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einen Lehrling, andere ein Mädchen als Dienstboten. Eltern Kinder an Kindesstatt annehmen u. s. w. Diesbezügliche Bedürfnisse mögen Stadtpfarrer Schütz in Balingen vorgelegt werden.
Ulm, 24. Juni. Ein geborener Ulmer Viktor Köchel, Kaufmann in New-Aork, hat für die Ueberschwemmten im Eyachthale 2000 ^ hierher gesendet.
Cannstatt. 19. Juni. Die an den Automaten auf den Bahnhöfen Stuttgart, Untertürkheim und Cannstatt verübten Betrügereien scheinen einen großen Umfang erreicht zu haben. Man schreibt von 1400 Falsifikaten (Eisenstücken), die eingeworfen worden seien. An den Sonntagen sind die Manipulationen hauptsächlich stark in Stuttgart betrieben worden, weil es da bei großem Menschenandrang am unauffälligsten geschehen konnte.
Besigheim. 19. Juni. Bei der Wahl eines Stadtschullheißen erhielt Stadtpfleger Köhler die meisten Stimmen, nämlich 277. Sein Gegner und Onkel, Gemeinderat Müller erhielt 153 Stimmen. Der neu gewählte Stadt- Vorstand ist 32 Jahre alt.
Besigheim, 25. Juni. Großes Glück ist der Weingärtnerfamilie David Adler und der Arbeiterfamilie Weinle hier wiederfahren. Die Witwe Adler und der gerade bei ihr arbeitende Taglöhner Weinle kauften miteinander ein halbes badisches 100 Thaler-Loos und heule erhielten sie die Nachricht, daß sie damit zusam- men 150000 Mk. gewonnen haben, also jedes 75000 Mk. Den Jubel der bis jetzt vom Glück Minderbegünstigten kann man sich umstellen.
T u t t l i n g e n , 25. Juni. Nach der vorläufigen Zusammenstellung der Resultate der Berufs- und Gewerbezühlung ergab sich für unsere Stadt eine nahmhafte Zunahme der Bevölkerung. Es wurden 11131 Einwohner gezählt.
Auf dem Jägerhaus bei Weinsberg, wohin der Württ. Öbstbauoerein letzten Sonntag einen Ausflug gemacht halte, wurde Fräulein Gaucher, die Tochter des bekannten Baumschulenbesitzers bei Stuttgart, als sie sich eben zum Tanze begab, vom Schlage gerührt und verschied kurz darauf.
Maulbronn, 24. Juni. Die Heuernte ist in hiesiger Gegend beendet und fiel bei verhältnismäßig günstiger Witterung qualitativ und quantitativ sehr gut aus. Wegen der reichen Heuernte ist das Heu sehr billig. Ein Hofbauer bei Breiten verkaufte den Zentner Heu um 80 nach Bretlen. Obst giebt es im Bezirk wenig; dagegen stehen die Halm- und Hackfrüchte und der Tabak sehr schön. — Der Neubau des zweiten Eisenbahn-Geleises auf der Strecke Mauldronn-Bretten schreitet seit 6. Mai d. I. rüstig voran. Es werden hiebei lauter Leute aus der nächsten Umgebung mit Taglöhnen von 2 20 bis 3 »tL beschäftigt.
Nagold. Ein interessantes Bild aus der Tierwelt konnte der Einsender dieses beobachten. Ein Knabe kam mit einer zahmen Dohle ln den Hühnerhof und ließ dieselbe einen Augenblick spazieren gehen. Mit einemmal stürzten 2 Hennen mit wütendem Geschrei und gesträubten Federn auf die Dohle los, welche ihr Heil in der Flucht suchte. Sie wurde aber verfolgt und wäre wohl unter den Hieben der Hennen verendet, wenn sie nicht rechtzeitig von ihrem kleinen Besitzer mit kühnem Griff aus den Klauen ihrer Verfolger gerettet worden wäre.
Bei dem Ausflug der Abgeordnetenkammer ins Bottwarthal am letzten Donnerstag machte ein Teil der Abgeordneten in einem Wirtschaftsgarten am Fuße des Langhaus ein Keg elsprel. Da kein Kegelvube zum Kegelaufsetzten da war, bequemten sich die Abgeordneten selbst zu diesem Dienst, und da zeigte sich das schöne Bild der Eintracht: während der Demokrat Käs von Backnang schob, setzte der Sozialdemokrat Glaser von Cannstatt mit dem Frhrn. v. Wöllwarth die Kegel auf.
S t u t t g a r t, 25. Juni. Durchschnittspreise des hiesigen Schlacht- und Viehhofes Pr. Pfund Schlachtgewicht: Ochsen 71—73 Farren und Stiere 60—62 Rinder 68—70
Schweinen 45—50 Kälber 78—86 L.
Stuttgart. (Landesproduktenbörse. Bericht vom 24. Juni von dem Vorstand Fritz Krcglinger.f Die Stimmung auf dem Getreideweltmarkt ist eine ruhigere geworden, nachdem Amerika in Folge besserer Ernteberichte niedigere Kurse meldete. Es fanden in der abgelaufenen Woche wenig Abschlüsse statt, nachdem die Konsumenten etwas zurückhaltend sind. In Folge der Heuernte sind die süddeutschen Märkte schwach befahren, auch hier stehen die Preise unter dem Drucke von Amerika. Wir notieren per 100 Kilogr. Weizen, bahr. 15 </L 75 bis 16 50 Gyrka 16 ^ 50 ^
bis 16 85 Nikolajeff 16 50 Kernen, Oberl.
In 17 50 ^1, Unterl. 16 Landhaser, 11
50 Donaumais 13 50 — Mehlpreise pr.
100 Kilogramm, inkl. Sack bei Wagenladung: Letztwöchentlich.
Ausland.
Paris, 24. Juni. Admiral Menard, der bereits in Brest eingeiroffen ist, wurde behufs Berichterstattung über die Kieler Festtage hieher berufen.
Paris, 24. Juni. Der „Gaulois" will von einem Diplomaten, dessen Namen er nicht nennen dürfe, erfahren haben, daß zwischen Frankreich und Rußland in der That eine Militärconvcntion abgeschlossen worden sei. Der Vertrag sei im Jahr 1893, als der verstorbene Minister Giers m Aix les-bains weilte, unterzeichnet worden; nach demselben sollen sich die beiden Staaten verpflichtet haben, einander im Falle eines gegen sie gerichteten Angriffskrieges mit 300 000 Mann zu Hilfe zu kommen.
Die großen französischen Manöver, die unter der Leitung des Generals Saussiers stattfinden, werden, laut einer Depesche eines Pariser Korrespondenten am 6. September ihren Anfang nehmen. Die erste Armee, unter dem Kommando des Generals de Negrier, wird sich in der Umgegend von Langres und die zweite, unter dem Befehl des Generals Jamont, bei Neufchüteau konzentrieren. Den 9. und 10. September werden die Operationen der ersten gegen die zweite Armee ftatlfinden. Vom 12. bis 17. werden die bei Bourponne-les-Bains vereinigten Armeen unter dem Kommando des Generals Saussier gegen einen zwischen Eharnes und Bayon konzentrierren fingierten Feind manövrieren. Truppenschau findet am 19. bei Mire- court statt und am nächsten Tage beginnt die Dislokation.
Paris, 24. Juni. Gestern morgen begann das vom „Petit Journal" veranstaltete Prcisfliegen von Brieftauben aus sämtlichen Departements Frankreichs, aus Belgien, England und Spanien; über 60 000 Brieftauben wurden losgclassen. Mit dem Preisfliegen, welchem auch der Präsident der Republik beiwohnte, will das „Petit Journal" den Beweis erbringen, daß Schiffe, welche mehrere hundert Kilometer von der Küste Havarie erlitten haben, oder sich sonst in gefährlicher Lage befinden, mittels Brieftaubenpost Hilfe erlangen könnten.
— Die geflügelten Boten von Abbeviüe trugen
— was absolute Geschwindigkeit betrifft — den Sieg davon. Die erste Taube dieses Schlages legte die Entfernung von 150 Kilometern in einer Stunde 58 Minuten zurück, also mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 76 Kilometern die Stunde.
Aus Frankreich, 23. Juni. Aus dem Museum in Dünkirchen hat ein kühner Dieb mittels Einbruchs an 600 goldene und silberne Denkmünzen entwendet, darunter mehrere seltene Stücke von hohem Wert.
Petersburger Blätter melden, daß die russische Sraalsregierung, angeregt durch die Eröffnung des Nordostseekanalö, eine Kanalverbindung des Schwarzen Meeres mit der Ostsee projektiere.
Der Herzog von Cambridge wird, wie der englische Kriegsminister im Unterhause mitteilte, am 1. Oktober den Oberbefehl über die Armee niederlegen. Der Minister teilte ferner mit, in wie weil in Zukunft die Funktionen eines Höchstkommandierenden eine Aenderung erfahren sollen.
London, 22. Juni. Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Stuttgart", auf der Reise von Bremen nach Baltimore unterwegs, ist mit der englischen Brigantine „Willie" zusammengestoßcn. Die „Willie" ist gesunken, während der Dampfer „Stuttgart" ohne scheinbare Beschädigung bei Pcawle-Point vorberkam.
„Stuttgart" signalisierte nach Prawle-Point, daß er die schiffbrüchige Mannschaft am Bord habe und in Salcombe landen werde.
Aus Amerika, 22. Juni. Ein Elektriker wurde in New-Iork bei der Kabellegung durch Entladung eines 3000 Volt starken Stromes „getötet und wieder ins Leben zurückgerufen". Auf Grund dessen nimmt man an, daß elektrisch von einem 1000 Volt starken Strome Hingerichtete nicht wirklich tot sind.
Unterhaltender Heil.
Ein Brillantenhalsband.
Kriminal-Novelle von Ferdinand Herr mann.
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
Bernhard biß sich auf die Lippen und seine Brust hob sich in schweren Atemzügen.
„Es wäre ein furchtbares Opfer für mich, den Schmuck für immer sortgeben zu müssen und ohne eine Aussicht, ihn jemals zurück zu erwerben. Es ist ein sehr wertes Andenken und es war mein fester Entschluß, mich seiner niemals ganz zu enläußern."
„Ach, nehmen Sie mir's nicht übel, aber das ist ein sehr törichtes Bedenken! — Ich kenne zwar Ihre Verhältnisse nicht, mein Herr, aber wenn man einmal so in der Patsche sitzt, wie es da mit Ihnen der Fall zu sein scheint, so kommt man nicht in einer so kurzen Zeit wieder heraus, wie es nötig wäre, wenn Sie das Ding wieder einlösen wollen. Glauben Sie mir's, ich habe darin meine Erfahrungen! — Und mit den werten Andenken, das sind so Frauenzimmer- Sentimentalitäten, deren ein Mann sich eigentlich schämen sollte. Heutzutage legt man sich um des werten Andenkens willen keine toten Kapitalien mehr in die Schublade!"
Wenn Bernhard den Unbekannten von vornherein wenig sympatisch gefunden hatte, so war ihm der Mann jetzt geradezu verhaßt, aber er war ;a der Einzige, von dem noch eine Hilfe zu erwarten war und schweigend mußte der bedauernswerte Jüngling seine Rohheiten anhören. Auch mußte er es trotz seines inneren Widerwillens dulden, daß der Rotblonde plötzlich eine abscheuliche Vertraulichkeit an den Tag legte und ganz ungeniert seinen Arm ergriff, um ihn an den Ort zu führen, wo seiner Meinung nach das „Geschäft" vielleicht zu machen sein würde. Auf dem Wege dahin, welcher ausschließlich durch die häßlichsten und rumpligsten Straßen der Stadt führte, wurde der Unbekannte nicht müde, sehr oft mit großem Nachdruck zu wiederholen, daß es auch bei des Verkäufers Bereitwilligkeit zu einer großen Einbuße keineswegs leicht sein würde, so in aller Eile eine größere Summe zu erhalten und daß Bernhard wahrscheinlich niemals zu einer Erfüllung seiner Wünsche gekommen sein würde, wenn der Zufall nicht gerade ihn in seinen Weg geführt hätte.
Ein unbefangener Beobachter würde vielleicht auf die Vermutung gekommen sein, daß es dem Sommersprossigen mit seinem unaufhörlichen, stets die nämlichen Dinge wiederholenden Geschwätz nur darum zu thun sei, die Aufmerksamkeit seines Begleiters von dem Wege abzulenken; aber diese Vorsicht war, wenn er sie in der That beobachtete, jedenfalls eine ziemlich überflüssige, weil Bernhard weder nach rechts noch nach links schaute, sondern wie ein Nachtwandler üahinschrttt, todenbleich, und mit der Miene eines Verurteilten, der einem unentrinnbaren Schicksal entgegengeführt wird. Er stutzte erst, als sein Begleiter vor der zu ebener Erde eingehenden Thür einer Schänke,Halt machte, aus welcher ein nicht eben einladendes und verlockendes Gewirr heiserer und lärmender Stimmen auf die Straße hinausschallte.
„Wie?" fragte er, „Sie haben doch nicht etwa die Absicht, mich in diese Spelunke zu führen? Ich brauche wenigstens zweitausend Thaler und da drinnen ist sicher Niemand, der über eine solche Summe verfügt."
„Nicht nur über diese Summe, sondern über viel mehr, wenn es sein müßte, mein Herr", war die ruhige Antwort des Anderen. „Verlassen Sie sich nur ganz auf mich! Ich werde die Sache schon erledigen."