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kuchen backt, so bringt mir auch ein oder zwei Stück davon." Doch kam wohl eher eine Tracht Prügel! Und klingt es nicht geradezu räuber­mäßig. wenn man liest:Anton T.. Ausstecker, 16 Jahre alt, und Emil R., Malerlehrling, 15 Jahre alt, von hier, haben sich wegen schweren Diebstahls zu verantworten. In der Stube einer Witwe erbrachen sie mit vereinten Kräften einen Schrank, durchwühlten die Wäsche und entwendeten einen zwischen derselben liegenden Thaler und zwei Fingerringe. Dann begaben sie sich in den untern Stock zurück und öffneten hier mit einem falschen Schlüssel einen zweiten Schrank; demselben entnahmen sie eine Spar­kasse, die etwa 30 enthielt. Ihr Versuch,

eine verschlossene Schublade aufzusprengen, miß­lang. Aus Furcht überrascht zu werden, ver­ließen sie das Haus. Das gestohlene Geld, das sie unter sich teilten, wurde in Gesellschaft von Dirnen vergeudet. T., der bereits zweimal wegen Diebstahls vorbestraft ist, wird zu zwei Jahren, R. zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Fast unglaublich aber wahr! Leider sind die Kinder im Elternhause, besonders wenn Vater und Mutter zur Fabrik gehen müssen, nicht unter der nötigen scharfen Aussicht, und statt daß die Schule in ihrer schweren Aufgabe der Erziehung seitens der Eltern unterstützt wird, stellen sich diese sehr oft in schroffen Gegensatz zu ihr. Einmal aus der Schule, fühlen sich die Burschen frei von allen beengenden Fesseln und führen ein Leben, daß Gott erbarm. Neben elterlicher Gleichgiltigkeit sind da die schlechten Kamerad­schaften mit eine Hauptursache.

Württemberg.

Stuttgart. 20. Aug. In den nächsten Tagen wird dahier abermals eine Hinricht­ung stattfinden. Der ehemalige Knecht und Soldat der Fremdenlegion Vöfter, der in einem Weinbergshäuschen einen Burschen er­schlug und beraubte, wird vom Leben zum Tode gebracht werden, da König Wilhelm von dem ihm zustehenden Begnadigungsrecht keinen Ge­brauch gemacht hat. Vor vier Wochen Mauth und nun Vöster! Man wundert sich, daß vorm Jahre nicht auch der Bäckergeselle Pius Diemer hingerichtel wurde, der seinen Meister und dessen Frau erschlug. Diemer wurde begnadigt. Es wurde damals die Meinung ausgesprochen, die Begnadigung sei auf direkte Intervention des kathol. Landesbischofs zurückzusühren. Das ist aber keineswegs der Fall, sondern die Begnadig- ^ ung trat nur deshalb ein, weil Diemer die Altersgrenze von 18 Jahren erst 2 Monate überschritten hatte. Uebrigens soll Diemer. der seine Strafe im Zuchthaus absitzt, so unverkenn­bare Spuren von Irrsinn zeigen, daß man seine Uebersührung in eine Irrenanstalt wird in Be­tracht ziehen müssen.

Stuttgart. 20. August. Heute früh 9 Uhr wurde dem Raubmörder Vöster durch den ersten Staatsanwalt Herrschner, im Bei­sein des Landgerichtssekretärs Haug, die Er- öffnung gemacht, daß Se Majestät der König sein, Vösters, Gnadengesuch zurückgewiesen habe. Vöster nahm die Eröffnung trotzig hin und be­teuerte wiederholt seine Unschuld, auch wies er den geistlichen Beistand zurück. Die Hinrichtung wird dem Vernehmen nach am Donnerstag Morgen erfolgen.

Stuttgart, 16. Juli. Der gestrige Sonderzug nach Calw und Wildbad gehört zu den gelungensten Unternehmungen der k. Eisenbahndirektion. Am Samstag Abend und gestern früh war der Andrang zu den Billet- kassen so groß, daß etwa 1000 Fahrkarten ab­gesetzt wurden; es blieb nichts übrig, als die Masse der Fahrgäste zu teilen und 15 Minuten nach dem ersten Zug (6 Uhr 40 Min.) einen 2. abgehen zu lassen. (S. M.)

Stuttgart, 20. Aug. Die Anmeldungen zu dem am 2. Sepl. von der Stadt Stuttgart für die Veteranen von 1870 zu veranstalten­den Festessen sind dem Vernehmen nach so zahlreich eingelaufen, daß heute schon über 1000 Veteranen ihr Erscheinen in Aussicht gestellt haben. Auch von Seiten der in Stuttgart weilenden Generale ist eine zahlreiche Beteiligung zu erwarten.

Stuttgart. Der Landeskonservator, Ober­studienrat Eduard Paulus ist nach genauen Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, daß die riesige Burg Hohen-Neuffen, auf einem der schönsten Punkte der schwäbischen Alb erbaut, in ihrem ältesten Teil, den drei gewaltigen Rundtürmen. ein Bauwerk des Ostgotenkönigs Theodorich sei. Die am Hohen-Neuffen gemach­ten Funde von Münzen und Bronzeschmuck, so­wie die Art der Mauerung sollen eine Bestätig­ung dieser Annahme sein. Danach wäre der HohewNeuffen, der in der schwäbischen Geschichte eine bedeutsame Rolle spielt, nächst den römi­schen Ruinen das älteste Bauwerk unseres Landes.

Obertürkheim. 18. Aug. Der Um­schlag des Wetters kommt der verzögerten Ge­treideernte, besonders aber den Trauben sehr zu statten. Die Riesentraubcn an den Wirt­schaften zeigten zwar, daß trotz des regnerischen Wetters der Weinstock kräftig fortschaffte und daß die Trauben im Reifegrad durchaus nicht zurück sind.

Stuttgart. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 19. August von dem Vorstand Fritz Kreglinger.f Aus dem Getreideweltmarkte hat sich in der abgelaufenen Woche wenig Neues zugelragen. Die Tendenz ist deshalb ziemlich unverändert. An den süddeutschen Märkten wurden für neue Frucht etwas bessere Preise bezahlt. Es wird daraus aufmerksam gemacht, daß der Herbst, saatsruchtmarkt am nächsten Montag den 26. August hier gehalten wird. Wir notieren per 100 Kilogr.: Laplata-Weizen 16 -kL 25 Gyrka-Weizen 15 -^4 75 bis 16 «kL, Azima-Weizen 16 ^ bis 16 -4L 25 - 4 , Rumänier alt 16 ^L 25 bis 16 -iL 75 Rumänier neu 16 -4L 50 ^ bis 16 -4L 75 Oberl. Kernen 1a. 17 -4L 25 ^j, Tauber-Gerste 19 ^L, Pfälzer-Gerste 18 -4L 50 ^ bis 19 -4L, Albhaser la 13 -4L 50 ^ bis 13 -4L 90 , Laplata-Mais 12 25 ^ bis 12 -4L 50

Mexid-Mais 12 -4L 50 ^ bis 12 -4L 75 Mehl­

preise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack bei Wagenladung: Letztwöchentlich.

Stuttgart, 20. August. Kartoffelmarkt am Leonhardsplatz. Zufuhr 450 Ztr., Preis per Zentner 2 -4L 80 bis 3 -4L 30 -A. Krautmarkt am Marktplatz. Zufuhr 4500 Stück Filderkraut, 15 -4L bis 25 ^4L ^ per 100 Stück.

Ausland.

Paris, 19. Aug. DerMatin" ver­öffentlicht Unterredungen mit dem elsäjsischen Reichstogsabgeordneten Guerber und dem Mit­glied des Landesausschusses, Direktor Dr. Petri, die beide erklären, eine elsaß-lothringische Frage gäbe es nicht. Guerber sagte, es sei Utopie, zu glauben, daß Elsaß-Lothringen zu Frankreich zurückkommen will:Deutsche sind wir und Deutsche bleiben wir." Petri betonte, Frank­reich verkenne die wirkliche Lage Elsaß-Loth­ringens. Man bilde sich dort ein, daß die Elsaß-Lothringer in Permanenz auf dem Straß­burger Münster Wache hielten und ausblickten, ob Frankreich käme, sie zu befreien. Das sei ein Märchen, das zu Nutz und Frommen beider Länder zerstört werden sollte:Unzweifelhaft hat die Stunde der Resignation, der Ergebung in das Unabwendbare geschlagen. Wir wünschen zufolge unserer Sympathie für Frankreich, daß sie auch jenseits der Vogesen schlüge. Unsere Stadt gedeiht, unsere Industrie wird täglich reicher. In Straßburg giebt es nur einige wenige Personen, die um den Preis eines Krieges wieder französisch werden möchten. Die große Mehrheit will Frieden und Aufrechterhaltung des stulus quo. Unser angelegentlicher Wunsch ist eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. Wenn dieses Einvernehmen sich verwirklicht, dann kann dies nur auf Grund des Frankfurter Vertrages geschehen. Alle andere Lösungen, ob sie nun auf Volksabstimmung, Neutralität oder Teilung hinauslaufen, sind Hirngespinste. Das ist die Wahrheit. Ich wünschte, sie hätten den Mut, dies zu sagen, und die öffentliche Meinung in Frankreich, sie zu begreifen."

Paris, 19. August. Einzelne Pariser Blätter äußern unverhohlen ihre Verstimmung darüber, daß Kaiser Nikolausin seinem Hand­schreiben an den russischen Botschafter in Paris, Baron Mohrenherm, lediglich von den freund­schaftlichen Beziehungen Rußlands und der französischen Republik spreche, deren Erhalt­ung das eifrige Bestreben des Botschafters ge­wesen sei. Die erwähnten Blätter finden, der zweifellos mit besonderer Absicht gewählte Ab­

druck sei ein neuer Beweis dafür, daß von einem förmlichen Bündnisse zwischen Frankreich und Rußland keine Rede sein könne.

Paris, 19. August. Wie hieher gemeldet wird, sind von den für Cuba einberufenen Reservisten aus den Provinzen Barcelona und Gerona 600 nach Frankreich entflohen und suchen Arbeit zu Perpignan.

Neapel. 19. Aug. Gestern abend drängte sich eine große Anzahl Wähler auf der Treppe des Gemeindehauses von Mercato und stürzte, nachdem das eiserne Treppengeländer eingerissen war, in die Tiefe. Von 60 Leuten ist einer gestorben, zwei sind dem Ende nahe; 14 wurden schwer, etwa 30 leicht verletzt. Die Verletzten wurden in das Krankenhaus geschafft. (Mercato ist ein Flecken von etwa 10 000 Einwohnern in der Nähe von Palermo.)

New-Jork, 26. Aug. Im Gumry-Hotel zu Denver hat eine Schlagentzündung ent­setzliches Unheil angerichtet. Sie wird der Un­vorsichtigkeit des Maschinisten zugeschrieben. Gegenwärtig wird die Zahl der Toten auf 20 geschätzt, die Zahl der Verwundeten ist groß. Ein schnelles Umsichgreifen der Flammen machte es unmöglich, die Unglücklichen zu retten. 14 Leichen sind aufgefunden worden.

New-Iork, 20. Aug. In den Carne- gieschen Stahlwerken zu Braddock in Pennsyl- vanien sind infolge Berstens des Hochofens neun Arbeiter getötet, sechszehn verletzt, darunter fünf lebensgefährlich.

Aus der Themse in London fischte eia Schiffer eine Handtasche, in der er für 300Pfl0 Mark Diamanten und Papiere fand. Die Tasche war der Prinzessin Soltikow gestohlen worden.

Unterhaltender Teil.

Die Spionin.

Erzählung aus dem Kriege 1870/71 von I. Steinb e ck

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Wie schade nur, daß diese anscheinend so blühende und vor Kraft strotzende Frau eine so schwache und so vielfachen Krankheitsfällen aus. gesetzte Gesundheit hatte. Alle 56 Tage mußte sie mindestens einen Tag sich zurückziehen und das Bett in ihrer Kammer hüten. Gleich zu Anfang der Einquartierung, als der böse Unfall zum ersten Male eintrat, Halle der Stabsarzt des Regimentes seinen ärztlichen Beistand ange- boten, aber der Monsieur Pierrot hatte den­selben höflich dankend abgelehnt. Seine Frau leide nur an nervösem Kopfschmerz, der durch absolute Ruhe am besten und am ehesten über­wunden werde. Seitdem schlich im Hause Alles auf Zehen, sobald Frau-Marie ihren kranken Tag hatte, und selbst der Herr Oberst ging auf Filzpantoffeln in der Stube, die er mit dem Adjutanten bewohnte und die an die Kranken­kammer stieß, einher, um die schöne Patientin, die er deutlich stöhnen hörte, möglichst wenig zu stören.

Am andern Morgen erschien Frau Pierrot dann um so blühender und strahlender wieder, und mit freundlichem Lächeln, das ihre wunder­hübschen weißen Zähne bloslegte und zwei nied­liche Grübchen in die vollen Wangen drückte, nahm sie die Gratulationen zu ihrer Wieder­herstellung entgegen.

Ja, es war eine wunderbare Frau, die es Allen angethan hatte. Am meisten Verheerungen aber hatte ihr täglicher Anblick in dem Herzen des blonden Regimentsschreibers, des Sergeanten Hans Brackebu>ch, angerichtet. Denn da hatte sie alle Erinnerungen an die Heimat und die dort zurückgelassene Braut radikal getilgt und einzig und allein ihr Bildnis an die Stelle ge­setzt, so daß Hans, wo er ging und stand, nur an die schöne Französin dachte und sie, sobald er sie erblickte, mit'seinen feurigsten Blicken bombardierte. War es nun die Macht dieser Blicke oder hatte der kleine Liebesgott trotz der Binde vor seinen Augen dennoch eine unbe­schirmte Stelle im Herzen der Frau Marie Plerrot gefunden, genug, die Thalsache stand für Hans Brackebusch fest, daß nach drei Tagen die stolze Feindin ansing, die schmachtenden Liebesblicke ihres Anbeters erst zu bemerken,