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die bezweckt werden soll, sozialdemokratischen Hebelgriffen in den Turnervereinen entgegenzu- trcten. Der Antrag des Ausschusfes der deutschen Turnerschaft zu Z 2 des Grundgesetzes lautete: .Der Zweck derselben ist die Förderung des deutschen Turnens als eines Mittels zur körper­lichen und sittlichen Kräftigung, sowie die Pflege deutschen Volksbewußtseins und vaterländischer Gesinnungen (unter Ausschluß jedweder poli­tischen Parteibestrebung.)" Die in Klammer gesetzte Stelle veranlaßte lebhafte Erörterungen. Es wurden verschiedene Abänderungen vorge­schlagen. Der Wupperthalgau stellte den Antrag hinterKräftigung" zu setzen:Jede Politik in den Turnvereinen ist ausgeschlossen". Diese Fassung fand nicht die volle Unterstützung. Es wurde weiter vorgeschlagen, zu setzen:Alle politischen Parteibestrebungen sind ausgeschlossen " Nach langen Erörterungen wurde diese Fassung mit großer Mehrheit angenommen als Aender- ungssatz nach dem WortGesinnungen."

Das am Sonntag und Montag inBiberach abgehaltene 24. Liederfest des Schwäb. Sängerbundes ist großartig verlaufen. An dem Wettsingen im ländlichen und höheren Volksgesang, sowie sm Kunstgesang beteiligte sich eine überraschend große Anzahl von Ver­einen und nach dem übereinstimmenden Urteil aller Anwesenden wurde den Preisrichtern durch die geradezu hervorragenden Leistungen der einzelnen Vereine die Arbeit des Preisrichter­amts sehr schwer gemacht, was denn auch die Preisrichter unter Anerkennung des bedeutenden Fortschritts und unter Aufmunterung der dies­mal nicht prämiierten Vereine ausdrücklich an­erkannten. Der Jubel in den Städten und Dörfern, deren Gesangvereine sich Preise in Biberach geholt haben, ist begreiflicherweise sehr groß.

Tübingen. 25. Juli. Die heute hier tagende Lanvesversammlung der württemb. Körperschaftsbeamten sprach sich einstimmig dahin aus, daß cs mit den Grundsätzen der Verfassung nicht vereinbar erscheine, daß ein Kandidat, der vor der Wahl zum Ortsvorsteher die Erklärung abgegeben hat, sich nach dem Ab­lauf einer bestimmten Zeit einer Neuwahl unter­werfen zu wollen, die staatliche Bestätigung er­halten könne, und beschloß, eine Kommission zur Berichterstattung nach Einholung eines Rechts­gutachtens zu bestellen.

Cannstatt, 20. Juli. Eine sehr auf­fallende Erscheinung wird an den Bäumen be­merkt: das Laub an Obst- wie an Zierbäumen, auch an den Platanen und Kastanien wird jetzt schon welk und fällt ab. Selbst in dem heißen und regenlosen Sommer des Jahres 1893 war dies nicht der Fall und man wird deshalb nicht fehlgehen, wenn man die Ursache in dem letzten strengen Winter sucht. Eine andere unliebsame Erscheinung ist das massenhafte Vorhandensein von Würmchen in den Kirschen, man findet kaum eine einzige, von welcher Sorte es sei, in welcher sich nicht eine Made vorfindet.

Aus dem Bezirk Neresheim. Unter den­jenigen Schülern, die das diesjährige Landexamen bestanden, befand sich auch der Sohn eines Volksschullehrers in unserem Bezirk. Derselbe wurde von seinem Vater, der zu diesem Zweck selbst die einzelnen Fächer erst erlernen mußte, selbständig so vorbereitet, daß es ihm gelang, einen Platz in der ersten Hälfte zu erringen. Es gereicht dies Vater und Sohn gleich zur Ehre.

Herrenberg, 21. Juli. Assistent Kil- linger hat nunmehr seine anstrengende Revistons- arbeit unserer Borschußbank beendet. Das un­erfreuliche Resultat derselben ist die Feststellung eines Fehlbetrags von über 280000 v-L Bank- kontrolleur Sauter ist bereit, 100 000 ^ zu decken; für 80000 -M wollen die Mitglieder des Aufsichtsrats aufkommen. Der Rest soll auf die Bankmitglieder umgelegt werden. Da die Zahl derselben gegenwärtig 500 beträgt, so würde den einzelnen kein hoher Verlust treffen. Wenn bei der demnächst stattsindenden General­versammlung auf Grund obigen Anerbietens ein Vergleich zu stände kommt, würde hiedurch de- Fortbestand der Bank gesichert. Die Kautions­summe des Kassiers Klaiber betrug 10 000 ^

in Wertpapieren hinterlegt. Der Tochtermann Klaibers übersandte kürzlich der Vorschußbaak 600.0 welchen Betrag dessen Frau s. Z. als Heiratsgut erhalten hatte.

Voll, O.A. Göppingen. 24. Juli. Dieser Tage kam auf dem hies. Viehmarkte ein eigen­artiger Viehhandel zu Stande. Metzger und Wirt D. aus Göppingen kaufte von dem Vieh­händler B. einen Ochsen für 250 und als Trinkgeld dazu einen alten Konzertflügel. Daß dieser Flügel immerhin noch einen ordentlichen Wert hat, geht daraus hervor, daß Metzger D. denselben letzte Fastnacht von Bäckermeister F. in Göppingen um 1500 Laugenwecken erstand.

Crailsheim, 25. Jnli. In Reichenbach, bayer. Bezirksamt Feuchtwangen kaufte vor kurzer Zeit ein Bauer von einem Handelsmann von Schopfloch ein Paar Ochsen um 700 vfL, als er die Tiere einige Tage in seinem Stall hatte, machte er die Wahrnehmung, daß einem Ochsen ein ausgehöhlter Schweif angeleimt war und weggefallen ist, so daß der Ochse den reinsten Rattenschwanz hat und infolge dieses bedeutend weniger wert ist. Der fragt. Handelsmann ist nun wegen Betrugs angezeigt und sieht wegen seines Handelskniffes einer gerechten Strafe ent­gegen.

Ausland.

Der Kaiser von Rußland hat vom deutschen Kaiser ein eigenhändiges Hand­schreiben bekommen. Was darin steht, weiß man noch nicht, aber es liegt außerordentlich nahe, daß das Handschreiben den Zaren veranlassen will. Rußland möge «egen der bulgarischen Geschichte und wegen der Revolution in Make­donien keinen europäischen Brand Hervorrufen. Bon einer Antwort des Zaren an den deutschen Kaiser verlautet noch nichts.

Die französische Presse hatte in der Ange­legenheit der Ermordung Stambulows eine geradezu schmähliche Haltung eingenommen, indem sie den feigen Mördern Stambulows Recht gab und nach dem Ermordeten noch Pfeile des Hasses abschoß. Diesmal hatte aber die französ. Presse, welche gehofft hatte, das beson­dere Wohlgefallen Rußlands durch derartige Gemeinheiten zu erringen, falsch kalkuliert, denn die russ. Presse war viel anständiger in ihrem Urteil über Stambulow und namentlich war sie einstimmig in der Verurteilung der feigen Mörder. Hintendrein sucht nun wenigstens der größte Teil der Pariser Blätter seine Haltung etwas zu korrigieren, aber die gesamte übrige europä­ische Presse hat ihr Urteil über diese Russen­kriecherei schon gesprochen.

In der bulgarischen Hauptstadt hat die Polizei bei der Beerdigung des ermordeten Stambulow eine geradezu nichtswürdige Rolle gespielt, indem berittene Gensdarmen von einem Seitengäßchen heraus plötzlich in den Trauer­kondukt hineinsprengten und so einen heillosen Wirrwarr hervsrriefen, so daß sogar Vertreter fremder Mächte und deren Gattinnen nieder­geworfen und getreten wurden. Die Bulgaren sind reif für die russ. Knute. Prinz Ferdinand läßt zwar von Karlsbad aus versichern, in Bulgarien sei alles ruhig, aber er selbst und seine jetzige Regierung haben mit Gewalt die Stütze seiner Herrschaft, bestehend aus den Sym­pathien der DreibundOiächte und Englands zer­stört und es müßte mit seltsamen Dingen zu­gehen, wenn nicht die Koburgiade in verhältnis­mäßig kurzer Frist in Bulgarien das verdiente Ende fände. Jetzt schon sprechen die slavischen Blätter davon, daß man den langnasigen Prinzen Ferdinand aus Bulgarien entfernen und für dessen 1*/rjähriges Söhnchen eine russ. Regent­schaft einsetzen solle.

Im italienischen Parlament machten die persönlichen Feinde Crispis gegen! letzteren wieder einen Vorstoß, den aber der Justizminister klug abschlug. Der König Humbert, den Börsen­gerüchte schwer erkranken ließen, befindet sich wohl und hält energisch zu Crispi, der zur Zeit der einzige italienische Staatsminister ist, der das Land aus seiner finanziellen Not einiger Maßen herausführen kann.

In England dauern die Unterhauswahlen noch immer fort. Die Städte und größeren

Ortschaften, welche eigene Unterhausmitglieder zu ernennen haben, sind zwar mit ihren Wahlen fertig. Nun kommen aber noch die Grafschaften daran. In England, Wales und Schottland haben die Gladstoneaner bisher schon ganz un­geheure Niederlagen erlitten und jede neue Wahldeptsche bringt für die Gladstoneaner neue Hiobsposten. Das Kabinet Salisbury Cham- berlain wird also über eine bedeutende und dabei durchaus sichere Majorität im Unterhaus verfügen. Von der Abschaffung des Oberhauses ist keine Rede mehr. Nun ist aber auch bekannt, daß Marquis Salisbury für den Fall eines europäischen Krieges nicht neutral bleiben, son­dern die englische Flotte in den Kampf eingreifea lassen würde. Dies weiß man in Paris und Petersburg sehr genau und wenn die Kriegs­gelüste an der Seine wieder etwas abgekühlt werden, so hat man dies nur den neuen engl. Wahlen zu verdanken.

Die Lage der Spanier auf Kuba scheint sich immer bedenklicher zu gestalten. An die svnnischen Siegesdepeschen macht man schon allenthalben ein Fragezeichen. Marschall Mar­tine; Campos scheint in der Stadt Bayamo von den Aufständischen geradezu belagert zu werde« und nun schickt die spanische Regierung Hals über Kopf große Truppenmassen nach Kuba.

Aus Frankre ich, 23. Juli. Zwei Genie­soldaten in Versailles zielten mit ihren Dienst- gewehreu im Scherz aufeinander. Plötzlich ent­lud sich das Gewehr des einen; der andere wurde in den Hals getroffen und siel tot um.

Toulon. 24. Juli. Durch das Zer­platzen eines Stoßbodens eines Geschützes bei der Uebung des GeschwaderpanzersBou- vines" wurde ein Matrose getötet, Contreadmiral Chateauminois, zwei Offiziere und mehrere Mann der Schiffsbesotzung verwundet.

Aus Amerika, 13. Juli. Die Stadt Silver-Bity in Neumexico ist durch einen Wirbelsturm völlig zerstört morden. 30 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.

ZlnLerHattender Heil.

Ein Brillantenhalsband.

Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Der Beamte schüttelte den Kopf. Seine Kombinationsgabe scheiterte offenbar an diesen schwierigen Dingen, und er zog es vor, sich in Schweigen zu hüllen. Aber er willfahrte ohne Widerspruch dem Wunsche des Doktors, mit ihm noch einmal Umschau in dem Garten zu halten, um dabei doch vielleicht noch irgend einen neuen Anhalt zu gewinne«. Aber Hartwig's Erwart­ung erfüllte sich nicht, und der einzige Umstand, der ihm von einiger Bedeutung schien, war die Wahrnehmung, daß der Garten hinter dem Hause durch einen mäßig breiten Abzugsgraben begrenzt wurde, dessen trübes, schlammiges Wasser lang­sam und schwerfällig dahinfloß.

Seine Frage, ob man auch diesen Graben nach dem von dem Verbrecher wahrscheinlich fortgeworfenen Mordinstrument durchsucht habe, wurde von dem Kriminalbeamten verneint. Dan« aber mochten diesem wegen seines offenherzigen Verkehrs mit einer Zivilperson doch einige Be- senken kommen, denn er meinte, es sei wohl besser, wenn der Doktor jetzt den Garten ver­lasse, in welchem er nach seiner Instruktion eigentlich Niemanden den Aufenthalt gestatten sollte. Hartwig fügte sich dieser etwas ver­späteten Weisung gern, denn für ihn gab es ja hier ohnedies nichts mehr zu thun.

Er ging quer über die Straße und zog die Glocke an der Wohnungsthür des Goldarbeiters Rüviger, der, wie ein draußen befestigtes Schild bekundete, auch einen Handel mit Schmucksachen und Juwelen betrieb. Um einen Vorwand für seinen Besuch war der Doktor also zum Glück nicht in Verlegenheit und um seines guten Zweckes willen trug er diesmal kein Bedenken, sich hinter eine kleine Notlüge zu verstecken.

Die weibliche Person. welche ihm öffnete, war offenbar die in jüngster Zeit so viel ge­nannte Frau Rüdiger selbst, und ihr Anblick allein war vollkommen hinreichend, um Hartwig