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erwarb. Er lernte die französische Heeresver­waltung gründlich kennen und verfaßte über sie nach Ausbruch des Krieges seinen berühmt ge­wordenen Bericht. Alle Vorhersagungen des Verfassers trafen ein; der Bericht flößte damals den Generalkommandos, an die er verkeilt wurde, Mut ein. Als Flügeladjutant ches Königs und später als Generalstabschef des Großherzogs von Mecklenburg nahm Waldersee am Kriege teil; darauf wurde er Stabschef beim Prinzen Albrecht von Preußen, und als Moltke den Wunsch der Unterstützung durch eine frische Kraft äußerte, ernannte Kaiser Wilhelm I. Waldersee zumOber- Ouartiermeister. Zum Chef des Generalstabs der Armee wurde Graf Waldersee 1888 befördert; 1890 erhielt er das Kommando des 9. Armee­korps. Durch besondere Kabinetsordre eröffnete Kaiser Wilhelm II. dem Grafen die Aussicht auf den Befehl über eine Armee im Kriegsfälle. Aus dem 9. Armeekorps hat Waldersee ein Musterkorps geschaffen, seine ausgezeichneten Führereigenschaflen fesseln Offiziere und Soldaten an ihn; denn er versteht wohlwollende Behand­lung mit strammer Disziplin zu vereinigen. Den Generalstab hat er im Sinne Moltkes weiter- gebildet und durch das harmonische Zusammen­arbeiten dieses Jnstilus, wo lediglich Talente und Fähigkeiten entscheiden, mit dem Kriegs­ministerium, sind wertvolle Reformen im Heer­wesen erzielt worden. Wenn auch kein genialer Gelehrter wie Moltke, besitzt Waldersee doch einen scharfen praktischen Blick, und seine Kritiken sind eine Quelle der Belehrung. Der Graf teilt durchaus Moltkes Auffassung vom Kriege und betrachtet letzteren nicht als Selbstzweck, sondern stets im Zusammenhang mit der gesamten Politik.

Hamburg, 14. Sept.DerHamb. Korresp." veröffentlicht das Kabinetschreiden des Kaisers an den kommandierenden General Grafen v. Waldersee, welches die musterhafte Ausbildung und Haltung des IX. Armeekorps in hohem Grade anerkennt, den Offizieren und den Truppen die vollste Zufriedenheit ausspricht und mit Zuversicht sagt, das Korps werde den hohen Stand festhalten. In besonderer Aner­kennung der großen Verdienste in den jetzigen und anderweitigen Stellungen des Grafen Waldersee erfolgte mit dem königlichen Dank die Ernennung zum Generalobersten der Kavallerie mit dem Range eines Generalfeldmarjchalls.

Danzig, 14. Sept. Die Manöver­flotte manövrierte gestern und in der Nacht auf hoher See. Heule früh erschien sie vor Hela, dieHohenzollern" mit dem Kaiser an Bord westlich vor Hela. Um 10 Uhr lief die gesamte Flotte mit der Kaiser-Aacht in der Danziger Reede ein.

Wilhelmshaven, 14. Septbr. Das KanonenbootWolf" ist nach zehnjähriger Ab- Wesenheit wohlbehalten von Ostasten in hiesiger Rhede eingetroffen.

Kiel, 15. Sept. Der englische Dampfer Zar Alexander II." strandete im Nordostsee- Kanal unweit Rendsburg beikm. 69". Trotz der Schleppversuche mehrerer Kanalschlepper ist der gestrandete Dampfer noch nicht losgekommen.

Berlin, 14. Septbr. DieDeutsche Warte" bestätigt nach Mitteilungen des Aus­wärtigen Amtes, daß bei Tientsin Gebiets­abtretungen an Deutschland bevorstehen. Die Insel Chusan sei als deutsche Kolonie m Aussicht genommen.

Die verschiedenen kaiserlichen Kund­gebungen der letzten Zeit wider die Sozialdemokratie werden, wie nunmehr feststeht, zunächst keine praktischen Folgen haben. Bon offiziöser Seite wird versichert, daß die betreffenden Auslassungen des Kaisers lediglich seine persönliche Stimmungen widerspiegelten und auch nur als persönliche Kundgebungen auf­zufassen seien; besondere gesetzgeberische Schritte zur Bekämpfung der sozialdemokratischen Aus­schreitungen seien vorerst schwerlich zu erwarten. Immerhin ist es jedoch bemerkenswert, daß jetzt die Staatsanwaltschaft der sozialistischen Presse schärser auf die Finger sieht, wie verschiedene Borfälle der letzten Tage erkennen lassen.

Berlin, 13. Sept. Das schärfere Vor­gehen der Staatsanwaltschaft gegen die sozial­demokratische Presse scheint auf höhere An­

weisung erfolgt zu sein. Die Verhaftungen von Redakteuren sozialistischer Blätter häufen sich, heute wird beispielsweise die Verhaftung des Redakteurs der schlesw.-holstein. Volkszeitung, Ströbel in Kiel, gemeldet. (Eine neue Nummer desSozialist, Organ für Anarchismus und Sozialismus" in Berlin, wurde wegen eines heute veröffentlichten Artikels konfisziert. Der seit einiger Zeit in Berlin lebende Anarchist Jeger aus Lemberg wurde verhaftet und, nach­dem er seinen Verkehr mit den Berliner Anar­chisten Wiese und Wiesenthal eingestanden hatte, ausgewiesen.)

Berlin, 14. Septbr. Das Komite der Kreuzzeitung", unterzeichnet Graf Finkenstein, veröffentlicht eine Erklärung, dcrzufolge das Komire am 4. Juli den Frhrn. v. Hammer­stein von seiner Stellung als Chefredakteur suspendiert habe. Seitdem hätten die That- sachen, die sich herausgestellt, das Komite ge­nötigt, alle Beziehungen zu Hammerstein definitiv zu lösen und die Angelegenheit dem Staatsan­walt zu übergeben. DieKreuzzeitung" ver­nimmt von maßgebender Stelle, Hammerstein habe seine Mandate für Reichstag und Abge­ordnetenhaus unterm 11. Sept. niedergelegt.

Lübeck. 15. Sept. Zu dem morgen be­ginnenden 67. Kongresse deutscher Naturforscher und Aerzte sind 600 Teilnehmer aus ganz Deutschland und dem Auslande hier eingetroffen.

Karlsruhe, 14. Septbr. Nach einer Meldung derKarlsruher Zeitung" finden die Wahlmännerwahlen zum badischen Landtag am 11. Oktober statt.

Baden-Baden, 14. Sept. Mit dem Eisenbahnbau Bühl-Bühlerthal wird nun end- giltig nächsten Montag begonnen werden.

Die Frage der Con Version der vier­prozentigen Reichs- und preußischen Staatsanleihen ist durch die aufgetauchten Gerüchte hierüber wieder einmal auf die Tages­ordnung gesetzt worden. Offenbar hat man aber in den maßgebenden Berliner Kreisen noch keine definitiven Entschließungen in dieser wichtigen Frage gefaßt, so daß die in Betreff der Einzelheiten des Konvertierungsprosektcs in den Zeitungen bereits aufgetauchlen Meldungen einstweilen nur Mutmaßungen darstellen. Doch muß im Hin­blick auf die Verhältnisse des Geldmarktes aller­dings mit der großen Wahrscheinlichkeit gerechnet werden, daß das Konvertierungsprojckt in der That in nicht mehr ferner Zeit zur Ausführung gelangt, die beteiligten Interessenten werden den­noch gut thun, sich hierauf immer einzurichten. Württemberg.

Stuttgart, 15. Septbr. Am Freitag Abend versammelten sich die z. Z. hier anwesenden Mitglieder des Präsidiums des Württ. Krieger­bundes, sowie die Vorstände der hies. Militär. Vereine im Hotel Viktoria zur Begrüßung unseres Landsmanns, Hrn. Joseph Schlenker, Präsi­dent des deutschen Kriegerdundes in Nordamerika, aus Chicago, der z. Z. mit Gemahlin hier weilt. Vizepräsident Bauinspektor Dobel richtete herzliche Worte der Begrüßung an Hrn. Schlenker, ihm namens der Kameraden dankend, daß er auch in weiter Ferne deutsche Sprache, deutsche Sitte und deutsches Wesen unter den dortigen Deutschen pflege und Hochhalte und brachte ein Hoch auf denselben aus. «Schlenker dankte und gab interessante Mitteilungen über den deutschen Kriegerverem in Chicago, dessen Gründer er ist, sowie über das dortige Kriegervereinswesen über­haupt, auch das Leben und Treiben in Amerika beleuchtend. Er berichtete ferner über die Teil­nahme an der Parade in Berlin am 2. Sept., bei der die amerikan. Veteranen von dem Kaiser begrüßt wurden; ganz besonders hat ihn auch die Aufmerksamkeit unseres Königs Wilhelm gefreut, der eigens nach seinen Würltembergern gefragt und ihm Freude und Dank über ihr Kommen ausgesprochen habe. Als Führer der amerik. Veteranen bei Fürst Bismarck konnte Herr Schlenker auch hierüber interessante Mitteilungen machen; von dem Empfang durch Bismarck sind die Amerikaner ganz entzückt. Kurz vor 12 Uhr verabschiedeten sich die Kameraden nach einigen schön verlaufenen Stunden, die Herr Schlenker, wie er sagte, in treuem Gedenken behalten wolle.

Gomaringen, 14. Sept. In der auf hiesiger Markung gelegenen, dem Staat ge­hörigen Markung Glimmcrrain zeigt sich seit einiger Zeit ein gefährlicher Feind des Nadel­holzbestandes. Es ist der sog. Fichtenborken­käfer, der in solcher Unzahl dort sein Zer­störungswerk treibt, daß in wenigen Tagen eine gesunde, kräftige Fichte (Rottanne) die Rinde abwirft und zu Grunde geht. Um einer noch größeren Verheerung vorzubeugen, werden auf Anordnung des Revieramts Gomaringen etwa 60 Stück solcher Tannen gefällt, die Rinde wird auf Haufen gesetzt und mit dem sich darin auf­haltenden Ungeziefer verbrannt.

Tübingen, 14. Sept. Das Hopfen- gcschäft ist eigentlich noch nicht richtig im Gang, obwohl Käufer am Platze sind. Käufe sind nur vereinzelte, bekannt zu 6365 Zu diesem Preis will aber niemand absetzen, da allgemein auf höhere Preise gerechnet wird. In den Orten des Ammerlhals werden 20 mehr bezahlt.

Weinsberg, 14. Sept. Dieser Tage wurden hier einige Weinkäufe abgeschlossen, 3 Hektoliter zu 180200 ^

Marktpreise.

Neuenbürg, 14. September. Butter, V, Kilo ...... -4L 0.951.00

Landeier, 2 Stück 12 Kisteneier 6 2 St. 11 ^

Pforzheim, 14. September.

Landbutter, V, Kilo.-4L 0.901.00

Süßrahmbutter.-4L 1.101.20

Landeier 2 Stück.1814 ^

Kisteneier, 2 Stück.1112 ^

Stuttgart, 14. September.

Saure Butter, Vr Kilo.1.

Süße Butter, V, Kilo .... -4L 1.101.20

Frische Eier, 10 Stück. 5560

Kalkeier, 10 Stück.

Obstpreiszettel.

Stuttgart, 14. Sept. Zufuhr auf dem Wil­helmsplatz: 700 Zentner Mostobst zu 5 -4L bis 5 -4L 50 per Ztr.

Aussand.

Wien, 13. Sept. Der Kaiser hat an­läßlich der Manöver bei Stettin an den deut­schen Kaiser nachstehendes Allerhöchstes Hand­schreiben, vom 11. d. Mts. datiert, gerichtet: Ew. K. K. Majestät haben Mir durch die Ein­ladung zu den Manövern Ihrer Armee eine große Freude bereitet. Sie war Mir vor allem willkommen als wiederholter Beweis der Mir und Meinem Heere so wertvollen freundschaftlichen Gesinnungen Ew. K. K. Majestät. Als besondere Auszeichnung habe Ich es empfunden, neuerdings in der Milte Ew. K. K. ruhmreicher Armee weilen zu können. Mit aufrichtiger Genugthuung erfüllt es Mich hierbei durch die hohe Würde, welche Ew. K. K. Majestät Mir zu verleihen geruht haben, Ew. K. K. Majestät Heere nun noch näher getreten zu sein. Beseelt von dem Wunsche, die herzlichen Beziehungen Unserer Armeen noch enger zu gestalten, gereicht es Mir zu besonderer Freude, Ew. K. K. Maj. zu bitten, als oberster Inhaber zweier Regimenter auch die Uniform eines Generals der Kavallerie Meiner Armee tragen zu wollen. Diese würde darin eine besonders hohe Auszeichnung und ein neues Band der Waffenbrüderschaft erblicken."

Wien. 13. Sept. Der Kaiser ist heute früh 9^/i Uhr hier eingetroffen. Die vor dem Bahnhof angesammelte Menge begrüßte ihn mit großer Wärme.

Wien, 14. Sept. Auch heute begrüßen die hiesigen Zeitungen die Ernennung des Kaisers Wilhelm zum österreichischen General der Kavallerie mit warmen Worten als eine neue Freundschaflsbürgschaft. Da die öster­reichische Armee jetzt keinen Feldmarschall besitzt, hat der General der Kavallerie, der dem Feld- zeugmeister gleichsteht, den höchsten Rang. Am Dienstag hält Kaiser Franz Josef wieder Manöver in Ungarn ad.

Brüssel, 15. Sept. Laut einer Nachricht von Kongo ermordeten die in Luluaburg be­findlichen Soldaten des Kongostaates am 15. Juli ihren Kommandanten.

Paris, 14. Sept. General Brugäre, Kommandant des VIII. Korps, lud den ruff. General Dragomirow und die anderen ruff. Offiziere, die an den zeitigen Ostmanöoern teil­nehmen, ein, nach BourgeS zu kommen und den