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Namentlich in den süddeutschen Gauen wird der Männergesang eifrig gepflegt, dafür sprechen die Landessängerieste in Baden und Württemberg, wie das kürzlich in Karlsruhe abgehaltene und das demnächst in Biberach statlfindende. Und im nächsten Jahre wird in Stutlgart's Mauern ein großes Liederfest des ganzen deutschen Sänger» bundes veranstaltet. Unsere Gesangvereine wer­den bei freudigen und ernsten Ereignissen ihrer idealen Aufgabe gerecht; auch wir in unserem Gausängerbund wollen das veutsche Volkslied durch den 4stimmigen Gesang mit allen uns zu Gebot stehenden Mitteln pflegen, weil wir wissen, was cs uns ist, was es unserem Volke ist, darum, so schloß die begeistert ausgenommene Ansprache, du deutsches Lied, du Wunderstcom, den wir den unfern nennen, du deutsches Sängertum, du deutsches Vaterland lebe hoch u. dreimal hoch!

Die hierauf folgenden 2 Gesamtchöre übten einen gleich guten Eindruck auf die Zuhörer aus. Sofort ging's dann an die Wiederholung der Preischöre, um die zahlreich versammelten Fest- güste, welche nachmittags erst eingelroffen waren, dafür zu interessieren und ihnen zugleich ange­nehme Unterhaltung zu bieten. Freilich waren es auch Manche, die an andern Dingen, wie z. B. an den neuerdingsunvermeidlichen" Schiffsschaukeln und an dem unweit der Tribüne rücksichtslos sein Spiel treibenden Kraftmesser, mehr Gefallen fanden. Unter den Sängern des Vereins Gräfenhausen fielen zwei auf, welche die Veteranen des Bundes sein mußten, es sind dies alt Rößleswirt Schumacher und Chrn. Glauner, Gemeindcrat, welch beide, zu ihrer Ehre seis gesagt, bis ins Alter von siebenzig Jahren und darüber dem Liede treu geblieben sind und noch rüstig weiter singen. Sie wurden veranlaßt, sich vom Dirigentcnpodium aus zu zeigen, in welchem Augenblick sie mit sympatffchen Hochrufen lebhaft begrüßt wurden.

Der Bortrag der Preislicher und der folgenden Spezialchöre ließ den aufmerksamen Zuhörern allerlei kritische Vermutungen entschlüpfen. Ueber- einstimmend war das Urteil, daß sich alle Vereine redliche Mühe gegeben hatten, einen schönen Vortrag zu geben. Aber, o weh, der hiesige Sängerbund hatte vormittags, als es galt, als das Preisgericht seines dornenvollen Amtes waltete, entschiedenes Mißgeschick, insofern er in eine tiefere Tonlage verfiel, wodurch die Rein­heit und damit der Gesamteindruck ungünstig beeinflußt wurde. Die Sänger wußten sich ln dieses Pech mit einer stillen Resignation zu schicken; daß sie aber unter Leitung des Hrn. Lehrer Reiser eine treffliche Schulung durchge­macht hatten, und daß sie den Ton halten können, zeigten sie mittags während des Festessens und auf der Tribüne bei Wiederholung ihres Preis­chors, wo sie eine so schöne Leistung aufwiesen, daß das allgemeine Urteil des Publikums ihnen einen ersten Preis zudachte. Man war allge­mein auf die Preisverkündigung gespannt; die­selbe leitete nach einer langen Viertelstunde im Namen des Preisgerichts und des Gauausschusses Hr. Hegele mit einer alle Herzen gewinnenden Ansprache ein, in welcher er anerkannte, daß tüchtig gearbeitet worden und daß das Fest­halten an dem schlichten Volkslied zu loben sei. Man möge sich nur hüten ins Gezierte und Manerierte zu verfallen. Das Preisgericht habe nach bestem Wissen und Gewissen geurteilt, aber auch sie seien, wie alle Menschen, nicht unfehlbar. Auf das Sängerpech des hiesigen Sängerbunds in gerader, offener Weise übergehend, dokumen­tierte Hr. Hegele ausdrücklich die tüchtige Leist­ung und die Tüchtigkeit seines Dirigenten, wovon man bei Wiederholung ihres Lieds Gelegenheit gehabt habe, sich zu überzeugen. Wenn ihnen vom Standpunkt des Preisgerichts diesmal kein Preis zu Teil werden könne, so mögen sie sich dies nicht schwer fallen lassen. Anhaltender lebhafter Beifall folgte den herzlichen Worten aus dem Munde des Seniors der Preisrichter.

Nun verkündigte der Gauvorstand den mit immer größerer Spannung erwarteten Spruch des Preisgerichts. Derselbe lautet: In der zweiten Abteilung (einfacher Volksgesang) erhält den ersten Preis mit 29'/- Punkt der Liederkranz Calmbach mit Reiters Morgenlied; den zweiten (28'i- Pkt.) Liederkranz Engelsbrand mit

Braun Mcidelein"; den dritten (23'/- Pkt.) Frohsinn Schwann mitKriegers Abschied; den vierten ^22 Pkt ) Sängerbund Arnbach mit Das stille Thal" von Förstler; den fünften (21 P.) Sängerbund Grunbach mit dem Trink lied:Spielend mit des Lichtesglanz"; je einen sechsten (17'/- P.) Liederkranz Feldrennach mitAch du klardlauer Himmel" von Silcher und Sängerbund Gräfenhausen mit Atten- hofer'sWir liebten uns wie Brüder." In der ersten Abteilung (höherer Volksgesang) erhält den ersten Preis (29'/- P,) Liederkranz Neuen­bürg mitDer frohe Wandersmann" von Mendelssohn, den zweiten (26'/-P) Concordia Calw mitFrühlingszeit" von K. Wilhelm. Zum ersten Preis wurde dem Neuenbürger Liederkranz eine Ehrengabe des Sängerbunds Birkenfeld, bestehend in einem schönen silbernen Pokal, desgleichen dem Liederkranz Calmbach die Ehrengabe des Enz-Nagold Gau-Sängerbundes, ebenfalls ein Pokal gewidmet. Jede Namens­nennung wurde von den zahlreich Umstehenden mit stürmischem Jubel und von der Musik mit einem schmetternden Tusch begleitet. Wäh­rend aber die Birkenfelder Sänger sich in ihr Schicksal in würdiger Weise zu fchicken wußten, fühlte sich ein anderer Verein unzufrieden, so daß sich einzelne Mitglieder desselben Hinreißen ließen, in unziemlicher Art ihrem Neide Luft zu machen, indem sie auch noch einen Pforz- heimer Musikverständigen, der doch auf das Preisgericht gar keinen Einfluß ausgeübt hat, dafür verantwortlich zu machen suchten. Es war dies der einzige Mißton, der sich zwischen das sonst so schön und würdig verlaufene Lieder- fcst geschoben hatte, und es kann nicht unter­lassen werden, diesen unliebsamen Zwischenfall zu erwähnen. Wenn man den Zweck der Ver­anstaltung des Wettgesangs richtig auffassen würde, so könnten solch leidenschaftliche Gesühls- ausbrüche nicht wohl Vorkommen. Allerdings vermochte der Zwischenfall die Stimmung der Festgenossen nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen, man gieng zur Tagesordnung über und es wurde auch den leiblichen Genüssen, wie es bei einem Sängerfest und bei einem solch durstigen Wetter nicht anders sein kann, lebhaft zuge­sprochen. Nur zu rasch kam der Abend heran, ein Verein nach dem andern rückte, wie dies so üblich, von der Musik eine Strecke begleitet, ab, um in den Quartieren und dann zu Hause den Preiseinzuweihen" oder aber den Aerger üher das Mißgeschick zu ertränken. Auf die Sänger, die das letztere hatten, läßt sich anwenden und den resp. anderen sei zugerufen die Strophe aus jenem fröhlichen Liede, die der Gauvorstand in seiner Rede zitierte:Und manches, was ich erfahren, verkocht ich in stiller Wut, und kam ich wieder zu singen, war alles auch wieder gut."

Sich damit re. rc.

Der Verfasser dieses Festberichts.

Calw, I. Juli. Heute Nachmittag '/,4 Uhr trat hier ganz plötzlich ein orkanartiger Sturm- und Wirbelwind auf. Der Himmel verfinsterte sich und etwa l'/r Minuten lang hagelte es, wobei Körner und Eisstücke in der Größe kleiner Hühnereier fielen. Der Hagel war ohne Blitz- und Donnerbegleitung. Das Unwetter, das seine Richtung von Süden nach Norden nahm, dauerte 25 Minuten lang. Große Verheerungen wurden angerichlet auf dem Brühl, wo der Sturm mehr als ein Dutzend der kräftig­sten Linden- und Kastaniendäume entwurzelte; auch in dem schönen, parkartigen Garten des Eisenbahnbauamtes. Die Felder gegen Stamm­heim und Althengstett sind verhagelt. Eine Masse Fensterscheiben wurde eingeschlagen, viele Ziegel und einige Kamine herunlergeworfen, ein Giebel an einem Neubau abgeworfen, ein Dach­stuhl abgehoben. Großen Schaden haben ins- besondere die Gärtner erlitten. Mehrere Per­sonen, die auf freiem Felde von dem Unwetter überrascht wurden, kamen mit Wunden bedeckt nach Hause. In großer Gefahr waren Kinder im Bad. Kaum hatten sie das Kinderbadhaus verlassen, jo wurde dasselbe vom Sturm zerstört.

Pforzheim. 2. Juli. Der gestrige Monatsviehmarkt war mit 64 Ochsen, 201 Kühe, 32 Kalbinnen, 55 Stück Schmal- und Jungvieh, 32 Kälber und 2 Ziegen befahren.

Zum Pferdemarkt waren 133 Pferde und 2 Fohlen zugetrieben. Die Preise hielten sich so ziemlich auf derselben Höhe wie beim letzten Markte (am 4. Juni l. I.) Nur um einige Stück Vieh wurde lebhaft gehandelt, im allge­meinen war aber der Handel sehr flau.

Deutsches Weich.

Nach dem bekannt gegebenen Reiscplan hat der Kaiser Wilhelm am Montag seine Fahrt aus der JachtHohcnzollern" nach Born­holm, Schweden und England angetrcten.

Fast alle großen europäischen Zeitungen, darunter auch mehrere französische, erkennen jetzt offen an. daß die Ergebnisse der Kieler Feste für die deutsche Nation sehr schmeichel­haft seien, und dem deutschen Kaffer und den Fürsten zur größten Ehre gereichten. Deutsch­land habe durch das große Werk desKaiser- Wilhelm-Kanals" erstens einen Beweis seiner enormen Kulturkraft gegeben und dadurch seinen Handel und seine Kriegsflotte gestärkt, zweitens habe es aber auch der Kaiser nicht daran fehlen lassen, alle Welt von Deutschlands Friedens­liebe zu überzeugen.

Berlin, 30. Juni. Heule Morgen 3 Uhr wurde auf dem Paketpostamte in der Ora- ienburger Straße eine an den 'polizeioberst Krause adressierte Höllenmaschine entdeckt, welche in Fürstenwalde zur Post gegeben undAb­sender Thomas" gezeichnet war. Aus der Kiste, welche gegen 2 Uhr aus Fürstenwalde angekom­men war, sickerte Benzin, wodurch man aufmerk­sam wurde. Man hörte nun das Geräusch eines Uhrwerks und öffnete den Boden der Kiste. Der Inhalt bestand aus sieben Flaschen Beozin, die unter einander durch Schnüre verbunden waren, welche mit einem mit sechs scharfen Patronen geladenen Revolver in Zusammenhang standen; dieser würde sich beim Oeffnen des Deckels ent laden haben, da eine Schnur vom Deckel nach dem Drücker des Revolvers ging. Die Uhr enthielt einen Wecker, welcher auf 10'/- Uhr gestellt war, sodatz die Maschine, auch wenn sie nicht geöffnet wurde, heute Vormittag nach Ab­lieferung explodiert sein würde. Auf Benach­richtigung des Polizeireviers erschienen Beamte, welche die Maschine unschädlich machten und mit Beschlag belegten. Das Paket mit der Höllenmaschine ist am Samstag - Abend in Fürsten­walde von einem unbekannten, etwa 20 Jahre allen Manne von mittlerer Größe mit blondem Schnurrbart aufgegeben worden. Es fehlt bis­her jede weitere Spur. Da nun vorläufig eine Voraussetzung für Annahme eines politischen Attentats nicht vorhanden ist, so hat die politische Polizei die Untersuchung an die Kriminalpolizei abgegeben.

ImSchwäb. Merkur" lesen wir folgende beachtenswerte Ausführung:Die Höllen­maschine, die in Berlin entdeckt und glücklicherweise noch unschädlich gemacht worden fft, sollte vielleicht, ein Jahr nach Carnors Er­mordung, der Welt in Erinnerung bringen, daß die Arbeit dunkler Mächte, welche durch Erregung von Furcht und Schrecken auf die Erreichung unbekannter Ziele hinwirken, noch nicht einge­schlafen ist. Vielleicht war auch der Schrecken Selbstzweck, und es ist ein bloßes Bnbenstück, das da verübt worden ist. Aber jedenfalls ein grauenhaftes Stück, das auf das Vorhandensein der gefährlichsten Sittenverwilderung hinweist. Wer Stunden und Tage an einem Werkzeuge arbeitet, ähnlich dem Uhrwerke jenes Versicher­ungsschwindlers und Massenmörders Thomas, das vor Jahren in Bremen zu früh explodiert ist; wer dem fertigen Werke noch eine teuflisch- boshafte Bezeichnung und eine höhnische Adresse verleiht; wer die entsetzliche Wirkung aus eine Menge Schuldloser nicht scheut der hat die äußerste Stufe von Verworfenheit erreicht. Die menschliche Gesellschaft ist aufs neue gewarnt vor unheimlichen Gewalten in ihrem Schoße. Durch Umsturzvorlagen wird sich da nichts bessern lassen. Der Heilungsprozeß muß von innen kommen, und jeder an seinem Teil muß dazu beitragen."

H a m b u r g , 2. Juli. Aus Friedrichs­ruh meldet dieHamb. Korr.": Das Befinden Bismarcks läßt seit etwa einer Woche viel