705
Denkmal für die gefallenen bayerischen Truppen ein und richtete an die dort anwesenden bayerischen Veteranen freundliche Worte. Er äußerte u. a.: „Hier habt Ihr Bayern einen heißen Tag gehabt; im Namen und Andenken Meines Vaters und Großvaters danke Ich Euch nochmals dafür.«
Straßburg, 20. Okt. Der Kaiser hat dem Statthalter in Straßburg anläßlich seiner Anwesenheit in Straßburg seine lebensgroße Büste geschenkt.
Wildparkstation, 20. Okt. Der Kaiser und die Kaiserin trafen heute früh 8 Uhr im besten Wohlbefinden hier ein und begaben sich zu Wagen nach dem neuen Palais.
Berlin, 18. Okt. Am heutigen Geburtstage des Kaisers Friedrich war dessen Marmor- Sarkophag im Mausoleum der Friedrichskirche in Potsdam mit einer prachtvollen Orangerie geschmückt. Der Kaiser ließ einen kostbaren Kranz von Veilchen und Tuberosen mit weißer Atlasschleife niederlegen, auf welcher ein mit der Krone aufgedruckt war.
Berlin, 20. Okt Der „Vorwärts« berichtigt seine Meldung betr. die Verurteilung des Reichtagsabgeordneten Horn, derselbe ist nicht wegen Majestätsbeleidigung, sondern wegen Privatbeleidigung verurteilt worden.
Die am Donnerstag im Königreich Sachsen vollzogenen Erneuerungs-Wahlen zur zweiten Kammer haben im parlamentarischen Besitzstand der einzelnen Parteien keine besonderen Veränderungen hervorgerufen. Der von der Sozialdemokratie unternommene Ansturm auf die Stellungen der staatserhaltenden Parteien ist fast allenthalben abgeschlagen worden. Aller- dings ist Dresden an die Sozialdemokraten verloren gegangen, dank der Sonderkandidatur der Reformer, dafür gelang es, Crimitschau-Werdau der Umsturzparlei zu entreißen. Außerdem ging Großschönau-Ebersbach aus dem Besitz der Freisinnigen in denjenigen der Nationalliberalen über. Nach den bis Freitag vorliegenden Ergebnissen waren als gewählt zu betrachten 15 Konservative, 5 Nationalliberale, 4 Sozialisten und 2 Altfortschrittler, eine Wahl stand noch aus.
Auf dem Bahnhof zu Kempen ist von einem dort haltenden Eisenbahnzuge eine Wertkiste mit 6300 viL Postkassengelüern in Gold und Silber gestohlen worden. Die Kiste hat sich am 17. nachmittags, zertrümmert und beraubt, 3 km von Kempen entfernt vorgefunden. Auf die Ermittelung des Diebes und Herbeischaffung des Geldes hat die Ober-Postdirektion zu Posen 300 ^ Belohnung ausgesetzt.
Württemberg.
Suttgart, 21. Okt. Seine Maj. der König fuhr heute früh mittels Sonderzugs nach Friedrichshafen, um dort während einiger Tage in Seewald der Jagd obzuliegen. Ende ds. Mts. begiebt sich Se. Maj. auch wiederum nach Bebenhaujen zur Jagd. Se. Maj. der König vvn Sachsen wird einer Einladung unseres Königs Folge leisten und als Jagdgast an den Bebenhauser Herbstjagden teilnehmen.
Stuttgart, 19. Okt. Zufolge Befehls Sr. Maj. des Königs vom 30. Sept. d. I. gelangt nach dem Amtsbl. d. Minist, d. Innern bei den Mannschaften des k. Landjägerkorps, mit Ausnahme der berittenen Landjäger, an Stelle des bisherigen Gewehrs der Karabiner Modell 71 zur Einführung.
Zum 50. Geburtstag der Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecke in Württemberg, 22. Oktober, ist rechtzeitig die von vr. zur. Supper, Inspektor bei der k. Generaldirektion der Staatseisenbahnen, im Auftrag des Ministeriums für auswärtige Angelegenheit bearbeitete Denkschrift über „Die Entwicklung des Eisenbahnwesens in Württemberg« (Stuttgart, W. Kohlhammer) erschienen. Die Schrift ist mit 59 Abbildungen reich ausgestattet, die die größten Bauwerke aus den vergangenen 50 Jahren, von der ersten, hölzernen Neckarbrücke beim Rosenstein bis zum neuen Neckarviadukt bei Münster, darstellen. Der Text bietet umfassende Auskunft über Verwaltung, Bau, Betrieb, Verkehr rc. Zahlreiche Plane und Tabellen sind dem lehrreichen Werke beigegeben.
«
Stuttgart, 20. Okt. Die 1870 von« württemb. Truppen in der Schlacht von Wörth mitgeführten Fahnen waren zur Enthüllungsfeier des Kaiser Friedrich-Denkmals bei Wörth gesandt worden und sind heute von dort wieder zurückgekommen. Sie wurden von der Fahnen- kompagnie der hier garnisonierenden Regimenter heute mittag kurz nach 12 Uhr mit klingendem Spiel abgeholt und wieder feierlich in das Residenzschloß zurückgebracht.
Ludwigsburg, 19. Oktbr. Gestern Vormittag hat die Vereidigung der am 16. d. M. zum Militärdienst eingezogenen Rekruten der Jnfant. und Artillerie der hies. Garnison, in der Garnison- bezw. Schloßkirche stattgefunden. — Bei der am 17. d. M. im Gemeindewald Zuffenhausen stattgehabten Hofjagd, bei welcher das Wetter sehr ungünstig für den Waidmann war, infolge des herrschenden Regens, wurden doch 7 Rehe, 65 Hasen und 46 Fasanen zur Strecke gebracht. Se. Maj. der König und Ihre Maj. die Königin waren bei Jagd anwesend.
Stuttgart. Der Eintritt der kälteren Jahreszeit macht sich bereits im ganzen Lande geltend. So schneite es in Heidenhcim am 17. Vorm, lustig darauf los und in der Nacht auf 18. fiel bei einem hohen Barometerstand und und einem vollständig sternhellem Himmel das Thermometer auf etwas mehr als 2° 0. unter Null. Die Folge davon war ein sehr starker Reifen und an manchen Stellen Eisbildung. — In Crailsheim brachte die Nacht auf den 18. starken Frost mit 4 Grad Kälte. Bei Anbruch des Tages erfüllte dichter Nebel die Luft und starker Reif lag auf den Dächern und auf den Fluren. Stehendes Wasser hatte eine 12 Millimeter dicke Eisdecke. — In Heubach waren am 16. 2 Gewitter, am 17. 2 Schneegestöber, am 18. erster Frost und Nordwind, welcher der letzten Sommerpracht ein Ende machte.
Stuttgart, 18. Oktbr. Vergangenen Mittwoch abend wurden offenbar aus größerer Entfernung mittelst einer Schleuder Steine und Koaksstücke nach dem im Hofe eines Hauses an der Seidenstraße stehenden Waschhaus geschleudert und mehrere Scheiben des Waschhauses zertrümmert, so daß die Wäscherinnen sich eiligst flüchteten. Tags darauf begann das Bombardement gegen die Fenster der Küche und Speisekammer im Parterre des Vorderhauses, so daß hier keine Scheibe mehr ganz blieb. Nach Einbruch der Dunkelheit wurden die Schleuderwürfe so zahlreich, daß sich kein Mensch mehr in die betreffende Küche wagte; auch am Freitag flogen noch von Zeit zu Zeit Koaksstücke durch die bereits zertrümmerten Scheiben in die genannte Küche und Speisekammer, wobei auch ziemlich viel Porzellangeschirr und Gläser zertrümmert wurden. Bis jetzt ist es nicht gelungen, den bösartigen Schleuderer oder auch nur den Ort zu ermitteln, von wo aus er seine Wurfobjekte entsendet. Einem mit dem Schutzmann heute vormittag in dem betreffenden Hofe anwesenden höheren Polizeibeamten flog sogar ein solches Projektil ganz nahe am Kopfe vorbei, nachdem derselbe eben dem Hauseigentümer den Vorwurf gemacht hatte, bei einiger Aufmerksamkeit hätte er entdecken müssen, woher diese Wurfgeschosse kommen. Nun war aber auch der betreffende Polizeibeamte nicht imstande, den Herkunftsort auch nur annähernd zu bezeichnen. Es sind jetzt umfassende Bewachungsmaßcegeln angeordnet, welche hoffentlich zur Ermittlung und exemplarischen Bestrafung des boshaften Schleu- derers führen. Die Familie des Hausbesitzers ist in begreiflicher Aufregung.
Weinmost Versteigerungen. Die Versteigerungen der Weingärtnergesellschaflen Weins- berg und Heilbronn finden am 29. und 30. Okt. statt. Beide Gesellschaften haben mit der Lese später begonnen und sind noch mit dem Herbsten von Trollinger und Weiß-Riesling beschäftigt. Bei der für die Weinberge sehr günstigen Witterung haben die Trauben den höchsten Reifegrad erreicht und liefern einen ganz vorzüglichen Wein. Weinsbcrg bringt r. 600 Eimer, Heilbronn r. 700 Eimer zur Versteigerung und zwar Auslese in Klevner, Trollinger, Weiß-Riesling, Rot- und Weißweine. — Die Weingärtnerges. Untertürkheim bringt am nächsten Freilag etwa
180 Hektol. Rotwein und 90 Hektol. Riesling zum Verkauf.
Marktpreise.
Neuenbürg, IS. Oktober.
Butter, V 2 Kilo.^0.95—1.00
Landeier, 2 Stück 15 Kisteneier 6 2 St. 13 ^
Pforzheim, 19. Oktober.
Landbutter, V, Kilo.-4L 1.—
Süßrahmbutter.-4L 1.1t)—1.20
Landeier 2 Stück.13—14 ^
Kisteneier, 2 Stück.11—13 ^
Stuttgart, 19. Oktober.
Saure Butter, >/r Kilo. -4L 1.—
Süße Butter, V, Kilo . ... -4L 1.10—1.20
Frische Eier 10 Stück. 65
Kalkeier, 10 Stück. 60 ^
Ausland.
Paris, 19. Okt. Der Gemeinderat von Paris beschloß eine Resolution, es mögen die Ueberreste der in Madagaskar gestorbenen Soldaten auf Staats- oder Gemeindekosten nach Frankreich gebracht werden. — Wie man aus Nizza gemeldet, wird angesichts der bevorstehenden Ankunft des Czarewitsch eifrigst an der Herrichtung der „Villa des Terasses« bei „La Turbie« gearbeitet. Die Villa wird telegraphisch mit Nizza und Monaco verbunden.
Shanghai, 20. Okt. Nur der dritte Ingenieur und 11 Chinesen sind von der Besatzung des Truppentransportschiffes „Hung.Pai«, auf dem bekanntlich am 17. ds. in der Nähe von Kinshau eine Explosion stattfand, gerettet worden. Die Zahl der an Bord befindlich gewesenen Mannschaften beträgt 400.
Anterhattender Teil.
Der gute Onkel.
Humoreske von Georg Grad.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Wieder traf ihn ein strafender Blick Jungfer Mines, die während der Unterhaltung wie auf Kohlen saß. Wenn sie auch nicht befürchtete, daß ihr Herr und Meister in der Thal eines schönes Tages eine junge Frau in das Haus bringen werde, der sie dann das Regiment ab- treten müssen, so beherzigte sie immer das Sprichwort: „Man soll den Teufel nicht an die Wand malen« und bemühte sich infolgedessen mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit, alles fernzuhalten, was ihren Schutzbefohlenen auf den Gedanken bringen konnte, sich in Hymens Rosenfesseln zu begeben.
„Das gerade nicht,« erwiderte der Onkel auf Pauls verfängliche Frage, „aber man kennt es ja vom Hörensagen«, setzte er scherzend hinzu. „Es ist in der That mein lebhaftester Wunsch, daß Ihr Euch verheiratet,« fuhr er fort. „Du, Paul, bist, wie man zu sagen pflegt, ein loser Vogel; eine tüchtige Hausfrau, die Dich zu regieren versteht, wird Dich auf den schmalen Pfad der Tugend zurückführen.«
„Ich bin wirklich nicht neugierig, diese Tausendkünstlerin kennen zu lernen,« unterbrach ihn der Flatterhans lachend.
„Und Dich, mein lieber Franz, wird eine brave Gattin verhindern, zu straucheln, und«, setzte er mit einem bezeichneten Blick hinzu, der den armen Jungen abermals erröten machte, „Dich uns als einen Mustermenschen erhalten, der Du bisher immer gewesen bist. Ich habe mich so verliebt in die Idee, Euch Kinder, als brave Gatten und Familienväter zu sehen, daß es sogar nicht darauf ankommt, einen Preis — sagen wir 3000 — für denjenigen von Euch
auszusetzen, der diesen meinen Lieblingswunsch erfüllt, und heiratet.«
„Lieder Onkel,« unterbrach ihn Paul, „Du weißt, daß das Geld einen außerordentlich großen Reiz für mich besitzt, und dreitausend Reichsmark ist eine respektable Summe, namentlich in Hinsicht auf meine Finanzen, mit denen es, wie Du ja aus Erfahrung weißt, nicht zum besten bestellt ist," — Onkel Wiese nickte energisch mit dem Kopf — „aber selbst für diesen Preis könnte ich mich nicht entschließen, die goldene Freiheit aufzugeben. Ich Haffe die Ehe, weil sie mir Fesseln anlegt, und alle Fesseln sind mir zuwider. Außerdem bezweifle ich stark, daß