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Schießübungen mit Melinitgeschossen bei­zuwohnen. General Dragomirow soll die Ein­ladung angenommen haben.

Paris, 15. Sept. Der Kriegsminister hat ein Diner gegeben, welchem auch die an den französischen Manövern teilnehmenden fremden Offiziere beiwohnten. Der Kriegsminister ge­dachte in einem an den Obergeneral Saussier gerichteten Trinkspruche des Erfolges der Manöver und der Fortschritte der Armee und sprach Wünsche aus für die Kameraden auf Mada­gaskar.

Der Großfürst-Thronfolger Georg von Rußland hat in dem dänischen Jnselklima nicht die erhoffte Linderung seines Leidens ge­funden , er wird daher auf ärztliches Anraten nach dem Höhen-Luftkurort Albas-Tuman im Kaukasus zurückkchren

Madrid, 15. Sept. Eine amtl. Depesche aus Manilla meldet: Eine aus Eingeborenen bestehende Abteilung von Soldaten auf der Inselgruppe von Sulu hat sich empört und ihren Befehlshaber getötet. Der General Blanko begab sich an den Ort der Tbat.

Petersburg. 14. Sept. Bon zustän­diger Seite wird erklärt, daß dem General Dragomirow keinerlei besondere diplomatische Sendung übertragen sei. Er habe lediglich als Vertreter der befreundeten russischen Armee an den französischen Manövern teilgenommen.

Der alte Gladstone hat sich in einem von den Londoner Blättern veröffentlichten Briefe energisch für Aufrechterhaltung der Gold­währung in England ausgesprochen.

HlnLerhattender Heil.

Der schwarze Jakob.

Eine Dorfgeschichte von A. v. Hahn.

(Nachdruck verboten.)

Bon weit drüben, wohl aus dem Böhmischen daher, war die Annemarie auf dem Gundakerhof in das entlegene, von wilder Fels- und Wald­einsamkeit eingeschlossene Gebirgsdorf gekommen.

Sie war das Kind einer verstorbenen Base der verwittweten Gundakerin, die den entlegenen Hof im Thal mit ihren zwei Söhnen bewirt­schaftete, und das zwanzigjährige, blühende Mädchen, einerseits aus Verwandtenliebe, anderer­seits mit Rücksicht auf die kräftigen Arme der Annemarie, aus Spekulation in ihr Haus ge­nommen hatte.

Annemarie war bildhübsch, war drall und rosig. Prachtvolle blaue Augen strahlten unter ihrer weißen Stirn und das liebe Gesicht um­rahmten dicke blonde Zöpfe, die sich zweireihig Um den Kopf legten.

Annemarie war aber nicht blos hübsch und gut, sie war auch fleißig, und der Gundakerin Herz weitete sich bei ihrem Anblick und ihr Kopf sann frohen Zukunftsträumen nach.

Alois, ihr Herzblatt, sollte, wenn ihm das Dirndl so gefiel wie ihr, die Annemarie als künftige Bäuerin auf dem Hol behalten, der ihm verblieb, da sein älterer Bruder, der schwarze Jakob, nach einer Abmachung in der Gevatter­schaft. zum Eidam des. Sturzelbauern auser­sehen war, dessen einziges Kind, die sanfte, stille Tonerl, er heimführen und dessen Hof er später übernehmen sollte.

Es konnten zwar noch Jahre hingehen ehe sich ihre stillen Wünsche erfüllten, denn Tonerl war noch jung, kaum siebzehn Jahre und ehe der ältere Bruder nicht den Vorzugsplatz am Tisch geräumt, sollte der Alois auch nicht daran denken, den eigenen Herd zu gründen. Aber der Alois war ja noch jung, gerade so alt wie die Annemarie, und sie, die Gundakerin, war auch noch in den besten Jahren. Wenn also auch noch ein paar Jahre darüber hingehen, so kamen sie alle drei doch noch zurecht um jeder sein Teil Glück sich einzuholen.

Ob die Bäuerin dem Alois ihre Hoffnungen und Pläne vorgestellt hatte, das wußte die Annemarie nicht, mit ihr hatte sie gesprochen.

Und die Annemarie war's zufrieden. Der Alois hatte ihr gleich gefallen, viel besser als der Jakob, er war freundlich und lustig, wie sie, und die Aussicht, als Schwiegerin der Base,

einst dem stattlichen Gundakerhof vorzustehen, erschien dem, in Dürftigkeit und Dienstbarkeit groß gewordenen Dirndel verlockend.

Sie bemühte sich nun doppelt flink und ge­wandt gut und gefällig zu erscheinen, und das wurde ihr nicht schwer, denn Annemarie war gut von Natur und fleißig aus Liebe zur Arbeit.

Die Gundakerin sah's behaglich mit an, wie die Annemarie, in der frohen Aussicht voller aufblühte und ihre Hellen Augen dankbar an ihr hingen, und fragend und verheißend auf dem Alois ruhten, der dem Dirndel neckend und froh­sinnig anhing.

Er war noch kindlich in seiner Art der Alois und nahm das schüchterne Werben der Annemarie hin, wie der junge Lenz, der sich vom Sonnenschein wachküssen läßt, und sich dehnt und streckt, bis er sein Reich mit sieg­hafter Gewalt antritt.

Aber auch Jakob, der Aeltere, eine stille, in sich verschlossene Natur, zeigte sich. Anne­marie gegenüber, lebhafter in den Aeußerungen seiner Sympathie, als er dies anderen gegen­über zu thun pflegte. Er half ihr, wo es an­ging. des Tages Last erleichtern, und wenn der oberflächliche Alois nicht daran dachte, war er's der dafür sorgte, daß Annemarie die leichtere Last sich auf die jungen Schultern lud. wenn's galt den Grummet vom nahen Felsrain oder die Ernte von den kleinen Ackerflächen heimzu­tragen, die sich in steiler Schrägung an der Berglehne emporstreckten und für Wagen und Lasttiere nicht zugänglich waren.

Ohne erhebliche Eindrücke zu hinterlaffen, zogen die Tage an den vier Menschen auf dem einsamen Hof vorüber. Sonntags gingen sie abwechselnd zur Kirche. Einmal Jakob mit der Mutter, das andere Mal Alois mit dem Dirndl. Nachmittags gingen die Burschen in's Dorf hinüber in den Krug, zum Tanz, und oft ging Annemarie mit. Die Brüder tanzten dann ab­wechselnd mit ihr und Tonerl, die sich Jakob auf den Tanzboden geholt, den ganzen Nach­mittag und den Abend bis in die Nacht hinein und Annemarie freute sich heimlich, wenn Alois vom Tanz erwärmt, sie fester an sich drückte und abends, wenn Jakob das Toner! zu ihren Eltern zurückbrachte und sie beide einsam heim­wärts kehrten, ihre Hand umklammert hielt, manchmal den ganzen Weg entlang und sie es an seinen zuckenden Finger spürte, daß es auch in seinem Herzen zu glühen und zu pochen an­fing und das seltsame Werk anhub, das Mann und Weib zusammenschmiedet.

Dann quoll es so süß und schaurig wohlig in ihr auf und es drängte sie, die harten Finger fester zu drücken und den Schweigsamen näher heranzuziehen, dessen gepreßte Atemzüge, die stoßweise und hastig hervorströmten, eine Sprache redeten, die in ihrer glühenden Brust tausenderlei glückseligen Widerhall fand.

Bon Sonntag zu Sonntag hoffte sie, er werde es nun bald nicht länger bergen können und endlich das rechte Wort finden.

Aber er schwieg, und beklommen und ver­zagt fragte sie sich, warum er wohl nicht reden wollte und ahnte nicht, daß es wohl der drang­voll erwachte Zug zum Weibe war, der ihn träumerisch und befangen machte, noch aber nicht der Zug zu ihr.

In ihr aber wuchs es immer mächtiger em­por und sie fühlte, daß nun bald eine Stunde kommen mußte, wo sie's nicht länger werde bergen und zurückhalten können, was in ihr gährte, so glücklich aufjauchzte und sie dann wieder in thränenvolle Verzagtheit niederzwang.

In schlaflos verträumten Nächten bat sie Gott, er möge es doch geschehen lassen, daß Alois sie einmal, einmal endlich, an sich nähm, von selbst, nicht wie beim Tanz und ihr's sagte, daß sie zu einander gehörten, so wie sie's un­ausgesetzt fühlte. Ach, wie sie sich danach sehnte, Alles über ihn Hinströmen zu lassen, was sich wie ein gewaltiger Strom in ihr dehnte und es einmal von seinen Lippen zu hören:Annemarie ich bin Dir gut!"

Und auf einmal war's da. In der Pfingst- nacht, auf dem Heimweg vom Tanz war's ge­kommen.

Wie's geschehen war, sie hätte es nicht zu sagen gewußt.

Hatte sie zuerst gesprochen, oder er, oder Beide zu gleicher Zeit?

Sie hing an seinem Halse und sah die Welt umher. mit ihrer Mondscheinpracht versinken.

Nur er war geblieben, und nur sein zitterndes Wort gegenwärtig:Annemarie ich bin Dir gut!"

Tausendmal hatte sie's in ihrem Herzen widerhallen hören, das gewaltige Wort und hatte ihn heißer umschlungen und in ersticktem Jauchzen geflüstert:Alois, ich vergeß Dir's nimmer, daß D' mir's endli' 'sagt hast, und daß D' mi lieb hast, Vergelt Dir Gott!" Und dann hatte sie ihn geküßt und noch wieder an sich gepreßt und gemeint, wenn sie jetzt in den Abgrund versinken thät, dann hätl' sie grad' genug Seligkeit auf dieser Welt gehabt. Sie hatte seinen Herzschlag gefühlt, der so mächtig und anhaltend hämmerte und so hungrig gegen ihre Brust schlug, daß sie gleich geglaubt hat, er habe sich ihr jetzt mit Leib und Seel' ver- > schrieben. s

(Forts etzung fol gt.) I

Frische Blumen aus Ausstralien. Wie ,

englische Zeitungen melden brachte der Dampfer ff Ophier" als Geschenk der Regierung in Sidney t

an die Königin Viktora einen Strauß von Lilien, ! den man dadurch frisch erhalten hatte, daß ,

man ihn in einen Eisblock einschloß.

(Ein teures Notenstück.j Der Thurgauer- verein in Winterthur stiftet für den Gabentempel des Schützenfestes das Lied:O Thurgau, du Heimat, wie bist Du schön". Die Notenlinien sind Goldfäden, die Notenköpfe Zehnfrankenstücke. Das Liedlein kostet 600 Franken.

(Ein rücksichtsvoller Diener.) Johann; Gnädiger Herr, die Mutter Ihrer Frau Ge­mahlin ist soeben angekommen." Herr:Aber Johann, Du machst mich ganz nervös, weshalb sagst Du nicht einfach, meine Schwiegermutter?" Johann:Gnädiger Herr, ich wollte Sie nicht so sehr erschrecken."

(Druckfehler.) Ein älteres Fräulein sucht Wohnung in ruhigem Hause, womöglich mit Gatten.

Telegramme.

Rom, 16. Sept. Die Vertreter der ita­lienischen auswärtigen Turnvereine marschierten gestern in einem imposamten, von General Hensch angeführten Zuge mit wehenden Fahnen nach dem Pantheon, wo am Grabe Viktor Emanuels ein Kranz niedergelegt wurde. Bon dort zogen die Vereine nach dem Radfahrervereinsplatze, wo der dritte nationale Turnerkongreß in Anwesen­heit einer großen Menschenmenge eröffnet wurde. Das Publikum begrüßte den Zug, namentlich die deutschen Delegierten lebhaft. Die Stadt ist beflaggt, es herrscht überaus reges Leben. Das Wetter ist herrlich Die Turnertruppen defilierten in verschiedenen Kostümen unter dem Jubel der Menge vor der Tribüne, wo die Vertreter der Behörden sich befanden. Die deutschen Turner erwiderten die besonders herzlichen Zurufe durch Hüteschwenken. Der Senator Todaro als Prä­sident des Kongreß-Komites rief den Führer der Berliner Turngemeinde, Hoppe, an seine Seite, und eröffnete, umgeben von den Fahnen der Berliner Turner und der italienischen Turn­vereinigung, den Kongreß mit einer jubelnd auf­genommenen Begrüßungsansprache und schloß mit den Worten:Leinpro uvunti Lavoia!" Hoppe erwiderte herzlich und knüpfte unter dem Rufe:Es lebe Humbert, es lebe Italien!" an das Banner des römischen Turnvereins ein prächtiges Band in italienischen und deutschen Farben mit einer Schleife in österreichischen Farben. Die Menge brach in jubelnden Bei­fall aus. Der Bürgermeister gedachte der Ver­einigung der italienischen und deutschen Farben, die sich hier bei einem brüderlichen friedlichen Feste bekunde. Die Behörden durchschritten hierauf unter den Klängen der Musik die Turner- Reihen. Die deutschen Turner sangen bevor sie den Platz verließen unter stürmischem Jubel der Versammlung ein patriotisches Lied.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.