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Nutze fehlt, sein Bett ist unberührt, er muß schon die ganze Nacht fortgewesen sein.

Der Oberst stutzt. Wären sie im Frieden und in der Garnison, ei nun. so wäre ihm die Sache, wenn auch gewiß nicht angenehm, doch auch nicht weiter auffällig gewesen. So aber, hier in Feindesland, wo alle Lockmittel zur Un­solidität und zum nächtlichen Ausbleiben aus

dem Quartier mangelten,-oder sollte der

Kerl sich gestern Abend in seiner Sedanfreude einen Rausch geholt haben, den er nun irgend­wo ausschlief? Ja. das wrrd's sein, aber das heilige Kreuzbomben - Element und Himmel- Donnerwetter soll dem Hallunken auf den Brumm- schädel fahren. «Ruft den Regimentsschreibxr, den Sergeanten Brackebusch, herein, was für Befehle eingelaufen sind."

Eine Weile dauert es, dann erscheint, »er- stört und verdutzt, statt des Gewünschten auf der Schwelle der Adjutant.

Verzeihen, Herr Oberst, aber der Regiments­schreiber Brackebusch ist weder auf dem Bureau, noch an seiner Schlafstelle, noch sonst irgendwo zu finden."

Himmel und Hölle! Der auch . . .? Na wartet. Ihr leichtfertigen Burschen, Euch soll"

Und ein dritter Unglücksbote, in der Ge­stalt des unten wachhabenden Unteroffiziers er­scheint.

Was willst Du, Fernando, so trübe und bleich?

Du bringst uns traurige Kunde? murmelt der zitatengewaffnete Adjutant, indem er dem Ankömmling in die nicht gerade von hoher Intelligenz, jetzt desto mehr von Ueber- raschung zeugenden Gesichtszüge schaut.

Melde, daß seit heute Morgen der Wirt Pierrot und seine Frau vermißt werden und trotz eifrigen Suchens nirgends im Hause zu finden sind."

Herr Gott von Mannheim! Die auch! Nun hört aber Alles auf. Knitschky die Stiefel."

Und der Herr Oberst fuhr hastig in die Stiefel, stülpte den Helm auf, gürtete das Schlacht­schwert um und ging selbst, die Gründe dieser allgemeinen Desertation aufzuspürea. *

Als der Sergeant Brackebusch den unter- irdischen Gang betreten hatte, sah er sich neu­gierig in demselben um. Viel war da freilich nicht zu sehen ein ziemlich mannshohes Ge­wölbe, in dem nicht zwei Menschen nebenein­ander gehen konnten, rauhe, in den felsigen Untergrund gehauene Wände und unten der Boden bedeckt mit einer schleimigen, schlammigen Masse, aus der zu schließen war, daß dieser Gang ehemals voll Wasser gestanden hatte, das war Alles. Aber bald änderte sich die Sach- läge. Der Gang mündete in ein breites Ge­wölbe aus, das, sorgfältig mit Steinquadern ausgelegt, so hoch erschien, daß die Lampe in Brackebusch's Hand ihren Schimmer nicht bis an die Decke warf. Der Sergeant konnte nicht einen Augenblick im Zweifel sein, daß er sich im Hauptkanal der Wasserleitung von Gorze- Metz befand. Rechts und links von ihm dehnte sich unheimliche Finsternis welchen Weg sollte er betreten, oder sollte er überhaupt weitergehen? War Umkehr nicht das Geratenste, um Hilfe zu holen und diese unterirdische Kommunikation militärisch zu besetzen?

Nein, Hans Brackebusch hatte einmal das Abenteuer unternommen, es reizte nun ihn auch, es auf eigene Faust zu Ende zu bringen und namentlich zu erfahren, ob er von jener Frau wirklich betrogen sei und seine Liebe an eine Spionin fortgeworfen habe.

(Fortsetzung folgt.)

(Hat ein Reisender das Recht, in jedem beliebigen Gasthofe Aufnahme und Beköstigung zu verlangen?) Das Reichsgericht hat in dieser Hinsicht folgende Entscheidung getroffen:Daß derjenige, welcher als Gast ein öffentliches Schank- oder Wirtslokal befugterweise betritt, damit zugleich ein Recht erwirbt, darin nach eigener Willkür zu verweilen, ist eine durchaus unrichtige und haltlose Behauptung. Immer hängt es vom Willen des berechtigten Inhabers

der fraglichen Lokalitäten ab, dem Gast Auf­nahme zu gewähren oder zu verweigern, die Aufnahme für eine gewisse Zeit oder auf gewisse Zwecke zu beschränken. So lange der Wirt nicht ausdrücklich oder durch zustimmende Hand­lungen (wie Bedienung u. s. w.) sich gebunden hat, dem Gaste sei es ein Unterkommen sei es Beköstigung zu gewähren, verweilt der letztere ohneBefugnis", und ist rechtlich verpflichtet, sich auf Aufforderung zu entfernen. Auch wo beispielsweise der Wirt durch Verabfolgung von Speisen und Trank zum Verzehren in seinem Lokale einem dritten die Befugnis nicht länger, als nach billigem Ermessen und vernünftiger Auslegung des beiderseitigen Vertragswillens zur Erfüllung des vereinbarten Zwecks erforder­lich ist. (D. h. bis Speise oder Getränk ver­zehrt ist.) Sobald dieser Zweck erfüllt ist, tritt der Inhaber einer derartigen Lokalität auch wieder in die freie Verfügungsgewalt zurück und es steht ihm frei, das längere Verweilen zu untersagen. Ebenso kann ungebührliches Be­tragen des Gastes als ein begründeter Anlaß gelten, denselben schon früher aus dem Lokale auszuweisen. Leistet nun der Gast der begrün­deten Weisung des Wirts, sich zu entfernen, keine Folge, so macht er sich wegen Hausfriedens­bruchs strafbar. Der in einem Gasthause aufgenommene Reisende darf sich den event. bestehenden, auf die polizeiliche Kontrollierung des Fremdenverkehrs abzielenden Verpflichtungen nicht entziehen.

Das Bessere ist des Guten Feind", kann man mit Fug und Recht sagen, wenn man den neuen von Karl Anselm jun. in Salmünster- Soden erfundenen Stolzenberger Brief-Sammler in die Hand nimmt und einer Prüfung unter­zieht. Alle bisher bekannten Briefablege-Systeme sind mehr oder weniger kostspielige Heftmaschinen, die zum Teil mit recht komplizierten, raumver­sperrenden Einrichtungen verbunden sind. Durch vorliegenden Briefsammler, so sagt das Patent- und technische Bureau von Richard Luders in Görlitz, ist es jetzt gelungen, ein ganz über­raschend einfaches Briefablege-System zu schaffen, das, was Einfachheit, praktischen Wert und Billigkeit anbetrifft, von keinem anderen System auch nur annähernd erreicht wird. Dieser Brief­sammler ist eine ganz einfache, flach liegende Mappe (ähnlich wie ein Aktendeckel) mit einer Heftvorrichtung, die nur in einem, innerhalb am False des Deckels solide befestigten, biegsamen Metallstreifen besteht, dessen Enden senkrecht aufgebogen sind und auf welche die, vermittels eines Lochapparates gelochten Schriftstücke auf- geschobcn werden. Alsdann wird die schmale Deckleiste aus Karton oder Metall darübergelegt, der Metallstreifen umgebogen und jedes Schrift­stück ist solide befestigt. Ebenso rasch und mühelos erfolgt auch das Herausnehmen eines Schriftstückes an beliebiger Stelle. Das System selbst beruht auf dem Prinzip, ähnlich, wie es bis jetzt bei Behörden gebräuchlich, für jede Person oder Sache einen besonderen Akt zu errichten, damit sich die gesamte Korrespondenz einer Firma chronologisch geordnet in einem solchen Bricfsammler wieder vorfindet. Dieses einzig richtige Prinzip konnte bis jetzt in der kaufmännischen Registratur deshalb nicht ange­wendet werden, weil es an einer praktischen Heftvorrichtung mangelte und das Heften mit Nadel und Zwirn zu mühvoll, umständlich und -auch zu kostfpielig war. Nachdem nun die Firma Karl Anselm jun. in ihrem Stolzenberger Briefsammler die Aufgabe einer solch praktischen, einfachen Heftvorcichtung glänzend gelöst hat und ein solcher Sammler durchschnittlich nicht einmal das Porto eines Briefes kostet, wird das oben angeführte Prinzip zweifellos auch im kaufmännischen Registraturwefen Eingang finden und die Erfindung von jedem Ordnungsliebenden begrüßt werden.

Berlin, 12 . Juli. Ueber die Folgen eines Traumes erzählt derLokalanzeiger": Ein Hausbesitzer in der Wienerstraße besitzt eine Tochter, die mit einem Kaufmann verlobt ist. Nun hatte das Dienstmädchen dieses Hausbe­

sitzers geträumt, daß es von dem künftigen Schwiegersohn ihrer Dienstherrschaft einen Herz, basten Kuß bekommen habe, und erzählte ihren Traum im Hause. So kam die Geschichte auch zur Kenntnis der künftigen Schwiegermutter, und die war über den erträumten Kuß so erbost, daß sie das Mädchen auf der Stelle entließ. Ob der Entlassungsgrund auch gesetzlich strich, haltig ist, erscheint fraglich.

Schwer mußte ein Schmied, Namens Wiendl von Windmais (Bayern) seinen Uebermut büßen; nachdem nämlich derselbe in einer Wirtschaft ein Schnapsgläschen vollständig zerbissen und ver­schluckt hatte, (Unsinn!) stellten sich in kurzer Zeit Beschwerden bei ihm ein und nach 2 Tagen war er eine Leiche.

(Ein mutiges Mädchen.)Glauben Sie, Fanny, daß Ihre Schwester etwas auf mich hält?"Gewiß, sie verteidigte Sie ja wacker bei Tische." Verteidigte mich? . . . Hatte Jemand etwas über mich geäußert?"O. nichts besonderes, jemand meinte. Sie kämen ihm etwas dumm vor; meine Schwester erklärte ihm aber sofort, er solle doch vorsichtiger sein und die Leute nicht nach ihrer äußeren Erscheinung beurteilen."

(Nutzanwendung.) Der Haupkmann B. hatte einige gute Freunde bei sich versammelt, die mit ihm Kaffee tranken.Johann!" rief er seinem Burschen zu.Befehlen, Herr Hauptmann!"Was hast Du mit dem Kaffee gemacht, er ist wieder jo trübe, die Herren können ihn kaum hinunter bringen."Be­fehlen, Herr Hauptmann, der Kaffeesack hat schon seit drei Wochen ein Loch und habe ich deshalb dem Herrn Hauptmann seine gnädige Nachtmütze zum Durchgießen genommen."

(Schwere Arbeit.) Erstes Dienstmädchen (zu einem anderen, das bei einem Dichter in Stellung ist):Was thut denn Dein Herr so den ganzen Tag über?" Zweites Dienst­mädchen:Er sitzt auf dem Sopha und wartet auf eine Idee."

Grasflecke aus Weißzeug zu entfernen. Dies geschieht durch eine schwache Auflösung von Zinnsalz. Die Flecken verschwinden rasch, aber die Wäsche muß sogleich mit viel Wasser ausgespült werden.

Telegramme.

Wilh e lmshö h e, 26. Aug. Das Kaiser­paar ist heute früh 5'/s Uhr nach Mainz ab­gereist.

Berlin. 26. Aug. Die gerichtliche Klage des Zeremonienmeisters v. Kotze wider seinen Amtsgenossen Frhrn. v. Schräder ist nun­mehr eingebracht worden.

München, 26. Aug. Der Katholikentag wurde gestern mit dem Empfangsabend in der Festhalle eröffnet. Graf Freising brachte das Hoch auf den Papst Leo, Domkapitular Stig- loher auf den Prinzregenten, Rechtsanwalt Rump aus München auf den Kaiser aus, und der 2. Bürgermeister brachte den Willkommengruß der Stadl München dar. Zahlreiche weitere Redner sprachen.

Klingenberg, 26. August. Gestern wurde einem hiesigen Weingärtner seine beiden Kühe vergiftet, dieselben mußten vergraben werden. Der Schaden ist beträchtlich. Von den Thätern fehlt jede Spur.

Stuttgart, 26. Aug. Die im Rob. Lutz'schen Verlag schon vor einem Monat er­schienene Bcochüre, betreffend die Entlarvung des Schultheißen Schlör von Beutelsbach, ist heute rm Auftrag des Untersuchungsrichters am K. Landgericht beschlagnahmt worden.

London, 26. Aug. Die Times melden aus Shangai: Die Untersuchung in Kutscheng schreitet langsam fort unter Mitwirkung der Mitglieder einer Kommission vom ausländischen Konsuln.

London, 26. Aug. Ein Aufstand der Mohamedaner ist in der Provinz Kantsu aus­gebrochen und nimmt Dimensionen an.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.