in einem dortigen Hotel. Augustin war von der Wahnvorstellung geplagt, daß er irrsinnig werde und lediglich die Befürchtung, seine von ihm vergötterte Braut werde an seiner Seite auf immer unglücklich werden, hat ihn zur Waffe greifen lassen. Es geht dies aus einem an feinen Vater hinterlasfenen Briefe, in dem er sagt, er fühle, wie der Wahnsinn sein Hirn umnachte, unzweifelhaft hervor. Die Eltern der jungen Frau wohnen in Konstantinopel, wo ihr Vater Bankdirektor ist; sie hielt sich in der letzten Zeit bei einer Tante in Frankfurt auf.

Württemberg.

Stuttgart, 22. Aug. >(Zur Berufs- Und Gewerbezählung vom 14. Juni 1895.) Einer Mitteilung des statist. Beamten der Stadt zufolge beziffert sich nach den nunmehr revidierten und ergänzten Listen zur Berufs- und Gewerbe­zählung die Einwohnerzahl Stuttgarts am 14. Juni d. I. auf insgesamt 153 81 1 Per- sonen, worunter 74 879 männliche und 78 932 weibliche. Verglichen mit dem Ergebnis der Volkszählung vom 1. Dez. 1890 ergiebt sich ein Zuwachs von 13994 Seelen, was einer Mehrung von 10,01 o/o gleichkommt. Hiermit ist nicht nur die prozentuale Zunahme während der Periode von 1885 bis 1890 mit 11,05 o/o nahezu erreicht, sondern auch die Aussicht be- gründet, daß das Anwachsen der Bevölkerung der Hauptstadt vom 1. Dez. 1890 bis zum Termin der neuen Volkszählung am 1. Dez. 1895 nicht oder nur in ganz unbedeutendem Maße hinter der Zunahme während der letzten Bolkszählungsperiode Zurückbleiben wird.

Die Eröffnung der Schwurgerichtssitzungen für das III. Quartal in Tübingen findet am Montag den 30. September d. I. statt. Zum Vorsitzenden ist Landgerichtsrat Kohlhund er­nannt

Tübingen. 24. Aug. An Frühhopfen sind einige kleinere Partieen trockener Ware am Platze. Käufe wurden noch keine abgeschlossen. Die Käufer wollen die Preise drücken und die Produzenten warten auf sichere Berichte. Die hiesige Ware ist vorzüglich.

Rottweil. 22. Aug. Der Bauer Jul. Seeh von Weidenbolhof Gem. Liptingen, Baden, kauften sich am letzten Montag auf hies. Markt ein Pferd um 153 mit dem er heimfuhr, unterwegs aber öfters einkehrte und das Pferd stundenlang vor den Wirtshäusern stehen ließ. Zuletzt kehrte er in Tuttlingen ein, betrank sich mit 3 Schustergesellen und fuhr mit diesen nachts 1 Uhr heim. Da das Pferd störrisch war, hieben die vier Personen mit Peitschen und Lattenstücken auf das Tier ein, bis es wild wurde und bei­seite sprang, wobei es einen Abhang hinunter­fiel und einen Fuß brach. Dem Besitzer und seine Genossen werden wegen Tierquälerei be­straft. Gegen solch rohes Benehmen ist keine Strafe zu mild und sollte da an solchen Menschen unbedingt auch wieder derPrügel" zur An­wendung kommen.

Marktpreis e.

Neuenbürg, 24. August.

Butter, V, Kilo.«6 0.951.00

Landeier, 2 Stück 12 ^), Kisteneier 6 2 St. 11

Pforzheim, 24. August.

Landbutter, V, Kilo.-4L 0.951.00

Süßrahmbutter. -4L 1.101.20

Landeier 2 Stück.1214 ^

Kisteneier, 2 Stück.1112 ^

Stuttgart, 24. August.

Saure Butter, >/- Kilo.1.

Süße Butter, V 2 Kilo .... -4L 1.101.20

Frische Eier, 10 Stück. 5560

Kalkeier, 10 Stück.

Ausland.

Paris, 24. Aug. Oberst Barre, Kom­mandeur des 2. algerischen Regiments, ist in Madagaskar am 18. August dort dem Fieber erlegen. Der Verstorbene war ein sehr tüchtiger Offizier, 47 Jahre alt; er hatte sich im Feld­zuge von 1870 glänzend heroorgethan. Er war mit dem 94. Linienregiment in Metz eingeschlossen und hatte dort das Kreuz der Ehrenlegion davongetragen. Die Agentur Hovas bestreitet, daß General Duchesne, der Oberbefehlshaber der Slreitkräfte auf Madagaskar schwer erkrankt darnieder liege. Alle Blätter indessen stellen

die dortige Lage sehr ernst dar und verlangen, daß die öffentliche Meinung aufgeklärt werde. Heute gingen 17 Freiwillige der 16. Jäger von Lille nach Madagaskar. Kompagnie und Musik gaben ihnen das Geleit.

Paris, 24. Aug. Der Generalrat der Departements Meurlhe-et-Moselle faßte eine Entschließung, welche die Regierung auffordert, den Plan der Pariser Weltausstellung von 1900 nochmals zu prüfen, da die öffentliche Meinung in der Provinz der Weltausstellung nicht günstig sei.

Paris, 25. Aug. Giodkowitz, der juristische Abteilungschef (Justiziar) im Bankhause Gebr. Rothschild wurde gestern nachmittag beim Oeffnen eines an Baron Rothschild adressierten Briefes an einem Auge schwer verletzt. Der Brief hatte einen Sprengstoff enthalten, der beim Oeffnen explodierte. Der Staatsanwalt und der Unter­suchungsrichter begaben sich gestern abend nach dem Rothschild'schen Hause in der Rue Lafitte. Giodkoritz hat außer seinen anderen Verletzungen eine schwere Verwundung am Bauche erlitten. Seine Hose ist vielfach durchlöchert. Der Ver­letzte kann die an ihn gerichteten Fragen beant­worten, jedoch nur mit schwacher Stimme. Er ist der Ansicht, die Höllenmaschine habe aus 2 Platten bestanden. Um die Platten aus dem Karton zu entfernen, mußte man kräftig ziehen. Der Zünder wird in derselben Art in Thätig- kcit gesetzt, wie es die Konditoren bei Knall­bonbons einrichten, deren Entzündungsstoff in der Mitte liegt und dort aufflammt. Der General­sekretär der Polizeipräfektur von Paris, Laurent, sowie der Chef des städtischen Laboratoriums, Girard, begaben sich zu Rothschild und ermit­telten, daß der fragliche Brief in einem großen weißen Umschlag enthalten war. Girard glaubt, daß der Sprengstoffbehälter aus 2 Kartons be­stand, zwischen welchen ein Quantum Knall­silber lag. Die Ränder des Umschlags sollen verstärkt gewesen sein, um den Oeffner des Briefes zu zwingen, eine gewisse Kraft anzuwenden, wo­durch der Zünder ausgelöst werden sollte. Es ist wunderbar, daß der Brief durch die zahl­reichen Abstempelungen nicht schon früher ex­plodiert ist. Ein Anarchistenattentat ist wahr­scheinlicher, als ein persönlicher Racheakt. Nach Ansicht der Polizei ist der verwendete Spreng­stoff der gleiche, wie der seiner Zeit bei der mysteriösen Büchse gebrauchte, durch welche die Deputierten Reille, Etienne und Constant ver­wundet wurden.

Budapest, 24. Aug. Ein Soldat vom 48. Infanterie-Regiment, welcher plötzlich irr­sinnig geworden war, verließ gestern seine Kaserne unter Mitnahme seines geladenen Gewehrs. Auf der Landstraße, wohin er sich begab, richtete er ein wahres Blutbad an. Er erschoß vier Passanten, darunter einen reichen Gutsbesitzer. Hierauf wurde er von einer ihn aufsuchenden Patrouille festgenommen und ins Lazarett gebracht.

Madrid, 25. Aug. 10 Erzbischöfe u. 49 Bischöfe sandten an den Papst ein Protestschreiben, gegen die von den italien. Behörden beschlossene 25jährige Feier des 20. September (Einzug der ital. Armee in Rom).

London, 24. Aug. Heftige Unwetter gingen vorgestern über London und Umgebung nieder. Mehrere Personen wurden durch Blitz getötet und großer Schaden durch Regen und Hagelschlag verursacht. In einem ländlichen Schloß wurden zwölfhundert Fensterscheiben vom Hagel zertrümmert.

Key West (Florida), 23. Aug. Eine hier eingetroffene Privatnachricht stellt fest, daß am Sonntag in der Schlacht bei Palanka 300 Spanier getötet und verwundet sind, während der Verlust der Rebellen sich nur auf 62 Mann belief.

MLeryattender Teil.

Die Spionin.

Erzählung aus dem Kriege 1870/71 von I. Steinbe ck

(Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.)

Ein halblauter Fluch drängt sich von der Lippe des Franzosen, während die Frau Miene macht, sich auf den Schläfer zu stürzen. Ihr

Mann hält sie rechtzeitig zurück. Die Lage ist ihnen klar sie sind verraten, ihr Geheimnis ist aufgedcckt. Aber ist jener Schläfer da der einzige Kenner der Sachlage? Dann wäre es das Geratenste, ihn auf der Stelle zu töten. Wie nun, wenn er Mitwisser hat? Wenn die­selben bereits in den geheimen Eingang einge­drungen sind? Pierrot und sein Weib berat­schlagen lange, dann verläßt das letztere, ebenso geräuschlos als er gekommen, den Keller, der Mann bleibt als Wache bei dem Schläfer zurück. Er mißt ihn mit finsteren, feindseligen Blicken, in denen ab und zu der verhaltene Groll über die Entdeckung und die Mordgier wie unheim­liche Lichter in den Katzenaugen aufblitzten, aber immer wieder beherrscht er sich. Es ist offenbar, Nutze's Leben hängt an seinem gesunden Schlafe. Erwacht er in diesem Augenblicke, so fällt die Axt, die sein unheimlicher Wächter ergriffen hat, unbarmherzig zum Todesstreiche aus sein Haupt herab. Aber Nutze ist jung und ist Soldat da schläft man einen gesunden Schlaf und will vor der Zeit schon durch einen gehörigen Puff geweckt sein. So vergeht eine halbe Stunde. Endlich kommt Frau Marie Pierrot zurück. Aber welche Veränderung ist mit ihr vorgegangen? Sie hat die weibliche Kleidung abgelegt und erscheint in der landesüblichen Tracht der Bauern, blauer Blouse, Kniehosen, Wadenstrümpfen und Holzschuhen, die sie jetzt freilich sorgsam in der Hand trägt. Und ihr zierliches Haupt deckt eine jener abscheulichen Zipfelmützen, wie sie in ganz Lothringen für die bäuerische Bevölkerung Mode ist aus der hübschen Frau ein plumper Bauer geworden. Mit sich schleppt sie ein Bündel Kleidungsstücke und andere Sachen, offenbar haben die Beiden sich zur endgültigen Aus­wanderung und Aufgabe ihres bisher so tapfer behaupteten Wohnsitzes entschlossen.

So ist es. Sie steigen in die Grube hinein, einen letzten giftigen Blick auf Nutze werfend, der ahnungslos fortschläft und schnarcht. Wieder umfängt ihn tiefe Dunkelheit und Stille, bis endlich der Morgen durch die kleinen Fenster und Luftlöcher sein blasses, gedämpftes Licht hineinwirft und Nutze's steifgewordene Glieder sich anfangen zu dehnen und zu strecken. Die gewohnte Stunde des Aufstehcns ist für ihn ge­kommen Nutze erwacht, gähnt so recht von Herzensgrund und öffnet die Augen. Ach, da ist ja noch Alles dunkel um ihn, da wird es auch noch Nacht sein, also kann er noch weiter schlafen. Denkt's in seinem Halbwachen Zustande und will sich auf die Seite legen, da kollert er vom Fasse, auf dem er bis dahin mehr gelegen als gesessen hat, herab und rollt in den Sand, nicht ohne daß sein traumschweres Haupt mit den granitnen Bordschwellen der Fässer unsanfte Bekanntschaft gemacht hat. Das freilich er­muntert ihn und mit einem Satze ist der Bursche auf den Beinen. Mein Gott, er ist eingeschlafen auf seinem Posten, die Leuchte ist erloschen. Wo ist sie nur? Wie lange mag er geschlafen haben? Was ist aus Brackebusch geworden? Warum ist er noch nicht zurückgekehrt?

Solche und ähnliche Fragen durchkreuzen das Gehirn Nutze's und machen ihn völlig wach und gedankenklar, er begreift, daß sein Aus­halten hier unnütz und jede Verzögerung des Herbeirufens fremder Hilfe für den Gefährten verderbenbringend sein kann. Also tappt er zur Thüre und pocht, als er sie endlich gefunden, mit der ganzen Kraft seiner Fäuste an dieselbe, während er zugleich seine Hilferufe erschallen läßt.

Stunden vergehen, ehe man ihn hört. Aber endlich ist fein Ausbleiben oben von seinem Kameraden und Kollegen, dem zweiten Burschen des Obersten, bemerkt worden. Anfänglich hat derselbe, an irgend ein Abenteuer oder losen Streich seines ihm als leichtsinnig bekannten Kameraden glaubend, nichls weniger im Sinn gehabt, als die Abwesenheit desselben zu melden, har vielmehr dieselbe zu verdecken gesucht und bereitwillig die Arbeit für Beide gethan. Aber es wird 8, 9 und 10 Uhr Vormittags und die dringenden Fragen des Herrn Obersten nach Nutze lassen sich nicht länger mit Ausreden be­antworten. Mil Stammeln und Stottern kommt der Bursche endlich mit der Wahrheit heraus: