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Kriegschronik 1870/71.

24. August 187«.

Das Königl. Hauptquartier wird von Commercy nach Bar-le-Duc verlegt. In Ligny traf der König mit dem Kronprinzen zusammen. Das Hauptquartier des Kronprinzen verbleibt in Ligny.

In die Stadt Chalons rückten heute von Courti- soils aus die Rheinischen Dragoner ein, von welchen eine halbe Schwadron gegen das Lager von Mour- melon entsendet wurde. Dasselbe war bereits voll­ständig vom Feinde verlassen, welcher vorher die Heu­magazine verbrannt hatte; trotzdem fanden die Dragoner noch ansehnliche Vorräte an Proviant und F-ourage, 1000 Zelte, eine Anzahl schwerer Geschützrohre und zahlreiches anderes Kriegsgerät vor.

An den Kriegsminister, Paris.

Hauptquartier Rsthel, 9^/, Uhr morgens.

Ich fürchte bezüglich der Verproviantierung der Armee durch das Land in den Ardennen auf große Schwierigkeiten zu stoßen, Schwierigkeiten, welche un- übersteiglich sind, wenn wir uns mit Bazaine vereinigen. Ich bitte deshalb, nach Mözitzres beträchtliche Sendungen Zwieback zu schicken, ungefähr 2 Millionen Rationen. Da der große Park Bespannungen aulnehmen kann, so wünsche ich, daß die 2 500 000 Cartouchen und die 25 000 Geschützkugeln, die in Reims liegen, unter Leitung des Generals Metrecs nach Mvzieres dirigirt würden. Da der Feind die Brücken über die Ge­wässer inne haben kann, welche.ich auf meinen Marsch gegen Osten zu passieren haben werde, so brauche ich Pioniere. Wenn sie die nötigen Bespannungen haben, so schicken Sie nach Mözitzres die Reserve-Pioniere, welche in Soissons sind. MacMahon.

An den Kriegsminister.

Rsth el, 6 Uhr 20 Min.

Ich bitte Sie, nicht mehr pensionierte oder der Reserve angehörige Generale in die aktive Armee zu ernennen. Das ist gegen das Gesetz und macht hier den schlechtesten Eindruck, wenn es den Offizieren, welche es verdienen, die Hoffnung auf Avancement raubt. Ich werde Ihnen morgen die Namen der Offiziere Mitteilen, welche ich im Einvernehmen mit dem Mar­schall Mac Mahon ernannt habe, und Sie können die Generale, die wir ihnen zuschicken werden, im Innern verwenden. Napoleon.

An den Kriegsminister.

Den'Offizieren gebricht es an Allem, da sie ihr Gepäck in Bitsch im Stich gelassen haben. Ich muß Mäntel und Hosen unter sie verteilen lassen. Ich denke, daß wir hier 24 Stunden bleiben werden, und bitte den Herrn Minister, Monturen, Kantinen und Küchen­geräte nach Röthel zu schicken. Nur eine meiner Divi­sionen ist durch das Lager von Chalons gekommen und 12 Stunden dort geblieben.

General de Faillh. 27. August 187«.

Die deutsche Maasarmee verlegt Mac Mahon den direkten Weg nach Metz. Reitergefecht bei Bu- sa n cy.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Jgelsloch, 21. Aug. In llnterkoll- bach ist am 19. ds. vermutlich in Folge von Brandstiftung das Sägmühlegebäude des Sägers G. Fr. Roller und Mich. Pfrommer niedergebran at.

Calw, 25. Aug. (Korresp.) Am Tage der Feier des Sedanfestes wird der hies. Veteranen- Verein, welcher am 14. April 187^ gegründet Wurde, eine Trauerseier auf dem Gottesacker zur Erinnerung an die verstorbenen Beteranen begehen Die Gräber derselben werden am 2. September in kameradschaftlicher Dankbarkeit mit Kränzen geschmückt werden. Der Verein wird nach Beendigung des Festgotlesdi'enstes mit um- florter Fahne Vom Marktplatz aus auf den Fried­hof ziehen, wo Herr Dekan Braun die Ge­dächtnisrede halten wird. Mittags findet ein Festessen des Vereins im Gasthof z. Rößle statt, zu welchem Einladungen an die Ehrenmitglieder und Gönner des Vereins, sowie an sämtliche hier ansässigen Veteranen ergehen. Der Beteranen- Verein zählte bei seiner Gründung 170 aktive Mitglieder und 25 Ehrenmitglieder, welche in den Schlachten bei Wörth, Lützelberg, Sedan, Champigny und Villiers mitgekämpft hatten.

Deutsches Weich.

P a d e r b o r n , 24. Aug. Der Kaiser traf um 8 Uhr 20 Min. hier ein und bestieg sofort den Wagen. Er durchfuhr die reichge- schmückle Friedrichstraße über Neuhaus nach der Senne. Beim Eintreffen des Kaisers läuteten alle Glocken. Die Stadt zeigt reichen Flaggcn- schmuck. Die Bevölkerung bereitete dem Kaiser einen begeisterten Empfang. Auf der Senne War eine große Gefechtsübung der dort zur Zeit zusammengezogenen Kavalleriedivision, die mit einer Parade abschloß. Es nahmen Teil die 19. Dragoner, die Königsulanen Nr. 13, die 4. Kürassiere, die 8. Husaren, die 10. Husaren

I und die 12. Husaren; ferner die reitende Ab- ' teilung des 7. Fcldartillerie Regiments und eine Abteilung der 7. Pioniere. Der Kaiser ist 4 Uhr 15 Minuten unter begeisterten Hochrufen der Bevölkerung nach Wilhelmshöhe avgereist

Die tiefe sommerliche Stille auf dem Ge­biete der inneren Politik dauert noch immer fort, kein frisches Lüftchen regt sich in diesen Regionen. Höchstens wäre eine Unterredung zu erwähnen, welche Finanzminister Dr. Mi q ue l und Reichsschatzsekretär Graf Posadowsky anläßlich ihrer Begegnung bei der Berliner Denkmalsfeier vom 18. August mit einander gehabt haben sollen; angeblich ist hierbei das leidige Convertierungsthema erörtert worden. Von der schwebenden Reform der Reichsfinanzen scheinen sich demnach die beiden Exzellenzen nicht unterhalten zu haben. Allerdings verlautet auch jetzt mit einem Male, der betreffende Plan sei einstweilen aufgegeben worden, man wolle den nächsten Reichshaushaltsetat dafür mit größter Sparsamkeit aufstellen.

Die ganz und gar in deutschem Sinne ge­haltenen Auslassungen zweier angesehenen elsäßischen Parlamentarier, der Herren Gucrber und Dr. Petri, gegenüber einem Pariser Zeitungskorrejpondenten in Betreff der Lage in Elsaß-Lothringen, haben überall in Alldeutschland begreiflicherweise Genugthuung erregt. Indessen warnt ein offenbar inspirierter nämlich von Friedrichsruh aus inspirierter Artikel in den Hamb. Nachr." vor einer Ueberschätzung des Eindruckes dieser deutsch-freundlichen Aeußerungen in Frankreich. Der Artikel betont namentlich, daß das Stattfinden oder Unterbleiben eines Revanchckrieges Frankreichs gegen Deutschland nicht von der Stimmung der Elsäßer, sondern von jener der Franzosen, besonders der Pariser R vanch Politiker, abhänge, letztere sei aber noch immer nicht nur auf die Zurückgewinnung Elsaß' Lothringens, sondern auch auf die Eroberung alldeutschen Gebietes gerichtet.

Bei der am 2. September am Nieder­wald-Denkmal stattfindenden patriotischen Feier wird auch die deutsche Marine vertreten sein Das in Wilhelmshaven stationierte Tor- pedoboot8 55" hat nämlich Befehl erhalten, dieser Feier beizuwohnen. Es wird bereits in den nächsten Tagen nach Rüdesheim abgehen.

Berlin, 24. Aug. Wie dieNational- zeitung" von zuverlässiger Seite erfährt, sind im Hinblick auf den Passus eines Briefes des Generals Munier an den PariserFigaro" in welchem es heißt, daß es im Kriege von 1870 Diebsbanden gegeben habe, die vom großen Hauptquartier ihre Instruktion erhielten an zuständiger Stelle Erkundigungen eingezogen worden, ob General Munier noch aktiv oder bereits außer Dienst sei. Sollte letzteres der Fall sein, würde sein Machwerk sich nicht über das Niveau der zahlreichen ähnlichen Erfindungen erheben und kaum eine größere Beachtung ver­dienen. sGeneral Munier erhebt in dem Briefe die schwersten Beschuldigungen gegen deutsche Offiziere, die sich im Kriege Eigentumsvergehen und dergleichen mehr hätten zuschulden kommen lassen. Die Red.j

Berlin, 21. Aug. Das große patriot­ische Fest, welches gestern im zoologischen Garten zum Besten der Ueberschwemmten in Würt­temberg veranstaltet wurde, hatte einen Zu­sammenfluß von wohlthälig Gesinnten veranlaßt, wie es nur bei ganz außergewöhnlichen Gelegen­heiten zu geschehen pflegt. Man sprach von 30 000 Besuchern, und bei dem unsagbaren Menschengewühl war das wohl glaublich. Nicht weniger als 5 Musikkapellen des Gardekorps konzertierten teils einzeln, teils im Zusammen­spiel von 4 Uhr nachmittags ab bis gegen Ein­tritt der Dämmerung in ununterbrochener Reihenfolge. Als dann die Lichter aufzuflammen begannen und der ganze Vorplatz des Restaurants und der Konzertplatz durch Tausende von bunten Lampen und Lichtern feenhaft erleuchtet wurden, trat an Stelle der Militärmusik die Berliner Liedertafel unter Leitung ihres Chormeisters Zander und erntete für ihre Vorträge einen Beifall, der sich wie ein brausender Orkan durch die grünen Laubhallen ergoß. Den Mittelpunkt des Festes aber bildeten lebende und Wandel­

bilder aus der vaterländischen Geschichte, für deren Darstellung auf der dem Konzertplatze gegenüberliegenden Seile des Sees eine eigene Bühne errichtet worden war und bei welchen nicht weniger als 300 Mitwirkende in Thärig. keit traten. Als schließlich die Wacht am Rhein angestimmt wurde, kannte die Begeisterung fast keine Grenzen mehr. Ein großartiges Pracht­feuerwerk schloß darnach mit einem Schlußtableau: das Silberschiff auf der See. Die Erträge der Veranstaltung sollen sehr bedeutende sein. Zahl­reiche Süddeutsche, darunter nicht wenige Würt- temberger, wohnten dem Feste bei. Sie erwiesen sich ganz besonders freigebig beim Einkauf in den Zelten, wo Künstlerinnen der Hoibühnen und den besten Gesellschaftskreisen ihres Amtes walteten. Preise von 100 ^ für eine Blume oder ein Glas Sekt wurden, wie dasN. T." berichtet, nicht selten und freudig bezahlt.

Berlin, 23. Aug. Die Begnadigung des wegen Zweikampfes mit dem Kammerherrn Frhrn. v. Reischach zu drei Monaten Festung verurteilten Ceremonienmeisters v. Kotze erfolgte, nachdem er von der Strafzeit die Hälfte ver- büßt hatte, am 18. d. M., dem Jahrestage der Schlacht bei Mars-la-Tour. Dieser Tag ist vom Kaiser deshalb bestimmt worden, weil Herr v. Kotze, der beim 2. Gardedragonerregiment gestanden hat, zu den wenigen noch lebenden Offizieren gehört, die in dieser Schlacht den berühmten Todesritt der Brigade v. Bredow mitgemacht haben.

Dresden, 22. August. Das Stadtver­ordnetenkollegium ist in seiner heutigen Sitzung der Vorlage des Rats beigetreten, für die Feier des Sedantags 17000 zu bewilligen.

Bremen, 24. Aug. Die Zahl der mit dem Dampfer Fulda des Norddeutschen Lloyd zur Feier des Sedantags hier eintreffenden Veteranen aus Amerika beträgt 164. Dieselben werden hier als Gäste des hiesigen Kriegervereins weilen. An Festlichkeiten sind geplant: Fest­zug durch die Stadt nach dem Kriegerdenkmal, wo die Niedrrlcgung von Lorbeerkränzen mit Inschriften statifindcl; Marsch nach dem Park und Bürgerpark, wo Doppelkonzert, Kommers, Illumination und Feuerwerk stattfinden. Die deutsch-amerikanischen Kriegskameraden werden als Teilnehmer am Feldzug von 1870/71 eine mit Genehmigung des Senats geprägte Erinner­ungsmedaille erhalten.

Würz bürg, 25. Äug. Die dritte Würz­burger Mainbrücke wurde heute Mittag durch den Bischof Dr. v. Stein und durch den Reg.- Präs. Grafen Luxdurg eingewciht, welch' letzterer bei dem Taufakte den Prinzen Ludwig vertrat. Die Brücke ist 175 Meter lang und kostete 890 000 o-L Nachmittags folgten Volksbelustig­ungen und abends Feuerwerk.

Augsburg, 24. Aug. Für die Sedan­feier hier gingen annähernd 30000 vlL zu Ehren­gaben für die Veteranen und zu einer groß­artigen Gestaltung des Festes ein.

Mit Genugthuung wird in den weitesten Kreisen die Nachricht ausgenommen werden, daß die Regierung nunmehr einer Revision des Knebel­gesetzes näher zu treten sich.geneigt zeige. Wie verlautet, wird nämlich demnächst eine vom Reichs­kanzler zu berufende Jmmediat-Kommission zu­sammentreten, um die Frage zu prüfen, in welchen Punkten eine Vereinfachung der Kranken-Unfall- und Invaliditäts-Versicherung eintreten könne. In vorderster Linie steht der Wunsch, verschiedene Doppel-Einrichtungen zu beseitigen, wie die doppelten Schiedsgerichte, außerdem aber das Rentenwesen bei der Invaliden-Versicherung zu vereinfachen. Ob es möglich sein wird, ebenso wie bei der Invaliden- resp. Alters- und bei der Krankenversicherung wesentliche Vereinfach­ungen herbeizuführen, wird in zuständigen Kreisen einstweilen stark bezweifelt.

Aachen, 24. Aug. In der Lehrlings­pflegeanstalt der Franziskanerbrüder erstach gestern Abend ein Pflegling einen anderen, mit dem er beim Kartoffelschälen in Streit geraten.

In Frankfurt a. M. ließ sich der 33jähr. Gerichtsassessor Walter Augustin aus Berlin am Montag trauen und erschoß sich einige stunden darauf, nachdem er sich unter einem Vorwand von der Hochzeitstafel entfernt hatte