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an der Explosionsstelle beschäftigten Bergleute betrug 44; davon sind 33 getötet, 8 verletzt wurden.
Straßburg i. E. In der geräumigen Blockhütte im Parke unserer Industrie- und Gewerbe-Ausstellung, welche von der Kaiserlichen Forstverwaltung in Elsaß-Lothringen zur Unterbringung ihrer Sonderausstellung errichtet ist, finden sich viele auch für den Nichtforstmann und Nichtläger höchst interessante Dinge. U. A. ist dort das Modell einer Waldbahn ausgestellt. Unser Land steht, was Bau und Benutzung von Waldbahnen anlangt, oben an; anderswo folgt man zunächst nur noch langsam dem von der reichsländrschen Forstver- waltung gegebenen Beispiel. Die Größe der Nachfrage nach den Erzeugnissen der Waldungen hängt, abgesehen von der Güte derselben, hauptsächlich davon ab, ob der Käufer daS zum Verkauf stehende Holz mit mehr oder weniger Kosten an seinen Bestimmungsort bringen kann. Dem Forstbesitzer selbst muß wieder daran gelegen l sein, daß das einmal eingeschlagene Holz schnell fortgeschafft wird, damit die Lagerplätze möglichst bald wieder in Kultur genommen werden können. Im Haushalt unseres Landes spielt die Waldwirtschaft eine große Rolle; sind doch mehr wie 30 Prozent der Gesamtfläche mit Wald bedeckt und betragen die Einnahmen aus den staatlichen Forsten nahezu 6 Millionen Mark bei einem Landesetat von 55 Millionen überhaupt. Die reichsländische Forstverwaltung war von Anfang an bestrebt, gute Abfuhrwege zu schaffen und damit die Erträgnisse aus den Forsten zu steigern. Schon zu französischer Zeit waren kleinere Strecken Waldbahnen angelegt, ohne daß dieselben aber recht in Betrieb kamen. Jetzt haben wir verschiedene Waldbahnnetze von insgesamt 57 Kilometer Länge in den Oberförstereien Alberschweiler- St. Quirin, Schirmeck und Rothau. Waldeisenbahnen sind hauptsächlich da von Vorteil, wo ihre Benutzung für eine längere Reihe von Jahren gesichert ist; man baut aber auch provisorische Bahnen für kürzere Zeit. Die Waldbahnen ermöglichen insbesondere auch einen leichten Transport von Langhölzern aus dem hohen Gebirge zu Thal, der auf der Achse stets schwierig, oft unmöglich ist. Der Transport des Holzes mit der Bahn stellt sich außerdem billiger wie mit Fuhrwerk. Das Modell in der Forsthalle unserer Ausstellung, nebenbei bemerkt aus Torf hergestellt, zeigt die getreue Kopie eines Teiles der Waldbahn in der Oberförsterei Rothau. Die Bahn windet sich im stärksten Gefälle in scharfen Kurven die felsigen Bergabhänge entlang. Das Langholz wird auf Wagen mit beweglichen Schemeln verladen, die das Passieren der schärfsten Kurven gestatten. Höchst sinnreich erdachte Bremseinrichmngen ermöglichen ein fast augenblickliches Halten auf wenige Meter Entfernung. Wo das Gefälle genügt, laufen die Wagen zu Thal allein; zum Rücktransport auf die Höhe werden Zugtiere oder kleine Lokomotiven benutzt. Außerordentlich bewährt haben sich unsere Waldciscnbahnen nach dem großen Windbruch am 29. und 30. Mai 1892. Ohne sie wäre die Abfuhr der mächtigen Holzmasfen in so kurzer Zeit gar nicht möglich gewesen, und ein großer Teil des Holzes hätte zu Grunde gehen müssen.
Württemberg.
Stuttgart, 26. Juli. Sicherem Vernehmen nach hat Se. Maj. derKönig in Sachen des wegen Mords zum Tode verurteilten Martin Mauth von Leidringen von dem ihm zustehen- den Begnadigungsrecht keinen Gebrauch gemacht. Eine Bestätigung des Todesurteils ist nach der Reichsstrafprozeßordnung Art. 485 nicht nötig. Mauth wurde, wie bekannt, vom Schwurgericht Stuttgart am 25. Juni d. Js. wegen Mords, begangen auf dem Kochenhof an seinem Mitknechte Joh. Haas von Schlechtbach, zum Tode und lOjähr. Zuchthausstrafe verurteilt.
(S. M.>
Stuttgart, 26. Juli. Nunmehr sind auch die Staatsminister des Kirchen- u. Schulwesens, sowie der Finanzen in den Sommer- Urlaub gegangen. Der Minister des Innern weilt noch im Lande und hat erst neulich in Heilbronn einen Besuch abgestaltet, wobei er
den wahren Interessen der Stadt Heilbronn I jede mögliche Förderung des Staates in Aus- ' sicht stellte, zugleich aber auch in zwar zarter aber durchaus verständlicher Weise darauf hinwies, daß in Heilbronn endlich die persönlichen Häkeleien und der persönliche Eigennutz Einzelner, der immer wieder zu Zwistigkeiten auf dem Rathaus führt, aufhören sollten. Der Heilbronner Oberbürgermeister war klug genug, die Andeutungen des Herrn Ministers etwas schärfer zu präzisieren und aus dem ganzen Verlauf des Ministerbesuchs in Heilbronnn geht heute schon soviel hervor, daß die rauhbeinigen Angreifer des Oberbürgermeisters seitens der Staatsregierung keine Unterstützung finden und demgemäß entschieden den Kürzeren ziehen werden. Bekanntlich sind die Heilbronner Rathauswirren dadurch entstanden, daß Hegelmaier dem Eigennutz einzelner Heilbronner, welcher zum Schaden der Gcsamtintereffen ausfallen muß, energisch entgegentritt und er kann nur öffentlichen und allgemeinen Beifall finden, wenn er diesem Eigennutz Einzelner auch fernerhin nachdrücklich entgegentritt. Gerade solchen Egoisten gegenüber ist ein unbestechlicher Oberbürgcr- merster, wie Hegelmaier es nachgewiesener Maßen ist, der einzig richtige Mann.
Oberndorf, 25. Juli. In den Bestand der hier durch Kommissionen vertretenen Staaten, welche Waffen zu übernehmen haben, sind im Laufe dieser Woche einige Aenderungen einge- lreten. Mit dem heutigen Tag verließ unsere Stadt nach einem Aufenthalt von 2'/, Monaten die kleinste der bisher sich hier befindlichen militärischen Kommissionen, die preußische. Angekommen ist vor wenigen Tagen eine schwedische Kommission, 10 Mann hoch. Sie besteht aus 3 Offizieren, einem Waffeningenieur und 6 Rüstmeistern, zu deutsch Büchsenmachern. So sind wir um eine Nationalität internationaler geworden, ein Ereignis, das wir Mauser's Waffengenie verdanken. Die Kommission übernimmt für die schwedische Regierung Karabiner und wird ein halbes Jahr dableiben. Noch länger wird die sehr starke türkische Kommission, die gegenwärtig ihre Lieferungen beschleunigt, in unserer Waffenstadt verweilen, in welcher sie bereits über 7 Jahre zugebracht hat. — Auch hier werden seit einiger Zeit von Krankheit betroffene Schweine, deren Fleisch minderwertig geworden ist, auf der Freibank ausgehauen. Der Preis per Pfund schwankt zwischen 30 u. 40 — Der Dieb, der in der „Sonne" hier 400 ^ gestohlen hat, konnte noch nicht ermittelt werden. — Zu Anfang des nächsten Monats wird der hiesige Gewerbeverein, dem Beispiel anderer folgend, die Straßburger Ausstellung besuchen. Es wird auf ansehnliche Beteiligung gehofft.
Am 21. Juli sind gerade 400 Jahre verstrichen, seil Württemberg auf dem berühmten Wormser Reichstag von 1495 durch den Kaiser Maximilian I. aus einer Grafschaft zum Rang eines Herzogtums erhoben wurde. Damit war die Einführung der ausschließlichen männlichen Erbfolge nach dem sogenannten Linear- prinzip verbunden, während die Grafschaft nach dem Senioratsprinzip immer an das älteste Mitglied der Grafenfamilie vererbt worden war. Nun wurde Württemberg auch erst ein Reichslehen und konnte für den Fall des Erlöschens des Mannesstammes zwar nicht ans Haus Oesterreich fallen — dagegen war ausdrücklich Vorsorge getroffen —, wohl aber zum königlichen Kammergute geschlagen oder, wie wir heute sagen, zum „Reichsland" gemacht werden. Für einen solchen Fall wurde dem Zwölfer- Ausschuß der Landstände unter Vorsitz eines Präsidenten die Regierung des Herzogtums Vorbehalten. Der erste Herzog war der aus Justinus Kerners Lied weltbekannte Eberhardt im Bart, „der reichste Fürst", weil er sein Haupt „jedem Unterthan kühnlich in dem Schoß legen durfte." Er regierte von 1459 bis 1496 und ward 51 Jahre alt; die Universität Tübingen ward von ihm 1477 gestiftet. Als Herzog bekam er Rock, Mantel, Hut und Schwert vor versammeltem Reichstag und zum Stammwappen des Hirschhorns und der Fische von Mömpel- gard noch die Wecken von Teck sowie die Reichs- sturmfahne. Württemberg zählte damals etwa
400000 Seelen; zum einfachen Reichsaufgebot stellte es seit 1521 60 Reiter und 277 Knechte zu Fuß, so viel wie ein Kurfürstentum. Heute zählt es als Königreich 2 Millionen Einwohner, und stellt ein volles Armeekorps, das 13.; sein Haushalt erfordert jährlich etwa 70 Millionen Mark. Die Vergrößerung erfolgte bekanntlich in den napoleonischen Zeiten, 1803, 1805 und 1809; durch sie wurde der vorher rein protestantische Staat ein gemischter, in dem die Katholiken 29 Prozent der Bevölkerung ausmachen.
Ausland.
In Oesterreich ist nunmehr völlig politische Stille eingekehrt, die aber nicht lange an- halten dürfte, da die Einzellandtage von Tirol, Görz und Gradiska aufgelöst wurden, weshalb sich die Parteien bereits wieder an die Wahlagitation machen. Der Kardinal Baszary, Fürstprimas von Ungarn, hatte von der Inquisitions- Kongregation in Rom die Erlaubnis ausgewirkt, daß katholische Lehrer in Ungarn als Zivilstandsbeamte fungieren dürfen. Andere ungarische Bischöfe und die niedere Geistlichkeit scheinen aber beim Papst selbst mit Erfolg dagegen agitiert zu haben, weshalb der Papst die erwähnte Kongregation desavouierte und die dem Kardinal Baszary gewährte Erlaubnis zurückzog.
Paris. 26. Juli. Aus Rio de Janeiro wird gemeldet, daß gestern in Sao Paolo erregte Volksmassen einen Angriff auf das englische Konsulat versuchten.
Antcrhattender Heil.
Ein Brillantenhalsband.
Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Während der nächsten Tage verlautete in den Zeitungen von M. nicht viel von dem Fortgang der Untersuchung in der sensationellen Mordsache. Die mit der Führung der Angelegenheit betrauten Beamten, der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter, machten sehr ernste Gesichter und verhielten sich außerordentlich schweigsam und zugeknöpft. Die Zuversichtlichkeit, mit welcher sie seit der Verhaftung Bern- hard's ihre eigentliche Arbeit als beendet angesehen hatten, schien sie völlig verlassen zu haben, und ihr Betragen gegen den Arrestanten hatte sich seit einer langen und geheimnisvollen Unterredung, welche Doktor Hartwig mit dem Untersuchungsrichter geführt, in auffälliger Weise verändert. Zwar hatte Bernhard nach wie vor täglich eine große Anzahl von Verhören zu bestehen, aber man behandelte ihn während derselben mit möglichster Rücksichtnahme und der Richter zeigte sich seinen Versicherungen und Erklärungen gegenüber nicht mehr so durchaus ungläubig wie früher.
Der junge Mann hatte sich bisher in seinen Aussagen nicht auf dem kleinsten Widerspruch ertappen lassen, und welche Kreuz- und Querfragen auch immer behufs Erlangung eines Geständnisses an ihn gerichtet werden mochten, er war stets bei der nämlichen Erzählung geblieben, die schon Else aus seinem Munde vernommen hatte. Daß er sich mit der Entführung des jungen Mädchens einer strafbaren Handlung schuldig gemacht, gestand er unumwunden ein, jede weitere Anklage aber wies er mit vollster Entschiedenheit weit von sich ab. Er gab zu, an jenem unglückseligen Abend in einigermaßen aufgeregtem Zustande zu seiner Tante gekommen zu sein, wenn er auch die Schilderungen des Rüdiger'schen Ehepaares für arg übertrieben erklärte. Aber seine Aufregung sei wohl hinreichend zu erklären aus den Umständen, unter denen er diesen Abschiedsbesuch abgestattet, und von irgend einem Streit zwischen ihm und dem alten Fräulein könne auch nicht im Entferntesten die Rede sein. Den Bcillantschmuck habe sie ihm freiwillig und trotz seines Widerstrebens zum Geschenk gemacht, und wenn er denselben in der Hafenstadt mit zu viel Geheimlhuerei zu einem so unangemessenen Preise verschleudert habe, so bedürfe dieses Verfahren wohl ebenfalls keiner weiteren Erläuterung und Begründung.