnig) Student (zu seinem Kollegen):Du bist so niedergeschlagen und siehst so blaß aus wie viel fehlt Dir denn?"

(Im Theater.) A.: Warum gucken Sie denn durch das verkehrte Ende Ihres Opern­glases? B.: Da drüben sitzt mein Schneider, den will ich mir möglichst weil vom Halse halten !

Telegramme.

Paris, 8. Nov. In dem Keller eines Spezereigeschäfts fand eine Explosion statt, wo­durch 12 Personen schwer verwundet wurden.

Rotterdam, 8. Nov. Im Hafen brach Feuer aus, wodurch zwei Fabriken zerstört und mehrere Schiffe beschädigt wurden. Waren im Werte von vielen Millionen sind vernichtet.

Glasgow, 8. Nov. Strenge Aufrecht­erhaltung der Ausschließung seitens der Schiff­bauer in Clyde bewirkte, daß andere Arbeiter sich dem Ausstande anschlossen. Man glaubt, daß die Regierung wegen der in Clyde befind­lichen Schiffe für die Marine eingreifen wird. Trotzdem ist keine Aussicht auf nahe Beilegung des Streiks vorhanden, da die Ausständigen große Fonds besitzen.

Konstantinopel, 7. Nov. Das Reuter- sche Bureau meldet: Der Großvezier Kiamil Pascha wurde seines Postens enthoben. Der türkische Botschafter in Berlin, Tewfik Pascha, ist hier eingetroffen Wahrscheinlich ist die Ent­lassung des Großveziers eine Folge des that- kräftigen Auftretens der auswärtigen Botschafter auf der Pforte. Der Minister des Innern Halil Rifat ist zum Großvczier ernannt worden.

Wir geben hiennt wiederholt die Schluß» zeit für Inserate unseres Blattes bekannt.

Dieselbe ist:

Für das Dienstagsblatt am Wonlag vorm. 11 Uhr

Donnerstagsblatt am Mittwoch 11

Samstagsblatt am Areilag 8

Sonntagsblatt am Samstag 8

Die Aufnahme größerer Inserate ist nur möglich wenn solche tags zuvor schon übergeben worden sind

Diese Aufgabezeiten sind unbedingt abhängig von den Postverbindungen des Bezirks, mit welchen ein großer Teil der Auflage versendet wird.

Wir bitten die H.H. Auftraggeber recht dies ges. beachten zu wollen, da wir mit Rücksicht aus die Orte, welche nur Postbotenverbindung (von hier, Herrenalb und Liebenzell aus) haben, oben angegebene Zeiten einhalten müssen. Die Sonntagsnummer wür­den z. B. diese Orte erst Montags erhalten, wenn das Blatt nicht schon am Samstag vormittag ausgegeben würde.

Redaktion und Verlag des Enzthälers.

Redaktion, Druck und.Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.