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die bulgarische Frage möglicher Weise doch auf feindlichem Wege gelöst werden, vorausgesetzt natürlich, daß Rußland nicht wieder in die inneren Berwaltungsangelegenheiten Bulgariens dreinsprechen will.

Aus Italien, 21. Aug. Ein Fehl­betrag von 10000 Lire wurde in der Kasse der päpstlichen Palastgarde entdeckt. Offiziere der Garde scheinen diese Summe zu Vorschüssen verbraucht zu haben. Das dem König von Italien gehörige Landgut Tombolo bei Pisa steht in Flammen. Die Ursache wird Unvor­sichtigkeit von Jägern zugeschrieben. Die Sparkasse von Messina, ein großes, für bühend gehaltenes Institut, hat Bankbruch er- . litten. Die beklagenswerte Bevölkerung ist voll­ständig verblüfft, denn durch diesen Bankbruch werden zahllose Leute ihrer sauren Ersparnisse beraubt.

Wie einige Blätter wissen wollen, sind die Japaner gar nicht geneigt, ihre Truppen aus Karca zurückzuziehen und sollen lieber einen neuen Krieg führen wollen, ehe sie diese Bestim- ung des abgeänderten Friedensvertrags von Simonosecki ausführen.

Zlrtteryattender Teil.

Die Spionin.

Erzählung aus dem Kriege 1870/71 von I. St sind eck

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Der Keller zeigte sich über Erwarten ge­räumig. er ging noch unter einen Teil des Gartens hinweg und enthielt wohl ein Dutzend großer Stückfässer, die auf granitenen Bord­schwellen lagerten. Auf seine Frage, ob die­selben alle gefüllt seien, erhielt Brackebusch die mürrische Antwort!O nein, höchstens zwei oder drei." Pierrot hatte dann, nachdem das ver­langte Quantum dem einen Faß entnommen war, zum Verlassen des Kellers gedrängt, aber plötzlich, als sie schon in der Nähe der Thür waren, war Brackebusch auf dem feucht schlüpf, rigen Fußboden ausgeglitten, und hatte im Fallen dem Alten die brennende Laterne aus der Hand gerissen, daß die Flamme in ihr erlosch und tiefe Dunkelheit die drei einhüllte. Die Flüche des Burschen und die ängstlichen Hilferufe des Bauern übertönte Hans Brackcbusch mit der Aufforderung an den Ersteren, nach oben zu eilen und Licht zu holen; die Zwischenzeit aber hatte er benutzt, von den beiden Thürschlössern, denn den Keller schloß eine Doppelthür, genaue Wachsabdrücke zu nehmen. Dabei kam es ihm zu statten, daß er gelernter Schlosser war. Als Licht kam, war das Werk vollendet, ohne daß der argwöhnisch blickende Franzose etwas ge- merkt hätte. Zwei Tage darauf befand sich Sergeant Brackebusch mit Hilfe des Feldschmiedes, eines alten Bekannlen, im Besitz zweier funkel­nagelneuer Schlüssel, die an den Kellerthüren Pierrot's zu probiren er vor Begierde brannte. Auch eine kleine Blendlaterne und einen Re­volver nebst Munition hatte er sich zu ver­schaffen gewußt.

Der Anfang September war herangekom­men und hatte die Freudenachricht von dem über Napoleon bei Sedan hereingebrochenen Verhäng­nis gebracht. Pierrot und Frau hatten sich grollend in ihr Zimmer zurückgezogen, als die freudigen Hurrah's unserer Soldaten gar kein Ende nehmen wollten undDie Wacht am Rhein" oderWas krauchi da in dem Busch herum" gar so laut und schmerzhaft in den Ohren klangen. Den Abend dieses Tages hatte Brackebusch zur Ausführung seines Wagnisses bestimmt. Zuvor aber hatte er den Burschen des Obersten, einen gewitzten Menschen mit in's Geheimnis gezogen, denn einen Mithelfer und auch einen Mitwisser mußte er auf alle Fälle haben, und Nutze war ein Kerl, auf den man sich verlassen konnte und der sich vor dem Teufel selber nicht fürchtete.

So schlichen denn die beiden Abends um 10 Uhr, als Alles im Hause schon im tiefsten Schlafe lag und nur das taktmäßige Auf- und Abschreiten der Schildwache um das Haus sich hören ließ, lautlos die Kellertreppe hinab und bei dem Schimmer der Blendlaterne probierten

sie die Schlüssel. Sie paßten famos, bald thaten beide Thüren sich auf und die beiden Soldaten verschwanden in der gespenstisch ihnen entgegen­gähnenden Dunkelheit. Im Keller waren sie, und nun begann das Suchen, das bei dem un­gewissen Scheine des kleinen Lämpchens mehr auf Tasten und Befühlen, als auf Sehen und Beobachten hinauslief. Aber vergeblich leuchteten sie den Boden ab, vergeblich rüttelten sie an den Fässern und klopften an die Wände, nirgends wollte sich eine Spur einer Thüre oder Oeffnung zeigen. Schon hatten sie eine Stunde wohl vergeblich sich abgemüht und begannen bereits an einem Erfolge zu verzweifeln und an den Rückzug zu denken, da stieß Nutze einen halb- unterdrückten Freudenschrei aus:

Herr Sergeant ich hab's!"

Mit einem Satze war Brackebusch an der Seite des Burschen, der in einer Ecke des Kellers das dort aufgestapelte Winterhandwerkszeug, wie Spaten, Hacke, Tragkörbe, Pfähle, hastig bei Seite räumte.Hier drunten klingt's hohl, und sehen sie, da ist eine Fallthüre."

Wirklich zeigte sich eine aus schweren Eichen­bohlen hergestellte Thüre auf dem Erdboden, und beide griffen eifrig zu, dieselbe zu heben. Das gelang leicht: eine Oeffnung, wie ein Keller­loch von mäßigen Umfange, so daß ein Mann leicht einsteigen konnte, gähnte den Beiden ent­gegen.

Brackebusch leuchtete hinein.Es führte eine Treppe hinunter. Nutze, Sie halten hier Wache bis ich wiederkomme." Schon war Bracke­busch mit halbem Leibe in der Oeffnung ver­schwunden.

Herr Sergeant, soll ich nicht mit Ihnen kommen?"

Nein, Nutze, Sie müssen mir den Rückzug decken, sonst sitzen wir Beide wie der Fuchs in der Falle.

Damit verschwand der Sergeant völlig in der Oeffnung. Nutze blieb allein und in ge­spannter Erwartung auf seinem Posten.

Stunde auf Stunde verrann mit krampf­haft offen gehaltenen Augen schaute Nutze in die gähnende Dunkelheit des Kellerlochs, die den Sergeanten verschlungen hatte. Nichts rührte und regte sich. Todenstille herrschte um den Burschen, der endlich, von der Müdigkeit be­zwungen, den Kopf auf die Seite neigte und zu nicken begann. Bald bewiesen die regelmäßigen, tiefen Atemzüge des Burschen, dann auch ein kräftiges Schnarchen, daß Nutze trotz seiner red­lichen Bemühungen dem stärkeren Gegner, der Müdigkeit, erlegen und fest eingeschlafen war.

Und Stunde auf Stunde verrann, die Leuchte, die Nutze vorsorglich auf den Boden gesetzt, er- losch, tiefe Dunkelheit herrschte in dem Keller, Nutze schlief den Schlaf des Gerechten.

Da horch! Da kommen leise Schritte die Kellertreppe heran, ein Schlüssel knirscht im Schlosse, die Thüre öffnet sich und von dem Lichte einer Blendlaterne beschienen, erscheinen Pierrot und sein Weib Marie im Rahmen der Thür. Sorglos und ohne Ahnung des Borge­fallenen steigen sie in den Keller hinab, aber Nutze's Schnarchtöne schlagen vernehmlich an ihr Ohr. Das französische Ehepaar stutzt, maßloses Erstaunen malt sich auf ihren Gesichtern, dann machen sie eine unwillkürliche Bewegung, als wollten sie fliehen und den Keller verlassen. Bald aber kommt ihnen die Besinnung wieder, sie lauschen abermals! Offenbar schläft der Schnarcher vor ihnen tief und fest. Nun schleichen sie lautlos näher und näher da! das Licht der Laterne fällt hell auf den Preußen, der, halb von dem Fasse herabgesunken, auf welches er sich gesetzt, sein müdes Haupt in die Hand gestützt, unbeweglich darliegt.

(Fortsetzung folgt.)

Verbesserung im Telegraphenwesen. Die schwedische Telegraphenverwaltung hat, wie die Elektrot. Zeitschr. mitteilt, kürzlich eine nach­ahmenswerte Neuerung eingesührt, die darin be­steht, daß die Fernsprechteilnehmer ihre An- schlußnummer als Telegramm-Adresse benutzen; Telegramme, die in dieser Weise adressiert sind, werden dann in der Regel vom

Telegraphenamt telephonisch dem Adressaten über­mittelt; sollte sich dies aus irgend einem Grunde nicht sofort bewerkstelligen lassen, so wird die Depesche durch einen Boten ausgetragen. Durch diese zeitgemäße Neuerung dürfte eine wesent­liche Beschleunigung der telegraphischen lieber- mittlung erzielt werden.

Wie der Allg. Z. aus der preuß. Altmark berichtet wird, befindet sich in Betzendorf, einem v. d. Schulenburg'schen Riltergute, ein Pferd, das vor 25 Jahren dem 7. Ulanenregi­ment gehörte, das im Verein mit den Halber­städter Kürassieren in der Schlacht bei Mars la Tour am 16. Aug. den bekannten Todesritt ausführte. Der vierfüßige Veteran, der auch bei mancher anderen Attake des wackeren Regi­mentsmit dabei war", wird nun mit Genehm- igung des Kriegsminsters bis zum Tode ver- pflegt. ,

Wettervorhersagung der Meteor' Zent.-Station. Stuttgart, 23. August. Nachm. 4 Uhr. Ein Luftwirbel, welcher von Schottland gegen Norddeutschland vordringt, wird seinen Einfluß bald bis zu dem Nordfuß der Alpen, also auch über Süddeutschland aus­breiten und zunächst wolkiges, gewitter­schwüles Wetter veranlassen. Das heiße, trockene Wetter wird aber dennoch sich fort- setzen. _

fZweideutig.jWas hast Du denn im Ge, schüft gethan, daß Dich Dein Prinzipal so plötz« lich entlassen hat?"Absolut nichts!"

Auflösung des Versteck-Rätsels in Nr. 130.

Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß.

Telegramme.

Berlin, 23. August. In der gestrigen Magistratssitzung wurde für die Sedansfeier weiter beschlossen, daß bei dem im Rathaussaale zu veranstaltenden Festmahle zu 600 Gedecken, außer den Veteranen auch die Vorsitzenden der Kriegervereine teilnehmen sollen. Mittags werden Musikvorträge auf dem Rathause stattfinden, abends sollen die hervorragenden Denkmäler der Stadt beleuchtet werden.

Pest, 23. Aug. Die Untersuchung aus Anlaß des Dynamitfundes auf dem Dampfer Villam" ergab, daß eine Rache für die Hin­richtung Caserios geplant war. indem das fran­zösische Konsulat in Ancona in die Luft ge­sprengt werden sollte.

Kiew, 23. Aug. Der Kessel des auf dem Dniepr verkehrenden PersonendampfersAtanan" ist geplatzt. Gegen 30 Schiffsinsassen wurden verwundet, mehrere ertranken.

Kopenhagen, 23. Aug. Gewitter von außerordentlichen Heftigkeit suchten in der ver­gangenen Nacht ganz Nordjütland heim. Eine große Anzahl Feuersbrüste wurden beobachtet. Nach bisherigen Telegrammen sind etwa fünfzig Höfe und Häuser niedergebrannt. Ein Mensch wurde getötet; viel Vieh ist umgekommen.

London, 23. Aug. Nach einer Depesche derPall Mall Gazette" aus Shanghai ist der abgesctzte Vizekönig Liu Tschang, welcher allge­mein als Urheber der Greuelicenen in Jscheng- fu angesehen wird, zum Oberkommissar der Untersuchung über die Ruhestörung ernannt worden. Diese Ernennung hat in den Fremden­kolonien Entrüstung hervorgerufen.

London, 24. Aug. Eine Anzahl von Mannschaften des Eastlancashire-Regiments, welches zu einer Waffenübung zu Hamshire ein­berufen war, widersetzte sich der Schließung der Kantinen während gewisser Stunden und weigerte sich, anstrengenden Dienst zu thun. Die Rädelsführer wurden zu kurzen Arreststrafen verurteilt und unter Bedeckung nach Aldershort abgeführt.

Sofia. 24. Aug. Die Nachricht, daß der Gendarmerie-Inspektor Morfor vor Ge­richt gestellt werde, ist unrichtig. Morfor ist beurlaubt. Dagegen ist der Polizeikommissar Jurkow wegen bewiesener Unfähigkeit und wegen Verdachts an dem Morde Stambulows beteiligt zu sein, entlassen worden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.