gangen waren. Heute abend 6 Uhr wird Fürst Hohenlohe von Ihren Majestäten in Marienwahl empfangen werden; um 7 Uhr findet zu Ehren desselben ein Diner daselbst statt.
Stuttgart, 3. Okt. Der deutsche Reichskanzler, Fürst Chlodwig von Hohenlohe- Schillingsfürst, der heute auf der Rückreise von Aussee nach München unserem König seinen Besuch abstattet, wird von der württembergischen Bevölkerung herzlich willkommen geheißen. Es ist hier unvergessen, daß Fürst Chlodwig von Hohenlohe seiner Zeit, als Ministerpräsident in unserem Nachbarlande Bayern, in schweren Tagen der staatsmännische Vertreter des deutschen Gedankens in Süddeutschland war. Der Besuch des Fürsten gilt sicherlich nicht politischer Arbeit; er ist ein Akt persönlicher Begrüßung am königlichen Hofe, an dem auch das württ. Volk herzlichen Anteil nimmt.
Unter den neuen Steuervorlagen, welche die am 2. Oktober zusammentretende Finanzkommisston der Kammer der Abgeordneten beschäftigen wird, befindet sich auch eine solche für die Wandergewerbe. Aus den beigegebenen statistischen Zahlen ist zu ersehen, daß die Zahl der Hausierer in Württemberg, welche im Jahre 1887 noch 21 782 Köpfe betrug, darunter 3118 Nichtwürltemberger, im Jahre 1895 auf 18 298, darunter 2538 Nichlwürttem- berger. zurückgegangen ist. Es ist aber beachtenswert, daß dieser Ausfall zu ganz erheblichem Teil die Hausierer in landwirtschaftlichen Produkten betrifft. Hier sind die Hausierer von 3454 auf 2290, also 1164 Köpfe zurückgegangen. Die Hausierer mit Sand, Zündhölzern, Lichtern und Seife haben um 581 Köpfe abgenommen, diejenigen mit Lumpen. Beinern und altem Eisen um 344 Köpfe, diejenigen in hölzernen Rechen, Gabeln und Kochlöffeln um 299/ diejenigen in Korb- und Siebwaren, sowie Korbflicken um 272, die in Kunst- und Galanteriewaren um 214. Die Zahl der Hausierer in Kolonial-, Eß- und Trinkwaren ist dagegen von 2544 auf 2905, die Zahl der mit Tieren hausierenden Leute von 1378 auf 1514, derjenigen mit verschiedenen Artikeln von 705 auf 781 gestiegen, die Zahl der Karusselbesitzer von 88 auf 108. Sehr schwach gefallen ist die Zahl der Hausierer in Ellenwaren, Tuch, Leinwand und Zeugten nämlich von 1339 auf 1256, der Hausierer mit Bilder von 174 auf 165. Die erwähnten 18 298 Hausierer in Württemberg haben im ganzen Jahr 1893 insgesamt 55 326 40 Steuer bezahlt, also durchschnittlich jeder ganze 3 2 Die Zahl
der Wanderlager in Württemberg betrug im Jahre 1880 1701, 1887 3984, worunter allerdings 3595 mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen Obst, Kartoffeln, Holz re., im Jahre 1892 noch 2466 und 1893 1467; dagegen betrug die Zahl der Wanderlager speziell in Bekleidungsgegenständen und anderen derartigen Artikeln im Jahre 1882 177, im Jahre 1892 257 und im Jahre 1893 noch immer 197. An Staats- und Korporationssteuern haben diese Wanderlager zusammen im Jahr 1893 nur 4611 oder durchschnittlich 8,85 ^ aufgebracht. Interessant ist auch die Zusammenstellung derjenigen Städte, welche am meisten von Wanderlagerern heimgesucht wurden und merkwürdiger Weise steht Stuttgart nicht einmal immer oben an. Die Zahl der Wanderlagerer mit Bekleidungsgegen- ständcn, Galanteriewaren und anderen kaufmännischen Artikeln betrug z. B. im Jahre 1882 in Göppingen 20, in Gmünd 16, in Ulm 14, in Stuttgart 12, in Heilbronn 11, in Tübingen 9, in Eßlingen 7, in Reutlingen und Ravensburg je 5, in Hall 4; im Jahre 1887 hatte Stuttgart 53, Tübingen 16, Göppingen 13, Gmünd 12, Heilbronn 9 solche Wanderlager; im Jahre 1892 Stuttgart 25, Ulm 7, Heilbronn, Tübingen, Ravensburg und Gmünd je 6, Hall 5, Reutlingen 3, Eßlingen 2, Göppingen 1; im Jahre 1893 Stuttgart 16, Tübingen (das überhaupt ein wahres Eldorado für Wanderlagerer zu sein scheint) 10, Heilbronn 8, Gmünd Hall 5, Göppingen 4, Ravensburg 2, Ulm, Eßlingen und Reutlingen je 1. Künftighin sollen die Wanderlagerer in Ellen-, Woll- und Weißwaren, Teppichen, Schuhen und Schirmen
und dergl. per Woche für je 1000 ^ und weniger Warenwert 10—20 Steuer bezahlen. In Preußen müssen die Wanderlagerer bezahlen 50 in Orten der 1. Gewerbesteuerabteilung,
40 v-L in Orten der 2. und 3. Gewerbesteuer- abtcilung und 30 in Orten der 4. Gewerbesteuerabteilung, sowie in ganz Hohenzollern. Was die künftige Besteuerung der Hausierer anbelangt, so sollen diese, soweit sie mit Ellen-, Woll- und Weißwaren re. Handel treiben 2 bis 150 pro Kalenderjahr an Steuern zahlen, wobei für jeden Begleiter oder Hilfs- Person die Hälfte des einfachen Satzes in Anwendung zu bringen ist. Hiebei wird alles auf die praktische Anwendung der Steuersätze durch die Behörde ankommcn. Es ist wohl gesagt, daß der Sleuerbetrag von 2 bis 4 ^ nur als Ausnahmesatz gelte für gebrechliche Personen und dergl., wie dann aber die höheren Sätze zur Anwendung gelangen, ist leider in dem Tarif nicht seftgestellt und überdies erscheint eine Moximalsteuer von 150 ^ jährlich für solche Hausierer, welche mit Galanteriewaren, diversen Erzeugnissen der Textilindustrie re. von Ort zu Ort ziehen und oft aus einem einzigen mittleren Bauernort 600 bis 1000 ^ bar Geld fortschleifen, eine wahre Lappalie. Hier wird also die Kammer Gelegenheit haben, wesentliche Verbesserungen vorzunehmen. Auch die Bestimmung dürfte eine Anfechtung in der Kammer erfahren, daß nur derjenige mindergewerbesteuerpflichtig sein soll, der außerhalb des Gemeinde- vczirks seines Wohnorts hausiert. Ganz abgesehen von größeren Städten, wo die einheimischen Hausierer zu einer wahren Plage werden können, sind z. B. aus dem Bezirk Mergentheim bittere Klagen schon vor Jahren darüber laut geworden, daß in einzelnen Gemeinden ein ortsansässiger Hausierer fast täglich den Familien des Orts Kolonialwaren, die er aus der Nachbarschaft bezog, so drängend anbielet, daß die ortsansässigen Kaufleute das Nachsehen haben.
Stuttgart, 3. Okt. Das landwirtschaftliche Hauptfest auf dem Wasen bei Cannstatt ist in Anwesenheit unseres Königspaares, sowie des gesamten Hofes bei schönstem Wetter in herkömmlicher Weise verlaufen. Das eigentliche Volksfest, das letzten Freitag seinen Anfang nahm und am Montag Abend zu Ende ging, war von größeren Menschenmassen als je besucht. Die Wirtsleute und Schaubudenbesitzer haben glänzende Geschäfte gemacht. Den Leuten ist gewiß ern Vergnügen zu gönnen, es ist aber bedauerlich, daß das vergnügungslustige Volk in dem wüstesten Lärm und in der Belästigung der Nebenmenschen ein Hauptvergnügen findet. Es darf als ein Glück bezeichnet werden, daß die über und über mit Papierbändern übersäten Leute nirgendwo vom Feuer ersaßt wurden. Wenn ein Brand auf dem Festplatz ausgebrochen wäre, so hätte vor allem der centimeterties mit Papierschnipfeln überall bedeckte Boden das Feuer mit rasender Schnelligkeit weiter verbreitet. Sehr unangenehm für die vielen Volksfestbesucher waren namentlich auch die wahren Marterinstrumente für das Gehör. Früher hat die Polizei mit großer Not das unsinnige Hauen mit den Stöcken auf die Wirtstifche unterdrückt, aber jenes Gepolter war noch die reinste Sphärenmusik gegen die auf dem neuesten Volksfest zu Tausenden schrillenden Heulpfeifen.
Stuttgart. Auf dem Volksfest wurde u. a. ein „Menschenfresser" gezeigt, der schrecklich wild dreinsah und sich auch nicht daraus bringen ließ, als die Passanten ihm „Gaisburger!" zuriefen. Wie die „Eßl. Ztg." in Erfahrung gebracht hat, ist es auch kein Gaisburger, sondern ein Wangener gewesen; der Gaisburger, der voriges Jahr den Menschenfresser gespielt, hatte diesmal unter 3'/r sich nicht mehr anstrerchen und in Ketten legen lassen wollen. Der Wangener that es billiger. — Am letzten Tage des Volksfestes ereignete sich auf dem Cannstatter Wasen noch ein bedauerlicher Unglücksfall, indem ein Kind aus bedeutender Höhe von einer Luftschaukel herunterstürzte und auf einen eisernen Hacken fiel, wobei es an Kopf und Hals bedeutende Wunden davontrug.
Stuttgart, 3. Oktbr. Nachdem das Sinken des Barometers bis gestern 7 Uhr abends
fortgedauert hatte und am hiesigen Platz ein Stand von 754.7 mm eingetreten, begann ein rasches Steigen, das den Stand des Luftdrucks schon bis 10 Uhr wieder auf 759.0 mm brachte. Es ist also im Lauf des gestrigen Abends ein losgelöster Teilwirbel vorübergezogen. — Der langersehnte Regen hat mit dem Augenblick des Steigens begonnen und während der Nacht hier 2 6 I pro gm geliefert. Nach den telegraphischen Berichten der anderen württembergischen Stationen sind in Mergentheim 2 I, in Frcudenstadt 11 I. in Friedrichshafen 9 1 pro gm gefallen. Am Bodenfee brach gestern abend um 8 Uhr ein schwerer West- bis Südweststurm los, der heute von neuem begann. Es handelt sich jetzt hauptsächlich darum, ob der Hochdruck über Ungarn stand hält oder nicht. Im elfteren Fall wird nach einigen Tagen mit Regenfällen wieder mildes und schönes Wetter eintreten. Im anderen Fall steht anhaltend naßkalte Witterung bevor. Bis jetzt scheint der elftere Fall der wahrscheinlichere zu fern. Die schweren nordwestlichen Winde in England könnten aber die nach Südost treibende Kraft erheblich verstärken, so daß der schlimmere Teil nicht ausgeschlossen erscheint.
Mergentheim, 30. Sept. Der demokratische Reichstagsabgeordnele Pflüger hat jetzt thatsächlich sein Mandat niedergelegt. Pflüger wurde bei der letzten Wahl mit 8755 Stimmen gewählt. Außerdem wurden 3826 nationalliberale, 3329 klerikale und 189 sozialdemokratische Stimmen abgegeben.
Leonberg, 3. Okt. Gestern nacht ist die benachbarte Fleischmühle abgebrannt. Nach der Gl.- und Würmgauztg. ist dabei für 5000 »kk Frucht vernichtet worden. Pferde und Rindvieh konnten gerettet werden. Zur Hilfe waren außer der Leonberger die Feuerwehren von Ditzingen, Gerlingen und Höfingen erschienen.
Göppingen, 2. Oktbr. Der hier in Konkurs gestandene Kaufmann S. wurde von der Strafkammer in Ulm wegen einfachen Bankerotts zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt.
Ulm-, 3. Oktbr. Obstmarkt auf dem Güterbahnhof. Gestern wurden bei sehr lebhaftem Handel 40 Wagen nach auswärts verkauft. 20 Wagen wurden hier ausgeladen. Heute stehen 80 Wagen zum Verkauf. Der Handel ist ziemlich lebhaft. Der Preis per Ztr, beträgt 5 »kL 80 ^ bis 6 ^ 20
Weinpreiszettel. '
Großingersheim, 3. Okt. Käufe zu 17S Mark p. 3 Hekt. Verschiedenes verstellt. — Lauffen a. N., 3. Okt. Preise pr. 3 Hektvl.: ISO, 200, 205 und 210 Mk.
Derdingen, 2. Okt. Frühlese beendigt, Frühgewächs meistens verkauft zu 180—200 Mk. pr. 3 Hektl. Allgemeine Leie im Gange, Preise gehenzurück, noch ziemlich Vorrat, Käufer erwünscht, höchstes Gewicht 111 Grad nach Oechsle.
Ausland.
In Wien sind nunmehr die Gemeinderatswahlen in allen Wahlkörpern vollzogen. Die Antiliberalen haben einen bedeutenden Erfolg davongetragen und der Antisemitenführer Dr. Lueger wird zum ersten Bürgermeister gewählt und von der Regierung auch ohne Zweifel bestätigt werden. Das interimistische österreichische Ministerium unter Graf Kielmansegg ist nunmehr vom Amte zurückgetreten und die neuen Minister unter Graf Badeni sind durch kaiserliches Handschreiben in ihren Aemtern bestätigt worden. — Das ungarische Parlament ist wieder versammelt und hat zunächst die Weiterberatung des noch unerledigten Teils der kirchenpolitischen Gesetze in die Hand genommen. Der kürzlich erschienene jgemeinsame Hirtenbrief der ungarischen Bischöfe findet sich in friedlicher Weise mit den kirchenpolitischen Gesetzen ab.
General Duchesne, der Führer der französischen Expeditionstruppen auf Madagaskar sendet neuerdings fleißig Depeschen in die Heimat, worin er zwar keine siegreichen Gefechte, wohl aber stetiges Borrücken seiner Truppen in der Richtung gegen die madagassische Hauptstadt meldet. Dabei versichert Duchesne, daß der Gesundheitszustand der Truppen vorzüglich sei; aber die Franzosen glauben selbst nicht an diese Depeschen. Vorerst bleibt also das Weitere abzuwarten.
Paris, 1. Okt. Heute morgen Punkt S Uhr fielen in Paris die ersten Regentropfen seit