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Nehmen abzuschließen, wie es auf vaterländischem Boden an Großartigkeit der Leistungen von Technik und Industrie noch nicht hergestellt wo» den ist. Nach 8 Jahren mit Gottes Hilfe ohne Störung aufgewendeter Arbeit sehen wir das Bauwerk vollendet, welches deutsche Herzen und deutscher Geist seit lange sehnsüchtig erstrebt und geplant haben, welches zunächst bestimmt ist, die nationale Wehrkraft zu stärken, deutschen Handel und Verkehr zu fördern. So dürfen wir uns der Hoffnung hingeben, daß das ge­lungene Werk dauernd auch seinen weiteren Zweck im reichster Maße erfüllen werde, den Zweck, dem nationalen Verkehr einen nutzbring­enden Weg zu erschließen. Geruhen Ew. Mas., den Hammer huldvollst entgegenzunehmen, den ich im Namen der deutschen Volksvertretung zu überreichen die Ehre habe, und damit zur Weihe des Unternehmens den ersten Hammerschlag zu führen. Möge Gottes reichster Segen denselben begleiten. Der Kaiser sprach: Zum Gedächt­nis Kaiser Wilhelms des Großen taufe ich den KanalKaiser Wilhelm-Kanal." Der Kaiser that darauf drei Hammerschläge mit den Worten: Im Namen des dreieinigen Gottes, zur Ehre Kaiser Wilhelms, zum Heile Deutschlands, zum Wohle der Völker!

Die vom Reichskanzler verlesene Ur­kunde besagt: Der Kanal, ein beredtes Zeugnis der deutschen Thatkraft und vaterländischen Fleißes, ist vollendet, begleitet von der hoff­nungsfreudigen Teilnahme aller Glieder des Reichs, unter dem sichtbaren Schutze des Himmels, dessen Gunst während des Baues vom Vater- lande jede Friedensstörung ferngehalten hat. Es gereicht uns zur besonderen Freude, daß wir, Umgeben von unseren Verbündeten, in Gegen­wart der Volksvertreter, unter der dankens­werten Bethätigung der Abgesandten befreundeter Mächte, deren Geschwader wir in unserem ersten, ihnen gastlich eröffneten Kriegshafen willkommen heißen, diese Straße dem Verkehr übergeben können. Wie wir es als vornehmste von unfern Vätern überkommene Pflicht des kaiserlichen Amtes betrachten, durch die Erhaltung des Friedens die Errungenschaften der deutschen Stämme auf dem Gebiete der nationalen Wohl­fahrt, Freiheit und Gesittung in ihrer weiteren Entwicklung sicherzustellen, so halten wir fest an dem Bestreben, der vaterländischen Arbeit im heißen Wettbewerb freie Bahn zu schaffen, sie zu schützen vor den Gefahren ihres Berufs. Aber nicht nur dem Vaterlande soll der Kanal förderlich sein, wir eröffnen neidlos allen Seefahrt treibenden Völkern die Teil­nahme an den Vorteilen, welche seine Benutzung gewährt. Möge er, ein Friedenswerk, aller- zeit nur dem Wettkampfe der Nationen um die Güter des Friedens dienstbar sein. Die Urkunde schließt mit einem Hinweis auf das zu er­richtende Denkmal, das zugleich ein Dankes- denkmal sein soll für Kaiser Wilhelm.

Die Kanaleröffnungsfeier und Grund­steinlegung ist bei herrlichstem Wetter pro­grammmäßig verlaufen.

Der für die brasilianische Linie des Norddeutschen Lloyd neu erbaute Dampfer Aachen" hat am 6. ds. Mts. seine Probefahrt überaus erfolgreich beendet. DieAachen" ist ein Schwesterschiff des DampfersCrefeld", welcher, ebenfalls beimVulkan" in Stettin erbaut, schon auf seiner ersten Reise nach Bra­silien überaus große Anerkennung gefunden hat. Die Dampfer befördern bekanntlich nur Zwischen­deckspassagiere, welchen das ganze Schiff zur Verfügung steht, und für welche ganz neue, überaus bequeme und mit Steuerungen für Tropenreisen versehene Wohnräume geschaffen sind Ebenso zeichnen sich die Badceinrichtungen, die Hospitäler und alle sonstigen für Passagiere bestimmten Einrichtungen der Schiffe vor denen aller älteren Dampfern besonders aus. Be­kanntlich baut der Nordd. Lloyd noch 2 weitere solche Dampfer, welche die NamenHalle" und Bonn" erhalten. Die brasilianische Linie wird auf diese Weise, entsprechend den gesteigerten Anforderungen des Verkehrs, mit neuem Dampfer­material versehen.

Karlsruhe, 20. Juni. In verflossener Nacht ging über Karlsruhe und Umgegend ein

I schweres Gewi tter mit Hagelschlag und wölken- 1 bruchartigem Regen nieder, der auf den Feldern der Umgebung und in den Wäldern großen Schaden angerichtet hat. Auch in den Amts­bezirken Freiburg und Emmendingen haben Ge­witter mit Hagelschlag Feldfrüchte und Reben an manchen Stellen vollständig vernichtet. Aus Wilferdingen wird geschrieben: Welch günstige Einwirkung die feuchtwarme Witterung auf das Wachstum der Pflanzen, besonders der Futterkräuter hatte, das bewiesen die Ernten von Klee und Gras. Diese Gewächse hatten nicht nur einen dichten Stand, sondern häufig auch eine bedeutende Länge. Brachte doch dieser Tage Gast- u. Landwirt Kälber in Darms­bach von einer Bergwiese eine handvoll Gras heim, welches die respektable Höhe von 1,85 m hatte. Dem günstigen Stand entsprechend, siel auch die Heuernte im ganzen reichlich aus und wurde das meiste Heu gut eingebracht.

Württemberg.

Mit dem Hochsommer ist auch wieder die Zeit der großen Vereinsversammlungen, Jahres- fcste u. s. w. gekommen. In Stuttgart fand am Sonntag und den folgenden Tagen der Buch­händlertag statt verbunden mit einer größeren Ausstellung, gleichfalls am Sonntag wurde auch die Jahresversammlung des Württ. Schutz­vereins für Handel und Gewerbe abgehalten, wobei die Vertreter des kaufmännischen und gewerblichen Mittelstandes allerlei Wünsche und Beschwerden vortrugen, ebenfalls am Sonntag begann in Hall das württ. Landesschießen. Das nächste Landesschießen wird in Stuttgart abgehalten werden. In Aalen fand am Sonntag und Montag der württ. Brauertag verbunden mit einer größeren Fachausstellung statt. Trotz allen diesen Festen in unserem Schwabenlande vergißt man aber nirgends die Not der durch Wolkenbrüche so schwer heimgesuchten Bewohner des Eyachthales. Die bisherigen Sammlungen haben schon recht ansehnliche Beträge geliefert. Doch darf die Mildthätlgkeit noch lange nicht erlahmen, weil der Schaden ja ganz ungeheuer groß ist. Der deutsche Kaiser und der Prinz­regent von Bayern schickten für die unglücklichen Bewohner des Eyachthales beträchtliche Summen. Ueberall werden neben den Sammlungen auch noch Wohlthätigkeitskonzerte abgehalten, und das württemb. Volk stellt sich eben durch sein praktisches Mitleid ein schönes Zeugnis aus.

Stuttgart, 20. Juni. In der Kammer der Abgeordneten brachte gestern am Schluffe der Beratung des Postetats der Herr Finanz­minister einewStrauß Nachtragskredite mit. Es befinden sich darunter Erhöhung der Leistungen an das Reich um 164 569 denen ca. 62 000 »kL Ersparnis bei der Quartierkostenvergütung gegen­überstehen. Ferner 120 000 ^ für den Ver­band landwirtschaftlicher Genossenschaften, deren Zweck aus den Zeitungsberichten der letzten Woche noch in Erinnerung sein dürfte. Endlich aber 400000 Notstandsbeitrag für den Bezirk Balingen, teils zur Wiederher­stellung der vom Staate zu erhaltenden Straßen und Brücken, teils zur Gewährung von Bei-, trägen an Gemeinde und Private, oorbehältlich näherer Bestimmung über die Verwendung, bezw. nachträglicher Genehmigung des bereits Geschehenen. Das Geld muß beschafft werden, darin ist das ganze Land einig. Aber woher es der Herr Finanzminister nehmen wird, dar­auf darf man gespant sein.

Balingen, 17. Juni. Aus dem kais. Kabinet ist folgendes Telegramm an Oberamt­mann Filser eingelaufen:Se. Maj. der Kaiser und König haben für die durch die Ueber- schwrmmung hart betroffenen Bewohner des Be­zirks Balingen eine Beihilfe von 1000 ^ aus Allerhöchster Schatulle zu bewilligen geruht. Ew. Hochwohlgeboren wird diese Summe per Post zugehen".

Von der Eyach. Der württemb.-hohen- zollern'sche Zweigverband deutscher Müller und die Stuttgarter Landesproduktenbörse haben je 1000 für die überschwemmten Müller bewilligt. Durch die Balinger Ueber- schwemmung sind 31 Mühlengeschäfte mehr oder weniger, zum Teil so zum Schaden gekommen,

daß dieselben mit wenigen Ausnahmen nicht in der Lage sind, ihre zerstörten Werke wieder auf­zubauen ohne fremde Hilfe. Nach oberflächlicher Schätzung dürfte der angerichtete Schaden an Gebäuden, Mühlwerken und Wehren mehr als 250 000 ^ betragen.

Kirchentellinsfurt, 19. Juni. Der Neckar und die Blaulach haben durch ihr zwei­maliges Austreten und Ueberschwemmung des ganzen Thales den hiesigen Landwirten großen Schaden verursacht, denn der reiche Futterertrag wurde total ruiniert, trotzdem aber haben es sich die hies. Einwohner nicht nehmen lassen, auch ihrerseits, ungeachtet des eigenen großen Ver­lustes, die Unglücklichen im Bezirk Balingen zu unterstützen. Letzten Sonntag wurden durch eine Hauskollekte hier und in Einsiedel 339 M. 40 Pf. zusammengebracht und heute nach Balingen abgeschickt.

Altensteig, 19. Juni. Durch den Biß einer Kreuzotter kam ein hiesiger lljähriger Lateinschüler in Lebensgefahr. Die Vorsicht des aufgeweckten Knaben, sofort das Schlangengift aus der Wunde zu saugen, und schleunige ärzt­liche Hilfe verhinderten das Wciterumsichgreifen des Giftes. Hand und Arm des verletzten Burschen schwollen in kurzer Zeit so sehr an, daß Schlimmes zu befürchten war; glücklicher­weise ist derselbe jetzt außer Gefahr; der Vor­fall zeigt aber, daß beim Beerenpflücken im Wald äußerste Vorsicht zu beachten ist, und für Barfüßler sind jedenfalls der Wald, besonders sonnige Südabhänge der Berge nicht die ge­eignetsten Plätze.

Zlnteryattender Teil.

Ein Brillantenhalsband.

Kriminal-Novelle von Ferdinand Herrmann.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Und er trat mit dem kostbaren Pfandgegen­stand hinter den regenbogenfarbigen Vorhang, hinter dem sich eine in das Nebengemach führ­ende Thür befand. Sein Schritt war geräusch­los wie der einer Katze, und der junge Mann vor der Tombank glaubte den Schlag seines eigenen Herzens zu vernehmen in der tiefen Stille, die ihn nun umgab. Ec wäre gewiß sehr erstaunt gewesen, wenn er hätte sehen können, zu welchem Zweck sich der Pfandleiher aus seinem Komptoir entfernt halte. Herr Wendeland dachte nicht im Entferntesten daran, die Steine durch irgend ein besonderes Verfahren auf ihre Echtheit zu untersuchen. Die Erfahr­ungen seiner zweiundsiebzig Jahre waren voll­kommen hinreichend gewesen, ihn die Echtheit und den Wert eines Brillanten auf den ersten Blick erkennen zu lassen und es gab kaum je­manden in der Welt, der ihm an Geschicklichkeit und Unfehlbarkeit in diesem Punkte überlegen gewesen wäre. Sein Abstecher in das Neben­zimmer hatte also unzweifelhaft eine ganz andere Bedeutung gehabt, und wer sein kurzes flüstern­des Zwiegespräch mit dem lang aufgeschossene« hageren Burschen, welcher dort eifrig rechnend vor einem Kontobuche saß, hätte belauschen können, der würde über die Natur seiner Ab­sichten nicht im Zweifel geblieben sein.

Er hatte jenem den Schmuck gezeigt und ihm ein paar Worte zugerannt, die mit einem verständnisvollen Kopfnicken beantwortet worden waren. Sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten eifrig mit einander, bis der junge Mensch sein Kontobuch zuklappte und von seinem unsauberen vielfach zerrissenen Polsterstuhl auf- stand.

Es ist ein ausgezeichnetes Geschäft", meinte Julius Wendeland, der nun schon etwas lauter sprechen mußte,denn es ist gar kein Zweifel, daß er ihn sehr billig hergeben wird, wenn er steht, daß es nicht anders geht. Faß' ihn nur gut in's Auge und nimm ihn tüchtig zwischen die Scheeren. Eil' Dich auch, daß Du ihm noch unten an der Hausthür zuvorkommst, denn er hat's sehr pressant und länger als fünf Minuten kann ich ihn kaum festhalten "

Ueber das magere, mit großen fleckigen Sommersprossen übersäte Antlitz des also Unterwiesenen glitt etwas, das wohl ein