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Platz die dicht dedrängte Menschenmenge fassen. — Was aber immer wieder, namentlich bei derartigen Anlässen, bedauert werden muß, das ist der allzufrühe Abgang des letzten Zugs thal- abwärts. Dieser Zug verläßt bekanntlich schon um 8 Uhr unsere Stadt und dies wirkt auf den Besuch unseres Badeorts in der Saison ungünstig. Selbst der Sonntags eingelegte Zug um 9.05 ab hier, ist für die Hochsommerzeil noch zu früh als letzte Fahrgelegenheit nach Calmbach. Höfen- Neuenbürg-Pforzheim. Wie Manche in diesen Enzthalorten würden nachmittags gerne Anlaß nehmen, unser Bad zu besuchen, wenn sie nicht schon um 8 Uhr. von wo an man sich nach heißen Tagen noch erholen könnte, wieder von dannen ziehen müßten. Man darf wohl hoffen, daß es gelingt, noch einen besonderen Zug um etwa 10 Uhr zu erhalten. Unter allen Umständen ist die gegenwärtige letzte Fahrgelegenheit für den Lokalverkehr auf der Enzbahn verfehlt. — Die gegenwärtige Witterung wirkt auf die anhaltende Frequenz unseres Bade- orts außerordentlich günstig.
Deutsches Aeich.
Hamburg, 23 Aug. Graf Herbert Bismarck läßt in den Hamburger Nachrichten dementieren, daß er bei der Feier der Grundstein- legung des Kaiser Wilhelm-Denkmals dem Minister Bötticher die Hand gereicht habe.
Münster i. W., 17. Aug. Bor einiger Zeit hat hier Fräulein Hedwig v. Goetze, Tochter des kommandierenden Generals des 7. Armeekorps, mit eigener Lebensgefahr ein Dienstmädchen vom Tode des Ertrinkens gerettet. Der jungen Dame ist hiefür die Rettungsmedaille am Bande verliehen worden.
Ars a. M.. 21. Aug. Unter den wahrhaft erhebenden Episoden aus den Metzer Gedächtnistagen dürfte eine besondere Erwähnung verdienen. Anfangs August des Jahres 1870 näherte sich unserem noch von keiner französischen oder deutschen Truppe besetzten Orte Ars a. M. eine aus 3 Mann bestehende Patrouille vom 6. preußischen Ulanenregimcnt, welche mit Gc- wehrfeuer empfangen, einen Mann tot, den zweiten schwer verwundet am Platze liegen lassen mußte, während der führende Sergeant entkam. Man schrieb diesen Vorgang, welcher dem Orte verhängnisvoll werden konnte, wohl mit Recht den umherstreifenden Franctireurbanden zu. Den schwer verwundeten Reitersmann brachten barmherzige Einwohner in das als Lazareth vorbereitete Schulhaus, wo er sich von nun an der allersorgfältiqsten und möglichsten Pflege, nament- lich des katholischen Geistlichen Debugy zu erfreuen hatte, welche zu seiner Rettung und allmählichen Wiederherstellung führte. Beim Abschied übergab genannter Geistlicher seinem dankerfüllten Pflegling einen Zettel, welcher die Worte enthielt: „Denken Sie oft und gern an den Priester Debugy. Gott schütze Sie!" Nach 25 langen Jahren, zur Zeit, wo die alten Krieger aus allen deutschen Gauen herbeieilen, die blutige Wahlstatt nochmals zu besuchen, erscheint auch bei dem 83jährigen Priester Debugy in Ars eine stattliche Männergestalt, stellt sich als der Lederfabrikant Renneberg aus Mühl- Hausen in Thüringen vor und übergiebt den vor 25 Jahren empfangenen Zettel mit der Frage: „Herr Pfarrer, erkennen Sie Ihre Handschrift noch? Ich habe dieselbe während der langen Zeit stets in der Uhrkapsel getragen und wie ein heiliges Vermächtnis bewahrt". Der würdige Greis erkennt seinen ehemaligen Schützling und heiße Thränen rollen über beider Wangen. Es folgt eine Szene, die sich nicht beschreiben läßt, wohl aber bald genug in Ars und Umgegend bekannt und mit tiefer Rührung in allen Familien besprochen wurde.
Metz, 20. Aug. Eines ungemein zahlreichen Besuchs durch die Schlachtfelvbesucher hatte sich in den letzten Tagen das am Ausgang des Dorfes Rezonvtlle gelegene bescheidene Haus zu erfreuen, worin Kaiser Wilhelm I. die Nacht nach der Schlacht von Gravelotte zugebracht hat. Das Zimmer, das der Kaiser im Jahre 1879 noch einmal besuchte, befindet sich noch im gleichen Zustand, wie vor 25 Jahren. An der Außenseite des Hauses hat der Kriegerverein >
Metz eine Gedenktafel mit entsprechender Inschrift anbringen lassen. Unweit davon liegt das „Hotel Bismarck", eine mehr als bescheidene Herberge, in der Bismarck mit dem amerikanischen General Sheridan, nachdem sie in dem mit Verwundeten vollgepfropften Dorfe lange vergebens nach einem Quartier gesucht hatten, ein Unterkommen fand. Das Haus wird aus diesem Grunde viel von Fremden besucht und ist dadurch zu einer wahren Goldgrube für den Besitzer geworden.
Württemberg.
Dem Beispiel der größeren Städte Württembergs folgen nunmehr auch äußerst zahlreiche Landgemeinden, indem sie den Veteranen des 1870er Krieges für den 2. September Feste veranstalten und ihnen Ehrengeschenke überreichen lassen. Es ist gar keine Frage, daß Gedächtnisfeiern an die großen Thaten unserer deutschen Helden den Patriotismus in unserer Jugend wachrufen und in der älteren Generation erneuern; aber zwischen Patriotismus und Chauvinismus ist denn doch ein himmelweiter Unterschied. Wir freuen uns über die Erfolge unserer Armee, aber nicht um den damals besiegten Gegner zu verachten oder zu verletzen, oder gar um Stimmung für einen neuen Krieg zu machen. Es giebt bei uns sonderbare Schwärmer, welche uns sogar die allerbescheidenste Gedächtnisfeier entleiben möchten, unter dem Hinweis darauf, daß wir dadurch die Franzosen kränken und reizen. Man denke sich aber nur den umgekehrten Fall, daß die Franzosen 1870 Sieger geblieben wären! In Frankreich würden jetzt die Jubiläen in einer Weise gefeiert, daß kein Deutscher sich blicken lassen dürste, ohne persönlichen Insulten ausgesetzt zu sein. Noch heute steht in Paris der steinerne Triumphbogen, der an die französischen Siege über Preußen, Oesterreich und Rußland jeden Passanten erinnert. Die Pariser Jenabrücke steht auch noch und kein Deutscher verargt dies den Franzosen. Nun sollen wir umgekehrt aus lauter Bescheidenheit oder gar aus Furcht vor den Franzosen das Gedächtnis an unsere 1870er Erfolge einfach einschlafen lassen. Hier dürfte das Göthe'sche Wort gelten: „Nur die Lumpe sind bescheiden" und mit einer zur Schau getragenen Furcht vor den Franzosen wäre uns erst recht nicht gedient, weil in gleichem Maße nur der französische Hochmut wieder wachsen würde. Gerade bei solchen Erinnerungsfeiern an gemeinsam vollbrachten Thaten sollte man auch gemeinsam sich freuen und den Parteihader wenigstens eine zeitlang vergessen.
' Ulm, 22. August. Bezüglich der Sedanfeier beschlossen die bürgerlichen Kollegien, dieselbe am Montag den 2. September abzuhalten und die Bürgerschaft aufzufordern, den Tag als allgemeinen Festtag mit Schließung der Geschäfte zu begehen. Morgens 7 Uhr wird von allen Kirchenglocken Geläute erschallen; um 9 Uhr findet Festgottesdienst in den Kirchen, um 10 Uhr Umzug der Schuljugend und der Vereine durch die Stadt, um 12 Uhr eine Speisung der Veteranen in der Markthalle statt, wozu die Kollegien 1400 v-L ausgesetzt haben. Nachmittags ist Festzug in die Friedrichsau, daselbst Festrede durch Stadtrat Schefold, Jugendspiele auf der Gänswiese, Gesangsvorträge sämtlicher Gesangvereine und allgemeines Volksfest. — In Göppingen stellte Gemeinderat Erhardt (Landtagsabgeordneter) den Antrag, der dortigen Kampfgenossenschaft einen Beitrag von 500 »fL aus der Stadtkasse mit der Bedingung zu überweisen, daß dieses Geld unter bedürftige Invaliden derselben verteilt werden sollen, sowie daß die Stadt einen Festplatz stellt und die Kosten desselben übernimmt. Dieser Antrag wurde angenommen.
Stuttgart, 23. Aug. Der Leichnam des gestern früh Hingerichteten Raubmörders Vöfter wurde heute früh 5 Uhr in aller Stille auf dem Pragfriedhof beerdigt. Die Trauerversammlung bildete das Friedhofpersonal und 1 Schutzmann. Am Grabe wurde ein Vaterunser gebetet.
Eine der teuersten Geigen befindet sich jetzt in Stuttgart. Der dasige Fabrikant Z., ein großer Musikfreund und selbst Virtuose auf
j der Violine, hat kürzlich eine echte Stradivarius ' um den Preis von 120 000 ^ gekauft.
Alten steig, 16. Aug. Mehrere Blätter brachten dieser Tage eine kurze Notiz über die Anwesenheit von drei Tongonegern in hiesiger Stadt. Ein Korrespondent ist in der Lage, Näheres über dieselben zu berichten. Die jungen Schwarzen sind Deutsch-Afrikaner im Alter von 26, 21 und 17 Jahren. Ersterer ist seit drei, die andern seit zwei, der dritte seit einem Jahre in Deutschland. Sie werden bei Hrn. Pfarrer Binder in Westheim bei Hall, der früher Missionar im Tongogebiet war, ausgebildet, um später in ihrer Heimat als Lehrer thätig zu sein. Sieben bis acht solcher junger Deutschafrikaner kommen - alljährlich in die Anstalt des Hrn. Pfarrers Binder, um dort ihre Ausbildung zum Lehrerberuf zu erhalten. Äußeren ihrer Muttersprache, dem Deutschen und Englischen werden die jungen Neger mit allen Unterrichtsgegenständen, die in unseren Schullehrerseminaren zur Behandlung kommen, bekannt gemacht. Daneben erhalten sie auch Anleiltung in der Schreinerei und im Bauhandwerk. Von den drei Negern, die auf einen Monat zu Hrn. Lehrer Brendle hieher kamen, um in deutscher Sprache und Musik ihre Kenntnisse zu erweitern, ist der ältere in voriger Woche nach Bremen abgereist, um dort drei weitere seiner Landsleute abzuholen, die ebenfalls den Lehrkurs bei Hrn. Pfarrer Binder in Westheim, der in der Regel diei Jahre währt, mitmachen werden. Die hier anwesenden Neger machen auf jedermann einen sehr günstigen Eindruck, sind sehr höflich, äußerst bescheiden und sprechen geläufig Deutsch, sind auch musikalisch gut veranlagt, besonders der jüngere, der Choräle, Volkslieder u.s.w. ganz hübsch und frei aus dem Gedächtnis auf dem Klavier vorträgt.
Ausland.
* Die Franzosen befinden sich in arger patriotischer Beklemmung nicht wegen der deutschen Erinnerungsfeiern sondern wegen des Umstandes, daß bei dem letzten Manöver der sranzös. Flotte eine sehr große Anzahl neuer Schiffe sich als seeuntüchtig herausgestellt haben. Letzteres ist die Folge des Bestrebens der französ. Schiffsingenieure, eine möglichst große Schnelligkeit der Schiffe zu erzielen, dieselben möglichst schlank zu bauen u. s. w. Diese neuen Schiffe können aber nicht einmal den hohen Wellenschlag zur See geschweige richtige Stürme aushalten und nun müssen die Franzosen für einige 100 Millionen neue Schiffe bauen. Auf dem Artillerieschießplätze in Bourges haben Schießversuche mit Melinit großartige Resultate ergeben. Zwei kleine Forts, die zu diesem Zweck aufgeführt worden waren, wurden durch wenige Schüsse zusammengeschossen. Diese Erfolge trösten die Franzosen wieder einigermaßen über das Mißgeschick ihrer Flotte und erzeigt aber auch andererseits wie unangebracht deutsche Spöttereien über die Melinitbomben seiner Zeit schon gewesen sind. Im übrigen dürfen wir Deutsche uns versichert halten, daß unsere Artillerie der französischen mindestens noch gewachsen ist, wenn auch nicht an der Zahl von Kanonen.
Paris, 22. Aug. Der Dampfer „Lyon", der vorgestern bei Newhaven mit dem englischen Dampfer „Seaford" zusammenstieß und den letzteren zum Sinken brachte, gehört der West- bahnkompagnie; der „Seaford" war Eigentum der London-Brigton-Bahn und chatte 2 Mill. gekostet.
Der sozialistische Maire von Montluyon hatte eine amtliche Fleischtaxe dekretiert und überdies angeordnet, baß die Fleischhauer die Preise an jedem Stück Fleisch in ersichtlicher Weise anzubringen hätten. Da 30 Fleischhauer die Verordnung nicht beachteten wurden sie vom Maire vor den Friedensrichter belangt, der sie jedoch freisprach und das Vorgehen des Maires als ungesetzlich bezeichnte.
Aus Bulgarien lauten die Nachrichten über die bevorstehende Ucberführung des jungen Prinzen Boris zur chriechisch-orlhodoxen Kirche immer bestimmter. Prinz Ferdinand soll um diesen Preis nun doch seitens Rußlands die Anerkennung als Fürst von Bulgarien erhalten und da Oesterreich-Ungarn nichts dagegen hat, könnte