695
Kriegschronik 1870/71.
1«. Oktober 1870.
Soissous , 17. Okt. Gestern Kapitulation der Festung Soissons nach dreiwöchentlicher Belagerung durch die 2. Landwehr-Division und nach viertägigem Bombardement. Bedeutende Beute an Geschützen und Vorräten aller Art. Der Großherzog von Mecklenburg hielt, begleitet von dem Divisionsgeneral v. Selchow, sowie den Oberstlieutenants vonStülpnagel und von Wiebe, an der Spitze der Truppen gestern 3 Uhr seinen Einzug in die Festung. Es sind in Gefangenschaft geraten: 99 Offiziere, 4633 Mann. Erbeutet wurden: 128 Geschütze, 70 000 Granaten, 3000 Zentner Pulver, eine Kriegskasse, von 92 000 Franken, ein reich ausgestattetes Magazin kür eine Division auf drei Monate, sehr viele Bekleidungsgegenstände usw.
von Krenski.
Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Neuenbürg, 17. Oklbr. Nach einer Bekanntmachung des K. Ministeriums des Innern im „Staatsanz." von heule sind mehreren Angehörigen des K. Landjägerkorps für ausge- zeichnete Dienstleistungen und langjährige treue Pflichterfüllung Auszeichnungen zuerkannt worden, u. a. wird im Bezirk II öffentlich belobt: Stationskommandant Jetter in Neuenbürg und Slalionskommandant Schiler in Rottweil (vorher in Neuenbürg). Ferner hat eine Geldbelohnung erhalten der Landjäger I. Klasse Schusterin Wildbad, jetzt Stationskommandant in Laupheim.
Deutsches Weich.
Metz, 16. Okt. Berichte über den Besuch des Kaiserpaares auf den Schlachtfeldern von Metz besagen: An dem Denkmal des Gardekorps. welches die Kaiserin besichtigte, sangen die Mitglieder des Metzer Lehrerseminars. Die Kaiserin legte in St. Privat am Denkmal des Gardckorps und des 4. Garde-Gcenadier-Regi- ments Kränze nieder. Generalmajor v. Arent- schild erläuterte den Verlauf der Schlacht. Als die Kaiserin um 12 Uhr mittags in Metz ankam, wurde sie am Bezirkspräsidium durch 120 Festjungfrauen empfangen. Nachdem sodann der Vorstand des Vaterländischen Frauenvereins empfangen worden war und die Kaiserin die hauptsächlichsten Wohlfahrtseinrichtungen der Stadt besichtigt hatte, fuhr sie nach Urville zurück. Der Kaiser verweilte unter der Führung des kommandierenden Generals des XVI. Armeekorps, Graf Haeseler, und des Generalstabschefs des XVI. Armeekorps, Frhr. v. Huene, bis gegen Abend auf den Schlachtfeldern und nahm um 4 Uhr das Mahl im Kasino des Königs-Jnfanterie-Regiments Nr. 145 ein. Das Wetter blieb anhaltend regnerisch.
Kürzel, 17. Okt. Heute vormittag fand in Anwesenheit des Kaiserpaares, des kaiserlichen Statthalters, des kommandierenden Generals, des Staatssekretärs v. Putkammer, die Feier der Einweihung der neuen evang. Kirche in Kürzel statt. Die Weihe vollzog Konsistorialrat Braun, die Festpredigt hielt Divisionspfarrer Gerber in deutscher, Ortspfarrer Ungeren in französischer Sprache. Der Gesang des Liedes „Nun danket alle Gort" schloß die Feier. Das Kaiserpaar wurde auf der Hinfahrt und Rückfahrt von Taujendrn begeistert begrüßt.
Wörth, 17. Oktbr. Dadurch, daß der Kaiser beim Grafen Dürckheim in Frösch- weil er frühstückt, wird auch Fröschweiler, auf welches sich am 6. August 1870 das französische Heer hauptsächlich stützte, in die Festlichkeiten hineingezogen. Die Hauptstraße dieses langgestreckten Ortes ist ebenso festlich geschmückt, wie Wörth. Auf dem Wege vom Kaiser Friedrich- Denkmal nach Fröschweiler wird der Kaiser bei dem 1889 errichteten Bayern-Denkmal am Ausgange von Wörth eine Huldigung der eljässi- schen Landbevölkerung der Umgegend entgegennehmen. — Nicht zum erstenmale weilt ein Kaiser im Schlosse zu Fröschweiler bei einem Grafen Eckbrecht v. Dürckheim-Montmartin. Vor nunmehr fast 20 Jahren, im August 1876, kehrte unser großer Kaiser Wilhelm I., den sein Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere Kaiser Friedrich, begleitete, schon dort ein. Der damalige Schloßherr, der Graf Ferdinand Eckbrecht v. Dürckheim-Montmartin,
hat diesen Besuch in seinen „Erinnerungen" überaus anziehend geschildert.
Berlin. 16. Okt. Der „Köln. Zeitung" wird von hier berichtet: Fürst Lobanow hat, wie verlautet, vor seiner Abreise seiner vollen Befriedigung über seinen dreitägigen Aufenthalt in der deutschen Reichshauplstadt Ausdruck gegeben. Er hat in diesen drei Tagen reiche Gelegenheit gehabt und sie benutzt, mit den leitenden deutschen Staatsmännern einen eingehenden und vertraulichen Gedankenaustausch zu pflegen. Er hat sich namentlich auch über das Verhältnis Rußlands zu Frankreich ausgesprochen und keinen Zweifel darüber gelassen, daß auch er als seine wichtigste Aufgabe die Erhaltung des europäischen Friedens erkenne. Anderseits hat er sich davon überzeugen können, daß deutscherseits der ernste Wunsch vorhanden ist. mit Rußland gute, freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten, und daß die mannigfachen Ausstreuungen einerseits von einer feindseligen Richtung gegen die jetzigen leitenden russischen Staatsmänner, wie anderseits von einem Wettkriechen um die Gunst Rußlands völlig haltlos sind. Der Zufall hat es gefügt, daß der Fürst Lobanow, der nur als jugendlicher Legations- sekretär kurze Zeit in Berlin war, seidem keine nennenswerte Fühlung mit der Reichshauptstadt und ihren hiesigen leitenden Kreisen unterhalten hat. Der jetzige Aufenthalt hat darin einen Wechsel herbeigeführt, und man darf die Erwartung aussprechen, daß dies der allseitig erwünschten Pflege guter Beziehungen zwischen den beiden mächtigen Nachbarstaaten förderlich sein wird.
Berlin. ES ist ein erfreuliches Zeichen für uns Deutsche, wenn die russischen Minister sich veranlaßt sehen, zu uns nach Deutschland zu kommen, wie es umgekehrt für die Franzosen sehr peinlich sein muß, daß Fürst Lobanow unmittelbar nach den Verhandlungen mit den französischen Freunden nun auch in Deutschland seinen Besuch abstattet. Die russische Diplomatie handelt nach dem bekannten Rezept des Fürsten Bismarck, stets zwei Eisen im Feuer zu haben. Würden die Franzosen von ihrem wütenden Haß gegen uns Deutscheendlich abstehen, so wäre die Sachlage plötzlich anders, so aber betteln die Franzosen um die russische Gunst und unsere deutschen Diplomaten müssen dafür sorgen, daß Rußland sich nicht allzuweit mit den Franzosen einläßt.
Das gesamte preußische Staatsministerium hat gegenüber neuerlichen Verdächtigungen gegen den Ministcrkollegen Bötticher eine einstimmige Ehrenerklärung zu Gunsten des letzteren öffentlich abgegeben. Der Schwieger- vater des Herrn v. Bötticher, der unseres Wissens inzwischen verstorbene Reichsbankdirektor Berg in Stralsund, war vor einer ganzen Reihe von Jahren durch unglückliche Spekulationen an den Rand des Bankerotts gekommen. Der Schwieger- sohn hatte sein ganzes Vermögen geopfert und auch einige Freunde hatten größere Summen beigesteuert; was zur Deckung der Schulden noch fehlte, erhielt Herr Berg mit Genehmigung Kaisers Wilhelms I. von dem Fürsten Bismarck aus dem Welfenfonds Darüber erhebt sich nun nachdem die Verdächtigungen gegen Herrn von Bötticher gründlich wiederlegt sind, ein großes Geschrei bei der Welfenpartei und einigen frei- sinnigen Blättern. Da aber Fürst Bismarck für die Verwendung der Zinsen aus dem vormaligen Welfenfonds (das Kapital ist bekanntlich inzwischen dem Herzog von Cumberland ausgefolgt worden) niemanden verantwortlich war als dem Kaiser, so wird aus dem ganzen Lamento nichts Positives herauskommen.
München, 17. Okt. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten wurde die geschäftliche Behandlung des Antrags Grillenberger auf Erteilung eines Tadelsvokums an die Staatsregierung wegen der Fuchsmühler Vorgänge gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Bauernbündler für unzulässig erklärt.
Die in voriger Woche vollzogenen Ur- wahlen zum badischen Landtage gestatten noch keinen bestimmten Schluß auf die Parteigruppierung in der neuen zweiten Kammer, es
müssen daher erst noch die Wahlen der Abgeordneten selber abgewartet werden. Doch sind keinenfalls bedeutendere Veränderungen in den Parteiverhältnissen der badischen Volksvertretung zu erwarten, einen kleinen Zuwachs, und zwar um zwei Stimmen, dürften voraussichtlich nur die Nationalliberalen zu verzeichnen haben. Derselbe würde allerdings genügen, um genannter Partei die, wenn auch äußerst knappe absolute Mehrheit in der zweiten Kammer wiederzugeben.
Berlin, 16. Okt. Der Schneidergeselle Müller, der Mörder der Juweliersfran Mewers ist heute hingerichtet worden.
München, 17. Okt. Seit 2 Uhr schneit es hier in heftigster Weise. Die Stadt zeigt bereits ein vollständig winterliches Aussehen. Der Schneefall dauert noch immer fort. Da die Temperatur jedoch noch über 1 ° Wärme ist, so dürste der Schnee rasch wieder abgehen.
München, 17. Okt. Der Polizeidericht meldet: Einem Gutsbesitzer wurden auf der Reise von Köln nach München aus einem als Gepäckstück ausgebenem Reisekoffer Schmucksachen im Werte von 6000 gestohlen.
Mannheim, 16. Okt. Bei der Addition der Effcktendepots der Unionbank Mannheim stellte sich ein Manko von über 150 000 heraus. Der Kassierer Richard Mayer, welcher seit dem 9. d. M. nach Italien beurlaubt ist, wird der Unterschlagung dieser Summe bezichtigt. Seitens der Staatsanwaltschaft ist bereits ein Steckbrief hinter dem Kassierer erlassen worden.
Mannheim, 17. Oktbr. Der Bank- Defraudant Mayer wurde in Jnterlalen verhaftet, drei Packele mit Wertpapieren wurden in seinem Besitz vorgefunden.
Karlsruhe, 13. Okt. Die Bewegung, die zur Herbeiführung rationeller und praktischer Verbesserungen im Eisenbahn-Verkehr vom „Süddeutschen Eisenbahnreform-Verein" ins Leben gerufen worden ist, hat mit der Zeit eine Ausdehnung erlangt, der man auch an maß. gebender Stelle ihre Bedeutung nicht mehr ad« spricht. Auch die heute hier im kleinen Festsaale abgehaltene 3. ordentliche Generalversammlung sämtlicher Sektionen des Vereins zeigte, mit welchem Eifer und welcher Ueberzeugung die Mitglieder des Vereins die JnteresMn der Reformbestrebungen zu fördern versichert. Kurz vor 11 Uhr wurde die Generalversammlung durch den Vorstand der Sektion Karlsruhe, Stadtrat Ludwig, mit einer kurzen Begrüßungsansprache eröffnet. Prof. Böthlingk erstattete Bericht über den zweiten Punkt der Tagesordnung, über die Erfolge des Vereins. Er erinnerte dabei, wie wenig Entgegenkommen die deutschen Parlamente den Reformbestrebungen gegenüber gezeigt hätten. Es sei tief beschämend für das politische Deutschland, daß es keinen Abgeordneten gäbe, der voll und ganz die Tragweite der Eisenbahnreform erkenne. Besondere Anerkennung zollte der Redner dem Verhalten unseres Eisenbahnministers, der auf dem Standpunkt stehe, seine Verwaltung nicht unter engherzig fiskalischem Gesichtspunkt zu leiten. WaS heute erreicht, sei gewiß zu begrüßen. Er weise nur auf das Kilometerheft hin, welches für die Handelswelt von der weittragendsten Bedeutung sei. Durch das Kilometerheft hätten wir den Verkehr an uns gezogen. Darauf weise die erzielte Mehreinnahme unserer Bahnen hin. Was das Kilometerheft noch weiter vorteilhaft erscheinen lasse, sei der Wegfall des Zuschlags bei den Schnellzügen. In Folge davon werde der Schnellzug viel mehr benützt. Rechtsanwalt Jakob-Pforzheim sprach gleichfalls über die Erfolge, die der Verein erzielt. Seine prägnanten und übersichtlichen Ausführungen fanden allgemeine Zustimmung. Wenn auch der Verein manche Besserungen durchgesetzt, so dürfte der Eisenbahnverein doch nicht außer Dienst gehen. Einen Vorteil hätten gewiß die Kilometerhefte gebracht, doch seien dieselben trotz ihrer Vorteile nicht so geartet, dem Gros der Bevölkerung von sonderlichem Nutzen zu sein. Er sehe in dem jetzigen Kilometerheft nur eine Abschlagszahlung. Wenn das Heft dem Gros mehr zu gute kommen solle, so sei zu verlangen: rr. Herabsetzung deS Preises des Ktlometerheftes III. Klasse von