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bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche > Reich auf, derselbe wurde dem zuständigen Ausschüsse überwiesen. Die bislang allgemein gehegte Annahme, daß der Justizausschuß des Bundesrates sich schon längst mit dem genannten Entwürfe beschäftigte, scheint demnach eine irrige gewesen zu sein. Unter den erwähnenswerteren Beschlüssen des Bundcsrates in seiner Sitzung vom 24 d. Mts. sind noch hervorzuheben die Genehmigung der Vorlage über die Ausdehnung der Jnvaliditäts- und Altersversicherung von Handelsgewerbetreibenden der Textilindustrie und des Entwurfes einer Bestimmung, betr. die Abänderung der Vorschriften über Ausnahmen vom Verbote der Sonntagsarbeit im Gewerbebetriebe. Außerdem beriet der Bundesrat noch die Reichstagsresolution auf Gewährung von Tagegeldern an die Reichstagsmitglieder neben der Gewährung der Reisekosten. Die Resolution wurde, wie zu erwarten stand, abgelehnt.
Weißenfels, 26. Okt. Infolge einer einer Kesselexplosion ist gestern Nachmittag die Grube „Marie" bei Deiden niedergebrannt, wobei große Vorräte vernichtet und eine Anzahl Arbeiter erheblich verletzt wurden.
München, 26. Oktbr. Die bei dem gestrigen Neubaueinsturze in der Amalicnstraße verschütteten vier Arbeiter sind während der Nacht nach den schwierigsten Aufräumungsarbeiten tot aufgefunden worden.
Wörth a. d. S., 23. Okt. Hier lebt noch ein Mann, der im Jahre 1870, als der Krieg ausgedrochen war, wegen vermutlichen Schießens auf deutsche Soldaten dingfest gemacht wurde und der dem glücklichen Umstand, gerade dem Kronprinzen Friedrich vorgeführt zu werden, sein Leben zu verdanken hat. Der des so schweren Verbrechens Beschuldigte wurde nach dem damaligen Haupiquarlier des Kronprinzen, nach dem Städtchen Sulz u. W., unter starker Eskorte transportiert. Der Mann meint, auf diesem schweren Gange sei die ihm zuteil gewordene Behandlung keine sehr milde gewesen, was sich auch denken läßt und den Betreffenden gar nicht gewundert hat. Der Kronprinz lieh dem Manne geneigtes Gehör und gewann die Ueberzeugung, daß die von dem Angeklagten vorgevrachten Entlastungsmomente glaubhaft seien; daraufhin wurde der Verhaftete wieder srcigelassen. Daß diese schweren Stunden dem Wörther Bürger unvergeßlich sind, läßt sich leicht begreifen; er meinte bei der Feier der Denkmalsenthüllung, es würde wohl Wenige geben, die dem Kaiser Friedrich ein so gutes Andenken bewahren, und wohl Keiner blicke mit so dankbarem Herzen zu dem auf der Diefenbacher Höhe errichteten Reiter» standbild auf wie er.
Ford ach, 23. Oktbr. Ein bewegtes Leben hat ein 32jähriger Mann aus unserem Canton hinter sich, der gestern bei dem hiesigen Trainbataillon sistiert wurde. Ueber seine militärische Laufbahn erzählt man sich folgendes. Als er seiner Zeit zur Ableistung seiner Militärpflicht ausgehoven werde sollte, vertauschte er den deutschen Boden mit den heißeren Standquartieren der Fremdenlegion. Fünf Jahre hielt er dort aus, kehrte in die Heimat zurück, stellte sich der Behörde und wurde eingestellt. Nach acht Monaten behagte ihm die Sache nicht mehr, er verduftete und ging zum zweiten Male nach Afrika. Diesmal hielt er vier Jahre bei der Fremdenlegion aus. Dann aber erfaßte ihn abermals die Sehnsucht nach dem preußischen Kommißbrot. Es gelang ihm, in Zivilkleidung zu entfliehen und so fand er den Weg bis hierher. Sein ganzes Vermögen soll noch in etwas Kautabak bestanden haben. Natürlich muß er nun den deutschen Milirärrock zum zweiten Mal anziehen. Und das in einem Alter von 32 Jahren.
Württemberg.
Stuttgart, 18. Okt. Im Würltcm- bergischen Verein für Handelsgeographie hielt heute Abend Herr Dr. Gerhard Schott, Assistent an der Seewarte in Hamburg seinen angekündiglen Bortrag: „Auf einem Segelschiff um das Kap der guten Hoffnung nach Ostasten". Einleitend bemerkte der Redner, wie wichtig die Erforschung des Meeres im Interesse von Handel und Verkehr sei und sprach die Hoffnung aus,
daß dem Meer mehr und mehr Interesse ent-1 gegengebracht werde. Der Vortragende hat die' von ihm beschriebene Seereise auf einem Segelschiff, der Viermastbark „Robert Rickmers" gemacht, da wissenschaftliche Forschungen naturgemäß bei der langsameren Fahrt eines Segelschiffes gründlicher vorgenommen werden können, als dies an Bord eines Dampfers geschehen kann. Die Segelschiffe werden übrigens noch nicht so bald vom Ozean verschwinden, wenn auch Passagierbeförderung nur mit Dampfern bewerkstelligt wird. Das Segelschiff, mit welchem Redner reiste, war 100 in lang. 14 in breit, enthielt einen Raum von 800 cdm und konnte eine Ladung von 9000 Zentner aufnehmen. Die Unkosten für ein solches Schiff belaufen sich auf 10—1200-/lL monatlich. Zu der Fahrt von Bremerhaven um das Kap zur guten Hoff> nung nach Penang brauchte das Schiff 108 Tage. Die Rückreise mit dem Biermastvollschiff „Peter Rickmers" dauerte 124 Tage. Daß die Schnelligkeit eines Segelschiffes sehr von Wind und Wetter und insbesondere den Meeresströmungen abhängt, ist selbstverständlich. Je nachdem ist ein solches in der Lage, Strecken zurückzulegen, wie ein gutlaufender Dampfer. So wurde z. B. die Strecke Sundastraße-Mauritius und wieder von da ab nach Natal in 14 Tagen zurückgelegt. Redner schildert nun in interessanter Weise die von ihm gemachten wissenschaftlichen Forschungen abwechslungsweise mit den einzelnen Reise-Erlebnissen. Die Temperatur in den Tropen ist ziemlich gleichförmig, inner- halb 24 Stunden schwankt sie nur zwischen l'/s bis 2 Grad, im Ozean selbst beträgt sie sogar nur '/s Grad Celsius. Der Salzgehalt des Meeres ist nicht wesentlich verschieden, doch findet sich in der Nähe von Land weniger Salz. Der Vortragende beschreibt in fesselnder Weise die Lage eines Segelschiffes bei völliger Windstille. Unangenehmer als Windstille wirken aus den Lauf desselben widrige Meeresströmungen, selbst mit günstigem Wind ist gegen eine solche nicht vorwärts zu kommen. Bon besonderem Interesse war die von dem Redner gegebene Schilderung eines Seesturmes, welchen derselbe auf seiner Rückreise mitzumachen hatte. Demselben wurde am Schluß seines Vortrags reicher Beifall zu Teil.
Ausland.
Nach einer Meldung der „Times" aus Hongkong ist zwischen Rußland und China ein Abkommen dahin getroffen, daß Rußlands Flotte das Recht habe, in Porr Arthur zu ankern. Dieses Abkommen würde als durchaus unzulässig, England zur Intervention zwingen.
Wie aus Rio de Janeiro gemeldet wird, tritt in Brasilien eine monarchische Beweg- ung hervor, die beabsichtigt, DomPedro von Sachsen-Coburg auf den Thron zu erheben.
Aus Paris, 21. Okt., schreibt man dem „Jll. W. E.": Ein Abendblatt will authentische Mitteilungen über das Testament der Exkaiserin Eugenie erhalten haben. Kaiserin Eugenie hinterläßt jedem ihrer 3384 Pathenkinder oder deren Erben ein Andenken; sie ist Pathin aller männlichen Kinder, die am Geburtstage des kaiserlichen Prinzen in Frankreich zur Welt kamen. Ein ansehnlicher Teil ihres Vermögens geht an die Kinder der Prinzessin Beatrice, der jüngsten Tochter der Königin Viktoria, Gemahlin des Prinzen Heinrich von Battenberg, über.
IMteryaltenver Heil.
Der gute Onkel.
Humoreske von Geor.g Grad.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Paul erzählte nun von seiner Begegnung mit der reizenden Tochter der Frau Bertram Wtw. und wie alle seine Versuche, von ihr Gewißheit über sein Schicksal zu erhalten, bisher fruchtlos geblieben seien.
„Wenn Du nun, lieber Onkel," endete er, „die Güte haben würdest, als Parlamentär zu dienen und anzufragen, ob die kleine reizende Festung nicht vielleicht geneigt ist, zu kapitulieren, so würde ich schnell Gewißheit erhallen."
„Lieber Junge, so schnell geht die Sache nun doch nicht. Man darf bei dergleichen Affären nie mit der Thür ins Haus fallen," setzte er mit einem Ausdruck hinzu, als ob er derartige diplomatische Kommissionen bereits öfter ausgeführt hätte. Ich werde mich zunächst darauf beschränken, ihre Bekanntschaft zu machen, ohne Deiner zu erwähnen. Gelegentlich werde ich dann die Sache auf das verfängliche Gebiet hinüberspielen und schließlich als Liebeswerber für dich auftreten."
„Da hast Du vollkommen recht, lieber Onkel, Marie würde sofort stutzig werden, wenn sie erführe, daß wir in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu einander stehen, sie würde sofort die Absicht merken und nach dem Ausspruch des Dichters verstimmt werden. Aber nicht wahr, lieber Onkel, Du beginnst bald mit der Ausführung Deines Planes?" bat jener.
„Morgen schon, mein Junge; verlaß Dich darauf, daß ich Deine Sache mit Eifer betreibe, da Du ja selbst weißt, wie sehr es mir am Herzen liegt, Dich und den Franz als glückliche Familienväter zu sehen. In drei Wochen haben wir Weihnachten und bis dahin, denke ich, werde ich ein Resultat erreicht haben, dann wollen wir, wenn alles nach Wunsch gegangen ist, am Weihnachtsabend eine fröhliche Verlobung feiern, nicht wahr, mein Junge?"
„Das soll gelten, lieber Onkel."
„Also, Geduld bis zum Weihnachtsabend!"
Bereits am nächsten Tage konnte man Onkel Wiese die Straße, in welcher sich das Weiß- warengeschäfk von Frau Bertram fand, entlang pilgern und direkt auf letzteres zusteuern sehen.
In der That sah der gute Onkel Wiese äußerst stattlich aus. Er war durchaus nicht in der Kultur zurückgeblieben, und sein Aeußeres zeigte daher, wenn auch keinen streng modernen, so doch einen äußerst soliden Zuschnitt. Wie er so stattlich daherging, war er wohl imstande, die Augen von manchem Mägdelein auf sich zu ziehen, welches vernünftig genug war, ein ruhiges gesetzes Wesen der Flatterhaftigkeit und dem Leichtsinn der modernen Jugend vorzuziehen.
Er fand bald was er juchte, und traf auch in dem Weißwarengeschäft gerade das Mariechen an, deren Erscheinung auch aus ihn von vorherein einen äußerst sympathischen Eindruck machte, der noch bedeutend verstärkt wurde, als Mariechen mit ihm in ihrer einfachen, natürlichen Weise sprach. Wie flink ihr alles von den Händen ging und wie gut ihr jede Bewegung stand.
Der Junge hat einen verteufelt guten Geschmack," murmelte Onkel Wiese, als er mit einem mächtigen Paket Wäsche, welches er dort gekauft, aus dem Laden trat. „So ein kleines reizendes Wesen als sein eigen zu besitzen, etwas Schöneres kann es doch nicht geben auf dieser Welt", philosophierte er bei sich.
Einige Tagen waren vergangen. Paul hatte eine kleine Reise nach dem Schleswigschen antreten müssen, woselbst er einen Bau zu be- ausstchtigen hatte. Onkel Wiese saß an seinem gewöhnlichen Platz, als er durch den Besuch seines tugendhaften Neffen Franz erfreut wurde, der die Konversation durch einen sichtlich aus tiefster Brust kommenden Seufzer eröffnet?.
„Wenn man Dich zu sehen bekommt, seufzst Du, was hast Du denn nun wieder? sagte Onkel Wiese, nicht wenig erstaunt über die Umwandlung, die mit dem Langen in den letzten Wochen vor sich gegangen war.
„Ach, Onkel", und abermals entfuhr ein tiefer Seufzer seiner gepreßten Brust, den ein hoffnungsloser Blick begleitete.
„Du hast doch nicht etwa wieder? . - ."
„Nein, lieber Onkel." unterbrach ihn Franz kopfschüttelnd. „Das habe ich Dir ja auf Ehrenwort versprochen, nicht wieder zu lhun. Diesmal ist es ganz etwas anderes."
„Doch nichts Schlimmeres?"
„Ach nein, aber doch etwas Schreckliches."
„Etwas Schreckliches? So rede doch, Junge, und spanne mich nicht auf die Folter! Du bist doch diesmal nicht etwa verliebt?"
Ein stummes Kopfnicken und ein dritter Seufzer bestätigten dem guten Onkel, daß er wieder einmal das Richtige getroffen.