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dem denkwürdigen Jahr 1870/71 dem Verein beigetreten, als langjähriges Ausschußmitglied Freud und Leid mit dem Verein geteilt und so den Verein auf seine heutige Höhe zu bringen mitbestrebt war; er wünscht ihn auch fernerhin an dieser stelle zu sehen und schließt mit einem allseits aufgenommenen ZfachenGut Heil" auf den Jubilar. Mit herzlichen Worten dankte der Gefeierte seinem Vorredner, sowie für das zahl­reiche Erscheinen der Anwesenden und die schönen Liedervorträge des Turnergesangvereins. Der Dirigent des Gesangvereins, Herr Reaüehrer Geiger erfreute die Anwesenden durch einige Klaviervorträge und Mitglied Fr. Höhn füllte die Zeit unter Klavierbegleitung des Dirigenten mit ernsten und komischen Vorträgen aus und so enteilten die Stunden unter angenehmer Ab­wechslung und nur zu bald rückte die nachge­suchte verlängerte Polizeistunde heran.Einsender dies schließt sich dem Wunsche des Jubilars an, in den nächsten Jahren derartige Feiern wieder- holt mitmachen zu können. Gut Heil!

Deutsches Weich.

Von der Nordlandsfahrt des Kaisers ist zu melden, daß dieselbe am Dienstag in Drottingholm die Königin von Schweden be­sucht hat. Am Mittwoch stattete der Kaiser auf Schloß Stora-Sundby dem Grafen und der Gräfin einen Besuch ab. Am Donnerstag be- gab sich der Kaiser von Stora-Sundby nach dem Schloß Tullgarn, um dort als Gast des schwe­dischen Kronprinzenpaares bis nächsten Montag zu verweilen.

In der am Donnerstag abgehaltenen Plenar­sitzung des Bundesrates wurde die Ausdehn­ung der Berechtigung der Reichstagsabgeordneten zur freien Eisenbahnfahrt und Gepäckbeförderung zwischen ihrem Wohnorte und Berlin auf die Zeit vom 16. bis 20. August d. I genehmigt. (Am 18. August findet bekanntlich die Grund- steinlegung zum Kaiser-Wilhelm-National-Denk- mal statt, wozu auch die Reichstagsabgeordneten eingeladen werden.)

Der preußische Landtag, der am 15. Januar einberufen wurde, ist am Mittwoch ge­schlossen worden; die Session hat also ziemlich ein halbes Jahr gedauert. Sitzungen u. Reden wurden in dieser Landtagssession sehr viele ge­halten, aber bedeutende Gesetze sind nicht zu Stande gekommen. Zu bemerken ist, daß eine Reihe kleinerer Vorlagen zur Linderung der Not der Landwirtschaft im preußischen Landtage ge­nehmigt wurden. Auch wurden die Vorlagen betreffend das neue Stempelsteuergesetz und das Jagdscheingesetz erledigt. Dem preußischen Ab- geordnetenhauje waren im Ganzen 25 Entwürfe von der Regierung und 12 vom Herrenhause zugegangen. Von diesen 37 Gesetzentwürfen sind 34 vom Herrenhause und vom Hause der Abgeordneten übereinstimmend angenommen worden.

Berlin, 13. Juli. Sicherem Vernehmen nach beabsichtigt der Unterstaatssekretär im Reichs­amt des Innern, Dr. v. Rotten bürg, im Herbst in den Ruhestand zu treten. Er hat im vergangenen Jahre krankheitshalber einen län­geren Urlaub nehmen müssen, von dem er seit Monatsfrist hieher zurückgekehrt ist. Doch glaubt er den Anstrengungen des Amtes, das er als Nachfolger des zum Staatssekretär des Justiz­amts ernannten Dr. Bosse (der dann später nach dem Rücktritt des Grafen Zedlitz Kultus­minister wurde) anfangs 1891 übernommen hatte, nicht mehr genügend gewachsen zu sein. Dr. v. Rottenburg war langjähriger Chef der Reichskanzlei unter dem Fürsten Bismarck.

Rendsburg, 13. Juli. Gestern nach­mittag erfolgte im Kaiser Wilhelm-Kanal ein Zusammenstoß zwischen dem französischen DampferEmile" und einem Segelschiff; letzteres sank sofort. Der Dampfer konnte seine Fahrt nach Kiel fortsetzen. Die Schifffahrt im Kanal ist durch das Vorkommnis nicht wesentlich be­einträchtigt worden.

Schmalkalden, 11. Juli. Ueber die Feuersbrunft, der das am Fuße des Jnsel- bergs gelegene Städtchen Brotterode am 10. ds. während eines furchtbaren Sturms fast gänz­lich zum Opfer gefallen ist, wird weiter be-,

richtet: Von den 360 Gehöften, die den Flammen zum Opfer fielen, waren nur wenige versichert. Alles ist verbrannt; den Unglücklichen blieb nur das nackte Leben, aber nichts, um wenigstens das zu erhalten. Auf dem Friedhofe, in der geretteten Schule und in den etwa 20 erhalten gebliebenen Häusern sind die vielen Hunderte einquartiert; aus den benachbarten Städten und Dörfern fahren Wagen mit Nahrungsmitteln heran, welche die Abgebrannten vordem Hunger schützen sollen. 4 Personen, 2 Frauen und 2 Kinder, verbrannten, 2 weitere Personen werden vermißt. Die Bewohner sind meist arme Acker­bauer, Hausindustrielle und Arbeiter; für sie war die Versicherungsprämie nicht erschwingbar und nun verlieren sie das Wenige, dos sie besessen. 3 Zigarrenfabriken, die 200 Arbeiter beschäftig ten. die Kirche, das Amtsgericht, das Postgebäude, alles liegt in Schutt und Asche. Auch die ge­samte bisher eingebrachte Ernte, viele Tausende Zentner Heu, wurden vernichtet. Mittwoch mittag entstand der Brand in dem Hause eines Schneiders, im unteren Teile des Dachs Um '/« 1 Uhr sah man die ersten Flammen, um '/,2 Uhr stand bereits das ganze Dorf in Brand; bis Donnerstag morgen lohten die Flammen zum Himmel empor. Den Schaden jetzt schon ziffernmäßig festzusteUen, erscheint un­möglich, doch ist die Summe von 2 Millionen keinesfalls zu hoch gegriffen.

Wolfach, 8 Juli. Ueber den Trachten­zug nach Rippoldsau zu Ehren des erbgroß- hcrzoglichen Paares meldet derKinzigrhäler": Auf nach Rippoldsau! Das war gestern die Losung überall, wo man noch stolz ist auf das alie Häs. Mädchen, Burschen, jung und alt, lauter fröhliche Gesichter. Voran der stattliche Kriegerverein Rippoldsau, sodann die Gutacher uud Kirnbacher, sowie die übrigen Gemeinden, alle geführt von ihren mit der Amtskette gezierten, in Tracht erschienenen Bürgermeistern. Es war ein farbenprächtiges Bild, das sich schön von dem Dunkelgrün der Tannen abhob: die Gutacher­innen und Kirnbacherinnen in ihren mit roten und schwarzen Bollen geschmückten Strohhüten, im buntgespr nkelten Mieder, im schwarzen Kleid und den offenen weißen Puffärmeln; daneben behäbige Männergestalten in schwarzen, rolge- fütterten Samtröcken. Hübsch konstratierte die hohe Farbenpracht der bunt gebänderten Tscheppel- Jungfrauen, deren es sehr viele waren. In kurzer, rotgefütterter Jacke, mit blauen Strümpfen und glänzend schwarzen Kniehosen paradierten reiche Hofvauern aus dem Woliachthale neben) fast übermütig dreinblickenden Burschen. Was den Trachlenverein" ermutigen muß, auf dem be­tretenen Wege trotz aller Zweifler und Nörgler tapfer weiterzuichreiten, das ist die erfreuliche Wahrnehmung, die man gestern machen konnte, daß gerade unter der Heranwachsenden männlichen Jugend die Freude an der Tracht wieder mehr hervortritt. Möge das originelle Gepräge, das dem jungen Burschen die Tracht gibt, die schädigen­den Einflüsse überdauern, die in der Garnison erstmals ihm entgegentreten.

Württemberg.

Ulm, 14. Juli. In Neuulm beging heute das 12. daher. Jnf.-Reg. Prinz Arnulf und die ehemaligen Angehörigen desselben die Erinnerungsfeier an den deutsch franz. Feldzug. Prinz Arnulf traf schon gestern nachmittags zu diesem Feste ein. Es werden gegen 4000 Veteranen erwartet. Vormittags hat eine Ge­dächtnisfeier am Kriegerdenkmal stattgefunden, nachmittags kostümierter Festzug und abends lebende Bilder aus der Geschichte des Regiments.

Ulm, 14. Juli. Die 32 Radfahrer, welche an der Wettfahrt von Friedrichshafen nach Heilbronn teilnahmen, sind heute früh 3 Uhr bei günstigem Wetter von hier in Gruppen von je 3 abgefahren. Als erster traf in Ulm Weiß aus Nürnberg um 6" und gleichzeitig mit ihm Glöckler aus Neckarsulm ein. Beide fuhren nach einem Aufenthalt von 2 Minuten weiter. Um 7" kam der bisherige Meisterschaftsfahrer Häusser- mann-Backnang, welchem kurz vor Ulm die Maschine gebrochen war, wodurch er einen Rc- paraturaufenthalt von 10 Minuten hatte. Die übrigen Radfahrer kamen erst nach 8 Uhr hierdurch.

Heilbronn, 15. Juli. Als erster der Radfahrer traf hier ein Glöckler-Neckarsulm in 9 Stunden. 32 Min. 25 Sek., als zweiter Weiß- Nürnberg in 9 St. 39 Sek. 30 Sek.

Tübingen, 13 Juli. Ein orkanartiger Sturm hat gestern größeren Schaden ange­richtet. An Obstbäumen wurde von dem wenigen Obst vieles heruntergerissen, ebenso Aeste, so namentlich in mehreren Alleen, wo man kaum mehr passieren konnte. Nachmittags legte sich der Sturm und trat der gewünschte Regen ein, der nach der sehr schwülen Temperatur Erfrisch, ung brachte.

Stuttgart, 13. Juli. Heute vormittag stürzte ein seit kaum einem Jahre verheirateter Zimmermann von dem Gerüste eines Neubaues in der Hohenheimerstraße und war sofort lat.

Ludwigsburg, 14. Juli. In Bissingen a. Enz ist der bei Schleifmühiebesitzer Geiger dort in Arbeit befindliche 16jährige Schleifer­geselle Reisch aus Ohringen betm Baden in der Enz ertrunken.

Ehingen, 14. Juli. Die Viehpreise

gehen bei uns infolge der ungewöhnlich reichen Hcuvorräte rasch in die Höhe und es ist des­halb auch das Fleisch in unliebsamer Weise teurer . geworden. Durch die reiche Milch­produktion aber haben Butler und Schmalz einen so niedern Stand erreicht, wie es seit 1520 Jahren in unserer Gegend nicht mehr der Fall war. Rindschmalz kostet 7085 Butter

6070 per Pfund.

Wildberg, 6. Juli. Das schreckliche

Naturereignis vom 1. Juli, dessen die Bewohner des Nagoldthales und Umgegend gewiß noch

lange gedenken werden, verdient wohl auch noch einige Bemerkungen. Es ist vielleicht nur von Wenigen bemerkt worden, daß schon am 30. Juni eine Wolkenbildung zu Stande kam, die ebenso» wie tags darauf, alle Vorbedingungen zur Hagel- dildung in sich trug. Es war abends '/rll Uhr ein vollständig klarer Sternenhimmel, drückende Schwüle, 20° R., nicht die geringste Luftbeweg­ung. Plötzlich bildete sich gegen Süden eine kleine Wolke, die sich, um sich selbst drehend, mit unheimlicher Schnelligkeit vergrößerte, rasch über die Stadt heraufzog. Ein Wirbelwind braust daher, die Häuser erzittern, es fallen ein paar auffallend große Tropfen Wasser, ein ein­ziger heftiger Donnerschlag und so ist die Wind­hose über die Stadt hinweggebraust. An der Wand des Eckbergs bricht sich die Wolke, sich schnell verteilend, ruhig blickte wieder vom klaren Himmel der Mond. Plötzlich erstrahlte, den Berg krönend, ein lang gezogener Silbcrstreifen, der die prismatischen Farben kaum erkennen ließ, es war das seltene Bild des Mondregen­bogens; der ganze Vorgang dauerte kaum fünf Minuten. Es drohte also schon am Vorabend eine große Gefahr, die wohl nur dadurch abge- wendet wurde, daß die Temperatur etwas abge­kühlt war. Das vernichtende Gewitter vom 1. Juli setzte sich zusammen aus einer Summe von Wirbelwinden. Die Spuren dieser Wirbel lassen sich sehr interessant in den Wäldern des Nagold­thales von Wildberg bis Calw verfolgen. Man beobachtet mindestens ein Dutzend, teils größerer, teils kleinerer, oft ganz kreisrunder Platten, auf denen viele Hunderte der stärksten Baumstämme entwurzelt, die Gipfel abgedreht sind, der ganze Platz wie abrasiert daliegt. Gleich daneben stehen die Bäume, abgesehen vom Hagelschlag, unversehrt. Personen, die im Freien vom Ge­witter überrascht wurden, erzählen, daß solche Wirbel das Heu hoch in die Luft mitgerisse« und abgedrehle Baumkronen weit mtt forttrugen. Man befand sich während des Gewitters nicht unterhalb, sondern innerhalb desselben. Der Luftdruck war so stark, daß man kaum atmen konnte. Auffallend war das Fehlen stärkerer Blitz- und Donnerschläge. Die ganze verheerende Naturerscheinung war eine Summe von Wirbel­winden, (Tromben) mit Hagelbildung. Auch der sonst gewöhnlich nach. Gewittern folgende Nach­regen fehlte. Nach einer Dauer von 10 Min., vom ersten Windstoß an gerechnet, schaute die Hochsommersonne aus blauem lachendem Himmel auf ein Eisfeld, ein Leichentuch unendlicher Hoff, nungen.