Hlnteryattender Teil.
Eine Löwenjagd.
Aus meinen Erlebnissen in der Fremdenlegion.
Von Erich von Nordeck.
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
Sie waren bis auf etwa 20 Meter herangekommen und hatten nun den Löwen direkt vor sich, nur durch einige Bäume und dichte Sträucher geschützt.
Doch der Löwe hatte sie gewahrt.
Mit einem gewaltigen Ruch sprang er in die Höhe und ein lautes, langgezogenes Gebrüll, von Wald und Felsen mehrmals als ein schauerliches Echo wiederholt, war das herausfordernde Zeichen. daß der König der Tiere den Kampf nicht fürchte und denselben aufzunehmen bereit fei. Noch lange hallte das Echo nach, bis es sich, immer schwächer werdend, wie zitternd und klagend in ein Nichts auflöste, ein Echo, wie es Nordon aufregender und schöner nie gehört gehört hatte. Er konnte nicht umhin, trotz der nahen, drohenden Gefahr den Löwen einen Augenblick zu betrachten. Es war ein Männchen, vollständig ausgewachsen und gehörte wohl zu den größten und stärksten, welche er je gesehen. Diese muskulöse Gestalt, welche seine ganze Kraft und Gewalt deutlich erkennen ließ, dieser gewaltige Kopf mit den großen glänzenden Augen, die lange Mähne, welche bei jedem Gebrüll in wellenförmigen Bewegungen zitterte, der geschmeidige, aber dennoch kräftig gebaute Hinterkörper, der lange Schwanz mit dessen Quaste der Löwe wie rasend in höchster Wut den Boden peitschte, diese Stellung, die Vorderläufe straff gespannt, etwas nach vorn, die Hinterläufe gekrümmr, der ganze Körper etwas zurückgezogen und halb geduckt, der Rücken katzenähnlich gebogen, wie zum Sprunge bereit, die feurigen Augen starr durchbohrend auf die Jäger gerichtet, daß einem das Blut in den Adern erstarrte, das Alles in dieser reizenden, in allen Farben prangenden Umgebung, in dieser idyllischen Ruhe mit dem gewaltigen Felsen- Hintergründe, von den Sonnenstrahlen mit einem harmonischen Lichte übergossen, bot einen herrlichen, schaurig schönen, wildromantischen Anblick dar, der einzig in seiner Wirkung alle drohende Gefahr einen Augenblick vergessen ließ. Nordon wähnte sich in einem Panorama Berlins zu befinden und vergaß, daß er hier in Wirklichkeit einem fürchterlichen Gegner zu einem blutigen Kampfe auf Leben und Tod gegenüberstehe. Er verstand es jetzt, warum einst ein Engländer in Indien von der Wirkung eines solchen Anblicks hingerissen, den grausigen Kampf eines Tigers mit einer Schlange aus nächster Nähe photographierte. Hätte auch er jetzt einen Apparat gehabt, er hätte gewiß das- selbe gethan. Alle diesen Betrachtungen mochten kaum eine Minute gedauert haben, eine Minute während welcher sich die Gegner mit feindseligen Blicken ihre Kräfte maßen.
Der Löwe verfolgt mit seinen Augen jede Bewegung der Jäger. Achmet erhebt langsam sein Gewehr. Der Löwe stößt ein kurzes schneidendes Gebrüll hervor, duckt sich liefer, alle Muskeln sind bis auf's Aeußerste gespannt. Achmet reißt das Gewehr an die Backe, der Löwe springt mit einem gewaltigen Satz empor, der Schuß ertönt, von einem rollenden Echo begleitet und mit einem zweiten fürchterlichen Satze ist das mächtige Raubtier bei den Jägern, Bäume und Sträucher unter seiner Wucht zerschmetternd. Mit seinen grauenhaften Tatzen zerknickt er starke Bäume wie Strohhalme. Rasend mit dem Schwanz peitschend, reißt er armdicke Zweige und Gesträuch zu Boden und bahnt sich eine freie Stelle, durch ein wildes Chaos gekennzeichnet. Er schweißt stark aus einer Brustwunde. Die Kugel hat ihn im Sprunge getroffen. Der Anblick des Schweißes stachelt seine Wut bis auf's Aeußerste. Achmet ist verschwunden, Nordon kann ihn nicht entdecken. Ist er nur vielleicht von den Bäumen und Sträuchern zu Boden gedrückt? Oder hat ihn der Löwe unter der Last seines Körpers begraben und zermalmt. Oder hat er ihn viel
leicht durch einen Tatzenhieb zerfleischt. Vielleicht ist er nur verwundet, liegt unter dem Chaos von Zweigen und erwartet Errettung von seinen Freunden.
Lebt er? Ist er tot? Nordon weiß es nicht. Er vermag sich diese langen Fragen, welche blitzschnell sein Hirn durchkreuzen, nicht zu beantworten.
Er steht direkt vor dem Löwen. Kaum vier Schritte von ihm entfernt. Nur ein dünner Baum ist sein schwacher Schutz. Ein Sprung des Rasenden und er ist verloren. Es gilt kein Zaudern! Jede Sekunde Verzögerung bedeutet hier seinen sicheren Tod. In unbeschreiblicher Wut sind die Augen des Löwen auf ihn gerichtet. Ein Blick, der jeden Anderen hätte in dieser Lage erbeben lassen. Er darf seine Ruhe, seine Kaltblütigkeit nicht verlieren. Das leiseste Anzeichen von Aengstlichkeit, die geringste Spur von Furcht, ein Fehlblick seines Auges, ein Zittern seiner Hand, und er hat aufgehört zu sein. Nichts wäre im Stande ihn dann noch zu retten. Die Lage ist eine fürchterliche! Soll er hier seinen Untergang finden? Hier in der Wildnis! Fern von den Seinen! So jung, in der Blüte seiner Jahre. Soll er seine Lieben nie Wiedersehen? N,e wieder seine liebe Heimat, sein geliebtes deutsches Vaterland begrüßen dürfen. Soll er hier auf diese Weise vom Leben Abschied nehmen. Zermalmt! Zerrissen! Zerfleischt! Ein blutiges Mahl der fürchterlichen Katze! Nein! es darf nicht sein! Wie oft hatte er sich nicht schon während seines vielbewegten, wechselvollen Lebens in Todesgefahr befunden, und hat ihr stets trotzig lächelnd die Stirn geboten, er hat nicht gezittert, als ihn in Schlachten pfeifende, zischende Geschosse umsausten, er hat nicht gezittert, als er in den Händen der Araber einem sicheren Tod preisgegeben war, er hat nicht gezittert, als er im Harem allein einer heulenden Schaar wütender Eunuchen gegenüberstand und endlich nach einem schrecklichen Kampfe der Uebermacht erliegen mußte und hierauf gesackt wurde, und so bewährt sich auch hier wieder seine Ruhe, seine Kaltblütigkeit. Es bemächtigt sich seiner, die schon oft in den größten Gefahren bewiesene Sicherheit.
Mit einer ihm eigenen Schnelligkeit reißt Nordon das Gewehr empor, die Mündung ist kaum zwei Meter vom Kopfe des Löwen entfernt, zielt einen Augenblick, fest den rollenden wütenden Blick des Löwen ertragend; dieser stößt ein ohrbetäubendes Gebrüll aus, daß die Erde erbebt, schnellt in die Höhe, ein Doppelschuß kracht, laut von Wald und Felsen wiederhallend, Nordon springt zur Seite, und als sich der Rauch verzieht, liegt das gewaltige Tier, fast auf der Stelle wo Nordon gestanden, verendet am Boden. Beide Kugeln waren ins linke Auge gedrungen und hatten den sofortigen Tod zur Folge.
Nordons erster Gedanke ist Achmet, sein Freund. Bon Zweigen und Gestrüpp bedeckt, war dieser von einem umgebrochenen Baum zu Boden gedrückt. Er kam mit einer Quetschung am linken Bein davon.
Der ganze Vorgang des Kampfes hatte sich so schnell, in wenigen Sekunden abgespielt, daß schon zehn Minuten vergangen waren, ehe Js- mael und der andere Araber herbeikamcn. Die Araber konnten sich nicht genug über den Meisterschuß Nordons wundern. und während dieser die verletzte Stelle seines Freundes verband, machten sich die beiden Araber daran, den Löwen kunstgerecht zu zerwirken. Nach einer kurzen Ruhe kehrten die Jäger zu den Pferden zurück und erreichten nach zwei Stunden das Lager, wo sie mit Hurrah empfangen wurden.
Nordon, dessen Kaltblütigkeit Achmet nicht genug rühmen konnte, wodurch der Lieutenant nicht wenig in Achtung bei den Arabern stieg, und diese mit einer geheimen Scheu von der eisigen Ruhe und Sicherheit des jungen Blanko sprachen, mußte mit Achmet Blutsbrüderschaft trinken.
Die Löwenhaut wollte Achmet dem Lieutenant überlassen. Dieser aber verweigerte entschieden die Annahme und so ist sie heute noch ein Prachtstück in dem Zelte des jungen Schecks,
denn Achmet übernahm schon nach wenigen Wochen die Führerschaft des Stammes.
Hannover, 9. Sept. Ueber eine blödsinnige Wette wird dem „Hann. Cour." aus Leer berichtet: Mehrere junge Leute unterhielten sich in einer Wirtschaft über die Möglichkeit der Verspeisung eines „Fliegen-Gerichts". Einer von ihnen erbot sich, für 1 25 Vergüt
ung 1000 StückFliegen zu verzehren. Und richtig er gewann die Wette. Rund 1000 Fliegen wurden in einem halben Literglase zu Gefangenen gemacht. Der Betreffende war mit dem „appetitlichen Schmaus" innerhalb vier Minuten fertig.
Gehört Baden-Baden jetzt, da neben einigen Tausend Kurgästen vorwiegend deutscher Abstammung sich einzelne wenige Franzosen dort aufhalten, noch zum deutschen Reiche oder nicht? So fragen sich viele Kurgäste, empört über die Teilnahmlosigkeit, die man der diesjährigen Sedanfeier in Baden-Baden entgegenbrachtc. Von irgend einer Festfeier der Bürgerschaft verlautete nichts. Die Bahnverwaltung hat es nicht einmal der Mühe wert gehalten, auf dem staatlichen Stationsgebäude eine schwarz-weiß-rot oder gelb-rote Flagge aufzuziehen. Die Kurverwaltung hat auf dem Kurhaus ebenfalls keine schwarz-weiß-rote Fahne gehißt, wohl aber war in den verflossenen Renntagen am Haupteingange zum Kurpark neben einem Flaggenmast mit amerikanischen Abzeichen ein solcher mit der Aufschrift U. ib'. (Uexudliquo kranyaiso) und Fahnen in den französischen Farben aufgepflanzt. Schwarz-weiß-rote Fahnen sah man an Privathäusern äußerst spärlich angebracht.
Am letzten Sonntag war Feiertag „Mariä Geburt". Von ihm gilt die Bauernregel: „Wie sich's Wetter an Mariä Geburt thut erhalten, so soll es weitere 4 Wochen sich gestalten."
(Je nachdem.) Gattin: „Nicht wahr, der Geschmack vom Fisch hängt davon ab, ob er in Süß- oder Salzwasser gefangen worden ist?" — Gatte: „Nicht immer, manchmal hängt er auch davon ab, wie lange der Fisch schon tot ist!"
Telegramme.
Stettin, 12. Septbr. Die Kaiser- Manöver fanden heute vormittag lOfli Uhr ihren Abschluß. Am 1 Uhr trafen die Monarchen und die übrigen Fürstlichkeiten wieder in Stettin ein. Um 3 Uhr fand im Stettiner Schlosse eine Galatafel zu 140 Gedecken statt. Abends 5 Uhr sind Kaiser Franz Joseph und der König von Sachsen nach Wien resp. nach Dresden abgereist, nachdem sich der Kaiser von beiden Monarchen auf dem Bahnhof in herzlichster Weise verabschiedet hatte. Kaiser Wilhelm fuhr darauf auf dem Aviso „Grille" nach Swinemünde. Der kommandierende General Graf Waldersee wurde zum Generaloberst mit dem Range eines Generalfeldmarschalls ernannt.
Berlin, 12. Sept. Der „Reichsanz." meldet, der Kaiser verlieh dem Chef des geheimen Zwilkabinets v. Lucanus das Großkreuz des Roten Adlerordens mit Eichenlaub und Krone. — Der „Reichsanz." schreibt anläßlich der Reise des Kaisers Franz Joseph nach Stettin: „Tausende erblickten in den letzten Tagen die ritterliche Gestalt des Kaisers Franz Joseph gleich einer Verkörperung der treuen Bundesgenoffenschaft, in welcher Oesterreich-Ungarn mit dem deutschen Reiche zusammen ein Bollwerk des europäischen Friedens geschaffen hat. Die bei den Manövern kundgegebene Begeisterung möge den hohen Gast überzeugt haben, daß das ganze deutsche Volk mit den Völkern Oesterreich- Ungarns einig ist in den Gefühlen warmer Verehrung für den Kaiser Franz Joseph."
Bern, 12. Sept. Bei dem Gletschersturz auf dem Gemmipasse sind l'/r Mill. Kubikmeter Ers und Steine aus einer Höhe von 3400 m herabgestürzt. Die Zahl der Toten ist nunmehr auf 6 fcstgesteüt. Dte Getöteten waren sämtlich dort ansässig. Die abgestürzte Masse wird auf den dritten Teil des ganzen Gletschers und der angerichtete Schaden auf 400000 Frcs. geschätzt.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.