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Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.
Pforzheim, 24. Juni. Das Kinderfest. welches nach 2maliger Verschiebung nun endlich gehalten wurde, nahm einen glänzenden Verlauf. Der Fcstzug erregte namentlich durch die prächtigen Wagen Aufsehen. Im Stadtgarten fanden die Aufführungen von Reigen und Tänzen unter der Leitung des Reallehrers Grüner statt. Bon 5 Uhr an fand daselbst ein Doppelkonzert statt, auSgefühct durch die Kapelle des Jnf.-Reg. Nr. 25 unter Musikdir. A. Schulz und der städt Jugendkapelle unter E Asch — Die Sitte, Waldfeste durch Vereine zu halten, hat sich hier völlig eingebürgert. Letzten Sonntag fanden 2 solche zu gleicher Zeit statt durch die vereinigten Gewerkschaften, welche beim sog. Tiergarten oder Waldeinsamkeit dem Naturgenuß huldrgten und durch den Turnverein, welcher den sogen. Vogelherd zur Abhaltung von Belustigungen aufsuchte.
Pforzheim, 25. Juni. Von Herrn Ferd. Katzenderger geht dem Pf. Beob. folgende Notiz zu: In einer fremden Zeitung und auch in einer hiesigen Zeitung hat eine Schilderung des Attentates auf meinen Vater Herrn Ferd. Katzenderger stattgefunden. Die ganze eben erwähnte Notiz ist die genaue Aussage des Mordgesellen Specht, der ein jähzorniges, arbeitsscheues Subjekt ist, und der Armenpflege verfallen war. Durch vereidigte Zeugen wurde die ganze Erzählung dieses Mordgesellen als reine Erfindung entpuppt und wird die Untersuchung beweisen, daß Spech». nicht im Besitze von 10 ^ war, auch ist schon konstatiert, daß die Kleider meines Vaters bei gerichtlicher Untersuchung nur 17 1 Bleislitt
und 1 Schlüsselbund enthielten. Die direkte Besorgnis auf Lebensgefahr ist nicht mehr vorhanden und konnte mein Vater am Samstag mittag mittelst Krankenwagen in seine Wohnung überführt werden. In Anbetracht der unrichtigen früheren Geschichte seien zur Ehre der Wahrheit vorstehende auf gerichtliche Akren sich gründenden Angaben gemacht.
Deutsches Reich.
Berlin, 25. Juni. Ueber die staatliche Beaufsichtigung der Jrrenpflege stellte heute im Abgeordnetenhaus der Abg. Sattler (nat.- lib.) unter Begründung die Anfrage, welche Kultusminister Bosse in Folgendem erwiderte: Die Erhebung weiter Kreise des Volkes war durchaus berechtigt. Ich finde es begreiflich, daß die Volksvertretung die Frage vor der ganzen Oesfentlichkeit verhandeln will. (Beifall.) Offenheit ist hier vor allem nötig. (Lebhafter Beifall.) Es sei zugegeben, daß gefehlt wurde. Die alljährlichen Berichte über Mariaberg von 1882 bis 1894 erhielten keinerlei Ausstellung. Man habe sich getäuscht, nicht in den Alexianern, sondern vielleicht in den Behörden. Er versichere feierlich, daß keine Schuld ungerügt und ungesühnt bleiben solle. Nach dem Erscheinen der Mellage'schen Schrift habe er verfügt, daß ein Arzt in Mariaberg stationiert und daß nach Beendigung des Prozesses die Anstalt geschloffen werden solle. Gestern sei die telegraphische Nachricht eingetroffen, daß der Provinzialausschuß die Anstalt auf 3—4 Jahren von den Alexianern gepachtet habe. Die übrigen Anstalten der Alexianer seien ebenfalls untersucht worben. Der Hauptfehler sei die schwache Beaufsichtigung der Krankenbehandlung und des krankenpflegenden Personals. Die Geistlichen sollen nicht ganz von der Krankenpflege ausgeschlossen werden, sollen aber dem Arzte unterstehen. Außerdem solle die Besuchskommission aus Regierungsvertretern gebildet werden. Er beklage am tiefsten die Zustände in Mariaberg vom patriotischen und humanen Standpunkt; es werde alles Mögliche geschehen, um die Wiederholung ähnlicher Vorkommnisse zu verhüten. (Lebhafter Beifall).
Kiel, 25. Juni. Zu Ehren der deutschen Flotte fand gestern Abend von 8 bis 11 Uhr ein Mahl auf dem englischen Flaggschiff „Royal Sovereign" statt; der Kaiser wohnte dem Mahle bei. Heute Vormittag har das englische Geschwader den Kieler Hafen verlassen. Morgen findet auf dem Artillerieschulschiff „Mars" ein
letztes Mahl für die fremdländischen und deutschen Marineoffiziere statt. Morgen Abend der letzte Ball in der Marineakademie. Der Kaiser kehrt zunächst am 28. Juni nach Berlin zurück und tritt am 1. Juli von Kiel aus eine Reise nach Schweden an. In Stockholm, wo er am 3. Juli einkrifft, wird er einige Tage verweilen.
Bremen, 25. Juni. Die Stadt ist reich btflaggk. Um 4'/- Uhr begann die vom Fest konnte durch die Stadt veranstaltete Korsoiayrt, welche durch zahlreiche Beteiligung seitens der Geladenen sich glänzend gestaltete. Nicht endenwollende Hochrufe iönten den Vertretern des deutschen Reichstags und den Veciretern der Presse entgegen, die ausnahmslos über die herzliche Art dieses Empfanges und Willkommens des Lobes voll sind. Der geplante Besuch des Freihafens wurde wegen der vorgerückten Stunde und der etwas ungünstigen Witterung aufgegeben. Unter unbeschreiblichem Jubel trafen die Gäste gegen 7 Uhr im Rathause ein. worauf sie sich, nachdem man noch einen Teil der Domneubauten in Augenschein genommen, als Gäste des Senats in den weltberühmten Ratskeller begaben.
Die Reichsregierung beabsichtigt, die durch das Gesetz vom 22. Mai d. I. genehmigten Beihilfen an bedürftige ehemalige Kriegsteilnehmer sobald wie möglich zur Verteilung zu bringen. Es soll zu diesem Zwecke bereits eine vorläufige Umstellung entworfen sein, nach welcher die bekanntlich 1 800 000 betragende Summe aufgeteilt werden soll. Die Unterstützungen belaufen sich auf 120 pro Jahr und soll der Berechnung des auf die einzelnen Bundesstaaten entfallenden Anteils die am 1. Dezember 1871 vorhanden gewesene staats- angchörige Bevölkerung zu Grunde gelegt werden.
Rh ei neck. 23. Juni. Das Hotel Kurhaus Walzenhausen ist heute früh abge- brannt. Man vermutet Brandstiftung. Großer Mobiliarschaden.
Die „N. A. Handelskammer" warnt hiermit wiederholt Buchhalter, Handlungsgehilfen und ähnliche Stellenjuchende vor der Auswanderung nach Nord-Amerika, ohne vorheriges festes Engagement. Es giebt in diesen Branchen gegenwärtig Hunderttausend Stellenlose und auf bessere Aussicht ist in nächster Zukunft nicht zu hoffen. Von Amerikanischen Firmen werden uns dagegen sehr häufig Äddressen von Personen als Agenten und Vertreter in allen Branchen für Deutschland, Oesterreich, Schwerz, rc,, verlangt, und ist das Sekretariat: Room 79. Whitehall Str. 15, New-Jork, gerne bereit an Reflektanten die Liste dieser Firmen und nähere Details kostenlos mitzuteilen.
Württemberg.
Stuttgart, 21. Juni. Landtag. Die Kammer der Abgeordneten erledigte heule den Etat der indirekten Steuern und nahm dabei den Antrag Schach und Gen. auf Wiedereinbringung eines Gesetzes betr. die Besteuerung der Kunsiweinfabllkation an. Dann wurde über den Entwurf und die Anträge betr. die Abstufung der Malzsteuer eine Generaldebatte eröffnet. "Nachdem 10 Redner aus dem Hause und zu wiederholtenmalen der Herr Finanzminister das Wort genommen hatte, wurde die Beratung abgebrochen , da noch 8 Redner vorgemerkt sind. Andern Tags bei der Fortsetzung brachte die Kammer die Malzsteuerdebatte zu Ende. Vorwürfe die der Abg. Schrempf auf Grund der statistischen Nachweise über den Rückgang der kleinen Brauereien erhoben hatte, wurden von dem Herrn Finanzminister Dr. v. Riecke entschieden zurückgewiesen. Ein Antrag Rath und Gen., den Entwurf und die zugehörigen Anträge an eine Kommission zu verweisen, wurde mit 46 gegen 29 Stimmen avgelehnt, der Entwurf samt dem Amendement Vogler (75°/o Ermäßigung für die Kleinbrauer statt 50°/o) mit allen gegen die beiden Stimmen der Abgg. Kloß und Glaser angenommen, der Jnitiatlvgesetzentwurf des Zentrums zurückgezogen, der Antrag Spieß und Gen. gegen 3 Stimmen (Kloß, Glaser, Schweickhardt) angenommen. Sodann kam zur Beratung der Antrag Dentler auf Einbringung eines Gesetzes, das die Verwendung von Malzsurrogaten verbieten soll. Der Antrag
I Dentler und Gen. wurden an die volksw.
1 Kommission verwiesen. — Die Abgeordnetenwahlen von Schorndorf und Neuenbürg (Schrempf und Commerell) wurden debattelos für giltig erklärt.
Stuttgart, 25. Juni. Heute vormittag begannen die Verhandlungen des Schwurgerichts mit dem Falle des Mords an dem 32jährigen ledigen Knecht Johannes Haas von Schlechibach. dessen 27jähriger lediger Dienstknecht M. Mauth von Leidringen, OA. Sulz, angeklagr ist. Die Anklage geht dahin. Mauth habe in der Nacht vom 7.—8. Juli 1894 seinen Nebenknecht Joh. HaaS durch mehrere Schläge auf den Kopf mit Ueberlegung getötet und seiner Baarschafr beraubt und am 18. Oktober 1894 das Oekonomiegebäude des Kochenhofs durch Einwecfen eines brennenden Streichholzes in die mit Heu gefüllte Scheuer in Brand gesetzt. Der Angeklagte ist oft wegen Brandstiftung, Diebstahls und Bedrohung vorbestraft. Ec legte ein Geständnis seiner Verbrechen ab, indem er die Einzelheiten seiner grausigen That erzählte. Der Vorsitzende hielt ihm wiederholt entgegen, daß er durch keinerlei Notlage zur Begehung seiner Verbrechen getrieben wurde und frug zum Schluß: Angeklagter, was wollen Sie nun zur Entschuldigung Ihrer entsetzlichen That Vorbringen? Mauth schwieg gesenkten Hauptes. Staatsanwalt Herrschner wies darauf hin, wie die Verbrecherlaufbahn des Angeklagten schon mit dem 16. Lebensjahre begonnen habe und aus einer Kette von Vergehen und Verbrechen sich zusammensetzte. Aufgabe der Geschworenen sei die Schuldigsprechung des Angeklagten behufs Verhängung der Todesstrafe als einziger Sühne für ein so schweres Verbrechen und zum Schutze der menschlichen Gesellschaft vor einem solchen Verbrecher. Der Verteidiger Dr. Schmal ent- gegnete. daß der Angeklagte in frühester Kindheit seine Mutter verlor, ohne mütterliche Liebe und Pflege aufwuchs, früh in das Leben hinausgestoßen wurde und von Stufe zu Stufe fiel. Die Geschworenen möchten prüfen, ob sie den Angeklagten der Gnade des Königs empfehlen können. Nach ^/«ständiger Beratung verkündete der Obmann der Geschworenen deren Wahrspruch: „Schuldig des Mords, des Raubs und der Brandstiftung." Hienach beantragte Staatsanwalt Herrschner wegen Raubmords die Todesstrafe und wegen Brandstiftung 10 Jahre Zuchthaus nebst 10 jährigem Ehrverlust und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht. Das Gericht erkannte auf Todesstrafe, lOjähriger Zuchthausstrafe nebst 5jährigem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht.
Am Donnerstag nachmittag kam in Stuttgart ein jungen Mann, Benno Kleiner aus Klagensurt, auf dem Zweirad an. Ec will auf seinem Rade eine Fahrt um die Erde machen. Der junge Sportsmann hat am 6. Juni die Reise über Innsbruck, München, Augsburg und Ulm angetreten und ist vorgestern, von Sportsgenossen empfangen, wohlbehalten in Stuttgart eingetroffen. Den andern Tag setzte er seine Reise fort, und zwar zunächst nach Karlsruhe und dann über Speyer, Trier, Sedan, Cambrai nach Calais; von da geht's zu Schiff nach Dover und weiter nach London. In letzterer Stadt schließt sich ihm ein englischer Sportsfreund an, mit welchem die Einschiffung über Glasgow nach Newyork erfolgt. Von hier geht es mit Fahrrad nach San Francisco und mittels Schiff weiter nach Melbourne. Nachdem Sydney, Rockhampton und Cooktown erreicht, schiffen sich die Radfahrer von letzterer Stadt nach Nanking ein. Als weitere größere Reisestationen sind vorgesehen: Canton. Tonkin, Kalkutta, Bombay, Kanoabar und Tiflis. Bon hier soll über Odessa, Galatz, Hermannstadt, Temesoar und Marburg die Rückreise nach Klagensurt angetreten werden. Wie Herr Kleiner mitteilte, hofft er bis Herbst kommenden Jahres wieder in die Heimat zurückgekehrt zu sein.
B a lingen. Von vielen Seiten kommen an die Mitglieder des Hilfskomites Anerbietungen des Inhalts, daß die Absender, der betr. Briefe bereit seien, Knaben oder Mädchen, konfirmierte und. unkonfirmierte, verwaiste und verarmte auszunehmen. Ein Bäcker bei Stuttgart würde