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und daß ihrem Gemüt Zeit gelassen werden müsse, sich an den Gedanken des herrlichsten Glückes zu gewöhnen. Erst als er sah, wie sich allmählich der Ausdruck einer freudigen Span­nung über ihre Züge breitete, wie ein Strahl seliger Hoffnung aas ihren Augen brach, ent­schloß er sich, das bedeutungsschwere Wort aus- zusprechen und sagte:

Es sind seit Ihrer Flucht aus dem Vater­hause Ereignisse eingetreten, welche Ihrem Vater eine andere Meinung von jenem jungen Manne beigebracht haben, dem Ihre Liebe gehört, und den er anfänglich so falsch und ungerecht beur­teilt hatte. Er hat nichts mehr gegen Ihre Verbindung mit Herrn Bernhard von Römer einzuwenden, und er ist vielmehr von dem dring­enden Wunsche erfüllt, daß Ihre Vermählung stattfinden möge, sobald Ihr Gesundheitszustand es gestatten wird."

Daß die vorsichtige Art, in welcher er sich seiner Neuigkeit entledigt hatte, sehr wohl am Platze gewesen war. erwies sich nun auf das Deutlichste; denn Else war auch nach seiner schonenden Vorbereitung jetzt noch einer Ohn- macht nahe, und Minuten vergingen, ehe sie wieder Kraft genug gewonnen hatte, um zu sprechen. Thränen schimmerten in ihren Augen, als sie den Doktor bat, ihr die glückselige Bot­schaft noch einmal zu wiederholen, und sie dann von ihm zu wissen begehrte, wie es zugegangen sei, daß sich in dem harten Herzen ihres Vaters eine so seltsame Wandlung vollzogen habe, und warum Bernhard nicht selbst gekommen sei, sie aus ihrem Schmerz und ihrer Verzweiflung zu befreien.

Auf diese Fragen blieb Hartwig nun frei­lich die Antwort schuldig, denn er konnte ihr unmöglich schildern, wie schwere Kämpfe er mit dem ehemaligen Schlächtermeister zu bestehen gehabt, ehe derselbe sich seinen Wünschen geneigt zeigte, und wie es ihm endlich nur dadurch ge­lungen sei, den hartnäckigen Widerstand des­selben zu brechen, daß er ihm erklärt hatte, er werde Bernhard adoptieren und ihn zum Erben seines ganzen großen Vermögens machen. Einer so verlockenden Aussicht hatte der Herr Stadt­verordnete allerdings nicht widerstehen können, und wenn er sich auch für eine gute Weile den Anschein gegeben hatte, als ob es ihm sehr schwer würde, seiner Tochter zu vergeben, so war er doch im Grunde mit dieser neuen Wend­ung der Dinge sofort vollkommen einverstanden gewesen. Aber er hatte den Doktor gebeten, seiner Tochter in seinem Namen die betreffende Mitteilung zu machen; denn er selber sagte sich wohl, daß er dabei immerhin in einer ziemlich unbehaglichen Situation sein würde. Gern und widerspruchslos hatte Hartwig diesem Ersuchen Folge geleistet, denn die Freude, in das um- düsterte Gemüt des jungen Mädchens wieder die ersten Strahlen des Glücks fallen zu sehen, war ja der einzige Lohn und die einzige Ge- nugthuung, deren er sich für seine aufopfernde Thätigkeit im Interesse des jungen Paares und für den selbstlosen Verzicht auf sein eigenes Lebensglück zu erfreuen hatte.

Als er das Krankenzimmer verlassen, traten die beiden Aerzte, welche Else behandelten, an das Bett der Leidenden. Sie hatten dem Aus­gang der langen Unterredung doch nicht ganz ohne einige Besorgnis entgegengesehen und es gewährte Ihnen nun einige Befriedigung, daß sich der Zustand der Patientin nicht nur nicht verschlechtert habe, sondern daß in demselben eine deutlich wahrnehmbare Besserung eingetreten sei, die sich ganz besonders in einer wesentlichen Steigerung der Kräfte und einer stetig wachsen­den Zunahme der Geistesfrische äußerte.

Unter solchen Umständen konnten sie den Doktor Hartwig- mit der Versicherung entlassen, daß in etwa acht Tagen einem Besuch des jungen Herrn von Römer nichts mehr im Wege stehen würde, da sich Sie Patientin nach Ablauf dieser Frist unzweifelhaft im Zustande der Rekon­valeszenz befinden würde.

Und ihre Voraussicht erfüllte sich in der That. Else's Genesung machte sehr schnelle Fortschritte, und schon vierzehn Tage nach diesem ersten Besuch des Doktors Hartwig konnte sie

in seiner und Bernhard's Begleitung die Heim­reise nach M. antreten. Herr Nikolaus Hoffe­richter selbst hatte sich nicht entschließen können, noch einmal nach der Hafenstadt zu fahren; aber er nahm seine Tochter am Bahnhofe in Em­pfang und war aufrichtig bemüht, seinem Ge­sicht einen möglichst freundlichen und wohl­wollenden Ausdruck zu geben, als er sie bei der Begrüßung in seine Arme schloß. Else kehrte natürlich zunächst in das Vaterhaus zurück, in welches Bernhard jetzt ungehindert Zutritt hatte; aber die Vorbereitungen zu ihrer Vermählung wurden mit allem Eifer betrieben, denn die Hochzeit sollte schon nach Ablauf von wenigen Wochen erfolgen. Außer dem Doktor Hartwig wurde während dieser Zeit kein einziger fremder Besucher in dem Hofferichter'schen Hause em­pfangen, so sehr auch die Neugierigsten unter den Bekannten darauf brannten, aus dem Munde des jungen Mädchens selbst Näheres über ihre Erlebnisse zu hören. Aber ihr noch immer recht angegriffener und der Schonung jedenfalls recht bedürftiger Zustand bot eine vollkommen genügende Entschuldigung für die strenge Abge­schlossenheit, in welcher sie sich hielt, und welche auch bis zu ihrem Hochzeitstag nicht durch­brochen wurde. Bernhard hatte natürlich, so­bald er es bei ihrem Kräftezustand durfte, alles erzählt, was sich an entsetzlichen Ereignissen ohne ihr Vorwissen inzwischen zugetragen, und unter einem wie furchtbaren Verdacht er ohne die thätige Mithilfe des Doktor Hartwig wahr­scheinlich zermalmt worden wäre. Seither war Else's Dankbarkeit gegen den wackeren uneigen­nützigen Mann zu einem Gefühl der Verehrung gesteigert worden, und es war ein wahrhaft herzerfreuendes Verhältnis voll der schönsten Harmonien, welches sich fortan zwischen den drei schwer geprüften Menschenkindern eut- wickelte.

Die Hochzeit selbst wurde in aller Stille gefeiert und die neugierigen Einwohner in M. erfuhren erst davon, als Alles vorüber war, und als das junge Ehepaar seine Hochzeitsreise nach dem sonnigen Süden bereits angetreten hatte.

Zum letzten Mal wurde die Erinnerung an das sensationelle Ereignis in allen Gemütern aufgefrischt, als die beiden Mörder des alten Fräulein von Römer vor den Schranken des Schwurgerichts standen. Beide legten ein un­umwundenes Geständnis ab, welches in allen Einzelheiten mit jenen Angaben übereinstimmte, die der Goldarbeiter Rüdiger bei seiner Ver­haftung dem Untersuchungsrichter gemacht.

Die ganze Verhandlung war denn auch von kurzer Dauer. Nach einer Beratung von kaum einer halben Stunde kehrten die Ge­schworenen am Schluffe derselben in den Saal zurück, um die ihnen vorgelegten Schuldfragen zu bejahen. Beide waren des überlegten Raub- mordes schuldig befunden und dementsprechend nach der Vorschrift des Gesetzes zum Tode ver­urteilt worden. Der Goldarbeiter fiel in eine todesähnliche Ohnmacht, als er den Spruch ver­nahm; sein Weib aber nahm denselben mit einer gleichmütigen höhnischen Miene .entgegen, und als sie in das Gefängnis zurückgeführt wurde, zeigte sich nicht die leiseste Spur einer Erregung in ihrem brutalen Gesicht.

Seiner wohlwollenden Gepflogenheit gemäß verwandelte der Landesfürst, von seinem Be­gnadigungsrecht Gebrauch machend, dies Todes- urteil zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe um, und die Pforten des Zuchthauses schlossen sich hinter den beiden Verbrechern, um sich nie wieder vor ihnen aufzuthun.

In Berlin hat Geheimrat v. Barde­leben eine Aufsehen erregende Operation an einer 21jährigen Lehrerin vorgenommen. Das Mädchen litt seit Jahren an heftigen Kopf­schmerzen, die sich in letzter Zeit bis zur Uner­träglichkeit steigerten. Sie klagte besonders über Stiche auf der rechten Kopfseite. Geheimrat v. Bardeleben öffnete den Schädel, wobei er die Entdeckung machte, daß in dem Gehirn eine Stopf-Nadel steckte. Es gelang dem Arzt die Nadel bei äußerster Vorsicht zu entfernen,

wonach der Schmerz sofort nachgelassen hat. Man hofft das Mädchen am Leben zu erhalten. Wie die Nadel in das Gehirn gelangte, war nicht zu ermitteln.

Berlin, 30. Juli. Der italienische Hunger­künstler Giovanni Succi hat in der Ausstellung Italien" am Sonntag abend 9 Uhr ein 30- tägiges Fasten begonnen. Sein Körpergewicht wurde zu 71.5 Kilo festgestellt.

Aus Franken, 29. Juli. Folgender ans Wunderbare grenzende Vorfall erregt zur Zeit viel Aufsehen. In Stadtsteinach lebt ein pen­sionierter Chevauxleger Namens Petzold, der vor Jahresfrist in Nürnberg einen Hufschlag erhielt, dessen Folge der völlige Verlust der Sprache war. Am 25. d. M. nun ritt er mit einem Metzgerpferde nach Kulmbach. Das Tier scheute und überschlug sich. Petzold geriet dabei in furchtbare Aufregung und erlangte hiedurch die Sprache wieder. Der ganze Ort Stadt­steinach staunte, als Petzold beim der Heimkehr die Angehörigen und Freunde laut begrüßte.

(Eine Brücke zwischen Europa und Asien) soll demnächst eine überseeische Verbindung zwischen der orientalischen und anatolischen Eisenbahn verwirklichen. Wie wir durch das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln erfahren, soll diese über den Bosporus führende Riesenbrücke auf acht Pfeilern ruhen und soll die Höhe über den beiden mittleren Pfeilern 71 Meter betragen, damit auch Dampfer mit den höchsten Masten hindurch können. Die Vorarbeiten zu diesem großartigen Werke sollen noch im Laufe dieses Sommers in Angriff ge­nommen werden. Die Kosten dürften sich auf etwa 60 Millionen Mark belaufen. (Obenge­nanntes Patentbureau erteilt den geschätzten i Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.)

Eine zur Herstellung einheitlicher, fugen­loser Dachdecken geeignete plastische Masse, erhält man nach einem Bericht des Intern. Patentbureau von Heimann u. Eo. in Op­peln durch das nachstehendene, patentierte Verfahren. Es wird Sphagnumtorf-Mull mit zweckmäßig heißem Teer, welchem gewünschten, falls ein klebender Stoff, wie Harz, Pech, Gum­mi und dergl., beigemengt werden kann, durch­tränkt. Man streicht das zu deckende Dach mit heißem Teer dünn über und trägt das Teertorf­mullgemisch etwa 2 bis 3 em. stark auf. Diese Deckschicht wird alsdann mit einer heißen Eisen­schaufel, leichten Walze oder dergl. geglättet, die Oberfläche mittelst eines Putzbrettes ver­rieben und eine Kiesschicht lose aufgestreut. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den ge­schätzten Lesern dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patentsachen gratis.)

(Reinigen und Auffrischen schwarzer Stoffe.) Eine Handvoll Feigenblätter wird in 2 Flaschen Wasser so lange gebrüht, bis eine halbe Flasche Wasser übrig bleibt. Man reibt den Stoff mit einem Schwamm ab, welcher in dieser Flüssig­keit getränkt ist und wird ein günstiges Resultat sofort zu sehen sein.

(Ein Abergläubischer.) . . . Und weshalb heiraten Sie denn nicht? Habe schon zwölf­mal Anlauf dazu genommen! Jedesmal 'rein- gefallen, und dreizehn Unglückszahl! (Schlechter Trost.) Das ärgert mich jetzt! Hab' ich vergessen Zigarren mitzunehmen! Wissen S' was: da sitzen S' einfach in den Nichtraucher­wagen, da dürften S' so wie so net rauchen, auch wenn S' Zigarren hätten! (Fluch.) Börsianer (zu einem Geschäftsfreund, mit dem er in Streit geraten): Kassier sollst De werden und flüchten müssen auf einer Sekundärbahn.

(Auch etwas.)Hat Dir Deine schrift­stellerische Thätigkeit schon etwas eingebrachl?" O ja, einmal ist ein Manuskript verloren gegangen, da habe ich 42 Mar! vergütet be­kommen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.