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Umgebung entlud, litt auch die Kathedrale empfindlich. Die kostbaren alten Fensterscheiben wurden zersplittert, auch andere Schäden sind an dem Bauwerke zu beklagen.
Petersburg, 13. Aug. Der Kaiser von Rußland verlieh dem Botschafter in Paris, Mohrenheim, anläßlich seines 50jährigen Dienstjubiläums den Wladimirorden 1. Klasse unter Uebersendung eines Schreibens, worin u. A. gesagt ist: Ihre gegenwärtige Thätigkeit, die auf die Erhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rußland und Frankreich ge- richtet ist, trägt zur günstigen Lösung der meinem Herzen teuren Aufgabe bei, den allgemeinen Frieden zu befestigen.
Aus Rußland, 7. August. Ein furchtbares Unwetter hat im Gouvernement Pleskau 118 Dörfer betroffen. Hagelschlag vernichtete die ganze Ernte; gegen 40 Häuser wurden von einem Orkan meilenweit entführt. Die Zahl der Toten und Verunglückten wird auf 30 bis 40 Personen geschätzt.
Aus Rumänien, 12. August. Königin Elisabeth hat von einem reichen Amerikaner, der von den Gedichten der Königin begeistert war, ein Klavier geschenkt erhalten, welches mehr als 300 000 vlL gekostet haben soll.
Athen, 12. Aug. Die Blätter behandeln den Vorschlag, dem Prinzen Georg von Griechenland den Thron Bulgariens anzubieten, als eine Lächerlichkeit.
ArrLeryattender Ml.
Geistige Begabung.
Zeitgemäße Betrachtungen von Emil Pesch kau.
Woher kommt das Talent? Ich kenne nur zwei Fälle, daß eine ganz bestimmte, anscheinend engbegrenzte geistige Begabung sich in bemerkenswerter Weise vererbt hat: das Talent für Mathematik in der Familie Bernoulli, und das für Musik in der Familie Bach. Reißmann führt in seinem kleinen „Handlexikon der Tonkunst" nicht weniger als achtzehn Musiker namens Bach an, zum Teil Vorfahren und zum Teil Nachkommen des großen Johann Sebastian, eine Reihe, die mit dem Jahre 1626 (Hans Bach) beginnt und mit der Gegenwart (Otto Bach) endet. Aehnlich ist es mit der Familie Bernoulli, die von Jakob (geboren 1654) bis zu Christoph Bernoulli (gestorben 1863) durchwegs bedeutende Mathematiker hervorbrachte. Aber diese beiden Fälle stehen vereinzelt, und ich weiß ihnen aus keinem Gebiete menschlicher Thätigkeit weitere, gleich drastische an die Seite zu stellen. Im Gegenteil — wenn man die Familiengeschichten hervorragenderMänner durch« blickt, macht man die Bemerkung, daß in den allermeisten Fällen das Talent ganz plötzlich auftauchte, wie ein Wunder, wie eine farbenprächtige exotische Blume, die plötzlich in einem bescheidenen Hausgärtchen zwischen Kohlpflanzen und Salat, Stiefmütterchen und Reseden erblühte. Und ebenso plötzlich, wie es erschien, verschwindet es auch meist wieder — nur sehr selten finden sich unter den Nachkommen großer Männer wieder bedeutende Köpfe. Da es nun aber andrerseits zweifellos ist, daß sich die seelischen und geistigen Eigenschaften ebenso vererben wie die körperlichen, daß in jedem Individuum die Besonderheiten seiner Vorfahren — bald mehr, bald weniger ausgeprägt — wieder erscheinen, so gewinnt die Frage: „Woher kommt das Talent?" — „Wieso erklärt sich sein jähes.Er- scheinen und jähes Verschwinden?" — ein erhöhtes Interesse. Um sie beantworten zu können, ist es übrigens nur nötig, den Begriff „Talent" etwas schärfer zu fassen, als es gewöhnlich geschieht, sich die „geistige Begabung" ein wenig genauer anzusehen.
In der Regel spricht man von kaufmännischem, militärischem, poetischem, musikalischem, technischem Talent u. s. w., und man glaubt, daß von diesen Talenten gerade das eine oder das andere dem Betreffenden angeboren sei. Die Natur weiß jedoch von diesen verschiedenen Talenten nichts, für sie giebt es ebenso wenig Kaufleute, wie Maler, Musiker, Techniker u. s. w., und was in Wirklichkeit nicht existiert, kann sich natürlich auch nicht vererben. Die Gehirn-
thätigkeit eines jeden Menschen ist einfach eine Kombination aus den Thätigkeiten verschiedener Gehirnsphären oder verschiedenen „geistigen Gaben", deren Anzahl bekanntlich nicht groß ist. Beobachtungsgabe, Gedächtnis. Phantasie, Fähigkeit, Gedanken oder Thatsachen rasch zu verknüpfen u. s. w. geben zusammen das intellektuelle Leben des Einzelnen, und da fügt es sich nun, daß z. B. der eine starke Beobachtungsgabe und wenig Denkfähigkeit, ein schwaches Gedächtnis, der andere lebhafte Phantasie, mangelhafte Sinne, gutes Gedächtnis besitzt u. dergl. m. Jede dieser Anlagen kann nun im Einzelleben durch Uebung gesteigert werden, und die gesteigerte Anlage vererbt sich wie die Form der Nase oder des Brustkorbes. Wer sich mit dem Studium der Menschen andauernd beschäftigt hat, wird sicher zu der Bemerkung gekommen sein, daß unter den „Unbegabten" doch nur wenige sind, die nicht mindestens eine dieser Anlagen, sei es nun Beobachtungsgabe, Phantasie, Urteilskraft u. s. w. in immerhin reichlichem Maße 1 besitzen. Die rohesten, dümmsten Klatschweiber, denen die einfachste Sache, wenn sie denken, Ueberlegung erfordert, kaum beizubringen ist, zeigen oft eine Beobachtungsgabe, die einen „naturalistischen" Schriftsteller beschämen würde, und bisweilen hat der größte Einfaltspinsel ein so außerordentliches Gedächtnis, daß er sich damit auf Jahrmärkten oder in Konzertsälen produziert. Das Talent ist nun nichts anderes als eine Kombination dieser verschiedenen, bald mehr, bald weniger hoch, aber immer über ein gewisses Niveau hinaus entwickelten Geistesgaden, und wenn es in einer Familie plötzlich austaucht, so kommt das einfach daher, daß sich die elterlichen Anlagen glücklich gekreuzt haben. „Vom Vater Hab' ich die Statur,
Des Lebens ernstes Führen,
Vom Mütterchen die Frohnatur,
Die Lust zu fabulieren",
singt Goethe, und er wäre sicher nicht der große Dichter geworden ohne des Vaters ernsten Geist, oder ohne der Mutter Frohnatur.
(Fortsetzung folgt.)
Eine Kriegserinnerung. Kurz nach der Schlacht bei Weißenburg waren in allen Zeitungen die tapferen Thaten der Bayern, die hier zum ersten Male vor dem Feinde standen, rühmlichst erwähnt und insbesondere der Mut des Soldaten Köhler vom 4. Jnfant.-Rcgiment in Poesie und Prosa verherrlicht. Das nachstehende Gedicht dürste nicht mehr so allgemein bekannt sein:
Bei Weißenburg im Gefechte stand das vierte Regiment Der tapferen bayerischen Infanterie, die man mit
Achtung nennt!
„Daß Dich die Pest!" der Hauptmann brummt, „hol Dich die Schwerenot!"
Die Kerl schießen wirklich mir den letzten Turko tot. Wie Fliegen fallen sie da um! es ist nicht auszustehn, Und ich hält' so 'neu Heidenhund lebendig nah
gern g'sehen!"
„Wenn das nur ist", denkt Köhler sich,
„Da is die Sach net schwer!
Geh', Kamerad, halt mir a mal A bisserl mein Gewehr!"
Und durch den Kugelregen Springt er auf die Turko los,
Packt den ersten beim Genick Und sagt: „Kimmst mit, Franzos!"
Er hält ihn seinem Hauptmann hin,
Er salutiert und spricht:
„Da hätt' mer Oan! Loch verzeih'n s':
Der Schönste is er nicht!"
Soldat Köhler, ein Oberpfälzer, erhielt viele und bedeutende Geldgeschenke für dieses Bravostück und der Bayernverein in New-Aork machte ihm die größten Geschenke. Ob dieser Mann noch lebt? — Ebenso in aller Munde war die bezeichnende Aeußerung eines älteren bayerischen Soldaten gegenüber dem damaligen Heerführer Kronprinzen Friedrich Wilhelm, als Letzterer nach der Schlacht bei Weißenburg das Schlachtfeld besichtigte. Der Soldat, dessen Name nicht bekannt wurde, verzehrte nach der Schlacht, auf einem Steinblock sitzend, ein Stück Brot. Der Kronprinz kam an den Mann heran und betrachtete dessen vom Pulverrauch geschwärztes Gesicht, worauf er in seiner leutseligen Art bemerkte: „Brav habt Ihr Bayern Euch gehalten! Ich bin stolz darauf, Euer Oberbefehlshaber zu sein!" Im Momente stand , der Soldat in Achtung und erwiderte: „Ja,
Hoheit, königliche! Hätt'n Sie uns g'führt anno Sechsasechzge. da hätt'ns g'schaugt, wia mer die Malefizpreuß'n außa g'stampert hätt'n!" Der Kronprinz lachte gerade hinaus, gab dem Mann ein Geschenk und meinte: „Nun! es ist so auch recht!"
Napoleons I. Degen. Auf der zur Zeit in Paris stattftndenden Ausstellung von historischen Gegenständen aus der Zeit der ersten französischen Revolution und des ersten Kaiserreiches befindet sich eine ganze Anzahl von Degen, die Napoleon I. gehörten. Gegenüber der Stattlichkeit dieser Sammlung verdient jedoch die Thatsache Erwähnung, daß Napoleon seit seinem Austritt aus dem eigentlichen Truppendienst, d. h. als erster Konsul und Kaiser nur dreimal den Degen gezogen hat. Das erstemal that er es während des Rückzuges aus Rußland 1812, einem Tag nach der Schlacht von Malo-Jaroslawez, gegen eine Schar Kosaken, die ihn und seinen Generalstab angriffen. Das zweite Mal war die Handlung noch dramatischer. Es war bei Arcis-sur-Aube (1814) als die Kavallerie-Division des Generals Colbert gegen die Oesterreicher und Russen vorrückte, aber, vom Kartätschenfeuer empfangen, Kehrt machte und von den Kosaken verfolgt wurde. Als Napoleon das sah, spornte er, außer sich vor Zorn, fein Pferd an und sprengte mitten in den wirren Knäuel von Verfolgten und Verfolgern. Er will den Degen ziehen, allein dieser ist eingerostet, erst mit Mfe seiner Adjutanten gelingt es Napoleon, die Klinge aus der Scheide zu reißen, wobei er sich an der Hand verletzte. Inzwischen war bereits eine Truppe der französischen Kavallerie nach Arcis gelangt; der Kaiser holte sie ein, stellte sich vor den Brückenkopf und schrie, den Degen schwingend: „Wer wagt es, mich niederzureiten?" Die fliehenden Truppen machten beschämt Kehrt und griffen nun mit besserem Erfolg den Feind an. Das dritte und letztemal zog Napoleon den Degen bei Waterloo, bevor er am Abend, von einem Viereck seiner alten Garde geschützt, die Flucht ergriff. Er wollte noch einmal den Kampf aufnehmen, aber seine Bemühungen waren nutzlos. Bekanntlich fiel sein Reisewagen, den er nur noch eilig verlassen konnte, auf der Flucht bei Jemappes den Füsilieren des 15. preußischen Regiments in die Hände. Dieser Degen befindet sich jetzt im Berliner Zeughause.
(Ein drolliger Vorfall) ereignete sich dieser Tage im Kaisergarten zu Frankfurt a. M. Thront da Frau Wirtin mit ihren Töchtern hinter dem Schänktisch und beherrscht in würdevoller Ruhe die dienstbaren Geister, als plötzlich der große, viereckige Holzdcckel über dem Aufzug , auf welchem etwa 40 Biergläser stehen, sich höher hebt und höher, die Gläser stürzen mit Gepolter herab, und ein Pärchen — sie den Henkelkorb am Arm — schwebt mit angstverzerrten Gesichtern bis zur doppelten Höhe des Buffets empor. Die Frauen schreien und weinen, die Gäste erbleichen, doch die Wirtin saßt sich zuerst und ruft dem Paare zu: „Sie kommen für allen Schaden auf." Dies Wort erlöste das lebende Bild. Er sprang vom Tisch herab und flüchtete ins Freie. Der junge Mann, welcher früher bei der Maschine beschäftigt gewesen war, hatte in dem zwei Stock tiefen Keller eine Zusammenkunft verabredet. Dort müssen die Beiden unversehens auf den Bieraufzug geraten sein und nun die Reise durch den dunklen Schacht an die erstaunte Oberwelt angetreten haben.
(Ein blutiger Zweikampf zwischen Krokodilen) fand im zoologischen Garten zu Antwerpen statt, der augenblicklich eine geradezu auffallende Menge dieser Tiere beherbergt. In dem Raudticrhause dieses Gartens befinden sich unter anderem in einem Bassin 6 Hechtkrokodile von etwa 2 Meter Länge, die bis dahin in schönster Eintracht zu- jammenlebten. Was nun die Veranlassung war, daß zwei dieser Saurier plötzlich in Streit gerieten, ist bis jetzt noch nicht aufgeklärt. War es die Liebe, welche die beiden so gewaltig erregte oder war es nur der Neid um ein Stück