„Auch Du, mein Sohn Brutus, hätte ich beinahe gesagt", lachte der Onkel höchlichst erstaunt. „weißt Du denn, daß dasselbe Glück auch Deinem geliebten Vetter passiert ist?"
„Ich weiß es," bestätigte Franz kopfnickend.
„Wer ist denn Deine Angebetete? Hoffentlich ist sie ebenso hübsch und gut wie diejenige, welche sich Paul auserkoren hat?"
„Ach. Onkel, hübsch ist gar kein Ausdruck."
„Natürlich," entgegnete dieser, „das kennt man schon, weiter!"
„Und seelensgut ist sie."
„So, woher, weißt Du denn das?"
„Ach, entgegnete der Gefragte etwas unsicher, „das kann man ihr an den Augen ab- sehen."
„Na, wenn Du Dich darin man nicht täuschest. Wie sieht sie denn aus?" fuhr der Onkel im Jnquirieren fort.
„Entzückend, sage ich Dir. Onkelchen. Eine Gestalt, wie eine Elfe, rabenschwarze Haare."
„Rosenlippen und Zähne wie Perlen, das kennt man ja, unterbrach ihn Onkel Wiese. „Wie heißt sie denn und wo hast Du, verliebter Geometer, denn ihre Bekanntschaft gemacht?"
Franz erzählte nun dem Onkel dos zufällige Zusammentreffen mit dem jungen Mädchen.
„Wie sie heißt, weiß ich noch gar nicht."
„Das weißt Du noch nicht einmal?" fragte Onkel Wiese.
„Nein, Onkelchen, ich glaube, sie ist Näherin."
„Näherin?" fragte der Onkel.
„Ja, ich glaube es, ich verfolgte sie bereits mehrmals auf der Straße, immer verschwand sie plötzlich meinen Augen. Gestern abend endlich gelang es mir, ihr unbemerkt zu folgen und sah ich nun, daß sie mit einem großen Paket in einen Weißwarenladen trat, über dessen Thür die Firma Bertram Wtw. prangt. Ich wartete wohl über eine Stunde, aber das junge Mädchen kam nicht wieder. Später erschien sie im Laden und ich patrouillierte stundenlang vor demselben auf und ab, immer in der Hoffnung, die schöne Unbekannte wieder heraustreten zu sehen. Sie scheint dort zu wohnen." Hätte Franz seinen Onkel beobachtet, so würde er bemerkt haben, daß diesem bei Erwähnung des Namens Bertram der Schreck in alle Glieder gefahren war und daß er seit längerer Zeit bereits vergebens nach Lust schnappte.
„Bertram Witwe sagst Du?" fragte der Onkel. „Unglücksmensch. und in das junge Mädchen, die in dem Laden ist, hast Du Dich verliebt?"
„Nun ja, Onkelchen. Du bist mir doch nicht böse deswegen? Du hast uns beiden doch den Rat gegeben, uns so schnell wie möglich zu ver- heiraten."
„Es ist zum Tollwerden", rief Onkel Wiese, indem er im Zimmer erregt aus und ab lief. „Nun seid Ihr beide hübsch alt geworden, habt Euch bisher noch nie verliebt, jetzt geschieht es. und nun müßt Ihr beide gerade auf dieselbe verfallen."
„Ich verstehe Dich in der That nicht, Onkelchen," unterbrach ihn der überaus harmlose Franz.
„Das verstehst Du noch immer nicht, Unglücksmensch, daß Ihr Euch beide in denselbeu Gegenstand verliebt habt?"
„Paul auch?" fragte Franz tonlos. „Ach, nun wird es mir klar, weshalb er immer die Unmengen neuer Wäsche mit nach Hause bringt."
„Ja natürlich. Es ist wirklich zum Davonlaufen," deklamierte Onkel Wiese. „Tausend andere junge Mädchen laßt Ihr jahrelang unbeachtet vorübergehcn und nun verfallt Ihr beide gerade auf eine, die natürlich ein Jeder von Euch durchaus haben will "
„Onkel, ich liebe Sie mehr als mein Leben", beteuerte Franz lebhaft.
„Dasielbe behauptet Paul auch. Was ist da zu thun? Weißt Du denn schon, ob sie Dich liebt?"
„Ach nein, liebes Onkelchen, das ist ja gar nicht möglich, da sie mich ja kaum gesehen hat. Du kennst ja meine Schüchternheit," fuhr er fort, „gerade deshalb kam ich zu Dir, um Dich zu bitten . . ."
„Für Dich die Kastanien aus dem Feuer zu holen, kann ich mir denken, mein Junge. Habt Ihr denn schon zusammen gesprochen?"
„Wenige Worte nur, leider," seufzte Franz, „aber sie wird sich schon meiner erinnern, wenn Du sie nur an den schüchternen jungen Mann erinnerst, der ihr kürzlich das Packet aufhob."
„Und Du glaubst nun, daß sie Dich gleich ohne weiteres heiraten wird?"
„Ach, lieber Onkel, wenn Du mein Fürsprecher wärest und ihr die Sachlage schildertest, wenn Du ihr sagtest, wie sehr ich sie liebe und daß ich nicht ohne sie leben kann, vielleicht würde sie meine Bewerbung dann nicht von der Hand weisen, sie ist ja so lieb und gut."
„Dich am Ende zu heiraten?" siel ihm der Onkel in die Rede. „Nun", fuhr er begütigend fort, als er das betrübte Gesicht seines zweiten verliebten Neffen sah, „ich will Deinen Wunsch erfüllen und auch für Dich als Brautwerber auftreten, für Paul bin ich nämlich als solcher schon bestellt. Eine etwas sonderbare Kommission ist es allerdings, der Onkel als Fürsprecher seiner Neffen bei einem Mädchen. Einen kann sie schließlich nur heiraten."
„Freilich", seufzte Franz, „und dieser eine wird natürlich wieder Paul sein."
„Nun, hier hast Du meine Hand darauf, lieber Franz," sagte der Onkel, „ich will Euer beider Interessen nach besten Kräften wahr- nehmen und zwar unparteiisch; ich übernehme aber für den Ausgang nach keiner Richtung hin ein Risiko."
„Lieber Onkel, ich meinerseits lasse Dir vollkommen freien Spielraum und verspreche Dir, zufrieden zu sein, wie auch die Entscheidung ausfalle."
„Nun, denn also abgemacht."
„Abgemacht." Beide schüttelten sich die Hände.
(Fortsetzung folgt.)
Freimarken zu zwei Mark sind bei Postämtern zwar vorhanden, dieselben dürfen jedoch an das Publikum nicht abgegeben werden. Aus welchem Grunde ist unerfindlich, da andere Markengattungen — z. B. Wechselstempel bis 15 — dem Publikum zur freien Benutzung
stehen. Aus kaufmännischen Kreisen sind wiederholt Anträge gestellt worden, die Freimarken zu zwei Mark auch dem Publikum zugänglich zu machen, indem auf die daraus erwachsenden Bequemlichkeiten bei Frankierung schwerer Pakete hingewiesen wurde. Namentlich würde, da der kleinste Kassenschein fünf Mark Wert hat. die freigebens Marke zu zwei Mark ein sehr erwünschtes Zahlungsmittel bei Versendung von Gcldbriesen sein.
Ein Riese Der Redaktion des „Figaro" stellte sich dieser Tage ein Riese in Gestalt des Herrn Henri Canan-Berg vor, der sich schmeicheln kann, der „dickste Mensch der Welt" zu sein. Herr Canan Berg, ein Schweizer von Geburt, wiegt nicht weniger als 260 Kilogramm; der Umfang seiner Taille beträgt 2 Metr, 45 Centim. Trotz seiner phänomenalen Konstitution erfreut sich Canan-Berg einer ausgezeichneten Gesundheit und eines vorzüglichen Magens, der ihm gestattet, täglich die Nahrung für 5 Personen zu verschlingen. Reisen kann der Mann nur in den Gepäckwagen, da die Thüren der Personenwagen für seine Persönlichkeit zu schmal sind. Die Pariser werden sicher ihre Helle Freude an dem Riesen haben.
London, 24. Okt. Eine Frau namens Coles hat fünf Mädchen innerhalb zwei Tagen zur Welt gebracht. Zwei kamen tot zur Welt, die drei anderen, welche wohl ausgewachsen waren, lebten einige Stunden.
; Bon der Anrede als „Friedrich" und i „Johann" wollen gewisse Kreise der „Friedrich" und „Johann" nichts mehr wissen. In der Generalversammlung des internationalen Vereins der Gasthofsbesitzer, die Anfang Oktober in ! Meran abgehalten wurde, entwickelte sich eine l interessante Debatte über eine Eingabe des Genfer ! Verbandes der Hotelangestellten, die Anredesorm
der Gehilfen betreffend, welche die bisher übliche Form des Anrufes mit ihrem Vornamen als eine Entwürdigung ihres Standes bezeichneten. Sie verlangten fortan nicht mehr „Fritz" oder „Karl'' oder „August" usw., sondern bei ihrem Familiennamen gerufen zu werden, auch von den Gästen. Die Versammlung beschloß, diesem Verlangen der Gehilfen wohlwollend entgegenzukommen, um einer etwaigen „sozialen" Bewegung auszuweichen, es dem Takte der einzelnen Hoteliers überlassend, ihre Angestellten in der ihnen (den Hoteliers) angemessen scheinenden Form anzureden.
GZEParis, 21. Okt. Ein Bitrioldrama zwischen zwei Frauen deutscher Abkunft erregt Sensation. Die 36jährige Rosa Miller begoß, wie der „Temps" meldet, aus Eifersucht die 26jährige Emilie Wickmann mit der ätzenden Flüssigkeit, wobei sie dieselbe am Kinn und Hals verwundete. Aus Unachtsamkeit empfing sie selbst einige Tropfen ins linke Auge, welches verloren ist. Beide Frauen, welche furchtbar schrieen, wurden in ein Hotel gebracht.
(Doch etwas.) Junge Dame: „Herr Maier, ^ haben Sie schon ein Duell gehabt?" — Herr Maier: „Nein, leider noch nicht, aber eine Ohrfeige habe ich schon einmal bekommen!"
(Aus der Husaren-Kaserne.) Wachtmeister „Ihr Säbel ist ja ganz rostig! Glauben Sie denn, Sie sind bei der OavuHerin rostienna?"
Telegramme.
Berlin, 28. Oktbr. Bei dem gestrigen Festmahl zum Gedächtnis des Prinzen Friedrich Karl, welchem der Kaiser, Prinz Friedrich Leopold, Generaloberst von Loö, die Generäle Meerscheidt-Hüllessem, v. Voigt-Betz, v.Leszcinski, Graf Häseler, v. AlvenSleben, v. Finkenstein, Admiral Knorr, Hofprediger Rogge, insgesamt 80 Personen beiwohnten, feierte der Kaiser das Gedächtnis des Siegers von Metz, dessen Name > mit großem Ereignis eng verknüpft sei. Heute allerdings sei die Versuchung vorhanden, über den Zweck der Vereinigung hinauszugehen; er widerstehe aber der Versuchung, er komme eben von dem Boden, wo die großen Thaten geschehen. Es war dem Prinzen vergönnt, die §
Früchte des ausgestreuten Samens zu sehen.
Sein alles umfassender Geist sei in enger Verbindung mit dem Heere gestanden; was die Reiterei heute leistet, verdankt sie seinem Einfluß.
Der Kaiser forderte die Anwesenden auf, dem Andenken des Siegers von Metz huldigend ein stilles Glas zu weihen.
Berlin, 27. Okt. Durch eine bedeutende Gasexplosion, welche sich gestern abend 6"/i Uhr in einem Geschäftsladen des Hauses Friedrichstraße Nr. 105 L ereignete, sind nicht nur die im Laden befindlichen Personen, sondern auch mehrere Straßenpassanten erheblich verletzt worden.
Breslau, 27. Okt. Bei der Reichstagsersatzwahl wurde, wie die „Breslauer Zlg " aus Rybnik meldet, der Pole Radwanskt mit erheblicher Mehrheit gewählt. Er hat etwa 12000 Stimmen auf sich vereinigt, während Frhr. von Huene nur deren 5000 erhielt.
Kiel, 27. Okt. Der gestern infolge eines Lecks im Kaiser Wilhelm Kanal gesunkene Dampfer „Rheinland" wurde durch Taucher gelichtet und ist heute vormittag leer gepumpt worden. Das Schiff lief gegen Mittag hier ein.
Zeitz, 27. Okt. Bei der Bahnwärterbude 45 am westlichen Ende des Bahnhofs Zeitz wurde heute vormittag ein Fuhrwerk durch eine von Gera kommende Lokomotive überfahren. Die 4 Insassen wurden vom Wagen geschleudert; einer derselben wurde gelötet, einer schwer und einer leicht verletzt. Die Pferde wurden gelötet; die Bahiifchcanke war geschlossen und der Bahnwärter stand auf seinem Posten, die Pferde hatten jedoch die Schranken durchbrochen.
London, 27. Okt. Die hiesige türkische Botschaft erklärt die von dem Korrespondenten des „Standard" aus Konstantinopel gemeldete Nachricht über Mißhandlungen, Torturen, summarische Hinrichtungen und Ertränkung von Personen im Bosporus formell für unbegründet.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh tn Neuenbürg.