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einen ihm von dem König zu Kurzwecken bewilligten 3wöchigen Urlaub nach Wildbad an.
S t u t t g a r t, 27. Juni. Der Abg. Kloß und Genossen haben an den Landtag folgende Anträge gerichtet: 1) Die K. Staatsregierung zu ersuchen, einen Gesetzesentwurf einzubringen, durch welchen den Privatfeuerversicherungs- Gesellschaften die Verpflichtung auferlegt wird, an die einzelnen Gemeinden, je nach dem Grade der Ausbildung des Feuerlöschwesens derselben, einen im Wege der Verordnung festzusetzenden Beitrag bis zur Höhe von 6 °/„ ihrer Prämieneinnahmen zu leisten. 2) Die K. Staatsreg. zu ersuchen, einen Gesetzentwurf einzubringen, durch Welchen, unter Abänderung des Art. 15 der Bauordnung, die Behörden der größeren Gemeinden ermächtigt werden, die Anlieger an solchen Ortsstraßen und Plätzen, deren Her- stellung durch öffentliches Verkehrsbedürfnis notwendig geworden ist, im Wege des Octsbau- statuts zu »sämtlichen Kosten der ersten Einrichtung heranzuziehen. Kloß. Schrempf. Glaser. Betz. Schuhmacher. — Ferner ist erschienen der Antrag der Kommission für die Vorlage belr. die Bestellung der Ortsvorsteher in den größeren Stadtgemeinden. (Antrag: Ablehnung; Ersuchen um Einführung der periodischen Ortsvorsteherwahl für sämtliche Gemeinden bei direktem Wahlrecht der Gemeindebürger; Belassung der Geschäfte der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei den Gemeinden.)
Stuttgart, 23. Juni. Es wird sehr bemerkt, so meint der „Albbote" daß die Mitglieder der neuen Ständeversammlung noch keine Einladung zu Hofe erhalten haben, während es sonst Sitte war, daß sie bald nach der Eröffnung des Landtags zu einem Diner, sei es in die Wilhelm» oder in den Weißen Saal des Kgl. Residenzschlosses, je nach der Jahreszeit, geladen wurden. Man wußte sich zuerst das Abgehen von dieser hergebrachten Uebung nicht recht zu erklären. Neuerdings, hört man, geben Personen, die dem Hofe nahe stehen, als Grund hiefür — und dieje Aeußer- ungen sind natürlich auch in Abgeordnetenkreise gedrungen — einen Artikel an, welcher vor einiger Zeit im Hauptorgan der führenden Partei in der Kammer zu lesen war und der sich in nicht gerade taktvoller Weise mit einer von Sr. Majestät dem König im Schwarzwald abgehaltenen Auerhahnjagd beschäftigte.
Eine Stuttgarter Rcporterfirma hat sich die unglaubliche Taktlosigkeit geleistet, den König daran zu erinnern, daß Allerhöchst derselbe bis jetzt noch keine Einladungen an die Mitglied e r des L a n d t a g s zu den früher üblichen Hofdiners habe ergehen lassen und sucht den Grund dafür in einer allerdings unqualifizier- baren Auslassung des Hauptorgans der leitenden Partei der 2. Kammer über einen Jagdausflug des Königs im vergangenen Frühjahr nach Freudenstadt. Unter anständigen Leuten ist es sonst nicht Sitte, öffentliche Erörterungen darüber anzustellen, warum irgend jemand eine durchaus freiwillige Einladung unterlassen habe und bei der allerhöchsten Persönlichkeit sollte diese allgemein gültige Anstandspslicht doppelt befolgt werden. Wenn übrigens dieses Thema nun einmal öffentlich angeschnitten ist, so lassen sich recht wohl noch verschiedene andere Gründe denken z. B. der, ob die Einladung an sämtliche Abgeordnete erfolgen solle, worauf von einzelnen, man denke nur an die Sozialdemokraten, eine mehr oder weniger unhöfliche Absage zu erwarten wäre, oder ob die Einladungen nur mit Auswahl gemacht werden, wobei die Ueber- gangenen in irgend einer bissigen Form ihrem Aerger Luft machen könnten. Man kann überhaupt bezügl. der Gastereien für die Abgeordneten verschiedener Meinung sein. Daß der Kammerpräsident für die Ehre seiner Erwählung sich bedankt und den Herren Abgeordneten in Form eines Gastmahls für das ihm zugewendete sehr reiche Einkommen eine Art Provision gewährt, ist ja begreiflich, aber der König, der ganz abgesehen von den heurigen Ueberschwem- mungen alljährlich mehr als reiche Gelegenheit hat, für die Hilfsbedürftigen aller Art sehr viel Geld auszugeben, sollte mindestens zu der wirk-
> lich überflüssigen Ausgabe für die Gastereien 1 der Herren Volksvertreter nicht auch noch öffentlich veranlaßt werden.
S t u t t g a r t, 22. Juni. Die Regierungs- exigenz für Ueberschwemmte im Betrage von 400000 wird, was eigentlich selbstverständlich ist, nicht lediglich für die im Balinger Bezirk wohnenden Beschädigten verwendet, sondern für alle Schäden, die im Land durch Ueber- schwemmungen verursacht wurden. Daß die Verteilung hiebei auch darauf Rücksicht nehmen wird, in wieweit die Privathilfe den Bedürfnissen abgeholfen hat, ist natürlich. Mancherlei im Lande hierüber aufgetauchte Mißverständnisse erledigen sich hierdurch.
Saaten standsbericht für Württemberg. Ergebnisse der amtlichen Erhebungen des Kgl. Statistischen Landesamts über den Saatenstand im Monat Juni d. I., nach dem „St.-Anz." Nach den Berichten der Vertrauensmänner der landwirtschaftlichen Bezirksvereine standen in Württemberg um die Mitte des Monats im Gesamtdurchschnitt: Winterweizen, Winterdinkel, Winterroggen, Sommerweizen, Sommerroggen, Sommergerste, Haber, Kartoffeln und Hopfen sämtlich gut bis mittel mit teilweise,: Annäherung an gut, Klee und Luzerne gut, Wiesen gut bis sehr gut, Aepfel gering bis sehr gering, Birnen gering. Ja den allgemeinen Bemerkungen wird auf die in verschiedenen Gegenden verursachten schweren Beschädigungen durch Gewitter mit Wolkenbrüchen hingewiesen. Die zeitweise schwüle und auch in den Nächten meist warme Temperatur der genannten Gewitterperiode mit ihren häufigen Niederschlägen hat zwar das Wachstum der Feldgewächse im Großen und Ganzen sehr gefördert, aber auf zu Nässe geneigten Böden wurden die meisten Gewächse nachteilig beeinflußt, Hocherwünscht ist die bei Abfassung dieses Berichts (Mitte Juni) eingetretene beständigere Witterung. Als recht verschiedenartig stellt sich nach den Berichten
— selbst innerhalb der einzelnen Berichtsbezirke
— der Stand der Winterfrüchte dar. Die Sommerhalmfrüchte haben sich in den letzten Wochen meist kräftig bestockt und schön entwickelt. Eine Ausnahme hievon machen nasse Felder, wo besonders die Gerste gelb wurde. Geklagt wird vielfach über starke Verunkrautung des Sommerfeldes. Der Stand der Kartoffeln ist in warmen Böden ein befriedigender; vielen- orts zeigen sich Schäden durch Nässe. Der Hopfen hat sich zwar in den meisten Gegenden schön entwickelt, doch wird an einigen Orten über nachteilige Nässe geklagt. Ueberaus reichen Ertrag geben Klee, Luzerne und Wiesen; nur wurde leider die Heugewinnung von Klee und Luzerne durch die häufigen Regenfälle sehr erichwert, wobei die Qualität notgelitren hat. Dasselbe gilt von der in einigen Gegenden sehr frühzeitig in Angriff genommenen Wiesenheuernte. Als ungünstig müssen die Aussichten auf Kernobst bezeichnet werden. Die ohnedies spärliche Apfelblüte kam zum Teil gar nicht zur Entwicklung, zum Teil sind die Fruchtansätze alsbald abgefallen. Nur in wenigen Bezirken ist ein annähernd mittlerer Ertrag an Aepfeln zu erhoffen. Etwas günstigere Aussichten geben die Birnbäume.
Stuttgart, 26. Juni. Der gestern vom hiesigen Schwurgericht zum Tod verurteilte Mörder Martin Mauth von Leidringen, OA. Sulz, an welchem aller Wahrscheinlichkeit nach das erste Todesurteil unter König Wilhelm II. zur Vollziehung gelangen wird, ist ein äußerst roher Patron, eine gefühllose Bestie tn Menschengestalt. Der Bursche nimmt seine Verurteilung ganz leicht und als felbstverständlich auf, von Reue keine Spur; er gefällt sich vielmehr darin, über seine Zukunft ganz rohe Spässe zu reißen. So soll er sich einem Wärter gegenüber geäußert haben: „Was wurd d'r Petrus saga, wenn i mit am Kopf unter'm Arm nufkomm!"
Ausland.!
Die Franzosen, deren nach Kiel beorderten Schiffe von der die Presse fürchtenden Regierung den strengsten Auftrag zu äußerster Zurückhaltung erhalten halten, scheinen nun- mehr doch, wenigstens in ihrer überwiegenden,
Mehrheit, einzusehen, daß bei dem ewigen Schmollen und Trutzen gegen Deutschland kein Vorteil für Frankreich herauskommt. Der Kommandeur des zu den Kieler Festlichkeiten beorderten Geschwaders, Admiral Menard, ist alsbald nach seiner Rückkehr nach Brest von dort nach Paris zur Berichterstattung berufen worden und er wird dem Präsidenten der Republik und den Ministern nur bestätigt haben, daß ihm sowohl seitens des Kaisers, des Prinzen Heinrich und aller offizieller Persönlichkeiten, als seitens der Bevölkerung alle nur denkbaren Ehren erwiesen worden sind, und daß auch nicht der leiseste Mißklang vorkam, trotz des äußerst zugeknöpften Verhallens, das chm vorgeschrieben war.
Die Weltausstellung in Antwerpen (1894) hat ein glänzendes finanzielles Ergebnis gehabt. Dieselbe schließt, wie wir durch das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln erfahren, bei einem Aktienkapital von 1 500 000 Francs mit einem Reinerträge von 285 166 Fr. ab, so daß die Aktie von 100 Fr. mit 119 Fr. zurückgezahlt wird.
Unterhaltender Teil.
Ein Bnllantenhalsband.
Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Bernhard wollte solche Selbstanklagen aus ihrem Munde nicht dulden und er bot Alles auf, was in seinen Kräften stand, um sie zu beruhigen.
„Daß Dir die kleine Handtasche mit unserer Reisebarjchaft auf dem Bahnhofe gestohlen wurde, ist wohl ein Mißgeschick, aber keineswegs ein unersetzliches, wie Du meinst, und sicherlich trifft Dich, mein Lieb, daran nicht das mindeste Verschulden. Ich allein verdiene Tadel und Strafe, daß ich selbstsüchtig genug sein konnte. Dein Dasein schon jetzt an das mcinige fesseln zu wollen, und daß ich Dich den kleineren Leiden Deines Elternhauses entriß, um Dich den furchtbaren Mühseligkeiten und Gefahren einer solchen Flucht preiszugeben. Schon sehe ich die Stunde kommen, in welcher Du mir und Deiner Liebe zu mir fluchen wirst!"
Statt aller Antwort stand sie — so schwer es ihr auch augenscheinlich wurde — von ihrem Stuhle auf und schlang ihre Arme um den Hals des jungen Mannes; ihre Lippen begegneten sich m einem langen, heißen Kusse und deutlicher als hundert glühende Versicherungen sprach diese Liebkosung für die Grundlosigkeit der Befürchtung, welcher Bernhard soeben Ausdruck gegeben hatte. Ein Klopfen an der Thür schreckte sie auseinander. Ein Dienstmädchen erschien mit einem großen Präsentier - Brett, auf welchem sich neben einem dampfenden Teekessel und einer Flasche Rotwein alle Bestandteile einer — für die Verhältnisse dieses armseligen Gasthoses ziemlich opulenten — Mahlzeit befanden. Hinter ihr aber zeigte sich die vierschrötige Gestalt des Herrn Meincke, der in jeder Hand eine brennende Kerze trug, und der sich's nicht nehmen lassen wollte, in eigener Person feine Entschuldigungen wegen der bisherigen Nachlässigkeit in der Bedienung vorzubringen. Auch fügte er hinzu, daß er sich veranlaßt gesehen habe, den Koffer des Herrn Schmidt aus der engen und finsteren Kammer, in welcher der junge Mann während der beiden letzten Nächte geschlafen, in ein bequemes und geräumiges Gemach des zweiten Stockwerks schaffen zu lassen, welches ein viel würdigeres Logis für einen so vornehmen jungen Mann sei.
Mil all' diesen Liebenswürdigkeiten erntete er indessen nur geringen Dank — ja, er erhielt kaum eine Antwort, und mit einem verdrießlichen Gebrumm über Hochmut und Aufgeblasenheit schwankte er endlich nicht ohne Lebensgefahr die steile Treppe hinunter, um auf seinen Beobachtungsposten zurückzukehrcn.
Oben aber saßen sich die beiden jungen Flüchtlinge sehr ernst und schweigsam gegenüber. Beim Schein der Kerzen konnte man zwar erkennen, daß das etwa achtzehnjährige junge Mädchen ein wunderbar regelmäßiges und bild-