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ich jemals ein Wesen finden werde, das ich von Herzen lieben könnte, um es vom Fleck weg zu heiraten; ich meinerseits werde also wohl, wenn auch mit schwerem Herzen, auf den Preis ver­zichten müssen, den Du für denjenigen von uns aussetzt, der sich der Sklaverei der Ehe zu unter- ziehen gesonnen ist."

Auch ich, bester Onkel, muß dankend ab- lehnen", bekräftigte Franz.Ich bin von jeher ein Pechvogel gewesen, und ich glaube, wenn ich jemals das Glück haben sollte, ein Wesen anzu­treffen. das ich lieben könnte, dann kommt sicher ein anderer und schnappt es mir vor der Nase weg."

.Na, na, wir wollen mal sehen, was die Zeit bringt. Ihr seid noch jung und Euch steht der Eintritt überall offen," erwiderte Onkel Wiese.Es ist noch nicht aller Tage Abend. Mein Wort halte ich. Dreitausend Mark für denjenigen von Euch, der innerhalb eines Jahres heiratet. Kmder, das sollte ein Leben werden! Die Hochzeit richte ich selbstverständlich aus."

Wir wollen sehen, Onkelchen, was sich machen läßt", riefen Paul und sein langer Vetter.

Laßt uns anstoßen. Auf Eure zukünftige glückliche Ehe", forderte Onkel Wiese auf.

Meinetwegen!" rief Paul, und die Gläser

stießen zusammen.

» *

In einer der belebten Straßen der Neu­stadt prangte über der Eingangsihür eines kleinen Ladens in Frakturbuchstaben die Inschrift: Weiß- und Holländische Warenhandlung von Frau A. Bertram Wtw und damit sie den Passanten noch besser ins Auge siele, war die gleiche Firma auch zu beiden Seiten der Thür ange­bracht.

Sehr umfangreich schien das Weißwaren­geschäft der Frau Bertram Wtw. nicht zu sein, denn der Laden und das Schaufenster waren nur klein, aber daß die Inhaberin des elfteren ihr Geschäft aus dem Grunde verstand, das konnte man an den sauber gearbeiteten Schau­stücken sehen, die geschmackvoll arrangiert in dem hellerleuchteten Fenster prangten und die Augen der Passanten, namentlich der weiblichen, auf sich zogen.

Frau Bertram, deren Gatte längst hinüber gezogen war in jene Gefilde, aus denen noch niemand zurückgekehrt ist, war eine freundliche einfache Matrone.

Bittere Sorge war nach dem Tode ihres Mannes an sie herangetreten und lange hatte es gedauert, ehe es ihr gelang, sick eine Existenz zu schaffen, die ihr auf ihre alten Tage ein be- scheidenes, aber sorgenfreies Leben ermöglichte. Sie hatte viel Not und Kummer durchmachen müssen in ihrem Leben; von drei Kindern hatte der unerbittliche Tod zwei dahingerafft und nur ihr Liebling war ihr geblieben, ihre jüngste Tochter Marie, ein prächtiges Mädchen, wie alle bekundeten, die sie kennen zu lernen Gelegenheit hatten. Sie stand ihrem geliebten Mütterchen als helfender Engel zur Seite. Unermüdlich fleißig, ging ihr alles, was sie angriff, so ge­schickt von der Hand, daß es eine Freude war, ihr zuzusehen. Nicht nur besorgte die kleine Biene den gesamten Hausstand, sie stand auch dem Geschäft vor und zwar mit so gutem Er­folge, daß cs von Tag zu Tag sichtlich auf­blühte. Dabei war sie heiter und guten Mutes. Ja, ja, den Schalk hatte das kleine Mädchen im Nacken, und schon viele der jungen, ge­schniegelten Herrchen waren von Mariechen ab­gefertigt worden, so erfolgreich, daß ihnen die Lust verging, mit ihr wieder anzubinden.

Heute aber herrschte in dem kleinen Hinter- zimmer, welches an den Laden grenzte, große Aufregung. Auf dem Sofa und den Stühlen lagen alle jene unzählichen Sachen, die zur Vervollständigung einer Ballgarderobe gehören; Blumen, Schleifen, Handschuhe, Schmuckgegen- stände, und inmitten derselben stand ihre Be­sitzerin, von Zeit zu Zeit einen angstvollen Blick auf die Uhr werfend.

Schon acht Uhr," murmelte sie,ich werde ganz gewiß nicht zur rechten Zeit fertig. Der erste Ball", fuhr sie fort,o, wie freue ich mich darauf. Wie herrlich, so im Tanz dahin zu

schweben. Der Walzer, das ist mein Lieblings- tanz, ich will recht, recht viel tanzens, um mich für das bisher Versäumte zu entschädigen."

Es war in der That der erste Ball an dem das junge Mädchen teilnehmen sollte. Die häus­lichen Arbeiten hatten ihr bisher wenig Zeit für derartige Vergnügungen übrig gelassen, aber Marie hätte kein junges Mädchen sein müssen, um nicht den Wunsch zu hegen, auch endlich einmal an den Vergnügungen dieser Welt teilzunehmen, nachdem sie bisher stets im vollsten Maße ihre Pflicht erfüllt hatte. Und welches Vergnügen übt wohl eine eleklrisierendere Wirkung auf junge Mädchen aus, als ein Ball? Dieses harmlose Vergnügen mit seinen lausend Reizen für ein junges Mädchenherz!

Endlich hatte Mariechen ihre Toilette be­endet. Wie niedlich sah sie in dem einfachen weißen Kleidchen mit dem geschmackvollen Blumen- besatz aus. Aus dem krausen schwarzen Haar lugte eine dunkelrote Rosenknospe neugierig her­vor. In den Goldkäferschuhen, einem Meister­werk der edlen Schuhmacherzunst, steckten die zierlichsten Füßchen der Welt, Füßchen, um die sie jede der stolzen Modedamen beneidet hätte. Prüfend schauten die Hellen Augen der reizen­den Balldame noch einmal in den Spiegel und sie fand, daß alles gut war. Nun noch ein wenig Eisbouquet in das Taschentuch, dann zog Mariechen die zierlichen weißen Handschuhe Nr. 6^/t über die Elfenfinger und drehte sich wie ein Kreisel ringsum.

Nun, liebes, gutes Mamachen, wie gefällt Dir Dein Töchterchen?"

Es sitzt alles wunderhübsch", antwortete Mama im gerechten Stolze mütterlicher Be­friedigung, nachdem sie ihr Fleisch und Blut einer eingehenden Besichtigung unterworfen hatte. Nun will ich auch schnell meine Toilette be­enden." Diese war einfach genug. Das schwarze Seidenkleid, welches in Freud und Leid treu gedient, war nicht mehr ganz modern, trotzdem sah Frau Bertram, mit dem hübsch garnierten Häubchen auf dem Haupte, noch immer ganz stattlich aus.

Wie hübsch von Onkel Karl, daß er an Dich gedacht hat und Dir das heutige Ver­gnügen macht," sagte sie, indem sie dem Töchter­chen sanft die Wangen strich,Du armes Kind hast bisher so wenig Freude gehabt."

Ach, Mütterchen, laß es nur gut sein, Du weißt, daß ich mich bisher ganz glücklich ge­fühlt habe auch ohne große Vergnügungen, macht es mir nicht Freude genug, bei Dir sein und Dir hilfreich zur Hand gehen zu können?"

Ja, ja, Du bist meine liebe, gute Tochter, ich wünschte nur, daß es Dir. mein liebes Mariechen, einmal recht gut geht auf Erden, wenn ich nicht mehr bin."

Aber, Mütterchen, sind das Ballgedanken? Ich hoffe, daß wir noch recht lange, lange Jahre zusammen gesund und heiter leben werden, wie es bisher der Fall war. Wo nur Onkel Karl bleibt, am Ende hat er uns gar vergessen?" lachte sie.

Das Halten einer Droschke vor dem Hause, welcher der schon sehnlichst Erwartete entstieg, zeigte, daß ihre Vermutung nicht richtig war.

Na, Kinder, seid Ihr fertig?" rief er in jovialem Tone aus,das ist prächtig, in der Regel muß man auf Euch Frauen ja immer warten."

Diesmal ist aber das Umgekehrte der Fall, liebes Onkelchen," unterbrach ihn Marie.

Ja. ich sage ja, meine ehrsame Ehehälfte hat allein ein Stündchen über die Zeit gebraucht, dafür muß sie auch jetzt allein in der Droschke warten, bis wir kommen. Kinder, Kinder, mir brummt der Kopf, kann ich Euch sagen, wenn ich daran denke, was ich heute abend als Fest­ordner alles zu thun habe, ich weiß gar nicht, wie ich dazwischen hindurchfinden soll."

Wem Gott giebt ein Amt, dem giebt er auch Verstand, lieber Karl", neckte ihn seine Schwester.

Na, wir wollen das Beste hoffen", er­widerte er,für flotte Tänzer für Dich, Du reizendes Nichtchen, will ich schon sorgen. Und Dich," fuhr er zu Frau Bertram gewandt fort,

belege ich gleich für sämtliche Rundtänze mit Beschlag.Ja. scherze nur," fuhr er fort, als seine Sckwester lachte.Du wirst Dich wundern, beim Tanzen stehe ich auch heute noch meinen Mann."

Zwischen den Reihen der lieben neugierigen Nachbarn hindurch, die vor der Thür wie üblich Spalier gebildet hatte«, gelangten die drei glück­lich in das Innere des Gefährtes, in welchem Onkel Karls Gattin der Ankömmlinge bereits harrte.

(Fortsetzung folgt.)

Der Nagolder landw.Bezirksvereisn läßt folgende Mahnung an seine Mitglieder, überhaupt an alle Obstbaumbesitzer ergehen: Vor Ende Oktober sind alle Aepfel-, Birn- und Kirschbäume gegen die im Frühling Blüten und Blätter verzehrenden grünlichen Spanner- Raupen durch Abfangen der flügellosen Weibchen vor dem Eierlegen mittels der bekannten Kleb­ringe zu schützen. Nach den Erfahrungen der Ausschußmitglieder in den letzten Jahren ist hie­zu in erster Linie der am längstenfängisch" bleibende Raupenleim zu empfehlen. Zu 5 älteren oder IO jungen tragbaren Obstbäumen genügt je 1 Pfd. a 30 Damit die Rinde nicht durch den Leim verstopft wird, und damit er möglichst lange klebrig bleibt, streicht man den Klebstoff besser auf die (stets vorher von der toten Borke zu befreiende) Baumrinde, son­dern auf einen 8 bis 10 Ctm. breiten Streifen starken Packpapiers, das man vorher in einen stark mit Wasser verdünnten Schreincrleim ge­taucht und wieder getrocknet hat, bindet dann dieses Papier auf Brusthöhe mit einem Bind­faden oben und unten fest um den Stamm, da­mit kein Insekt unter dem Papier durchkriechen kann, und bestreicht es nun kleinflngerdick mit obenbemerktem Raupenleim. Dieser hat dann noch den weiteren Vorteil, daß man auf dem­selben im nächsten Frühling und Sommer die nach Herunterklopfen (mit der Klopskeule) meist wieder am Stamm aufsteigenden Käfer des Apfel­blütenstechers (dessen LarveKaiwurm" ge­nannt, durch Ausfreffen der Blüten deren Ab­welkenBrenner" genannt veranlaßt), ferner die durch heftige Gewitter abgeworfenen und an den Bäumen wieder aufsteigenden Raupen des Ringelspinners, endlich auch die während der Fraßzeit abgeklopften oder sich selbst herab­lassenden und einen zweiten Baum besteigenden Raupendes Goldafters abfangen kann. So­lange die Aeste noch belaubt sind, sollte man die abgestorbenen Aeste aufsuchen und weg­sägen, sowie an älteren Bäumen die Borken­schuppen, Flechten und Moos abkratzen. das Abgekratzte aber sogleich sammeln und ver­brennen, und die Stämme noch vor Winter mit der bekannten Kalk Mischung anstreichen. Ferner sollte man im Herbst und Winter die silber­weißen Gespinste der Goldaster-Räupchen -- große Raupennester" genannt auf unseren Obstbäumen, aber auch an etwa benach­barten Weißdorn- und Schlehenhecken, auffuchen und mit der Raupenscheere abschneiden und töten, oder mit der Raupenfackel verbrennen. Diese Aufforderung sollte Beachtung finden und alle Odstbaumbesitzer zu energischem Vorgehen gegen die Obstschädlinge veranlassen.

Eine verlockende Offerte findet sich in einer Nummer desBerl. Lokal-Anz.": Dummer gesucht. Als Mitspieler für Lotterie­loos suchen wir, um endlich zu gewinnen, einen wirklich Dummen. Derselbe hat Befähigungs­nachweis zu führen» indem er bis zum ersten großen Gewinn das Lotteriegcld auslegt. Offerten unter M. W. 300 000 Postamt V."

(Feine Mahnung.) Paul überbringt der Frau Direktor zum Geburtstag einen Blumen­strauß und wartet dann schweigend, nachdem er schon freundlichst verabschiedet ist. Dame: Nun, Kleiner, weshalb wartest Du denn noch?" Paul:Mama hat gesagt, ich soll von der Geburtstagstorte nichts fordern, sondern warten bis ich etwas bekomme."

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.