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Stuttgart. Auf den zum Kurs von 102 °/o zur öffentlichen Zeichnung aufgelegten Restbetrag von IVr Mill. Mark des 3'/,°/» An- lehens von 1891 der Stadtgemeinde Stuttgart wurden dem Vernehmen nach r. 3'/r Mill. gezeichnet, so daß eine erhebliche Reduktion der den Betrag von 2000 Mk. übersteigenden Zeichnungen stattzufinden hat.
Stuttgart, 4 Okt. Das hiesige Hauptpostamt erläßt die wohl zu beachtende Mahnung, bei Briefen und Telegrammen an Firmen das Won „Herr" wegzulaffen und dafür „An die Firma" zu setzen. Biese und Telegramme mit „Herr" können nicht befördert werden, sobald am Platze noch eine oder mehrere Personen sind, welche denselben Namen und Vornamen führen.
Stuttgart, 4. Okt. Die gestern im evangl. Vereinshaus abgehaltene Versammlung des Volksschulvereins war sehr zahlreich, auch von vielen Geistlichen aus den evangl. Landesteilen besucht. Auf der Tagesordnung stand die Frage: „Wie hat sich der Fortbildungsunterricht auf Grund des gegebenen Lehrplans zu gestalten? Als Aufgabe der allgemeinen Fortbildungsschule wurde bezeichnet: a) die in der Volksschule er- wordenen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu befestigen uud zu vertiefen; b) den Schülern einen neuen Stoff des für das praktische Leben notwendigen Könnens und Wissens zuzuführen. In Bezug auf die Erhaltung und Be- festigung der in der Volksschule erworbenen Kenntnisse wird vor dem das alte Geleise wieder betretenden einfachen Repetieren gewarnt und bei der Zuführung neuer Stoffe auf die engbegrenzte Unterrichtszeit eine doppelte Beschränkung als notwendig bezeichnet. Aleber die Frage, inwieweit man sich an den am 19. April d. I. ausgegebenen Lehrplan für die Fortbildungsschulen zu halten habe, entspann sich eine sehr lebhafte Debatte. Bezüglich des Religionsunterrichts war die Mehrheit dafür, ihn in halben Stunden zu erteilen. Weiter wurde auch besonders darauf Wert gelegt, daß die Fort- bildungsschüler über das Wichtigste aus dem Post- und Eisenbahnverkehr instruiert werden. Was den Gesangunterricht anbelangt, so wurde auf dessen deutsch-nationalen Charakter besonderer Nachdruck gelegt. Die Mehrheit war dafür, daß der Geschichtsunterricht bei Ludwig XIV. beginnen müsse und von dessen Raubzügen auf die Ereignisse von 1870/71 hinübergeleitet werde. Was die sogenannte Bürgerkunde (Kenntnis der Gesetze) anbetrifft, so wurde als wichtig bezeichnet, daß in unserer sozialistischen Zeit die Jugend über die Arbeiterschützgesetze aufgeklärt werde. Zum Schluß kam es noch zu recht lebhaften Debatten über die Frage, ob man ein neues Lesebuch für die Fortbildungsschulen nötig habe oder nicht. Einige Redner waren gegen den „Buchdrill", die Mehrheit dagegen glaubte eines Lesebuches nicht entraten zu können, wie denn die Vorbereitungen für die Herausgabe eines solchen bereits im Gange sind. Die Ansicht, die Herausgade sei verfrüht, fand nur wenig Anhänger, Eine Anzahl weiterer Thesen zu dem Lehrplan der Fortbildungsschulen, welche der Referent noch aufgestellt hat, konnte wegen der vorgerückten Zeit nicht mehr besprochen werden.
Je nach 3 Jahren werden die Seen im Schloßgarten in Stuttgart ausgefischt. Das Wasser wird nur von fetten Karpfen und noch fetteren Aalen ertragen. Das Ergebnis des Fanges war diesmal ein befriedigendes; Cann- statter Fischer bezahlten bis zu 40 per Ztr. Es waren Tiere bis zu 12 Pfund. Bevor sie in die Küche und auf den Tisch gelangen können, müssen sie im frischen, womöglich fließenden Wasser eine Badekur von 2—3 Wochen durch» machen. Der See ist tief versumpft.
Dem Erntebericht für Württemberg vom Monat September entnehmen wir dem Staatsanzeiger: Geerntet wurde nach vorläufiger Schätzung von Winterroggen: 12 Doppelzentner im Gesamtdurchschnitt des Landes, Neckarkreis 14,1 Schwarzwaldkreis 12,2, Jagst- kreis 10,1, Donaukreis 12,5, von Sommerrogen: im Schwarzwaldkreis 12,4, im Jagstkreis 10,2, im Donaukreis 10,4 Doppelzentner pro Hektar. 8m Neckarkreis wird Sommerroggen nur wenig
und vereinzelt gebaut. — Infolge der Trockenheit seit Mitte August ist der Ertrag an Herbstfutter von Feldern und Wiesen fast allerorten sehr gering und das noch vorhandene Grünsutter geht zur Neige. — Bezüglich des Standes, bezw. der Ernteergebnisse der verschiedenen Gewächse ist den Berichten nachstehendes zu entnehmen: Die Qualität des Roggens wird zwar meist ge- rühmt, doch sind da und dort die Körner wegen Schnellreife schmal geblieben. Infolge von Winterschäden ist der Ertrag des Winterroggens in den einzelnen Bezirken sehr verschieden. Dinkel und Weizen, wie auch Gerste wurden in den hochgelegenen Landesteilen mit später Erntezeit. Haber im größten Teil des Landes vortrefflich eingebracht. — Ueber den Stand der Kartoffeln, deren Ernte bereits im Gange ist, lauten die Berichten verschieden: während mehrere derselben den gesunden Zustand der Kartoffeln und deren Ergiebigkeit rühmen, klagen andere über Benachteiligung durch Trockenheit, über Kleinheit und geringe Zahl der Knollen.
— Der Ertrag an Oehmd war nur aus guten feuchten Thalwiesen ein zufriedenstellender; trockene Wiesen ergaben nur wenig Oehmd, dagegen die Qualität desselben überall vorzüglich. — Rotklee hat nach dem zweiten Schnitt nur wenig nachgeschoben; auch der junge Klee (Stoppelklee) bleibt zurück. Sogar viele Luzernefelder leiden not. so daß der letzte Schnitt derselben nur an wenigen Orten einen befriedigenden Stand zeigt.
— Unter diesen Umständen ist es als ein großes Glück zu betrachten, daß im Vorsommer überall reichliches Futter geernet worden ist.
Ludwigsburg, 13. Okt. Gestern hat bei schönster Witterung in dem Privatweinberge Sr. Maj. des Königs, welcher gegenüber der Villa Mariawahl, auf Markung Eglosheim, liegt, die Weinlese stattgefunden. Abends zwischen 6 und 7 Uhr war in den königl. Weinbergen großes Brillant-Feuerwerk. I. M. M. der König und die Königin, Ihre königl. Hoheit Prinzessin Pauline, Prinz Max, sowie verschiedene hohe Herren und Damen des königl. Hofes waren dabei anwesend.
Leutkirch, 13. Okt. Vorgestern abend Vr8 Uhr kündeten Feuersignale und ein mächtiger Feuerschein einen großen Brand in der unteren Vorstadt hier. Beinahe gleichzeitig standen zwei Anwesen in Hellen Flammen: das Gasthaus zur Sonne und ein daneben stehendes Anwesen, Erstercs brannte mit Brauerei und Oekonomie- gebäude total nieder, ebenso auch das andere Gebäude. Der Brand entstand in einem Stadel neben der Sonne und teilte sich dem ganzen Anwesen und dem Nachbarhaus mit großer Schnelligkeit mit, das Vieh und einiges Mobiliar konnte gerettet werden, während in dem elfteren Gebäude 9 Schweine und das Geflügel, sowie ca. 300 Mark in Geld verbrannt sind.
Weinpreiszettel vom ii. bis 12. Okt.
Bönnigheim. Käufe zu 145, 148, 150, 152, 154—160 ^L Vorrat noch 3000 Hl. Käufer erwünscht. — Kirchheim a. N. Verkauf flott, Preise 170, 175, 180, 190 und 200 -4L per 3 Hl.
Marktpreise.
Neuenbürg, 12. Oktober.
Butter, V, Kilo.-L10.95—1.05
Landeier, 2 Stück 13 Kisteneier 6 2 St. 13
Pforzheim, 12. Oktober.
Landbutter, V, Kilo.-4L 1.—
Süßrahmbutter.-4L 1.10—1.20
Landeier 2 Stück.13—14 ^
Kisteneier, 2 Stück.11—13 ^
Stuttgart, 12. Oktober.
Saure Butter, Vr Kilo. - 1 L 1.—
Süße Butter, '/, Kilo .... -4L 1.10—1.20
Frische Eier 10 Stück. 65
Kalkeier, 10 Stück . 60^
Ausland.
Pest, 12. Okt. Durch ein dem Falle von Tisza Eszlar ähnliches Vorkommnis eines angeblichen Ritualmords, der an einem fünfjährigen Mädchen in Garomsallo begangen worden sein soll, ist die Bevölkerung gegen die Juden erregt worden. Eine strenge Untersuchung ist im Gange.
Paris, 12. Oktbr. Betreffs des unter Spionageverdacht verhafteten ehemaligen Polizeikommissärs Schwartz wird heute von den Blättern erzählt, derselbe habe insbesondere mit jungen Elsäßern, die als Militärflüchtlinge ver
folgt werden, Bekanntschaft angeknüpft, deren Photographien angefertigt und diese der deutschen Polizei übersandt.
Wie aus St. Etienne gemeldet wird, wurde infolge einer anonymen Anzeige bei einem Werkführer der dortigen Staats-Waffenfabrik eine Haussuchung vorgenommen und eine Anzahl neuer Gewehrscheiben aufgefunden, welche angeblich im Aufträge einer auswärtigen Macht entwendet worden war. Gegen den Werkführer wurde die strafgerichtliche Untersuchung eingeleitet.
Vom Papste ist jetzt noch nachträglich gegen die stattgehabten Jubelfestlichkeiten in Rom protestiert worden. Der Protest stellt sich durch ein Schreiben an den Kardinal-Sekretär Ram» polla dar, in welchem Leo XIII. mit aller Bestimmtheit die Wiederherstellung der päpstlichen weltlichen Machtstellung fordert. In Afrika fangen neue Verdrießlichkeiten für die Italiener an, da die Abyssiner unter Ras Mangascha, abermals die erythräische Kolonie bedrohen, doch gedenkt General Baratieri dem feindlichen Angriff zuvorzukommen.
Rom, 12. Okt. Nach einer Privatdepesche aus Catania lockte eine Frauensperson — Gae- tana Stimoli — Kinder durch Süßigkeiten, Spielsachen u. s. w. an und gab ihnen dann Phosphorwein, sodaß sie unter gräßlichen Schmerzen starben. Sie vergiftete so dreiundzwanzig Kinder. Die Stimoli ist verhaftet; sie gestand ihre Missethaten ein und sagte aus, sie habe sich rächen wollen, weil zwei ihrer Kinder gestorben seien. Die Volksmenge wollte sie lynchen.
K o n st a ni n op e l, 12. Okt. Die Zahl der armenischen Opfer bei der letzten Metzelei in Trapezunt wird auf 200 geschätzt. Die christliche Bevölkerung der verschiedenen Riten, welche ein eigenes Stadtviertel bewohnt und daher gemeinsam den Angriffen ausgesetzt ist, flüchtete nach der Citadeüe, in welcher sie eingeschlossen ist.
In CHina dauern die Christenverfolgungen fort. Sie haben sich auf die inneren Provinzen ausgedehnt, in Nantschang z. B. wurden die Missionsanstalten zerstört, die Bewohner teils ermordet, teils verwundet.
Zluteryattender T<U.
Der gute Onkel.
Humoreske von Georg Grad.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
„Ein abscheuliches Wetter draußen, lieber Opkel, ja, wer es so gut haben kann, wie Du, kann lachen", rief Paul, indem er sich fröstelnd die Hände rieb und mit seinem Rücken einen Augenblick an dem großen Kachelofen lehnte, in dem ein Helles Feuer lustig prasselte und eine angenehme Wärme in dem außerordentlich gemütlichen Zimmer verbreitete.
„Das glaube ich; wie der Wind heult und der Regen niederprasselt. Um so mehr freue ich mich, daß Ihr selbst in dem abscheulichen Wetter den Weg nicht scheut, um mit mir ein Stündchen zu verplaudern. Das Geschäft ist bei dem Wetter und namentlich um diese Zeit überhaupt sehr still. Ihr seid wirklich ein Paar gute Jungen " Hätte er gesagt „nette Jungen", würde er das Richtige getroffen haben.
„Du weißt ja, lieber Onkel, wie viel wir von Dir halten," erwiderte Paul.
„Nun, giebt's viel zu thun im Geschäft?" fragte er diesen.
„Riesig, sage ich Dir, was die Leute bauen, ist kolossal, immer eine Mietskaserne über die andere, in die weder Licht noch Luft für die bedauernswerten Einwohner hineinzudringen vermag" , antwortete der Gefragte. „Uno dabei steht der Bauschwindel in voller Blüte. Alle Augenblicke geht einer dieser modernen Bauspekulanten zu Grunde, die, ohne einen Pfennig Geld im Besitz, auf Kosten der bedauernswerten Handwerker ihr Unwesen treiben, sich als Hausbesitzer aufspielen und mit dem sauer erworbenen Geloe ihrer Gläubiger ein Leben führen, wie Gott in Frankreich, bis eines Tages die schwindelhaften Luftschlösser zusammenstürzen und ihre Erbauer unter sich begraben. Was nützt es,