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Der Jakob würd' schon wieder anders werden", hatte er gesagt und ihr die Hand ge­drückt und sie lieb angesehen und gemeint, er war' im Stand' gleich sein Leben für sie hinzu­geben.

Aber der Jakob wurde nicht anders. Das sah endlich auch die Gundakerin betrübt ein und da sann sie 's aus, daß es so auch noch nicht gut genug war, daß die Toner! des Jakobs Frau sein mußte, um ihm die rechte Trösterin in seinem schweren Kummer zu werden.

Der Sturzelbauer, der die vernünftige Frau schätzte, gab auch das zu. wenn 's ihm auch am Herzen gelegen hatte, das Toner!, wenigstens ein Jahr noch, xanz für sich zu behalten.

Die Gundakerin sagte es dem Jakob, von neuer Hoffnung erfüllt, daß sie's am Besten hielt, wenn er das Haus verließe, und daß die Toner! schon bereit sei. ihm ganz anzugehören, und daß er in der fremden Umgebung, auf dem Sturzlhof, das Leid endlich vergessen würde.

Da aber fuhr der Jakob wie rasend auf, sah die Mutter wild an und griff sich an den Kops und schrie, ob sie ihn für wahnsinnig halte und ob sie meine, er wolle sich der Hölle bei lebendigem Leibe in den Rachen stürzen und fragte schreiend, was ihn die Tonerl anging.

Als die Mutter ihn darauf an den Schultern packte und verzweifelt rief:Jakob, hast' Dein' Verstand net mehr, oder sag' was hast'? Und sie flüsternd fortfuhr:Hast' am End' die Annemarie a so liab gehabt wie der Alois?" Da flammte wildes Entsetzen in des Jakobs Blicken auf und zurücktaumelnd ächzte er: Muatta, willst mi verderben?"

Dann zuckte er zusammen, sah sich scheu um und stöhnte dumpf:Nicht' nur die Hoch­zeit an, Muatta", und hatte sich losgerissen und war hinausgestürzt.

Den Berg war er hinaufgelaufen, an dem das Blockhaus lehnte und wie ein rasender Stier durch das dürftige, krüpplige Gebüsch ge­brochen, bis der Weg plötzlich alle war und vor sich hinunter in den Abgrund starrte, in dem sich, zwischen wilden Felszacken der Gebirgsbach hinschlängelte.

Dort hatte er gestanden, eine Stunde und länger und hinuntergestarrt.

Dann war er umgekehrt und hatte gellend aufgelacht und laut geschrien, daß die Feiglinge gar so feige seien!-

Und dann war ein Tag gekommen, ein grauer, düsterer Tag, an dem der Himmel regenschwer und über den Bergen hing und der Sturm heulte.

Aber es war ein lustiger Tag, denn dem Jakob spielten die Fibeln zum Tanze auf.

Und er hatte es vermocht, hatte das Toner! in wildem Tanmel gedreht und gejuchzt, laut, zur Decke empor, nur daß es wie ein Schluchzer klang.

Die Leute aber blickten befriedigt drein. Er hatte es so recht gemacht und seine Herzens­freude gezeigt, daß die Toner! morgen sein Weib werden sollt.

Dann hatte er sich sortgeschlichen vor die Thür in die Nachtlust hinaus und hatte in den Sturm hinausgehorcht und sich gefragt, ob er 's noch weiter schaffen würde.

Die Mutter war ihm gefolgt, hatte seine Hand gefaßt und gesagt, er dürfe nicht fort­bleiben von der Braut und als er schwer auf­seufzte und fragte:Muatta, könn' wir no net heim?" da hatte ihn die Gundakerin hineinge­zogen und ihn der Toner! gerade in die Arme geschoben. Und da war es weiter gegangen im Baßgebrumm und schneidenden Fiedelgeschrei, daß ihm das Herz weh that und es ihm wie ein Mühlrad im Kopf herumging, und ihm die Brust einschnürte, daß er schreien wollte und konnte nicht.

Aber dann war doch eine Stunde gekommen, wo es finster und still wurde.

Nur der Mutter gedämpftes Plaudern raunte wie ein murmelndes Bächlein neben ihm her, als er mit ihr zum Gundakerhof hinabschritt.

Alois, der auf der andern Seile ging, war stumm.

Große, warme Tropfen fielen wie Thränen vom Himmel herab, auf seine Stirn und der

Sturm strich wütend zwischen den Felsen hin und drängte sich rascher vorwärts, als wollte er sie geschwinder unter Dach bringen.

Und er hatte es gut gemeint der Sturm. Kaum waren sie auf dem Hof angelangt. da brach ein Wetter los, wie es seit Menschen­gedenken nicht mehr über die heimischen Berge hingestrichen war. Blitz um Blitz zuckte nieder und Schlag um Schlag krachte der Donner da­zu Der Sturm aber raste und peitschie die Wasserfluten, die vom Himmel strömten, gegen die Wände des Hauses und die Scherben, daß sie unter dem massigen Druck bersten zu wollen schienen. Dumpf grollte es dazwischen von den Bergen herab. Bäume brachen, loses Geröll rollte über die Felsen und der anschwellende Bach jagte an der Vorderfront des Hauses vor­über und wälzte sich, in gurgelndem Rasen, schäumend und tosend in seinem Bett dahin.

Alois und die Mutter saßen mit gefalteten Händen, angstbleich und zitternd, in der gemein­schaftlichen Stube und horchten auf das Wüten der entfesselnden Naturgewalten.

Jakob aber lag in seiner Kammer und rang den Kampf der Verzweiflung.

Die Höllennacht ging hin und der Morgen blickte grau durch die regenfeuchten Scheiben. Der Sturm aber hatte sein Lied eingestellt und nur des Baches wildes Gebraus, der in mächt­igen Wogen hinstürzte, brach sich, wie ein end­loser Tusch an den Felswänden.

Da erhob sich Jakob vom Lager, auf das er sein Antlitz schlaflos gepreßt und schlich zur Thür. Er wollte es noch einmal da oben wagen und hinunterblicken in die Tiefe. Vielleicht daß ihm heute ein Augenblick gnädig war.

Draußen aber waren sie auch schon munter geworden.

Er hörte die Mutter vor der Hausthür reden und dann des Alois Stimme, und als er hervortrat, rief ihm der Alois entgegen:

Da, schau her, Jakob, was dijs Wetter angericht hat. Das Wetter hat gar den Zacken­felsen von der Sandgruben fortgerissen und hier herunter geschleudert, vor unsere Thür, daß man schier meinen könnt' der Herrgott selber Hab' ein Einseh'n gehabt und ihn aufgehalten, daß er net grad' in unser Haus eingebrochen ist.

Der Jakob sagte nichts. Er sah den Felsen starr an, lehntx sich an die Wand und wischte sich die Stirn, als wäre sie ihm feucht geworden. Aber es regnete nicht.

Dann bedeckte er sein Gesicht mit den Händen, und verharrte regungslos und sah nicht, daß etwas Dunkles vom Baum herunterflog und sich aus den Felsen setzte, auf die andere Seite, die dem Bache zugekehrt war.

Und plötzlich ries's:Jakob!" mit haltsam fremden KlangJakob!"

Jakob fuhr auf, blickte wild umher und starrte dann nach dem Felsen. Und da rief es noch einmal:Jakob! Jakob, wo bist du?"

Da stieß der Jakob einen Schrei aus, wie ihn eine menschliche Brust sonst nicht findet, daß die Gundakerin und der Alois zurücktaumelten und die halbtaube Magd schlurfend aus der Küche herbeikam.

Und dann war der Jakob plötzlich fort. Den Berg war er hinaufgelaufen und die Mutter und Alois sahen sich erschrocken an.

Gott steh' mir bei! S'wird immer toller mit dem Mannsbild", klagte die Gundakerin mit zitternder Stimme und schlug die Hände zu- sammen.

Der Alois aber stürzte dem Bruder nach.

Um die Ecke, vom Berg herunter kam der alte Forstwart aus der Hütte, oben, über der Sandgrube.

Grüß Gott, Gundakerin!" rief er fröhlich. Lebt's denn no? Seid's denn net umkommen, in der Gottseibciunsnacht? Dös war ein Höllen- Wetter! Was? I Hab' bald meint, der Himmel mi samt meiner Hült'n Hinunterschleudern in's Thal. Aber so schlimm 's do net word'n. Nur mei Tierd'l mein' schwarzen Jakob hat's mit sortgenommen. Habt Ihr dös Geschöpferl net geseh'n? Es muß si verflogen hab'n. I mein' wo das verflixte Wetter den Zackenfelsen hin- , g'wälzt hat, da muß i den Schelmen am Ersten

finden. S' war ja sein Lieblingssttz in der Sonn'."

Jakob!" rief's vom Zackenfelsen her und mit trägem Flügelschlag schwebte der schwarze Flüchtling auf seines Herrn Schulter.

Aus Tonerl's Hochzeit wurde an dem Tage nichts.

Erst ein Jahr darauf wurde sie des Alois glückliche Frau, denn den schwarzen Jakob hatte man mit zerschmettertem Schädel aus dem Höllen­grund heraufgeholt.

Jetzt kam man dahinter, daß er die Anne­marie geliebt haben mußte und daß ihn die Berzeiflung um sie, in den Tod getrieben.

Aschersleben, 20. Sept. EinPost­kartenwitz" . den sich ein hiesiger Schuhmacher namens Just erlaubte, kam ihm teuer zu stehen. Ein Berliner Rechtsanwalt hatte eine Forderung gegen Just einzutreiben, was ihm jedoch nicht gelang. Er wollte deshalb den Schuldner zum Offenbarungseide bringen; Just erschien aber zu dem Termine nicht, und nun teilte ihm der Rechtsanwalt mit, daß er ihn zur Ableistung des Offenbarungseides in Haft bringen lasse müsse. Darauf schrieb der Schuldner an den Rechtsanwalt eine Postkarte, die nur die Worte enthielt:Unverschämt bin ich noch nie ge­wesen. Hochachtungsvoll W. Just." Da das Wortich" zweimal unterstrichen war. so mußte der Rechtsanwalt aus der Postkarte entnehmen, daß ihm selbst der Vorwurf der Unverschämtheit gemacht werden sollte, und stellte deshalb Straf­antrag wegen öffentlicher Beleidigung. Der Gerichtshof verurteilte den Kartenschrciber zu 50 v-L Geldstrafe oder zehn Tagen Gefängnis.

Weniger poetisch als praktisch war das Ge­schenk, das die Gemeinde Vielau bei Zwickau ihren Veteranen gab: jedem einen Schlafrock und ein Hauskäppchen. Dann holten weißge­kleidete Jungfrauen die Veteranen aus ihren Wohnungen in den Festsaal zum Bankett ab.

Einen Heilbronner Landwehrmann frug sein Hauptmann bei der Vorstellung kurz: Badenser?, worauf letzterer unter allgemeiner Heiterkeit kategorisch antwortete: Noi, Wengerter!

jAbgewinkt.j Reisender:Darf ich Ihnen meine Muster vorlegen? Ich reise in wollenen Unterkleidern." Chef:Das ist mir doch gleich, was für Unterkleider Sie aus der Reise tragen."

Telegramme.

Berlin, 25. Sept. DieNationalztg." erfährt, der Kolonialrat wird im Oktober ein­berufen und die Etats der Schutzgebiete pro 1896/97 vorgelegt erhallen.

DerLokalanz.' meldetaus Konstantin­opel: Unweit der Hafenstadt Hodeida ver­schüttete ein abgestürzter Felsen über 100 Menschen, die unrettbar verloren sind. Dasselbe Blatt erfährt aus Mailand-- In letzter Nacht wurde, von dem in der Errichtung begriffenen Denkmal Viktor Emanuels Marmorteile ausgebrochen und das Denkmal mit Tinte und Oel begossen.

Berlin, 25. Sept. DieVoss. Ztg." enthält den Steckbrief gegen Frhr. v. Hammer­stein, datiert vom 23. September, wegen mehr­facher schwerer Urkundenfälschung in Verbindung mit Betrug und Untreue.

Mit dem 1. Oktober beginnt ein neues vierteljährliches Abonnement auf den

GnzUMer"

Wir bitten unsere geehrten Leser die Be­stellungen bei der bisherigen Bezugsstelle als­bald zu erneuern, wenn keine Unterbrechung im Empfang des Blattes eintreten soll.

In Neuenbürg abonniert man bei der Ge­schäftsstelle, sonst überall bei den betreffenden

Poststellen und Postboten.

Wir hoffen mit dem Eintritt in das Winter­halbjahr wieder eine erfreuliche Zahl neuer Freunde zu gewinnen und bitten alle Freunde des Enzthälers für immer weitere Verbreitung thätig zu sein.

Wedaktion «. Werlag des Enzthälers.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.