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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Höfen, 15. Juli. Schon wieder hat der unerbittliche Tod eine werte Familie, einen Kreis zahlreicher Verwandten und Freunde in tiefe Trauer versetzt und in ein Etablissement eine schmerzliche Lücke gebracht. Am Samstag früh >/,5 Uhr verschied unerwartet schnell an einem Herzschlag Sägwerkbesitzer ».Fabrikant Heinrich Lerch. Ritter erster Klasse des Friedrichsordens. Mit Trauer und Schmerz wurde in nahen und fernen Kreisen die überraschende Nachricht ver­nommen. Heute nachmittag V-5 Uhr wurde die sterbliche Hülle dieses Mannes unter überaus großer, allgemeiner Teilnahme zu Grabe ge­tragen. Bor dem Trauerhause sang der Männer­gesangverein Als der Sarg im Friedhofe an­langte, spielte die Wildbader Kurkapelle Beethovens ergreifenden Trauermarsch. Am reich geschmück­ten Grabe sprach der Ortsgeistliche, Pfarrer Mayer, in eindringlicher, gehaltvoller Rede, die Worte des PsalmistcnMeine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft" zu Grunde legend. Er schilderte die ausgeprägten Geistes-, Herzens­und Charakter-Eigenschaften des den Seinigen viel zu früh entrückten trefflichen Familienvaters und die seltene Tüchtigkeit und Treue, mit welcher der Dahingeschiedene den umfassenden Wirkungskreis 3 Jahrzehnte hindurch ausgefüllt. Nach der Einscnkung und Einsegnung trat Maschinenmeister Trinkner thräncnden Auges an das offene Grab, um Namens der Ar­beiterschaft des Rothenbach-Werkes dem verehrten, allezeit fürsorglichen Prinzipal einen schönen Lorbeerkranz unter rührenden Dankes- wortcn niederzulegen. Desgleichen legte Kom­merzienrat Wirth (in Firma Wirths Söhne. Stuttgart) im Namen der Südwestdeutschen Holzberufsgenossenschast, dessen Vorsitzender der Verstorbene bisher gewesen, einen Lorbcerkranz nieder. Der Gefangnerem beschloß daraus die erhebende Trauerfeier. Aus dem Lebensgang des Verblichenen entnehmen wir: Hch. Lerch wurde geboren zu Köln a. Rh. am 11. November 1839. Nach sorgfältiger Erziehung widmete er sich dem Kaufmannsstande und machte weite Reisen im In- und Auslande. 1864 trat er in Stuttgart in nähere Beziehung mit dem Präsidenten der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel. Hrn. v. Steinbeis, der dem jungen strebsamen Manne entgegenkam, ebenso hatte er das Glück in Hrn. Karl Klumpp, dem damaligen Teilhaber des Rothenbach-Werks einen Gönner zu finden und durch dessen Vermittlung im Februar 1865 hierher zu kommen, um nach der ehelichen Ver- bindung mit Frau Marie, geb. Steinbeis, in die Firma Krauth u. Comp, einzutreten. Hier entfaltete er, der hauptsächlich die technische Leitung des immer an Ausdehnung zunehmen­den Holzschneidewerks übernommen hatte, eine emsige, unverdrossene Thätigkeit, stets darauf bedacht, die Einrichtungen des Werks zu ver­vollkommnen und leistungsfähiger zu machen. Dabei war er den zahlreichen Angestellten und Arbeitern ein wohlmeinender Fürsorger und hatte für dieArmen und Notleidenden ein warmes Herz. Seit 10 Jahren Vorsitzender des Vorstands der Südwestd. Holzberufsgenossenschaft war er diesem Amte mit besonderer Liebe zugethan, und in dieser Eigenschaft Mitglied des Reichsver- sicherungsamts in Berlin hatte er den Arbeiten dieser Behörde unermüdlich obgelegen; seine viel­seitigen Kenntnisse und Erfahrungen kamen ihm dabei trefflich zu statten. Ebenso war dies der Fall in den Fragen des handelspolitischen und volkswirtschaftlichen Gebiets. Fragen auch auf entlegeneren Gebieten wußte er leicht und sicher Lu erfassen und die Erfahrungen, die ihm aus seinem umfassenden Beruf geworden, auch zum Besten seiner Mitbürger zu verwerten, wie er überhaupt in gemeinnütziger Weise die Interessen der Gemeinde förderte. Im persönlichen Ver­kehr und als Gesellschafter hatte der Verstorbene vortreffliche Eigenschaften; er war auch Musik­freund und vertiefte sich mit feinem Verständnis in die Schätze der klassischen Musik, besonders ivar es der Altmeister Beethoven, dessen Ton- Werke er bevorzugte; seinen Sinn für Musik be­kundete er durch Stiftung der schönen Orgel in der im vorigen Jahre erbauten Kirche, an deren

Zustandekommen er auch wesentlichen Anteil hat. Der Verstorbene war am Freitag noch in ge­wohnter Weise im Geschäfte thätig und auch abends in Gesellschaft im ,Ochsen". In der Frühe des folgenden Morgens äußerte sich ein Herzleiden, das sich schon seil etwa einem Jahre fühlbar machte und von dem er kürzlich Er- holung gesucht und vermeintlich gefunden hatte, durch einen Herzschlag, dem nach kurzer Zeit der Tod des edlen Mannes folgte. Die Trauer­nachricht trifft den Sohn im fernen N.Amerika an, wo sich derselbe z. Z. auf Reisen befindet. Den allzufrüh Verstorbenen werden die Seinigen, seine Geschäftsgenossen, das Enzthal sehr vermissen; sein Andenken wird im Segen bleiben.

Calw, 15. Juli. Der durch das Sturm, und Hagelwetter am 1. d. Mts. verursachte Schaden stellt sich als ein viel größerer heraus als anfänglich geschätzt wurde. Im Obcr- amt Nagold sind gleichfalls die Ernteerträge in einer Reihe von Gemeinden total verhagelt und wird der Schaden bei niederer Schätzung auf 250,000 berechnet, so daß der Verlust in den Orten der beiden Oberämter auf 700.000 bis 800000 ^ berechnet wird. Der wenig be- mittelte Teil der bäuerlichen Bevölkerung, welche sich von den Wunden, welche das Futternoljahr 1893 geschlagen, noch nicht erholt hat, geht einer gedrückten Zukunft entgegen. Für die­jenigen, welche in der Ernte leer ausgehen, wird es eine schwer zu bewältigende Sorge wer­den, wie die Lebensmittel bis zur nächsten Ernte, wie Zinse und Steuern aufgetrieben werden. Wenn wir auch hoffen dürfen, daß viele mild- thätige Herzen sich finden, um die außerordent­liche Not zu lindern, so ist doch nur der Ersatz eines kleinen Teils des Schadens zu erhoffen, da die Mildthätigkeit für das Balinger Unglück stark in Anspruch genommen wurde. Der Be­zirk Balingen hat allerdings sehr schwer ge­litten. Da aber für die beklagenswerten Opfer an Menschenleben kein Ersatz möglich ist, so bleibt in Balingen doch auch nur der materielle Schaden zu decken und dafür steht nach dem seitherigen Ergebnis der Sammlungen und des Staatsbeitrags eine Unterstützung in Aussicht, welche nicht viel hinter dem erlittenen Schoden zurückstehen wird. Es wäre deshalb dankens- wert, wenn sich nun die Teilnahme den schwer betroffenen Bezirken Calw und Nagold zu­wendet. Gestern fand unter dem Vorsitz der HH. Obcramtleute Voelter und Vogt eine Besprechung zwischen Vertretern der Bezirke Calw und Nagold statt, bei welcher über die Veranstaltung von gemeinschaftlichen Samm­lungen in weiteren Kreisen und die Grundzüge bei Verteilung der eingehenden Gaben beraten wurde. Es wäre sehr zu wünschen, daß es ge­lingen möge, den wenig Bemittelten unter den schwer Beschädigten einige Unterstützung zu ver­schaffen. (H. im C. Wochenbl.)

Neuenbürg, 16. Juli. Neue Kar­toffeln (Rosen) wurden heute zu »kL 1.50 per 50 Kilo und pfundweise zu 6 ^ feilgeboten.

Deutsches Weich.

Das charakteristische Merkmal der letzten Woche ist auf dem politischen Gebiete der Ein­tritt der sommerlichen Ruhe. Doch wenn die­selbe auch in den inneren Angelegenheiten wie alljährlich eingetreten ist, so wird man wohl in diesem Tommer wegen der Feier der bevor­stehenden Gedenktage an die ruhmreichen deut­schen Waffenthaten von einer eigentlichen poli­tischen Ruhe nicht reden können, denn die Er­innerung an diese große Zeit giebt auch fort­während zu allerlei politischen Erörterungen Anlaß.

Köln, 16. Juli. DerKöln. Volksztg." zufolge ist heute nachmittag Dr. Aug. Reichen,s- perger gestorben. Er ist der Stifter der, später Zentrum genannten, katholischen Fraktion, zugleich einer der begabtesten Redner dieser Partei.

Straßburg, 14. Juli. Am Samstag Abend erfolgte die Ankunft der Mitglieder des Stuttgarter Gewerbevereins, etwa 500 Personen mittels Sonderzuges. Der hiesige Verein der Würltemberger war mit Musik und , Fahne am Bahnhofe erschienen. Auch der Ge­

samtvorstand des Straßburger Gewerbevereins mit dem Präsidenten Professor Dr. Schricker war zum Empfange anwesend und die Begrüß­ung war recht herzlich. Daß viele hier an­wesende Würtlemberger am Bahnhose anwesend waren, bedarf nicht besonderer Erwähnung. Der Bahnhofsplatz war dicht mit Menschen besetzt.

Landau a. Isar, 15. Juli. Bei der Landtagsersatzwahl wurde Staatsanwalt Söldner (Zentrum) mit 80 Stimmen gegen Wieland (Bauernbund), 69 Stimmen, wiedergewählt.

Württemberg.

Neues 3'/-o/o württ. Staatsanlehen. Am nächstem Montag findet die Submission auf ein 6 Millionen Mark betragendes 3'/-°/° württ. Staatsanlehen statt. Ferner steht die Um­wandlung von rund 20 Millionen der 3'/, und 4°/o württ. Guldenobligationen in 3'/-"/» Markobligationen seitens der württ. Finanz­verwaltung demnächst bevor.

Ulm, 16 Juli. Zur Erinnerung an die Mobilmachung vor 25 Jahren rückten heute früh sämtliche Truppenzüge auf das Lerchenfeld, die Fahnen und 1. Geschütze mit Eichenlaub be­kränzt. Der Divisionskommandeur Generallieu- tenant v. Pfaff hielt eine schwungvolle Ansprache an die versammelten Truppen.

Horb, 10. Juli. Die gestrige Amts­versammlung fand unter dem Vorsitz des Ober­amtmanns Wendelstein statt. Ein Hauptgegenstand war die Existenzfrage des seit I'/s Jahren zum Oberamtsdaumeifter gewählten Architekten Lang. Klagen des Publikums der verschiedensten Art erschütterten schon voriges Jahr die Stellung dieses Herrn. Eine rechtzeitig angebrachte ernste Mahnung seitens der Amtsversammlung hatte keinen Erfolg, so daß die gestrige Amtsversamm­lung es als ihre Pflicht ansah, dem Architekten Lang seine Stellung als Oberamlsbaumeister zu kündigen.

Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericht vom 15. Juli von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j Ansangs der letzten Woche kamen wesentlich flauere Berichte von Amerika, doch konnten sich die Preise gegen Schluß der Woche wieder ziemlich erheben, nach­dem Amerika wieder höhere Kurse meldete. Das Ge­schäft bewegt sich in engen Grenzen, da der Konsum immer noch an seinen Käufen zehrt. Die süddeutschen Märkte verkehrten in ruhiger Haltung, Preise ziemlich unverändert. Heute kam der erste Reps in schöner Ware zum Angebot. Wir notieren per 100 Kilogr. Weizen, bahr. 15 vkL 50 Nikolaseff 15 -4L 90 Azima 15 60 Kernen, Oberl. la 17 -4L 40

Albhaser 12 -4L 60 dto. In. 13 -4L 50 Land- Hafer In 13 -4L Mehlpreise Pr. 100 Kilogr. inkl. Sack bei Wagenladung: Letzwöchentlich.

Ausland.

Sofia, 15. Juli. Heute Abend 8'/» Uhr wurde der ehemalige Ministerpräsident Stam- bulow durch Schüsse und Stiche ver- mundet. Vier Männer hatten ihn angegriffen, als er im Wagen in Begleitung von Petkow aus dem Klub zurückkehrte. Der nach einer halben Stunde abgeschlossene ärztliche Befund stellt fest, daß der Zustand des Verwundeten sehr bedenklich, doch nicht ganz hoffnungslos ist. Am Kopfe befinden sich drei Hiebe, die mit einem Dolchmcsser ausgeführt sind; außerdem hat der Verwundete eine Kugel im Kopse. Ein Schädeldruch ist sestgestellt; ebenso hat Slam- bulow an jeder Hand Stiche. Eine Hand muß abgenommen werden. Dos rechte Augenlid ist durchschlagen, der Augapfel scheint aber unver­letzt zu sein. Die Aerzte haben lange Zeit zu dem Verbinden der zahlreichen schweren Wunden gebraucht. Dieser scheußliche Mordangriff aus den ehemaligen Ministerpräsidenten muß leider als von politischer Art bezeichnet werden; wenigstens müßten noch einige Wunder geschehen, um das Gegenteil glaubhaft zu machen.

Sofia, 16. Juli. Der Mordanfall aufStambulow am Hellen Tage und auf offener Straße hat ungeheure Bestürzung und Teilnahme erweckt. Die Haltung der Polizei, von der zwei Mann nicht weiter als 50 Schritt stationiert waren und die weder den Anfall ver­hindern noch einen der Mörder verhaften konnten, giebt zu dem Verdacht Anlaß, derAoielleicht un­begründet ist, aber sich gewaltsam aufdrängt. Seit Monaten war es nur mehr ein öffentliches