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dem heutigen Angreifer seiner Frau im Laufe der vergangenen Woche auch mit Schlägen auf­gewartet hat. Hierüber gekränkt, wollte der Monn angeblich Klage bei Gericht führen, sei aber verhindert worden und so habe er den Entschluß gefaßt, seinem Nachbar den Kopf auch auszuputzen. Kurz wäre nun dieses Verfahren, ob aber auch das Gericht der gleichen Ansicht ist, dürfte sehr fraglich sein.

Ulm, 10. Sept. Aus demManöver. In Oehringen wurde vom 4. auf den 5. Sept drei Einjährigen und einem Soldaten, die in einem Zimmer schliefen, die Brustbeutel abge­schnitten und am nächsten Morgen vor dem Hause leer gefunden. Der Inhalt soll über 80 Mark betragen haben. Ein Soldat, der im Nebenzimmer schlief, wurde als verdächtig ver­haftet.

Ulm, 12. Septbr. Der Fremdenverkehr hier ist in stetem Zunehmen begriffen und ver­anlaßt die Hotelbesitzer zur Ausdehnung ihres Betriebs. Am Bahnhof soll nächstes Jahr ein neues Hotel ersten Ranges errichtet werden und gestern hat Herr Rudolf Schorer z. Bahnhof­hotel das der Witwe Hauser zur Bahnhofrestaura- tion gehörige Nachbarhaus um 115 000 Mark gekauft, wodurch er die Zahl seiner Fremden­zimmer verdoppeln kann. Der vorigen Sonntag von einem Schuhmacherlehrling zur Anzeige ge­brachte angeblich an ihm auf der Ulm-Heiden hcimer Landstraße verübten Raubanfall hat sich als von dem Schlingel fingiert erwiesen.

Besigheim, 12. Septbr. Letzter Tage traf der Güterbesitzerverein Stuttgart hier ein, um die Weinberglagen in Besigheim, Hessigheim und Mundelsheim zu besichtigen. Es waren über 100 Herren und Frauen. Beim Gang durch die hiesigen Berglagen Niedernberg, Schalkstein und Sturmberg waren die Gäste ganz verwundert über die infolge mehrmaliger Bespritzung noch im vollen grünen Laub prangen­den Rebstöcke und die in der Reife weit vorge­schrittenen schönen gesunden Trauben. Besonders der Trollinger, die Haupttraube unserer Berg­lagen, welcher den bouquetreichen, lagerhaften Rotwein liefert, zeigte sich so vollkommen und schön, wie nur in den allerbesten Jahrgängen. In Hessigheim und Mundelsheim, wo ebenfalls das Bespritzen der Weinberge vollständig durch­geführt ist, wurden dieselben in gleich schönem Stande getroffen, vor allem der Käsberg bei Mundelsheim. ImOchsen" daselbst wurde dann Mittag gemacht und entwickelte sich dabei ein reger Meinungsaustausch über Weinbau­fragen zwischen dem Vorstand des Stuttgarter Gülerbesitzervereins, Gemeinderat Lutz und Schultheiß Manlich von Mundelsheim., Allge­mein wurde dabei die Ansicht geäußert, daß wir Heuer einen Wein zu erwarten haben, der den besten des Jahrhunderts an die Seite zu stellen sein wird. Sehr interessant war den Gästen auch derFelsengarten" zwischen hier und Hessigheim, von wo sich eine prachtvolle Aus­sicht darbietet.

Hessigheim, 12. Septbr. Hier sind schon 4 Weinkäufe am Stock, (zusammen ca. 20 Eimer) zu je 200 Mark per Eimer abge- abgeschlossen worden.

Hof und Lembach. 9. Septbr. Jakob Maier von hier verkaufte sein heuriges Wein­erzeugnis an Wirt Busch und zwar per Eimer zu 180 «/kk In Oberstenfeld wurde bereits auch ein Kauf in neuem Wein abgeschlossen und zwar per Eimer zu 160 »kL

Vom Schönbuch, 9. September. Die Hopfenernte nimmt einen raschen Fortgang. Die Quantität schlägt im Böblingen vor, in der Tübinger Gegend zurück. Preise steigen. Gegenwärtig kommen, wie alljährlich um diese Zeit, zahlreiche Viehhändler aus größeren Städten in unsere Gegend, um Mastvieh einzu­kaufen. Ein Affstädter Bauer verkaufte vor einigen Tagen an Ochsenhändler Heister aus Mainz zwei Paar Ochsen um den schönen Preis von 2650 -/-L

B o n d e r B r e n z, 8. Sept. In unserer Gegend sind die Mäuse zu einer wahren Plage geworden. Sie durchwühlen die Felder m schrecklicher Weise. Spaziergänger treffen auf allen Feldwegen Mäuse an. In Steinheim a.,

Alb haben sie auf manchen Acckern °/6 der Ernte vernichtet. Das Oberamt erließ vor einiger Zeit eine Aufforderung an die Schult­heißenämter, in ihren Gemeinden geeignete Schritte zur Verminderung der Mäuseplage zu thun.

Gomaringen, 9. Sept. Gestern abend brach hier nach vorhergegangenem Sturm ein heftiges Gewitter los, das die lang ersehnte Abkühlung brachte. Leider war damit ein heftiger Hagelschlag verbunden, der mehrere Minuten währte und an den Obstbäumen und den noch stehenden Feldfrüchten ziemlichen Schaden anrichtete.

Leutkirch, 6 Sept. Eine eigentümliche Viehvergiftung ist von hier zu melden. Anläß­lich der Sedanfeier wurde auf dem Grundstück eines hiesigen Oekonomen ein Feuer abgebrannt. Von der liegengeblicbcnen Asche leckte ca. 2 Tage nachher das Waidvieh und bald darauf erkrankten hievon unter Vergistungssymptomen 8 Stück schwer. Man nimmt an, daß die Asche Gift enthielt, welches von mitverbrannten alten Fässern und Kisten rc. herrührte, die man bei hies. Geschäftsleuten zwecks rascheren Anfachens des Feuers zusammengeholt hatte. Die Vergift­ung der Tiere ist ernster Statur und mußte bereits abgeschlachtet werden.

Künzelsau, 11. Septbr. Heute früh um 4 Uhr ist in der zu Künzelsau gehörigen Hofratsmühle die Sägmühle von Fenchel ab­gebrannt. Eine Abteilung Pioniere, die in der Nähe eine Brücke über den Kocher geschlagen hatte, leistete die ersten, sehr erspießlichen Dienste.

Ravensburg, 10. septbr. Bei den Grabarbeiten zur Legung der Wasserleitung in das hiesige Landgerichtsgebäude wurden etwa 2 Meter unter dem Boden der Wohnung des Kanzleiüieners 3 Totenschädel und verschiedene Menschenknochen aufgefunden.

Stuttgart. jLandesproduktenbörse. Bericht vom 9. September von dem Vorstand Fritz Kreglinger.s Wir notieren per 100 Kilogramm: Weizen Nikolajeff 15 ^ 50 La Plata 16 -4L Rumänier alt 15 -4L 75 ^ bis 16 Rumänier neu 15 vtL

75 Gyrka 15 -4L 25 bis 15 -4L 50 , Hafer Alb

la. 13 -4L 50 Land 11 -4L 30 bis 11 -4L 40 ^Z, Mais La Plata 11 -4L 50 Mixed 11 -4L 50

Mehlpreise per 100 Kilogr. incl. Sack bei Wagen­ladung: Mehl Nr. 0: 27 -4L 50 ^ bis 28 »tL 50 Nr. 1: 25 -4L 50 ^ bis 26 -4L 50 Nr. 2: 24 -4L

^ bis 25 -4L Nr. 3: 22 -4L 50 bis 23 -4L

Nr. 4: 20 -Lt 50 bis 21 -4L ^z. Suppen­gries 28 -4t 50 Kleie mit Sack 6 -4L

Stuttgart, 12. Septbr. Kartoffelmarkt am Leonhardsplatz. Zufuhr 1000 Ztr., Preis per Zentner 2 -4L 50 bis 3 -4L Krautmarkt am

Marktplatz. Zufuhr 3000 Stück Filderkraut, 15 -4L ^ bis 20 -4L per 100 Stück.

Ausland.

In Oesterreich soll das neue Kabinet Badeni nunmehr doch binnen kurzem ernannt werden und mit Ausnahme des Landesverteidig­ungs-Ministers lauter neue Minister enthalten. Bekannt sind dieselben aber zur Zeit noch nicht. Die ungarischen Bischöfe haben einen gemein- samen Hirtenbrief beraten, welcher die Stellung der katholischen Kirche zu den neuen Gesetzen bezügl. der Ziviltrauung u. s. w. klarlegen und kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes (1. Oklbr.) veröffentlicht werden soll. Man glaubt allge­mein. daß die ungarischen Bischöfe es nicht auf einen offenen Kulturkampf ankommen lassen werden.

Petersburg, 12. Sept. Der deutsche Reichskanzler Fürst Hohenlohe wurde gestern vom Kaiser Nikolaus um 11'/r Uhr in längerer Audienz empfangen und darauf von der Kaiserin. Um 4 Uhr empfing der Reichs­kanzler Fürst Hohenlohe den Gegenbesuch des Fürsten Lobanow. Um 6 Uhr empfing der Reichskanzler die Vorstände aller deutschen Ver­eine. Um 7 '/r Uhr war Prunktafel beim Fürsten Lobanow zu Ehren des deutschen Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe. Anwesend waren der deutsche Botschafter Fürst Radolin, der Minister des Innern Durnowo, der Gehilfe des Ministers des Aeußern Schischkin, ferner der englische und der österreichische Botschafter, sowie der bayerische Gesandte.

Bern, 11. Sept. Heute vormittag stürzten große Etsmassen vom Alt-Els-Gletscher auf der Berner Seite des Gemmipasses der von

Frutigen im Kanton Bern nach Lenk im Kanton Wallis führt nach der Spigthalmatte und dem Wirtshaus Schmarenbach ab. Eine 30 Kilometer lange Strecke ist mit Eismassen über­schüttet. Durch den Absturz wurden mehrere Alphütten zerstört, 10 Hirten sind umgekommen, 200 Stück Vieh getötet.

Lang res. 10. September. Präsident Faure durchfuhr morgens zu Wagen ver­schiedene Stellungen der Truppen in der Gegend, wo die große Hauptschlacht der großen Manöver stattgcfunden halte. Die Bewegungen der Truppen bei den Schluß-Angriffen wurde mit großer Lebhaftigkeit ausgeführt. Der Präsident beglückwünschte die Generale und dankte ihnen für die Fürsorge, die sie für die Truppen ge­troffen hatten, deren Zustand vorzüglich ist. General Saussier dankte dem Präsidenten für sein lebhaftes Interesse. Alle Soldaten riefen: Hoch Frankreich, Hoch der Präsident!

Auf dem Hochplateau von Tangers fin­den zur Zeit große Herbstmanöver statt, wobei zwei französische Armeekorps gegeneinander operieren. Der Präsident der Republik wohnte einem Teil dieser Manöver bei. Diese sollten darstellen, wie ein aus Deutschland eingebrochener Feind wieder flott über die Vogesen zurückge- worsen wird. Da die Franzosen über derartige Dinge äußerst ruhmredig in der Presse sich äußern, so ist das bisherige Schweigen der Pariser Presse einigermaßen unverständlich. Am Ende hat gar wieder einmal dieses und jenes nicht geklappt, dann wäre jenes Schweigen be­greiflich. Wie schon berichtet, macht der Londoner Oberbürgermeister gegenwärtig eine Reise durch Frankreich und wird von den Fran­zosen angehocht als ob sie in ihm einen neuen mächtigen Verbündeten gegen Deutschland ge­wonnen hätten. Wenn nächstens ein besserer Haus­knecht aus Honolulu nach Frankreich kommt, wird auch dieser als Bundesgenosse begrüßt werden. Bezüglich der politischen Macht würde der letztere dem elfteren kaum etwas nachgeben.

Paris, 11. Sept. Ueber den Urheber des Attentats in der Rue Laffitle verlautet weiter, Laß sein Vater eine Rolle während des Kom- munisten-Aufstandes gespielt habe. Das Journal des Döbats" meldet entgegen den bisherigen Mitteilungen, der Untersuchungsrichter Remplar habe Anhaltungspunkte dalüi, daß der Atten­täter ein leidenschaftlicher Anhänger der anti­semitischen Partei sei. Der Mann gab vor dem Untersuchungsrichter heute zu, daß die Bombe nicht von ihm angefertigt worden sei und er­klärte sich bereit, der Polizei den Ort zu zeigen, wo dieselbe hergestellt wurde. Zwei Schwestern des Verhafteten find bei der Post angestellt. Während der gestrigen Börse knallte mitten in einer Gruppe von Coulissiers ein Revslverschuß. Sofort verbreitete sich das Gerücht, daß ein anarchistisches Attentat verübt worden sei. Die entstandene Panik legte sich jedoch rasch als konstatiert wurde, daß der Schuß durch die Un­vorsichtigkeit eines Börsenbejuchers losgegangen war, der seinen geladenen Revolver einem Be­kannten gezeigt und dabei fallen gelassen hatte.

In Italien treten immer mehr Räuber­banden auf und sogar in Piemont, wo sonst stets die größte Sicherheit herrschte, treibt eine solche Bande ihr Unwesen. Neben der Be­kämpfung der Räuber-Banden von Sizilien und Sardinien, sowie in Unteritalien auch eine solche im Norden zu haben, ist für Crispi eine be­denkliche Aufgabe, denn diese Räuberbanden sind thaljächlich das Produkt des großen Elends unter der Bevölkerung und mit Waffengewalt kann das Elend eben nicht beseitigt werden.

Die Engländer lassen sich die Hinricht­ung ihres Landsmannes Stockes im Kongostaat durch die Belgier nicht so ohne weiteres ge­fallen. Die Belgier mußten sich bereits dazu verstehen, die Akten in Sachen Stockes der eng­lischen Regierung vorzulegen und der belgische Major Lothaire, welcher Stockes hinrichten ließ, könnte die Belgier sehr teuer zu stehen kommen, weil er entgegen den Bestimmungen des Kongo­vertrags das kriegsgerichtliche Urteil an Stockes sofort vollziehen ließ, ohne demselben Gelegen­heit zu geben an em höheres Gericht zu appe- lieren.