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und ungehemmt begehen dürfen; es liegt keine Veranlassung vor, nach dieser oder jener Seite den angemessenen Gebrauch solcher Freiheit zum vornherein in Zweifel zu setzen und zum Aufsehen mahnen." Das ist ein verständiges Wort. Darum, ihr Deutschen in der Schweiz, aufge- jubelt, daß die Berge widerhallen, wenn es gilt, des geeinten deutschen Vaterlandes Größe und Ehre zu feiern.
Amsterdam, 29. Aug. Ein großes Feuer ist im Hooge-Zwaluwe, Provinz Nordbrabant, ausgebrochen. 48 Häuser sind abge- brannt, 50 Familien lagern im Bahnhofsschuppen. Das Feuer dauert fort.
Peterburg, 29. August. Moskauer Blättern zufolge ist die gegen 4000 Einwohner zählende Stadt Juchnow im Gouvernement Smolensk zur Hälfte abgebrannt.
Das englische Parlament beriet in der letzten Woche die Adresse an die Königin, wobei die Iren wieder einmal unendliche Reden hielten. Die Regierung konstatierte gelegentlich, daß die Pulver- und sonstigen Munitionsvorräte in den englischen Magazinen unter der vorigen Regierung stark zusammengeschmolzen seien und nun schleunigst wieder ergänzt werden müßten. Das ist ein harter Schlag für die liberale Partei, weil der Engländer eine Schwächung seiner Verteidigungskräfte als einen Landesverrat betrachtet, welcher Partei er auch sonst angehören möchte.
Unterhaltender Heil.
Die Spionin.
Erzählung aus dem Kriege 1870/71 von I. Steinbeck
(Nachdruck verboten.)
(Schluß.)
Als Nutze mit seiner Erzählung so weit gekommen war, winkte ihm Brackebusch zu schweigen und drehte sein Gesicht, um seine Erregung zu verbergen, der Wand zu. Ueberraschung und Scham kämpften gewaltig in ihm. Wenn er sich vergegenwärtigte, wie ihn dieser Bursche genasführt und zum Besten gehabt hatte, während er selbst ein gar mächtiges Gesühl von Liebe in sich hatte aufkeimen fühlen, mit dem er eine Zeit lang vergeblich gekämpft hatte, so stieg ein kochender Grimm in ihm auf und seine Fäuste ballten sich. Zugleich aber schämte er sich vor sich und anderen, ob seiner verliebten Dummheit, und dann wieder freute er sich, daß er wenigstens nicht mit einem Weibe zu kämpfen gehabt hatte und von einem solchen verwundet worden war. Aber er brauchte eine gute Weile, ehe er sich soweit gesammelt hatte, um Nutze zur Fortsetzung seines Berichtes aufzufordern.
„Ja, Herr Sergeant. Das Folgende ist leicht erzählt. Zunächst befahl uns der Herr Oberst, nachdem er den todten und den ver» wundeten Franzosen bei Seite schaffen lassen, Stillschweigen über Alles, war wir gesehen und gehört hatten, zu beobachten, und da er sich wohl denken mochte, daß die Franzosen aus Metz, wenn sie von ihren hiesigen Spionen nichts mehr hörten, neugierig werden und Boten schicken würden, so legte er eine Wache vor den Eingang des Seitenkanals, der es auch wirklich glückte, in der Nacht darauf einen wichtigen Fang zu machen.
Denn da hob sich gegen Tagesanbruch vorsichtig ein Kopf und dann ein Leib zum Loche heraus und ein Monsieur wurde sichtbar, der nicht schlecht verdutzt war, als er sich im Nu dingfest gemacht sah. Und der soll ja. so erzählt man. wichtige Briefe vom Marschall Bazaine bei sich geführt haben.
Tages darauf war großes Leben in Jussy. .Biele hohe Ossiziere kamen und ließen sich in den unterirdischen Gang hinunterführen und zuletzt kam Prinz Friedrich Karl selbst und soll sich sehr befriedigt ausgesprochen haben, daß nun endlich den nichtsnutzigen Spionen das Handwerk gelegt sei und Marschall Bazaine seine beste Verbindung nach außen verloren habe. Er hat dem Obersten die Hand gedrückt und ihn sehr wegen seiner Umsicht gelobt. Der aber hat Alles abgelehnt und freimütig erzählt, daß eigentlich sein Regimentsschreiber die ganze Geschichte ent- und aufgedcckt habe, und als darauf der Prinz Sie hatte sehen wollen, hat er gesagt,
l das ginge leider nicht an, denn Sie lägen noch I immer bewußtlos und der Arzt wisse noch nicht, ob Sie überhaupt mit dem Leben davon kämen. Da hat der Prinz befohlen, Sie in's Lazaret zu schaffen und die größte Sorgfalt anzuwenden, um Sie am Leben zu erhalten. Und wie es heißt, Herr Sergeant, sollen Sie das eiserne Kreuz erhalten."
Brackebusch antwortete nichts, seine Seele war zu voll von all' dem Neuen, das er vernommen hatte, aber als Nutze gegangen war, dankte er in seiner weichen Stimmung, die allen Genesenden eigen ist, im inbrünstigen Gebete Gott dem Herrn, der ihn so wunderbar aus allen Gefahren und. was mehr war, aus der drohenden Schande gerettet hatte. Danach erst wurde er ruhiger und durchlebte Alles in Gedanken noch einmal.
Nach einigen Tagen besuchte ihn auch der Oberst und legte wirklich das Eiserne Kreuz in die bleiche Hand seines tapferen Sergeanten. Heiße Thränen stürzten dem also Geehrten aus den Augen und offenherzig beichtete er seinem gütigen Vorgesetzten, wie Alles gekommen und namentlich, wie bis über die Ohren verliebt er in die schöne Frau gewesen sei. Da lachte der joviale Herr und meinte, Brackebusch solle sich trösten, es sei ihnen Allen nicht besser gegangen, und auf die gestellte Falle wäre am Ende jeder Andere auch hineingefallen. Unglück sei dadurch nicht geschehen, und wenn, dann habe Brackebusch Alles zehnfach gebüßt und wieder gut gemacht.
Als am 27. Oktober endlich die stolze Moselfestung fiel, rüstete sich Hans Brackebusch zur Heimreise. Aeußerlich geheilt war er wohl, allein der Arzt harte bestimmt erklärt, daß an Dienstthun vorläufig gar nicht zu denken sei.
Und wirklich hat unser Freund seinen Abschied nehmen müssen, hat aber als Zollrevisor eine auskömmliche Zivilversorgung erhalten. Als solcher fungiert er an einer Station der belgisch-deutschen Grenze noch heute, anscheinend wieder in guter Gesundheit und als Bürger und Beamter hoch angesehen und beliebt. Ich habe ihn dort noch im vorigen Jahre besucht und im Kreise seiner Familie schöne Stunden der Erinnerung verlebt. Bei dieser Gelegenheit hat er mir die ganze Geschichte so erzählt, wie ich sie meinen Lesern im Vorstehenden wahrhcits- gerteu wiedergegeben habe. Aber eine Frage hatte ich noch auf dem Herzen, als mein Freund geendet hatte. Ich mußte herauskommen bannt. „Was ist aus der „Spionin von Metz" alias Frau Marie Pierrot geworden?
Es dauerte eine ganze Weile, ehe der gute Brackebusch auf diese Frage die Antwort fand.
„Ich habe den Menschen einige Jahre nach dem Feldzuge wiedergesehen. Auf dem Ehrenbreitenstein war es, wo ich eines Tages mit einigen guten Bekannten einen Ausflug machte. Ich traf daselbst einen guten alten Freund als Gefangenaufseher, der uns in den Gefängnissen der schweren Verbrecher umhersührte. „Nun will ich Euch auch einen Franzosen zeigen, einen Kerl, den sie vor Metz als Spion gefangen genommen haben, der eigentlich baumeln sollte, aber weil er so lange krank war und die Exekution an ihm nicht vollzogen werden konnte, hat ihn der König hinterher zu 12 Jahren Festung begnadigt. Uebrigens ein Hauptkerl, sieht aus wie ein Mädchen, und hat Kräfte wie ein Bär und faucht wie eine Katze, wenn man ihm zu nahe kommt."
„Ich glaubte ihm was er sagte, ich hatte es ja an mir selbst erfahren und mein siecher Körper wußte davon zu erzählen. Denn der, vor dem wir standen, war meine „Spionin von Metz." Ob auch er mich erkannt hat, ich weiß cs nicht, aber ein tückischer Blick aus seinen Augen, der mich streifte, ließ es mich fast vermuten. Uebrigens danke ich Gott, daß das Blut dieses Menschen nicht vergossen war, ich hätte mir eine Mitschuld daran aufgebürdet."
Ich drückte meinem Freunde die Hand zum Abschiede. Und Abschied will ich auch von den Lesern für dieses Mal nehmen.
Wenn aber Einer glaubt, ich habe ihm eine selbsterfundene Geschichte oder ein Märchen er- zählt, der irrt sich und möge im Geschichtswerk des großen Generalstabes über den Krieg 1870/71
l Nachsehen, wo der Inhalt meiner Geschichte > wenigstens andeutungsweise erwähnt wird. Denn da steht ausdrücklich also zu lesen:
„Bis zur Katastrophe von Sedan stand Bazaine in ziemlich regem Briefwechsel mit dem Kaiser und Mac Mahon, obgleich auch mehrfach seine Boten in unsere Händen fielen. Doch auch noch später gelang es ihm. seine Depeschen durch die deutschen Linien zu bringen. Im September wurde bei Jussy ein Bote erwischt, welcher durch die unterirdischen Gänge der Wasserleitung von St. Ruffine einen in den Weinbergen versteckten und bis dahin unentdeckt gebliebenen Nebenausgang benutze. Bei sofort vorgenommener Erforschung der Gallerie bewiesen zahl- reiche Fußspuren, daß dieser Weg wiederholt benutzt war; am folgenden Tage begegneten sich in der Gallerie deutsche und französische Bewaffnete. wobei es in der finsteren Tiefe zum Kugelwechsel kam; der Zugang wurde hierauf abgesperrt."
Wettervorhersagung der Meteor, Zen tr.-Slatiop. Stuttgart, 30. Aug. Da der neue Luftwirbel gegen Skandinavien weiterschreitet, aber keinen erheblichen Einfluß auf unsere Witterung gewinnt, wird unter der fortdauernden Herrschaft hohen gleichmäßig verteilten Drucks trotz leichter Wolkenbildung das Helle, trockene, heiße Wetter sich fortsetzen.
(Stimmt.) Dame: „Warum fangen Sie Ihre Unterhaltung immer damit an, eine Galgengeschichte zu erzählen?" — Referendar (sehr schüchtern): „Ist denn der Galgen kein Anknüpfungspunkt?"
Zahlen-Rätsel.
(Eingesendet.)
4 10 5 3 1 ein großes Reich.
2 7 8 3 ein Zufluß der Donau,
5 3 9 6 5 ein ehemaliger König.
3 7 6 1 2 ein weiblicher Vorname.
1 3 2 8 2 4 Stadt in Frankreich.
Die Anfangsbuchstaben von oben nach unten gelesen und die Endbuchstaben von unten nach oben gelesen, ergeben einen Schlachtenplatz.
Telegramme.
Berlin, 30. Aug. Der deutsche Schoner „Delphin", der keine Hecklaterne führte, wurde durch die Corvette „Gneisenau" in der Nordsee am 28. August bei hohem Seegänge von hinten gerannt und sank. Ertrunken sind der Führer Woldenga und der Leichtmatrose Walter, die beide über Bord sprangen. Die übrige Besatzung wurde durch die „Gneisenau" gerettet.
Friedrichsruh, 30. August. Vierzig deutsch-amerikanische Veteranen mit Damen brachten heute Mittag 12 Uhr dem Fürsten Bismarck ihre Huldigungen dar. Vier der Herren wurden zum Frühstück eingeladen, das eine Stunde dauerte und einen äußerst interessanten Verlauf nahm. Inzwischen hatten die übrigen Teilnehmer an der Huldigungsfahrt sich vor dem Schlosse aufgestellt. Der Altreichskanzler trat vor das Portal, schritt die Front der Veteranen ab und unterhielt sich mit vielen derselben in leutseligster Weise.
Paris, 30. Aug. Ein an den Baron Rothschild gerichteter, vom Gericht in Rouen beschlagnahmter Brief wurde heute im Pariser städtischen Laboratorium geöffnet; er enthielt Eisenvitriol.
Frankfurt a. O., 30. Aug. In dem benachbarten Dorfe Aurith sind gestern 17 Gehöfte mit 40 Gebäuden niedergebrannt.
Bestellungen
auf den
Gn;thaier
für den Monat September
können noch bei allen Postämtern und Postboten gemacht werden. In Neuenbürg abonniert man bei der Expedition. Wir bitten unsere Freunde, sich für immer weitere Verbreitung unseres Blattes gütigst verwenden zu wollen.
Mit einer Beilage.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.