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Aus Baden, 10. Juli. Welchen Fisch­reichtum der Bodensee birgt, zeigt der Umstand, daß im vergangenen Jahre im Obersee etwa 480000 Felchen und 120000 Gangfische ge­fangen wurden. Dazu kommen noch in ziem­lichen Mengen Forellen, Hechte, Kilche. Saib­linge, Brachsen u. s. w. Baden zählt am Bodensee weitaus die meisten Netzfischer, nämlich 70. Bei diesen Ergebnissen wird der Jahressang gleich­wohl nur als mittelmäßiger bezeichnet!

Württemberg.

Der württemb. Landtag begegnet nach seiner nunmehrigen Vertagung in der Presse einer vorwiegend anerkennenden Kritik. 101 Tage war er offiziell versammelt und in dieser Zeit hat die 2. Kammer 63 Sitzungen abgehalken, von welchen 35 der Beratung des Staatshaus­halts gewidmet waren. Da nicht weniger als 40 neue Männer in die 2. Kammer kamen, so ist es begreiflich, daß jeder sich durch seine Reden bei den Wählern in ein günstiges Licht setzen wollte. Von den erledigten Gesetzen sind her­vorzuheben. das Gesetz über das Volksschulwesen, die Genehmigung des Eisenbahnbaukredits in Höhe von ca. 15 Millionen, die Abänderung der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und die Herabsetzung der Malzsteuer für die kleinen Betriebe um 75 o/o. Die bekannte Adresse mußte sich begreiflicherweise aufForderungen beschränken. Sie enthielt aber einerseits nichts von der Ab­schaffung der ersten Kammer und andererseits nichts von der Einführung der Männerorden in Württemberg, auch kein Sterbeswörtchen von der Abschaffung des Umgelds. Die Hauptpunkte der Adresse waren offenbar die Entfernung der sogenannten Privilegierten der 2. Kammer und die Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Orts­vorsteher. In beiden Fragen zeigte die Staats­regierung Geneigtheit zu großem Entgegen- kommen. Wie sich nachher die Sache in Wirk­lichkeit gestalten wird, bleibt übrigens abzu­warten.

Stuttgart, 19. Juli. Das Ergebnis der Stuttgarter Hauptsammelstelle für die lieber- schwemmten im Balinger Bezirk hat nun mit Einschluß der für diesen Zweck vom Komite des Frühlingssestes überwiesenen ca. 10000 »sL die Summe von 100000 überstiegen, wahrlich ein schöner Beweis für die Opferwilligkeit der schwäbischen Hauptstadt, zumal wenn berücksichtigt wird, daß unmittelbar nach der Katastrophe reiche Sammlungen nach Balingen direkt versendet wurden, die in der oben erwähnten Summe nicht inbegriffen sind! Da neuerdings durch schweren Hagelschaden in den Oberämtern Calw und Nagold erne Zahl von Ortschaften aufs Härteste betroffen und die meist sehr arme Bevölkerung in bange Not und Sorge versetzt wurde, so ist zu hoffen, daß nun auch für diese Bedürftigen bei dem großen Verlust von zus. 750000 die Mildthätigkeit helfend eintreten werde. Wer da weiß, was die Vernichtung der ganzen Ernte für den kleinen Bauer bedeutet, der dann Mehl und Brot auf Borg kaufen muß, dem wird ge­wiß solches Elend die Hand zu einer Gabe öffnen.

Stuttgart. Am Sonntag, 14. Juli, machte der Bezirksverein Stuttgart desWürttem- belgischen Schwarzwaldvereins unter zahlreicher Beteiligung, namentlich auch der Damen, einen vom herrlichsten Wetter begünstigten Ausflug nach Kloster Reichenbach. Von Freudenstadt aus wurde alsbald im taufrischen Morgen auf schönen Waldwegen zu den malerischen Sanken- bachwasserfällen marschiert. Da dieselben zur Hochsommerzeit nur spärlich fließen, so war der Sankenbach auf der Höhe künstlich gestaut wor­den, und als nun die Stehfalle gezogen ward, bot sich eia prächtiges Schauspiel: in wild­brausendem Falle stürzte derselbe von der mächtigen Höhe hernieder, von Fels zu Fels, weithin einen Staubregen verbreitend. Nach­dem man inmitten dieser herrlichen Waldpartie das Vesper eingenommen, gings weiter, und zwar zog der größere Teil, worunter auch die Mehrzahl der Damen, den Sankenbach entlang über Baiersbronn durch Murgthal direkt nach Reichenbach, während der kleinere Teil wieder die Höhe erklomm, um noch dem Elbachsee einen

Besuch abzustatten. War man für die Mühe des Weges schon durch den Blick, der sich von der Höhe herab auf den zwischen Berggehängen eingebetteten See bietet, reich belohnt, so erregte noch besonderes Interesse die Gestaltung des Seebeckens, das einen sogenannten Gletscher­zirkus darstellt. Auf grünen Matten wandelte man dann weiter zum lieblich gelegenen Mittel­thal und nach kurzer Rast dasesbst hinauf auf den schroffenRinkenberg", woselbst noch die Reste einer uralten germanischen Befestigung zu sehen sind. Zugleich bot sich von der Burg ein entzückend schöner Blick hinab in die drei Thäler der Murg, des Thonbachs und des For- bachs, auf das am Fuße des Rinkenbergs freund­lich gelegene Baiersbronn und auf die rings umher auf dem grünen Wicsenplane malerisch zerstreuten Bauernhöfe. Der Rückweg nach Freudenstadt auf der Höhe über den Hirschkopf eröffnete hübsche Rückblicke auf Kloster Reichen­bach und ins Forbach- und Murgthal und beim Austritt aus dem Wald vor Freudenstadt bot sich noch eine herrliche Aussicht auf die von der Abendsonne wunderschön beleuchtete Albkette.

In Stuttgart tagte am Montag und Dienstag der 24. Kongrxß des Bundes der deut- schen Barbier-, Friseur- und Perrückenmacher- Jnnungen. Der Bund zählt über 9000 Mit­glieder. Eine Fachausstellung war mit dieser Tagung verknüpft und ebenso eine Ausstellung gewerbl. Produkten, welcher die Friseure be­dürfen. Beide Ausstellungen zeigten sehr schöne Sachen und errangen sich bei allen Besuchern lebhaften Beifall.

Stuttgart. 18. Juli. Der hies. Wirts­verein hielt eine sehr gut besuchte Versamm­lung bei Paul Weiß ab, in der die vom Schrift­führer Hrn. Schramm entworfene Eingabe an den Gemeinderat einstimmige Annahme fand, dahin gehend, daß bei Erbauung des neuen Rat­hauses von dem geplanten Rathauskeller Um­gang genommen werden möchte.

Knittlingen, 18. Juli. Zum Stadt­schultheißen wurde heute mit 267 Stimmen gewählt ein geborener Knittlinger, Chr. Wezel, bisher an der allgemeinen Rentenanstalt in Stuttgart. Der zweite Bewerber, Gerichts­notariatsassistent Grimm von Maulbronn, er­hielt 195 St.

Tuttlingen, 18. Juli. Durch das stark forcierte Velozipedfahren in den frequente­sten Straßen unserer Stadt sind in letzter Zeit mehrere; Unglücksfälle vorgekommen. Erst vor kurzer Zeit wurde ein Knabe überfahren, so daß er ein Bein brach und die Kopfschwarte zu- genäht werden mußte. Im Publikum herrscht namentlich gegen das abendliche Spazierenfahren der Herren Velozipedisten innerhalb der Stadt große Erbitterung.

Leonberg, 18 Juli. Heute nacht hatten wir ein fürchterliches Gewitter mit orkanartigem Sturm und wolkenbruchartigem Regen. Die Feldfrüchte wurden vom Schlagregen wie nieder­gewalzt, aber nicht verhagelt, da es nur wenig oder vereinzelt hagelte. Die Straßen und Wege sind bei Leonberg ziemlich beschädigt.

Haiterbach, 17. Juli. Nach der trop­ischen Hitze der vorhergehenden Tage zogen gegen 3 Uhr ganz unerwartet Gewitterwolken am Horizonte herauf. Einige schwache Donnerschläge ließen sich hören, dann erdröhnte plötzlich ein so gewaltiger Donnerstreich, daß jedermann glaubte, in nächster Nähe vor ihm habe es ein­geschlagen. Es stand kaum 5 Minuten an, dann durchlief schon die Kunde die Straßen der Stadt, die 22jähr. Tochter des Kirchengemeinde. Pflegers Schübel, seit V, Jahr mit Schmied Luz in glücklicher Ehe lebend, sei auf dem Heimweg vom Felde, im sogen. Girgelesweg, vom Blitz erschlagen worden. Sie war sofort tot; vom Arzt sogleich angestellte Wiederbelebungsversuche erwiesen sich als erfolglos. Die unmittelbar hinter der Verunglückten gehende Schwägerin und deren Magd kamen mit dem bloßen Schrecken davon.

Aus dem Oberamt Nagold, 18. Juli. Auf die drückende Schwüle des gestrigen Tages entstand gestern nachmittag ein schweres Gewitter, das hauptsächlich auf der Markung Eb Hausen, wo schon am 1. Juli der östliche Teil arg mit­

genommen wurde, sehr großen Schaden anrichtete. Hagelkörner prasselten nieder bis zur Größe eines Hühnereies, dieselben waren oft ganze Eisstücke von 46 cur Durchmesser. Manche Bewohner von Ebhausen haben ihren ganzen Ernteertrag verloren. Die verhagelte Fläche beträgt e'wa 80 Hektar und der Gesamlschaden rund 60000 Mark.

Anstand.

In der bulgarischen Hauptstadt ist, wie schon gemeldet, der frühere Ministerpräsident Stambulow von Meuchelmördern überfallen und so schauerlich zugerichtet worben, daß er den Wunden erlegen ist. Allem Anscheine nach ist das Attentat aus politischen Motiven ent­sprungen, wenn auch in Sofia behauptet wird, es liege ein persönlicher Racheakt vor. Man ist geneigt, die nächste Umgebung des Prinzen Ferdinand, namentlich dessen ränkesüchtige Mutter Clementine als moralisch mitverantwortlich zu bezeichnen, was freilich niemals zu beweisen sein wird. Von anderer Seite wird der Mordanfall russischen Anzettelungen zugeschrieben. Das wäre dann die erste Wirkung der Bemühungen der bulgarischen Deputation, welche unter Führung des bulgarischen Metropoliten Clement z. Z. in Petersburg weilt. Prinz Ferdinand hat eine ungeheure Thorheit begangen, daß er Stambulow aus dem Ministerium entfernte und wenn er aus dem Lande verjagt wird, in das er durch Stam­bulow gekommen war, so wird sich wieder ein­mal das Wort bestätigen:Die Weltgeschichte ist das Weltgericht!"

Wien, 18. Juli. Wie wir hören, vollzog sich die gestrige Kundgebung des diplomati­schen Korps in Sofia derart, daß alle Ver­treter dem Empfang des Ministers Natschewitsch fernblieben und der deutsche Vertreter, in aller aller Namen. Herrn Natschewitsch den schärfsten Tadel über das geschehene Verbrechen aussprach. DieNeue Freie Presse" meint, nunmehr werde der Kampf zwischen dem Ministerium Stoilow und dem Bischof Clement als dem von Pobe- donoszew proklamierten Vertreter Bulgariens folgen. DemNeuen Tagblatt" läßt Fürst Ferdinand versichern, daß seine Herkunft, Ge­sinnung und Bildung ihn über jeden Mord­verdacht erhebe; er selber habe Stambulow früher oft geraten, sich vor seinen Feinden zu hüten. Dem Fürsten, wie allen gemäßigt russenfreund­lichen Bürgern habe nur daran liegen können, den Prozeß gegen Stambulow durchzuführen, um alle Mißbräuche desselben darzuthun. Auch habe der Fürst sofort der Frau Stambulow sein herzliches Beileid telegraphisch, und ihr seinen Hofmarschall zugeschickt. Nachdem jedoch diese fürstliche Bemühung schroff zurückgewiesen wor­den sei und StambulowsSwoboda" den Fürsten und die Regierung des Mordes beschuldigt habe, werde der Fürst sich aller weiteren Schritte zur Ehrung Stambulows enthalten und die Reserve beobachten. Ob der heute eingetrelene Tod Stambulows den Fürsten nicht zum Aufgeben seiner Zurückhaltung und zur Rückkehr nach Sofia veranlaßt, bleibt abzuwarten. Bei einem etwanigen Aufenthalt in Wien dürfte er hier einen üblen Empfang finden, da man von seiner Gesinnung die schlechteste Meinung hat.

Anterhattender Heil.

Ein Brillantenhalsband.

Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Dann aber war jene verhängnisvolle Kata­strophe erfolgt, und selbstverständlich hatte das, wovon die Spalten aller Zeitungen angefüllt waren, auch dem Doktor Hartwig nicht ver­borgen bleiben können. Er war zartfühlend ge­wesen, nicht sogleich in Hofferichter's Haus zu eilen, da er ja nicht zweifeln konnte, daß der Stadtverordnete ihn schmählich belogen habe, und daß sein Anblick dem ohnedies tiefgebeugten Manne darum gerade jetzt doppelt peinlich sein müsse. Aber er hatte nichtsdestoweniger alle Vorgänge mit der größten Aufmerksamkeit ver­folgt; er hatte mit tiefer Bekümmernis gelesen, daß die Flüchtlinge in der Hafenstadt ergriffen