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Kriegschromk 1870/71.

24. Juli 187«.

Saarbrücken. Einige 30 Mann vom 7. Ulanen- Regiment sind heute früh über die Grenze gerückt und haben die Verbindungsbahn zwischen Saargemünd und Hagenau dadurch unterbrochen, daß sie einen Viadukt in die Lust sprengten und an verschiedenen Stellen die Schienen aufrissen.

Saarbrücken. Französische Jäger schossen heute auf einen mit preußischen Soldaten besetzten Eisenbahn­zug trafen aber nicht. Ein Offizier wurde nur leicht verwundet.

Gestern abend wurde Saarlouis gegenüber von Douaniers auf diesseitige Kavallerie-Patrouillen ge­schossen; zwei Pferde verwundet. Heute hat eine Compagnie des 8. Rhein. Infanterie-Regiments Nr. 70 das Zollhaus in Schrecklingen mit Zollkasse genommen. Douaniers teils getötet, teils gefangen; Lieutenant von Alten vom 70. Regiment verwundet. Fünf desertierte Franzosen hier eingetroffen. Heute früh bei Gersweiler Scharmützel; der Femd ließ 10 Mann liegen; diesseits kein Verlust. Zündnadel gegen Chassepots stets vor­züglich bewährt.

25. Juli 187«.

Berlin. Seine Majestät der König erläßt im Staats-Anzeiger" folgende Ansprache:Aus allen Stämmen des deutschen Vaterlandes, aus allen Kreisen des deutschen Volkes, selbst von jenseits des Meeres sind aus Anlaß des bevorstehenden Kampfes für die Ehre und Unabhängigkeit Deutschlands von Gemein­den, Korporationen, Vereinen und Privat-Personen so zahlreiche Kundgebungen der Hingebung und Opfer­freudigkeit für das gemeinsame Vaterland zugegangen, daß es Mir ein unabweisliches Bedürfnis ist, diesen Einklang deutschen Geistes öffentlich zu bezeugen und dem Ausdruck Meines königlichen Dankes die Versicher­ung hinzufügen, daß Ich dem deutschen Volke Treue um Treue entgegenbringe und unwandelbar halten werde. Die Liebe zum gemeinsamen Vaterlande, die einmütige Erhebung der deutschen Stämme und ihrer Fürsten hat alle Unterschiede und Gegensätze in sich geschlossen und versöhnt, und einig, wie kaum jemals zuvor, darf Deutschland in seiner Einmütigkeit wie in seinem Rechte oie Bürgschaft finden, daß der Krieg ihm dauernden Frieden bringen und daß aus der blutigen Saat eine von Gott gesegnete Ernte deutscher Freiheit und Einigkeit sprießen werde.

Berlin, 25. Juli 1870. Wilhelm."

Berlin. Die Meldungen von jüngeren und älteren Leuten zum freiwilligen Eintritt m die hiesigen Garde- Regimenter sollen u. A. beim Kaiser Franz-Grenadier- Regiment die Zahl von 900 schon erreicht haben, während beim ersten Garde-Dragoner-Regiment sich bereits 400 Freiwillige gemeldet haben.

Die Truppenteile sind laut Bekanntmachung des Kriegsministeriums ermächtigt worden, ohne Rücksicht auf den Etat, Individuen, welche nicht ersatzpflichtig sind, als Kapitulanten bezw. Freiwillige für die Dauer des Krieges, demnach eventuell zu einer kürzeren als ein- oder dreijährigen Dienstzeit anzunehmen, und ist bei derartigen Einstellungen das Lebensalter nicht entscheidend, dagegen völlige Felddienstfähigkeit unab­weisliches Bedürfnis.

London. In derTimes" veröffentlicht Graf Bismarck ein Aktenstück, in welchem Frankreich durch Benedetti Anerbietungen an Preußen macht, zu dem Zwecke, Frankreich den Erwerb Luxemburgs und Bel­giens zu erleichtern. Die Veröffentlichung erregt un­geheures Aufsehen.

Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Seine Majestät der König hat den Land­gerichtsrat Frhrn. v. Illingen in Stutt­gart zum Landgerichts-Direktor an dem Land- gerichl Stuttgart ernannt.

Seine Majestät der König hat den Jnstiz- Referendär 1. Kl. Dr. Schwabe, Amtsanwalt und Hilfsrichter in Neuenbürg, zum Amts­richter in Wangen ernannt.

Lieben zell. 23. Juli. Ohne daß ein Kampf der Parteien entstanden wäre hat, sich in den letzten Tagen in unserer Gemeinde über dem frischen Grab unseres Stadtjchultheißen Schneider die Neuwahl eines Ortsvorstehers vollzogen. Nachdem in Folge ergangenen Auf­rufs 13 Kandidaten um die erledigte Stelle sich beworben hatten, wurde denselben am vergangenen Sonntag nachmittags Gclegenheir gegeben, der Wählerschaft sich persönlich vorzustellcn und Ansprachen an dieselbe zu richten. Dazu haben sich jedoch nur 8 Männer eingefunden. Von denselben wurden noch am Abend desselben Tags durch Beschluß einer Bürgerversammlung 4 rn die engere Wahl gestellt: ein Schultheiß, ein Verwaltungsaktuar, ein Revisionsassistent und ein Gerichtsschreiber. Der Montag diente dazu, die Ansichten der Wähler noch weiter zu klären, und heute hat die hiesige Gemeinde in erfreu­licher Einmütigkeit sich ihren neuen Vorstand gewählt in der Person des Berwaltungsaktuars Karl Kiuzler von Aldingen, O/A. LudwigS-

bürg. 114 von 126 abgegebenen Stimmen lauteten auf ihn. Man giebt sich der Zuver- sicht hin. in demselben eine tüchtige Arbeitskraft und einen Mann von zuverlässigem Charakter gewonnen zu haben. Möge diese Hoffnung sich bewähren und durch den neuen Stadtvorstand der Gemeinde Bestes in jeder Hinsicht gefördert werden!

Deutsches Weich.

Berlin, 24. Juli. Die deutschen Kriegs- schiffeStosch",Kaiserin Augusta" u.Hagen" sind am 23. d. Mts. von Tanger nach Rabad in See gegangen. Me deutsche Kreuzerdivision, welche in Ostasten stationiert ist, begicbt sich am 25. d. Mts. von Frehifu (China) nach Kobe (Japan).

Berlin, 24. Juli. DerReichsanz." veröffentlicht eine Bekanntmachung der Reichs­schuldenverwaltung, die eine Belohnung dis dreitausend Mark demjenigen zusicherl, der den Verfertiger und Vertreider falscher Fünfzig- Markscheine zuerst ermittelt und dergestalt nachweist, daß der Verbrecher belangt werden kann.

Grünberg (Schlesien), 25. Juli. Als gestern abend 9 Uhr 55 Min. der von Liegnitz kommende gemischte Zug 1010 in die Station Raubten einfuhr, verjagte die Carpcnterbremje. Der Zug fuhr über die Drehscheibe hinweg, riß die Prellböche um und drang in das Stations­gebäude ein. Drei Reisende sind schwer, sieben leicht verletzt. Vom Zugspersonal wurde ein Bremser getötet, der Zugführer leicht verletzt; der Lokomotivführer und Heizer sind unverletzt.

Karlsruhe, 24. Juli. Zu dem Militär- verbandssest, welches am ersten Sonntag u«d Montag des August hier staltfindet, erwartet man ein ungeheueren Zujammenstrom aus allen Teilen des Landes. Das Fest ist übrigens in erster Reihe eine Feier der Milirärvereine, und es wird deshalb wohl mit Recht geltend gemacht, daß bezüglich der Eisendahnsahrt Nichtmitgliedern keine größeren Vergünstigungen bewilligt werden können, als den VereinsmilgUedern selbst. Auch steht ja der Beitritt zu den Vereinen jedem Be­rechtigten frei.

Mannheim, 23. Juli. Ein besonderer Arbeiterzug nach Straßburg zur Ausstellung war vorige Woche von hiesigen Arbeitern ver­anlaßt worden. Die Bahnoerwaltung hatte zugesagt, einen solchen Sonderzug zu stellen, wenn 800 Personen teilnehmen würden. Die Nachfrage nach Karten war aber so lebhaft, daß die Zahl der Anmeldungen, bereits gestern sich auf 2100 belief. Der Zug wird nunmehr in zwei Abteilungen nach Slraßburg fahren, der zweite Zug 15 Minuten hinter dem ersten. Der Ausflug findet am nächsten Sonntag statt.

Aus Bayern, 22. Juli. Aus Würzburg wird derFranks. Ztg." geschrieben: Ein Gym- nasiast, dem man das Zeugnis derReife" nicht gut versagen kann, machte in Münnerstadt das Abiturienten-Examen. Es ist dies ein 35jährtger Privatier, früherer Uhrenhändler, der nach drei­jähriger Vorbereitung die Reife-Prüfung ablegte, um sich dem geistlichen Stande zu widmen.

Württemberg.

Stuttgart, 25. Juli. Unsere Königs­familie weilt noch immer in Be den Hausen und scheint für die Waldluft des Schönbuchs eine große Vorliebe gewonnen zu haben. Von Zeit zu Zeit macht der König einen kleinen Ausflug und erschien so vor wenigen Tagen auch unerwartet in Roltenburg bei einer fest­lichen Vereinigung des dortigen Veteranenver­eins anläßlich einer Gedenkfeier an die Ereig­nisse von 1870. Die Veteranen waren durch diesen königl. Besuch hoch erfreut. Sicherem Vernehmen zufolge reist die kgl. Familie nächsten Montag Vormittag 10 Uhr von hier ad. um sich für einige Zeit nach der Billa Seefeld bei Rorschach zu der Mutter Seiner Majestät, der Prinzessin Katharina, zu begeben.

Stuttgart, lieber das Schicksal des Re- ligivnsversaliengesetzeS wird geschrieben: Dieses Gesetz, welches die katholische Thronfolge im Auge Hai und für diesen Fall die Verhält­nisse in der evangelischen Kirche regeln will,

I hat ein Schicksal erlebt, das ihm s. Z. niemand § zugetraut hätte; es ist zuerst auf Antrag des Zentrums in die Kommission gewandert und nun bis zum Herbst verschoben worden. Es war vorauszusehen, daß lebhafte Erörterungen über das Schicksal des Gesetzes sich einstellen werden und daß, wie es bei solchen konfessionellen Angelegenheiten der Fall zu sein pflegt, die öffentliche Meinung sehr getrübt wird. Das Gesetz, das von der evang. Landessynode lange beraten wurde, weist zwei Seiten auf, eine inner- kirchliche; diese Bestimmungen des Gesetzes gehen die Stände nichts an. Das Gesetz geht aber auch in manchen Bestimmungen auf das staats» rechtliche Gebier über und anläßlich dieser Be­stimmungen ist es zum Konflikt gekommen. Das Zentrum befolgt hiebei die Politik, unter allen Bedingungen dem neu zu bildenden evangelischen Kirchenregiment den Charakter und den Schein einer offiziellen Regierungsbehörde zu benehmen, dieselbe vielmehr auf das Gebiet einer inner- kirchlichen Behörde zurückzudämmen. Deshalb bekämpft es den Artikel 1 des Gesetzentwurfes, welcher vorschlägt, 3 Staatsminister, bezw. Mit­glieder des Geheimen Rates sollen kraft ihres Amtes verpflichtet sein, Mitglieder der evang. Kirchenregierung zu werden. Da sich die Volks­partei mit Rücksicht auf ihren Programmsatz nach Trennung von Staat und Kirche diesem Zwang ebenfalls widersetzte, so fiel der Synodal­paragraph in der Kommission mit 6 gegen 1 Stimme durch (v. Schad und v. Gemmingen fehlten). Um wenigstens das Ganze zu retten, sprang Kultusminister v. Sarwey mit einem Vermtttlungsantrag ein, welcher Vorschlag, den vielangefochtenen Synodalparagraphen m sus- xollso zu lassen und wenigstens dem andern Teil des Gefetzes die ständische Sanktion zu er­teilen. Dieser Antrag siegte in der Kommission mit 4 gegen 3 Stimmen des Zentrums, wetches will, daß den Ministern geradezu verboten werde, Mitglieder der evang. Kirchenregierung zu werden. Nach etlichen Plänkereien im Plenum brachte der Führer der deutschen Partei, Sachs, den Antrag ein, die Beschlußfassung zu vertagen, weil keine schriftliche Benchteriratlung vorliege. Wir halten unter den obwaltenden Umständen die Annahme des Antrags Sachs auf Vertagung für besser, als ein übereiltes Durchberaten eines so wichtigen Gesetzentwurfs und zwar umso­mehr, Sa verschiedene Abgeordnete offenbar sehr im Zweifel waren, wie sie, um dem Willen ihrer Wähler gerecht zu werden, bei der neuen Wendung der Dinge stimmen sollen; manche Abgeordnete haben ihren Wählern ausdrücklich versprochen, für das Gesetz zu stimmen und wären bei der Abstimmung in einer gewissen Verlegenheit gewesen. Inzwischen werden sie Gelegenheit erhalten, sich über die Stimmung ihrer Wähler zu orientieren. Die deutsche Par­tei tritt geschloffen für die Synodalbeschlüffe ein. Es ist zu wünschen, daß in die Bevölkerung in der vorliegenden Affaire, die zunächst einen Grund zur Beunruhigung nicht bietet, eine kon­fessionelle Erregung nicht hineingetragen wird. Der Versuch wird zwar voraussichtlich gemacht werden; es dürfte aber die Hoffnung berechtigt erscheinen, daß es beim Versuch bleiben werde.

S t u t t g a r t, 23. Juli. Der Oberstudien­rat Jäger ist auf seine Bitte der ihm über­tragenen Ratsstelle bei der Kultusministerial- adteilung für Gelehrten- und Realschulen ent­hoben und wieder auf seine frühere Stelle als Rektor der Realanstalt in Cannstatt ernannt, die hierdurch wieder erledigte Ratsstelle ist dem Professor Weigle an der Realanstalr in Stutt­gart übertragen worden.

Eßlingen, 23. Juli. Der 11. deutsche Turntag wählte zum Vorsitzenden der deutschen Turnerschaft den bisherigen Geschäftsführer vr. moä. Götz-Lindenau, zum Geschäftsführer den Gymnastaloberlehrer Ür. Rühl-Stettm. In den engeren Ausschuß wurden gewählt Pro­fessor Keßler-Stuttgart, vr. Eck. Ä. Schmidt- Bonn und Kaufmann I. Hoppe-Berlin. Ein Antrag, den Ausschuß zu beauftragen, eine ein­heitliche Turnsprache herzustellen, wurde mit 115 gegen 101 Stimmen adgelehnt. Der Turnerlag beriet weiter über die Anträge zum Grundgesetz der deutschen Turnerschaft, durch