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erläge zu Mr. 152 des Anztkälers.
Neuenbürg, Donnerstag den 26. September 1895.
Württemberg.
Geislingen, 20. Sept. Die gestrige Monatsversammlung des Gewerbevereins eröffnen der Vorstand, Zeichenlehrer Ziegler, mit einem ausführlichen Bericht über vie Wanderversammlung in Jsny, bei der er als Vertreter des Vereins sich beteiligt hatte. Die Aufmerksamkeit der Versammlung wurde sodann gelenkt auf den neuesten Krebsschaden unserer Zeit, die Bahnhofaulomaten, wodurch ein lebhafter Meinungsaustausch veranlaßt wurde, dessen Ergebnis ein einstimmiges Verdammungsurteil über diese die Jugend entsittlichende Einrichtung war. Die Bemühungen des Vorstands, für den hiesigen Automaten wenigsteins die Sonntagsruhe durchzusetzen, fanden den lebhaftesten Beifall. (Nebenbei mag hier bemerkt werden, daß z. B. in Jsny die Automaten auf Anordnung des Stadtschultheißenamts während der Zeit der Sonntagsruhe geschlossen werden.)
Leonberg, 23. Sept. Bei dem gemeinschaftlichen Amt fließen die Gaben von auswärts für die Brandbeschädigten reichlich ein. Bis jetzt sind etwa 7000 an Geld eingegangen. Möge bald noch mehr Nachfolgen! (S. M.)
Leonberg, 19. Sept. Nach ISjähriger Wirksamkeit hier verläßt uns heute Forstrat Herdegen. um mit seiner Familie nach Stuttgart überzusiedeln. Mit Rücksicht auf das große Brandunglück wurde von einer größeren Abschiedsfeier abgesehen; nur ein kleinerer Kreis von Freunden und Bekannten sammelte sich gestern abend um den Scheidenden. Wie verlautet, soll nun das Forstamt hier eingehen und nach Stuttgart verlegt werden. Es ist aus diesem Grunde von Seiten der Stadt geplant, das große, geräumige Forsthaus den Winter einer Anzahl abgebrannter Familien zur Verfügung zu stellen, ein Entgegenkommen, das von den Abgebrannten allseitig dankbar ausgenommen wird.
Müh.lacker, 23. Sept. In der benachbarten badischen Gemeinde Niesern ist eine interessante Entdeckung gemacht worden. Bei der Restaurierung der dortigen Kirche, eines aus dem 11. Jahrhundert stammenden Gotteshauses, wurde die Wahrnehmung gemacht, daß sich im Chor der Kirche Freskogemälde befinden, die vermutlich nach der Reformierung der Gemeinde Niefern übertüncht, also der Bilderstürmerei jener Zeit zum Opfer gefallen sind. Der Ortsgeistliche benachrichtigte die Kultmini- sterialabteilung der badischen Regierung und auf Anordnung derselben ist ein sachverständiger Künstler von Freiburg eingetroffen, dessen Ausgabe es ist, die Malereien mit der nötigen Vorsicht bloszulegen. Die Einwohner Niefern's geben sich der Hoffnung hin, daß ihre Kirche künftighin einen bedeutenden Anziehungspunkt für Fremde bilden würde.
Aalen, 25. Sept. ^Gestern Abend wurde von dem vorgestern abgebrannten Gasthof zum Ochsen in Oberkochcn eine massive Giebelwand eingerissen; dabei wurden 2 Feuerwehrleute getötet und 1 schwer verletzt. ^
Tübingen, 25. Sept. Die StaNgemkirwe hat ca. 25. Ztr. Hopsen zu 85 <^. p. Ztr. verkauft.
Ulm, 24. Sept. Auf dem hiesigen Güterbahnhof stehen heute 20 Waggons österreichisches Mostobst zum Preis von 6 50—6 70
Per Zentner. Der Handel ist flau.
Stuttgart. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 23. September von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Auf dem Getreideweltmarkt hat sich in der abgelaufenen Woche wenig Neues zugetragen, die Preise konnten eher gegen Vorwoche etwas profitieren; es scheint doch, als ob wir einer Besserung entgegengehen, denn die Exportländer ergreifen jede Gelegenheit, höhere Forderungen zu stellen, sobald Amerika etwas steigende Kurse meldet. Es fanden auch in der letzten Woche wieder größere Abschlüsse in Weizen statt. Die süddeutschen Märkte sind schwach befahren ohne Preisänderung. — Der heutige Hopsenmarkt war mit 235 Ballen befahren, jedoch von Käufern nicht entsprechend besucht. Es wurden daher nur 120 Ballen zum Preise von 50
bis 85 »4L p. Ztr. abgesetzt. Wirkliche prima gefragt, aber wenig vorhanden. Wir notieren per 100 Kilogramm: Weizen, Azima 15 50 La Plata
15 »4L 50 ^ bis 16 »4L — Rumänier alt 15 »4L 50 dto. neu 15 »4L 50 bis 16 »A — Gyrka 15 »4L 25 ^ bis 15 »4L 50 Landhafer 11 »4L 40 La Plata-
mais 11 »4L 25 Mixedmais 11 »4L 25 bis 11 »4L
50 — Mehlpreise per 100 Kilogr. incl. Sack bei
Wagenladung: Letztwöchentlich.
Stuttgart, 24. Septbr. Kartoffelmarkt am Leonhardsplatz. Zufuhr 1000 Ztr., Preis per Zentner 2 »4L 70 ^ bis 3 -4L — Z. — Krautmarkt am Marktplatz. Zufuhr 3000 Stück Filderkraut, 16 -4L — «! bis 22 -4L — ^ per 100 Stück.
Anstand.
Der Kaiser von Oesterreich hielt in Klausenburg an eine von ihm empfangene Deputation der römisch-katholischen Geistlichkeit Siebenbürgens eine Ansprache, in Erwiderung auf die Begrüßungsrede des Bischofs Leonhard. Der Monarch betonte, er betrachte die ihm aus dem Munde des Bischofs gewordenen loyalen Versicherungen als ein starkes Pfand dafür, daß auch der römisch-katholische Klerus ihn in seinen auf den Schutz der kirchlichen wie der staatlichen Interessen gerichteten väterlichen Bestrebungen stets mit dem traditionellen Patriotismus unterstützen werden.
Im gemütlichen Wien gehl's zur Zeit ziemlich ungemütlich zu, die Neuwahlem zum Gcmeinderate haben in weiten Bevölkerungskreisen Wiens große Aufregung hervorgerufen, wozu sich jetzt auch Arbeiterunruhen gesellen. Zu ernsten Aufläufen führte am Sonntag eine im Prater abgehaltene und von mehr als 8000 Personen besuchte Arbeiterversammlung, in welcher mehrere Redner zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechtes sprachen. Während des Abmarsches erfolgten wiederholte Zusammenstöße der Demonstranten mit der Sicherheitswache, wobei 26 Personen verhaftet wurden; ein Polizeiagent erhielt leichte Verletzungen. — Am Samstag fand im zehnten Wiener Bezirk die daselbst notwendig gewordene Stichwahl im dritten Gemeinderatswahlkörper statt, welche den Sieg der beiden antisemitisch-deutschnationalen Antisemiten Schrabauer und Sauerborn über ihre liberalen Gegner ergab. Die Deutschliberalen haben also von den 46 Gemeinderatsmandaten der dritten Wahlcurie kein einziges zu erlangen vermocht.
In Rom nehmen die Festlichkeiten anläßlich der 25jähr. Wiederkehr des Jahrestages der Einnahme Roms noch immer ihren Fortgang. Am Sayistag veranstalteten zahlreiche radikale Vereine einen großen Aufzug nach dem enthüllten Garibaldi-Denkmal, wo Kränze niedergelegt und patriotische Ansprachen gehalten wurden. Am Sonntag vormittag weihten der König und der Kronprinz die neue Humbertbrücke über den Tiber und dann das Denkmal Cavours im Beisein einer großen Volksmenge ein. Am nachmittag empfieng das Königspaar Abordnungen von 400 Arbeitervereinen, abends war im Muirinal große Galatafel zu 300 Gedecken und später wurde auf der Tiber ein Feuerwerk abgebrannt.
Aus Petersburg wird berichtet, ein Leit- artikel des Herold über Frankreichs militärische und politische Wiedergeburt weist ausdrücklich darauf hin, daß Lobanow seine Reise nach Frankreich keineswegs als gewöhnliche Urlaubsoder notwendige Badereise bezeichnet habe. Ferner wird betont, zahlreiche russische Kreise erwarteten diesmal bestimmt den Abschluß des französisch- russischen Schutz- und Trutzbündnisses. Auf der Rückreise werde Fürst Lobanow in Berlin Aufenthalt nehmen.
Die Boss. Ztg. meldet aus Paris: Fürst Lobanow und der französische Minister des Auswärtigen Hanotaux hatten eine lange Unterredung, wie gerüchtweise verlautet über den geplanten Besuch Favres in Moskau, dem gegebenenfalls ein Gegenbesuch des Zaren in Paris nach der Krönung folgen soll.
Antwerpen, 22. Sept. Vier maskierte Räuber drangen in das Schloß Kessel, ermordeten
den Gutsbesitzer Bull, dessen Frau und Kinder und raubten große Geldsummen. Die Räuber wurden verhaftet.
Genf, 23. Sept. E'n mit drei Herren und fünf Damen besetzes Segelbot, das keine Lichter führte, wurde gestern Abend vor dem Hafen Coligny durch das Dampfboot „Äuglein den Grund gebohrt. Trotz rascher -Hilfe seitens des Dampfers und and'erer Boote konnten nur zwei Männer gerettet werden.
New - Aork, 23. Sept. Die einflußreichsten hiesigen Zeitungen nehmen ganz offen die Partei der Insurgenten auf Cuba. Die „Sun" befürwortet heute in einem auffällig gedrukten Leitartikel die Anerkennung der Insurgenten als kreigsführende Macht seitens der Regierung der Bereinigten Staaten und fügt hinzu, daß es eine moralische Verpflichtung des Präsidenten sei diesem Verlangen des amerikanischen Volkes' Ausdruck zu geben.
Unterhaltender Teil.
Der schwarze Jakob.
Eine Dorfgeschichte von A. v. Hahn.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
Man hatte die Annemarie nach drei Tagen begraben, nachdem alle Formalitäten erfüllt waren und die Aerzte nachgcwiesen, daß sie den Erstickungstod erlitten.
In der ganzen Gemeinde herrschte aufrichtiges Wehklagen über den Unglücksfall und kein Erwachsener war im Umkreis, der sich die Unglücksstelle nicht 'angesehen und den gräßlichen Abschnitt in der Sandschicht nicht mit Schaudern betrachtet hätte, von dem der Klumpen sich gelöst und aus das blühende junge Leben niedergestürzt war. Man hatte die Annemarie so gern habt.
Keiner schien unglücklicher als die Gundakerin, deren Wehklagen schier kein Ende nehmen wollten.
Aber Jakob, der Zeuge des schrecklichen Ereignisses gewesen, war dennoch der meist Betroffene. Denn, als nach Wochen endlich, der erste, leidenschaftliche Schmerz der Gundakerin milderen Trauer wich, sah man ihn immer noch ebenso bleich und stumm umhergehen. Kaum, daß er das Notwendigste aß und an der Hände Werk noch hin und wieder dachte.
Oft verschloß er sich Tagsüber in seiner Kammer und die Mutter, die kopfschüttelnd hinter der Thür lauschte, — hätte sie doch solche anhaltende Trauer bei Alois, der sich besser in das Schreckliche gefügt, begreiflicher gefunden, — hörte ihn stöhnen und klagen und bitterlich schluchzen.
Das ging so Monate dahin und da es immer nicht anders werden wollte und der Jakob auch für Tonerl, die jetzt Sonntags herüber kam, kein gutes Wort fand und scheu und ängstlich vor ihr that, als sähe er sie zum ersten Mal und 's ganz dem Alois überließ den lieben Gast zu unterhalten, als hält er 's schier vergessen, daß ihm die Toner! mehr sein müßt, als Alles in der Welt, da sprach die Gundakerin mit des Tonerls Vater und wußt's ihm vorzustellen, wie's nötig sei, daß seines Dirndls beständige Nähe auf den Trübsinn des Jakob wirkte, so daß er 's einsah und es zugab. daß Toner! auf längere Zeit in den Gundakerhof übersiedelte. Dem Toner! aber schärft sic 's in mütterlicher Herzensangst in's Gewissen, daß sie den Jakob gesund zu machen suchen müßt.
Und das Toner! gab sich Anfangs redlich Mühe. Sie sprach mit Jakob und suchte ihn allenthalben auf, bei der Arbeit, die er nur spärlich angriff und im Garten hinten an der Felsenwand.
Aber der Jakob wich ihr aus, wo 's nur' anging und trauernd klagte sie's dem Alois. Der aber tröstete sie und war so lieb und gut mit ihr. daß sie 's wieder warm in ihrem ge- ängstigten, jungen Herzen werden fühlte.