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Neuenbürg, 16. Okt. Die herrliche Herbstwitterung der letzten Tage wurde heute früh durch einen kräftigen Gewitterregen unter- brachen und es scheint, daß für die nächsten Tage weitere Niederschläge zu erwarten sind.

-s- Ottenhausen, 16. Oktober. Die Weinlese, welche gestern hier stattgefunden hat, lieferte leider nur einen ganz geringen Ertrag. Es wird nur wenige Weinbergbesitzer geben, welche mehr als einen halben Eimer erhielten. Dagegen ist die Qualität eine vor­zügliche. Wein wurde gewogen zu 85° nach Oechsle. In der hiesigen Kelter ist eine Tafel aufgehängt, auf welcher die Erträgnisse und Preise der Herbste seit Anfang dieses Jahr­hunderts verzeichnet sind. Aus diesem Verzeich­nis ist zu ersehen, daß in Ottenhausen nicht blos eine gute Qualität, sondern auch sehr namhafte Quantitäten an Wein produziert wurden. Der Rückgang der Quantität ist hauptsächlich darin zu suchen, daß eine große Anzahl von Wein­bergbesitzern infolge häufiger Mißernten ihre Weinberge eingehen ließen und sich dem ein­träglicheren Frucht- und Futterbau zuwendeten. Abgesehen davon, daß ungünstige Witterungs­verhältnisse und ähnliches einen Rückgang der Erträgnisse des Weinbaus verursachten, ist doch nicht zu leugnen, daß eine rationelle Betriebs­weise den Ertrag und die Güte des Weines erheblich steigern würden. Vor allen Dingen handelt es sich darum, durch eine verständige Düngung des Bodens und eine sorgfältige Be­handlung der Rebstöcke den Ertrag zu erhöhen. Es kommt häufig vor, daß es an der Düngung fehlt und das Bespritzen der Reben ganz unter­lassen wird. Thatsache ist, daß der Ertrag in gedüngten und im Sommer rechtzeitig bespritzten Weinbergen ein erheblich größerer ist, als in solchen, wo diese Mittel nicht angewendet wurden. Eine gute Düngung mit Stallmist und auch mit Kunstdünger sollte nicht unterlassen werden. Ebenso empfiehlt es sich, im Sommer die Stöcke mit einer Mischung von Kupfervitriol und Spccksteinmehl zu bestäuben. Ein anderes älteres Verfahren ist das Bespritzen mit sogen. Bordeauxbrühe (Kalkmilch und Kupfervitriol). Diese Mittel wurden angewendet gegen die Blattfallkrankheit (Perenospora) und sind Ver­suche damit aufs günstigste ausgefallen. Wein­berge, welche auf diese Weise behandelt wurden, stehen noch in schönstem Blütenschmucke da, während andere ein sehr herbstliches Aussehen haben. Auch die Auswahl der Sorten läßt am hiesigen Platze noch zu wünschen übrig. Am empfehlenswertesten sind schwarzer Rißling (sog. Müller) und weiße Sorten. Der Wein­bau könnte aber hier auch besonders noch da­durch gehoben werden, wenn die Interessenten demselben fernerhin ein wärmeres Herz entgegen bringen werden. Auf den gestrigen warmen Herbsttag folgte heute früh ein heftiges Gewitter. Der Regen dauert fort.

Oberniebelsbach, 16. Okt. Bei präch­tigem warmem Herbstwetter hat heute hier die Weinlese begonnen. Die Weinberge stehen schön belaubt da, ihr Ertrag ist aber diesmal so spärlich, daß die meisten Produzenten in wenigen Stunden mit der Lese fertig wurden, es sind nur Einzelne, welche heute noch zu lesen haben. Manche haben an der Kelter gar kein Geschirr aufgestellt, sie konnten ihren ganzen Ertrag zu Hause unterbringen; in Folge dessen will sich bei der Kelter auch der sonst gewohnte Verkehr nicht entwickeln. Das ganze an der Kelter befindliche Erzeugnis beträgt nur etwa 1820 Eimer ca. 60 Hektol., während es in den Vorjahren bis zu 300 Hektol. betrug. Die Güte des Neuen ist vorzüglich. Einzelne Wägungen ergaben 86 ° nach Oechsle. Die wenigen Eigner, welche etwas abgeben können, wollen nicht unter 200 «iL verkaufen, um bei dem heurigen kleinen Ertrag für die mühevolle Bestellung der Weinberge durch höheren Erlös wenigstens etwas entschädigt zu werden. In Ellmendingen steht die Sache ähnlich wie hier.

Bom oberen Enzthal, 10. Okt. Forst­wart Klein hatte dieser Tage das seltene Jagd­glück, in kurzer Zeit nacheinander 3 schöne Hirsche zu erlegen, darunter einen prächtigen Zwölfender.

Pforzheim, 10. Okt. Der frühere Fa­

brikant Ernst Schüller, der vor einigen Jahren einen Schlaganfall erlitt, kam vorgestern von seinem Spaziergang nicht wieder nach Haus, gestern abend fand man ihn tot im Walde zwi­schen Haidach und Seehaus. Ein abermaliger Schlaganfall hatte seinem Leben ein Ende ge­macht.

Deutsches Aeich.

Straßburg. 14. Okt. Se. Mas. der Kaiser hat gestern aus Hubertusstock folgendes Telegramm an seinen Statthalter in Elsaß-Lothringen gerichtet:Ich erfahre soeben aus den Zeitungen die Kunde des abscheulichen Mordes an dem Fabrikherrn Schwartz in Mühlhausen. Ich bitte daher Eure Durchlaucht, in meinem und der Kaiserin Namen unser innig­stes Beileid der unglücklichen Wittwe auszu­sprechen. Wieder ein Opfer mehr der von den Sozialisten angefachten Revolutions­bewegung. Wenn unser Volk sich doch ermannte. Wilhelm I. U

Straßburg, 14. Oklbr. Das Tele­gramm des Kaisers an den kaiserlichen Statthalter steht in Straßburg in diesem Augenblicke im Vordergründe der öffentlichen Betrachtung. Ueberall wird die charakteristische und energische Kundgebung des Monarchen leb­haft besprochen. Der Kaiser beschränkt sich nicht darauf, durch seinen Statthalter der Familie des Ermordeten das Beileid des Kaiserpaares aussprcchen zu lassen, sondern er nimmt m der kraftvollen Art, die alle seine Kundgebungen kennzeichnet, auch Stellung zu dem Verbrechen selbst. Und zwar stellt er sich dabei auf die Seite derjenigen Beurteiler, welche die Erregung und Verwirrung, so da in unreifen Köpfen durch sozialdemokratische Hetzereien erzeugt werden, als die Keime solcher Unthaten ansehen. Am bedeutsamsten ist unstreitig der letzte Satz der kaiserlichen Kundgebung:Wenn unser Volk sich doch ermannte!" Man sieht, der Kaiser erwartet das Heil der Zukunft nicht von Aus­nahmegesetzen und nicht von der repressiven Wirkung der Staatsgewalt, sondern er hofft auf eine Gesundung von innen heraus. Der knappe Satz gibt mit inniger Herzlichkeit dem Wunsche Ausdruck, daß die Volksseele sich auf sich selbst besinnen und den glitzernden Schimmer, welcher sich in den Augen so vieler Bethörten um die Lehren falscher Volksbeglücker rankt, als Lug und Trug, die zauberischen Luftschlösser der Sozialdemokratie als eine gespenstige Fata Morgana erkennen möge. In diesem Wunsche sind wir wohl alle mit dem kaiserlichen Herrn einig, seine Verwirklichung hängt davon ab, ob und wann es gelingen wird, die breiten Massen mit jener wirklichen Bildung im besten Sinne des Wortes zu erfüllen, die ihre Träger nicht nur mit einer Reihe von einzelnen Kennt­nissen ausrüstet, sondern ihnen auch diejenige feste Welt- und Lebensanschauung verleiht, welche allein imstande ist, ihnen als Schutzwehr gegen alle Verlockungen zu dienen. Nach dem Kriege von 1866 tauchte das geflügelte Wort auf, der preußische Schulmeister habe bei Königgrätz gesiegt. In dem Kampfe gegen die Sozialdemokratie hat der «Schulmeister auch eine wichtige, heilige Aufgabe zu erfüllen, die schwerste und verantwortungsvollste aber fällt der Presse zu. Möchten ihre Leiter doch der Thatsache stets bewußt sein, daßwer Wind sät nur Sturm ernten" kann! Die Presse hat den Beruf, das Volk zu bilden uud ihm die richtigen Wege zu weisen. Leider suchen aber heutzutage nur zu viele Zeitungen ihren Beruf nicht in der Erfüllung dieser hehren, aber un- dankbaren Pflicht, sondern darin, sich um jeden Preis beliebt und volkstümlich zu machen, indem sie dem Volke, wie man mit einem trivialen aber bezeichnenden Ausdruck sagt, nach dem Munde schwätzen. Sie ziehen alles Erhabene in den Koth; sie mäkeln an allen edeln und wohlgemeinten Bestrebungeu; sie bauschen vor­handene Mißstände auf, indem sie die unlieb­samen Einzelfälle, an denen es hier auf Erden nirgendwo fehlt, nicht als solche, sondern als typische Zustände hinstellen; sie nörgeln mit würdelosem Spott und wohlfeilen Witzchen an allem so lange herum, bis sie es schließlich

I glücklich fertig gebracht haben, überall Miß­trauen, Haß und Verhetzung zu erzeugen. Wenn das Volk erst einmal so weit gebracht ist. sich als eine Schar wehrloser Unterdrückter und alle Höherstehenden als Ausbeuter, Sklavenhalter und Spekulanten anzusehen, dann ist der Schritt zu Unthaten, wie die Ermordung des Fabrikanten Schwartz eine ist. nicht mehr weit. Die Presse ist heutzutage der mächtigste Faktor im öffent­lichen Leben, aber ihrer Machtfülle sollte auch das Gefühl ernster Verantwortlichkeit bei denen entsprechen, die dieses zweischneidige Schwert zu führen haben.

Berlin, 13. Okt. Nachdem der Reichs­kanzler Fürst Hohenlohe und Fürst Lobanow heute Abend 6'/4 Uhr aus Hubertusstock wieder hier eingetroffen sind, fand um 7'/» Uhr beim Fürsten Hohenlohe zu Ehren des Fürsten Lobanow ein Mahl statt, zu dem außerdem geladen waren der russische Botschafter Graf v. d. Osten-Sacken, das Personal der russischen Bolschaft, die Minister Dr. v. Boetticher und Frhr. v. Marschall. der italienische Botschafter Graf Lanza, sowie die Geschäftsträger von Frankreich und Oesterreich-Ungarn. Dem zu Ehren des russischen Ministers des Auswärtigen Fürsten Lobanow morgen Abend auf der rus­sischen Botschaft zu veranstaltenden Festmahle wird auch Reichkanzler Fürst Hohenlohe bei­wohnen. Fürst Lobanow wird Mittwoch früh Berlin verlassen, um nach Petersburg zurück­zukehren.

Berlin. 14. Okt. Wenn auch dem Be­suche des russischen Ministers des Auswärtigen Fürsten Lobanow beim Kaiser in Hubertusstock schon wegen der Anwesenheit des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe daselbst, eine politische Be­deutung nicht abzusprechen ist, so wird in unter­richteten Kreisen der Hauptnachdruck auf den persönlichen Gesichtspunkt gelegt, daß dadurch die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Kaisern eine neue Bestätigung erfahren haben.

Berlin, 15 Okt. Fürst Lobanow fuhr gestern nachmittag beim Reichskanzler vor, den er nicht antraf. Später erschien er im Aus­wärtigen Amt, wo er mit dem Staatssekretär v. Marschall eine längere Unterredung hatte. Der Reichskanzler machte Lobanow einen Gegen­besuch in der russischen Botschaft.

Straßburg, 14. Okt. Am 17. Oktober trifft auch die Kaiserin Friedrich hier ein. Die Stunde ist noch nicht bestimmt. Ferner treffen außer dem Prinzen und der Prinzessin Heinrich, sowie dem Erbprinzen und der Erb­prinzessin von Sachsen-Meiningen hier am 17. mit verschiedenen Zügen ein: der Fürst zu Hohenzollern, Prinz und Prinzessin Adolph von Schaumburg-Lippe, der Prinz und die Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, sowie der Fürst von Wied, der imRoten Haus" Wohnung nimmt. Der König von Württemberg wird am 18., morgens 9,15 Uhr, hier eintreffen und gleich nach Wörth weilerfahren. Er kommt dann mit dem Kaiserzug hierher und fährt abends um 10,15 Uhr von hier wieder ab» bleibt also hier nicht über Nacht. In seiner Begleitung befinden sich der Generaladjutant Generallieutenant Frhr. v. Falkenstein und der Flügeladjutant Frhr. v. Röder. Ferner trifft noch ein der Oberhofmarschall Frhr. v. Wöll- warth-Lauterburg. Die übrigen Herrschaften kommen am 18. hier an.

Straßburg, 15. Okt. Heute Morgen ist das Kaiserpaar auf reichsländischem Boden eingetroffen, und das kaiserliche Hoflager befindet sich gegenwärtig auf Schloß Urville, dem Besitz­tum, das der Kaiser sich in Lothringen selbst erworben und das er in der Zwischenzeit schon mehrere Male besucht hat, während die Kaiserin es zum erstenmale betritt. Das Kaiserpaar traf vormittags 9 Uhr in Kürzel ein. Der Kaiser trug die Uniform des Königs-Infanterie- Regiments Nr. 145 mit dem grauen Mantel, die Kaiserin ein pelzverbrämtes Reisekostüm. Bier weißgekleidete Damen mit Schärpen in deutschen Farben überreichten Sträuße. Die Kaiserin dankte auf das freundlichste und reichte jeder der Ehrenjungfrauen die Hand» indem sie leut­selige Worte an dieselben richtete. Der Kaiser