hübsches Antlitz habe, aber man sah auch die Spuren körperlichen Leidens und tiefen Seelen- kummers nur zu deutlich auf diesem liebreizenden Gesicht. Diese Wahrnehmung, ebenso wie die Beobachtung, daß Else mit diesem Namen hatte Bernhard das junge Mädchen angeredet die Speisen und Getränke offenbar nur be­rührte, um anscheinend seinem liebevollen Drängen nachzugeben, war nur zu sehr darnach ange- than, den Kummer und die schweren Besorgnisse des jungen Mannes bis aufs Aeußerste zu steigern und jede Hoffnung auf eine glückliche Zukunft in seinem Herzen schon im Keime zu ersticken. Ihre Versicherungen, daß sie sich schon bedeutend wohler befinde, als bei ihrer Ankunft, wurden ja durch ihr Aussehen Lügen gestraft und auch Vas Lächeln, zu welchem sie sich einige Male zu zwingen versuchte, hatte einen viel zu trüben und melancholischen Ausdruck, als daß man an seine Aufrichtigkeit hätte glauben können.

Schon nach kurzer Zeit war die stille und traurige Mahlzeit beendet und Bernhard kniete vor dem geliebten Mädchen nieder, um ihre beide Hände ergreifend mit zitternder Stimme zu sagen:

Höre mich an, meine süße Else, und über- lege wohl, welche Entscheidung Du treffen willst, denn wer weiß, ob wir morgen noch die Herren unseres Willen sein werden. Du bist auf meinen Vorschlag mit mir aus dem Hause Deines Vaters und aus unserer Heimatstadt geflohen, weil die Behandlung, welche Dir dort zu Teil wurde, eine wahrhaft unerträgliche war. Dein Vater, welcher mich um meiner Armut willen verwarf, wollte Dich zwingen, einem ungeliebten reichen Manne Deine Hand zu geben, und da Du treu zu unserer Liebe hieltest und Dich weigertest, seinen Wünschen zu willfahren, so peinigte er Dich in jeder nur erdenklichen Weise, und er verflieg sich zuletzt in seiner Wut sogar zu em­pörenden Mißhandlungen, denen Du meiner Ueberzeugung nach nicht länger ausgesctzt bleiben durftest. Ich mußte Dich vor den brutalen Aeußerungcn seines Zornes in Sicherheit bringen, und dazu gab es keine andere Möglichkeit, als eine heimliche Flucht nicht nur aus seinem Hause, sondern auch aus der Stadt und wenn möglich aus dem Lande. Hätten wir nicht erwarten müssen, daß er sofort alle Mittel der Verfolg­ung aufbieten werde, so würde ich Dich im Hause meiner guten und immer hilfsbereiten Tante Friederike untergebracht haben; aber gerade dort hätte er Dich ja ohne Zweifel zuerst ge­sucht, und ich durfte der alten Dame zu all' den Sorgen, die sie bereits um meinetwillen auf sich genommen, nicht auch noch ernstliche Unan­gelegenheiten bereiten. So faßte ich denn in meiner ersten namenlosen Aufregung und Ver­wirrung jenen tollkühnen Plan, den wir zum Teil bereits zur Ausführung gebracht hatten und der Dir so viel Leid und Kummer bereiten sollte. Ich raffte meine geringen Ersparnisse zusammen und machte Alles, was ich sonst noch besaß, so gut es in der Eile zu bewerkstelligen war, zu Gelde. Dann vertraute ich mich meiner Tante an, ihr, die mir eine zweite Mutter ge- wesen ist vor der ich doch nie ein Geheimnis gehabt hatte, und die ich auch diesmal nicht durch eine heimliche Flucht betrüben konnte. Sie ge­riet zwar bei der Aussicht, sich auf eine lange Zeit, vielleicht auf immer von mir trennen zu sollen, in eine wahrhafte Verzweiflung und ver­sicherte mir unter heißen Thränen, daß sie einen solchen Schlag gewiß nicht lange überleben Werde; aber da sie sah, daß weder Bitten noch Vorstellungen im Stande sein würden, meinen Entschluß zu ändern, gab sie auch dazu ihren Segen, wie sie ihn mir bisher zu jeder meiner Handlungen gegeben hatte, und drängte mir trotz meines entschiedenen Widerspruches jenes kostbare Kleinod auf, das sie zwar niemals ge­tragen. aber nichtsdestoweniger wie ein Augapfel gehüttet hatte, und von dem sie unter anderen Umständen sicherlich nur der Tod getrennt haben würde.

Ich bin gewiß, daß auch Du es wohl be- wahren wirst, Bernhard", sagte sie mit weinen­den Augen,denn es ist der Talisman unserer Familie, ein heiliges Vermächtnis, das noch

Niemand aus schnödem Eigennutz anzurühren wagte. Es war das Geschenk, das Deine Groß­mutter am Hochzeitstage von ihrem jungen Gatten erhielt. Damals war sie reich und glück­lich und die Zukunft war für sie voll der herr­lichsten Hoffnungen. Aber keine einzige von all' diesen Hoffnungen ist ihr in Erfüllung ge­gangen. Nach kurzer, glücklicher Ehe wurde ihr der Gemahl durch den Tod entrissen und eine lange Reihe harter Schicksalsschläge brachte sie und uns ihre Kinder um all' ihre Habe. Aber wie groß auch der. Jammer sein mochte, der in unserem Hause herrschte, in wie furcht­baren Gestalten auch das Elend über unsere Schwelle treten mochte, jenes Hochzeitsgeschenk blieb unangerührt und sein Besitz, wie viel traurige Erinnerungen sich auch immer daran knüpfen mochten, war fast die einzige Freude, welche das Dasein noch für meine arme Mutter hatte. So ist der Schmuck auf mich gekommen und so gedachte ich, ihn nach meinem Tode Dir zu vererben. Nun aber, da eine heiligere Ver­pflichtung an Dich herangetreten ist, und die Aufgabe, bei Deiner alten Tante zu bleiben, dagegen zurücklritt, nun ist es meine Schuldig­keit, Dir Dein Erbteil schon jetzt auszuhändigen, damit es nicht dereinst in fremde Hände falle und freventlich verzettelt werde. Mögen sich Glück und Freude für Dich an diese Steine knüpfen und mögen Sie Dir den Segen bringen, den sie bisher noch keinem ihrer Besitzer bringen konnten. Laß Dich nur durch die äußerste Not bestimmen, sie von Dir zu geben, und nur, wenn Du Deine heiligen Pflichten gegen das Mädchen, welches Dir vertrauensvoll in die Fremde gefolgt ist, auf keine andere Weise mehr erfüllen kannst!"

(Fortsetzung folgt.)

Die Zeiten des billigen Schuhwerks, die uns bis jetzt beschieden waren, dürften ehestens ihr Ende erreichen, denn wie uns ans Fachkreisen mitgeteilt wird, bereiten sich auf dem internati­onalen Ledermarkte große Veränderungen vor, die ihre Rückwirkungen bis zum einzelnen Kon­sumenten herab ausüden werden. Bereits in den letzten Wochen haben die Lederpreise eine starke Steigerung erfahren, die in den letzten Tagen rapid zunahm und damit den Höhepunkt noch lange nicht erreicht hat. Diese unerwartete und unerfreuliche Erscheinung ist auf eine dop­pelte Ursache zurückzuführen. Zunächst auf den derzeitigen großen Mangel an rohen Häuten. Derselbe entstand durch die vielen vorangegangenen schlechten Futterjahre, wodurch bekanntlich Massen- schlachtungen vorkamen, die selbstredend den Viehstand ungeheuer reduzieren mußten. Man ist nunmehr gezwungen, bei den jetzigen vorzüg. lichen Futterjahren den reduzierten Viehstand zu ergänzen. Dazu gesellen sich ferner die Folgen eines in Amerika bestehenden Leder­trusts, der, ähnlich wie der jüngst gegründete ominöse amerikanische Petroleumring, die Preis­notierungen jetzt ausschließlich in die Hand ge­nommen hat und dem Ledermarkte die Signatur aufdrückt. Ermöglicht wird dies dadurch, daß alle großen Lederfabriken Amerikas sich diesem Trust angeschlossen haben, so daß nun der europäische und speziell der deutsche Markt von diesem Lederringe abhängig ist. Hiezu tritt hier noch der Umstand, daß die Beteiligten des­selben vorsorglich alle Vorräte in Häuten auf dem europäischen Markte zu hohen Preisen aufge­kauft haben, wodurch alle Lager erschöpft wurden. Unsere Schuhfabrikanten stehen thatsüchlich dadurch vor einer äußerst schwierigen -Situation. Zu den bisherigen Preisen weiter zu liefern ist ihnen aus den angeführten Gründen ganz un­möglich. Eine unausbleibliche Steigerung der Schuhwarenpreise von mindestens 30"/» wird die Folge sein.

(Ein nobler Herr und ein noch noblerer Diener.") DerSächs. Arbeiter-Zrg." zufolge hat der antisemitische Reichstags-Abgeordnete Zimmermann. Direktor derDeutschen Wacht", sich zur Feier der Eröffnung des Nord- ostseekanals einen wirklichen, echten Diener mit­gebracht. der neben den Stiefelwichs- und sonstigen

Geschäften auch die Aufgabe hat, seinem Herrn und Meister sehen zu helfen. Wir hatten das Glück, seine Festkarte zu sehen, also die Karte, die ihm gestattet, an den Eröffnungsfeierlichkeiten tcilzunehmen (ohne Eintrittsgeld), darauf stand zu lesen:

Louis Köhler,

Diener des Hrn. Reichstags-Abg. Oswald Zimmermann."

Für Leute, denen dieser Louis Köhler eine terra ineoßnitL sein sollte und die darum ob unserer ganzen Erzählung ein ziemlich dummes Gesicht machen dürften, müssen wir allerdings noch eine Erklärung hinzufügen: Herr Louis Köhler (der frühere Besitzer des Schillergartens in Blasewitz) besitzt ein Vermögen von mehr als einer halben Million Mark. Uebrigens war auch Herr Ahlwardt auf der Fahrt mit einemDiener" versehen.

(Erdbeeren roh einzumachen.) Zu 500 g guten, ausgesuchten Walderdbeeren nimmt 1 kg pulvrisierten Zucker, schüttet dies zusammen in eine irdene Schüssel und schlägt es zwei Stunden lang unausgesetzt mit einem Holzlöffel, bis es einen marmeladenartigen Brei bildet; dann gießt man einige Tropfen aufgelöste Salicylsäure hinein und füllt die Masse in weithalsige Einmachgläser, giebt ein in Salicysäure getränktes Pa­pier darüber, verschließt die Gläser luftdicht und be­wahrt sie an einem trockenem Orte aus.

Um Oleander sicher und schnell zur Blüte zu bringen, setzt man jetzt dieselben an einen recht sonnigen Platz und gießt täglich mit warmem Wasser.

(Vorahnung.) Erster Hauptmann:Ich begreife gar nicht, Herr Kamerad, wie Sie nach der vernichtenden Kritik des General so kühl bleiben und sich gar noch mit Lektüre beschäftigen können. Was lesen Sie denn da eigentlich?" Zweiter Hauptmann:Den Katalog eines Herrengarderobengeschäfts für Zivil." (Auf Umwegen.)Ich denke, du bringst deinen Herrn Vorstand zu Tische mit," sagt die Frau Assessor«!, die gewohnt ist, ihrem Herrn Gemahl ein sehr einfaches Essen vorzusctzen.Er ist leider verhindert," entgegnete der Gemahl und läßt sich mit großem Behagen zu der guten Mahlzeit nieder, die er sich verschafft hat. (Nicht gut möglich.) A.: Ich begreife nicht, wie Sie bei dieser großen Uhr, die alle halbe Stunde schlägt, schlafen können! B.: Im Gegenteil, wenn ich die Uhr nicht schlagen höre, kann ich überhaupt nicht schlafen!(Kasernen- hofblüke.) Unteroffizier: Sie Schafskopf von einem Flügelmann, was machen Sie wieder für ein Bocksgesicht wie eine frischrasierte Kuh, die ohne Proviant über die Alp reist!

Telegramme.

Berlin, 28. Juni. DerReichsanzeiger" enthält die Anzeige von dem vertragsmäßigen Uebergang derKreuzzeitung" an den Grafen Fink von Finken stein.

Holtenau, 28 Juni. Auf einer Pinasse des PanzersKurfürst Friedrich Wilhelm" fand heute Nachmittag während einer Sprengdienst- übung durch vorzeitiges Entzünden einer Spreng­patrone eine Explosion statt. Hiebei wurden nach amtlicher Meldung aus Kiel getötet: 5, und ebensoviele verwundet.

Kiel, 29. Juni. Das gemeldete Schiffs­unglück ereignele sich um 3 Uhr in der Slrander Bucht. Das Explodieren der Sprengpatrone erfolgte in Folge vorzeitiger Entzündung an Bord der Pinasse, wovon das Vorderdeck weg­gerissen wurde.

Kiel, 29. Juni. Unter den Getöteten befindet sich der Seekadet Vahlen, Sohn eines Berliner Philologie-Professors. Die Leichen dreier Getöteten sind über Bord gefallen und noch nicht gefunden.

Paris, 28. Juni. Der Kriegsminister sprach sich heule in der Kommission mit aller Entschiedenheit gegen die 2jährige Dienstzeit aus.

Paris, 28. Juni. In den Schiefer­gruben von Trolaze ereignete sich ein großer Unglücksfall. Ein 1500 Kilogramm schwerer Schieferblock war eben aus dem Schacht be­fördert worden, als die Kette riß und der Block in den 117 Meter tiefen Schacht stürzte. Ein Arbeiter wurde getötet, drei schwer verwundet.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.