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für den Nachbarschaftsverkehr nicht wieder herab­gesetzt werden könnten; 2) durch diesen Antrag den 1. Teil der Petition des Gewerbevereins Künzelsau, sowie des Bezirks-Gewerbevereins Gerabronn und die Petition von Niederstetten für erledigt zu erklären, den 2. Teil der beiden ersten Petitionen der k. Regierung zur Kenntnis­nahme zu übergeben."

Heilbronn, 17. Juni. In der heutigen Landesversammlung des Evang. Bundes für Württemberg wurde folgende Erklärung ein­stimmig angenommen: Die Evangelischen Wirrt- tembergs erwarten von ihren Vertretern im Landtage, daß sie weder in der Frage der Mönchsorden, noch in der der Religionsrever­salien dem Zentrum irgend welche Zugeständnisse machen.

Stuttgart. 18. Juni. Das gestrige Wohlthätigkeits-Konzert zu Gunsten der Balinger Ueberschwemmten. gegeben im Festsaal der Liederhalle vom K. Hoftheater und Stutt­garter Liederkranz, nahm einen wohlgelungenen feierlichen Verlauf. Saal und Gallerte waren gedrängt voll. Unter den Zuhörern befanden sich S. H. Prinz Weimar und Prinzessin Olga Maria. Der Reinertrag des Abends zu dem ge­nannten Zweck beläuft sich dem Vernehmen nach auf über 2000 »-L Von der Stuttgarter Hauptsammelstelle für die Notleidenden im Balinger Ueberschwemmungsgebiet wird mitge­teilt, daß die bis jetzt bei der K. W. Hofbank niedergelegten Gelder einschl. der vom Komite desFrühlingsfestes" übergebenen 10646 ^669^ den Betrag von 60029 ^ 56 ^ erreicht haben Mit Hinzurechnung der von einzelnen Stutt­garter Sammlern direkt an das Balinger Hilfs- komite gesandten Gaben erfährt der Betrag eine wesentliche Erhöhung. Erfreulicherweise sind auch zahlreiche Gaben aus anderen deutschen Landen und aus dem Auslande zu verzeichnen, die ein beredtes Zeugnis bekunden für die herz­liche Anteilnahme, welche die Balinger Kata­strophe weit über Schwabens Grenze findet. Ein Frankfurter sandte 100 in Begleitung der nachfolgenden sinnigen Strophen:

Gar viel ist schon dem Flammentod Durch Wassers Macht entgangen,

Gott geb' daß nun für Wassersnot

Die Herzen Feuer sangen." (S. M.)

Balingen, 17. Juni. Die Samm­lungen haben bis jetzt einen schönen Erfolg aufzuweisen. Von den bei dem Bezirkshilfskomite eingegangenen Geldern konnten bis jetzt etwa 85000 Mark bei der württ. Hofbank eingelegt werden. Nach den Sammellisten sind die Ein­wohner Stuttgarts mit den reichlichsten Gaben in erster Linie zu erwähnen. Aber auch kleinere Städte und Bezirke bringen die bestmögliche Hilfe. Sehr reichlich sind die Spenden an Kleidungsstücken, Leibwäsche, Eßwaren u. dergl. Bedauerlicher Weise scheinen sich einige Leute an größeren Plätzen das Unglück der hies. Be­zirksbewohner zu Nutzen zu machen, indem sie unter dem Vorwand, sie seien durch die lieber- schwemmung um Hab und Gut gekommen, die Mildthätigkeit in Anspruch nehmen. So soll sich ein Mann in den Stuttgarter Gärtnereien für den Gärtner Leute aus Balingen ausgegeben und um Unterstützung vorgesprochen haben. Es ist deshalb dringend zu wünschen, daß die Spenden nur an das Hilfskomite oder die Sammelstellen abgegeben werden. Während der ganzen letzten Woche und auch am gestrigen Sonntag war der Zuzug von Fremden, die die Unglücksstätten besuchten, ein großer. Gestern früh kam von Tübingen her ein Sonderzug, der um 4 Uhr wieder zurückging. Am Freitag war Finanz- minister Dr. v. Riecke hier, der auch die oberen von der Katastrophe betroffenen Orte besuchte, während Minister v. Pischek mit den hiesigen Gemeindekollegien eine Vorbesprechung wegen der Anlage von Brücken hielt Bei der Ost- dorfer Mühle wurde der halbe Leichnam eines Kindes aufgefunden, der vermutlich aus dem hiesigen Kirchhof weggeschwemmt wurde.

Heilbronn, 14. Juni. Für die Not­leidenden im Bezirk Balingen hat Hr. Restaura­teur Fr. Eckert hier in anerkennenswerter Weise den Ertrag seines Orchestrions gewidmet. Der­selbe wird sämtliche Einwürfe L 10 dem Unterstützungskomite abliefern.

Am Pfingstsonntag hielt der deutsche Sängerbund-Ausschuß mit dem Stutt­garter Gesamtfestausjchuß eine gemeinsame Sitz­ung ab, um die Hauptgrundzüge des Festpro­gram ms für das fünfte deutsche Sängerfest, das Anfang August nächsten Jahres in Stutt­gart abgehalten werden soll, festzustellen. Vom Bundesausschuß waren n. a. anwesend: Bundes­präsident Dr. Beck-Nürnberg, Chormeistcr Kremser-Wien, v. Schmeidcl Graz, Direktor Nutz-München, die Musikdirektoren Bcambach- Bonn, Professor Schultz.Berlin. Müller-Oppeln u. s.w. Oberbürgermeister Rümelin begrüßte die Versammlung. Die Platzfrage sei dadurch gelöst, daß der König, der hohe Protektor des Festes, die unteren Anlagen für dasselbe be­willigt habe. Der Garantiefonds beträgt bis jetzt 265000 Mark. Aus Baden sind bis jetzt 3000, aus Bayern 3400, aus dem übrigen Deutschland 3380. aus Oesterreich-Ungarn 1250 Sänger angemeldet; hiezu kommen noch etwa 3000 Mitglieder des schwäbischen Sängerbundes, zusammen also etwa 14000 Sänger. Was die in der Sitzung festgestellten Gcundzüge des Fest­programms anbelangt, so ist die Dauer des Festes auf vier Tage berechnet. Wettgesang und Preisverteilung ist wie bisher ausgeschlossen. Der Festzug wird am ersten Festtage nachmittags sein. Es finden zwei musikalische Aufführungen statt. Die eine ist dem Vaterlande und der 25jährigen Feier der Wiederaufrichtung des deutschen Reichs gewidmet. Den Beschluß bildet Abts:Siegesgesang der Deutschen nach der Hermannsschlacht." Am Sonntag früh besichtigte der Ausschuß die für die Fcstbauten vorgesehenen Plätze in den untern Anlagen. Man war sehr befriedigt über die günstige Lage des Fcstplatzes. Am Montag wurde ein Ausflug nach Urach unternommen.

Marbach, 18. Juni. Gestern nachmit­tag kam der süddeutsche Buchhändler-Verein mittelst Extrazugs hier an zum Besuche des Schillerhauses und des Schillerdenkmals. Die Teilnehmer, etwa 500 Personen (Herren und Damen) zogen mit Musik vom Bahnhof zum Schillerhaus und von da zum Schillerdenkmal. Am Donnerstag werden die Mitglieder des Abgeordnetenhauses mittelst Extrazugs um 1 Uhr hier eintreffen zum Besuch der hiesigen Schiller­stätten. Nach dem Mittagessen im Gasthof zum Bären werden die Teilnehmer zur Besichtigung der Bottwarthalbahn nach Oderstenfeld. woselbst der Stiftskirche ein Besuch gemacht wird, und Beilstein fahren.

Weinsberg, 14. Juni. Zur Feier des heutigen Geburtsfestes des jetzt 78jähr. Hof­rats Theobald Kerner fand sich der Männer- liederkranz unter äußerst zahlreicher Beteiligung am Vorabend ein, um den Jubilar durch ein Ständchen zu ehren. Nach 2 Chören feierte Stadtschultheiß Seufferheld in schwungvoller Rede den Jubilar, der auch jetzt noch fortwährend dazu beitrage, daß Weinsberg wett hinaus über die schwarz-roten Grenzpfähle bekannt geworden und das Ziel so vieler Reisender sei. Der Redner schloß mit dcm Wunsche, Kerner möge an der Seite seiner Gattin noch lange Jahre frisch und gesund erhalten bleiben. Kerner dankte in humorvollen Worten, und wenn er 1892 schrieb:

Und was ich treu bewahr,

Das ist: im alten Leibe Ein jugendfrisches Herz,

Das froh schlägt bei der Jugend Geselligkeit und Scherz,

so gilt dies auch heute noch von ihm; sein jugendfrisches Gemüt und sein gesunder Humor lassen den greisen Mann noch jetzt als Jüngling erscheinen.

Vor dem K. Landgericht Ulm hatte sich kürzlich der katholische Pfarrer Stiegele in Magolsheim, OA. Münsingen, wegen eines Vergehens gegen den sogenannten Kanzel­paragraphen zu verantworten. Bei der letzten Landtagswahl waren in Magolsheim für den Zentrumskandidaten und den Kandidaten der Bolkspartet ungefähr gleich viele Stimmen abgegeben worden. Am folgenden Sonntag kam Pfarrer Stiegele am Schluß seiner Predigt auf das Wahlergebnis zu sprechen und bemerkte, die Hälfte habe richtig abgeftimmt, die übrigen

seien Scheinkathüliken, erbärmliche Tropfen, charakterlose Buben rc. Infolge dieser Ansprache ist nach beendigtem Gottesdienst große Aufreg­ung in der Gemeinde entstanden. Der Angeklagte wurde zu einer Woche Gefängnis verurteilt.

Ausland.

London, 18. Juni. DieTimes" schreibt: Jedermann an Bord der britischen Kriegsschiffe in Kiel schließt sich mit herzlicher Freude dem Glückwunsch für den deutschen Kaiser und das deutsche Volk zu der Vollendung des Nordostseekanals an. Das britische Volk wünscht die Tiefe und Wahrhaftigkeit seiner Teilnahme an allem zu beweisen, was den Wohlstand der befreundeten Nation fördert, in deren Größe wir eine Bürgschaft für die Freiheit Europas und für die Zukunft der Civillsation erkennen. Die Art, wie Deutschland von seiner gegenwärtigen stolzen Stellung unter den Mächten Gebrauch macht, verdient die guten Wünsche Englands für Deutschland. Kein Land widmet in dieser Woche Deutschland und seinem Kaiser herzlichere Glück­wünsche, als England.

Anteryattender Heil.

Der Hackler von St. Afra.

Erzählung aus Oesterreichs Bergen von Oskar Linden.

(Nachdruck verboten.)

(Schluß.)

Allerlei Gerede kam unter die Leute und man munkelte davon, daß der Toni es gewesen sei, welcher den Wachtmeister angeschossen habe. Ob das auf Wahrheit beruhte, konnte keine Seele ergründen.

Nur selten sah man Toni jetzt im Dorfe. Und wenn er kam, wich er scheu dem Gemeinde- wirtshause aus, desto mehr trieb er sich in der Nähe des Postenkommando herum.

Es schien, als suche er Gelegenheit mit Woller zu sprechen. Doch umsonst waren Tom's Bemühungen. Der Wachtmeister halte nach seiner vollständigen Genesung einen längeren Urlaub angetreten und nach dessen Beendigung erst sollte Woller's Trauung mit Rest staltfinden. So hatte cs der Bürgermeister gewollt und so ge­schah es auch.

Am Vorabende der Trauung war Woller wieder in St. Afra eingetroffen.

Und sonderbar. Fast mit ihm zu gleicher Zeit trat Toni in sein Zimmer. Er war Woller gefolgt und als dieser den Hut ablegte, stand der Hackler-Toni vor ihm.

Der Wachtmeister blickte dem Burschen fest in's Auge.

Was wollen Sie?" frug er dienstmäßig.:

Der Toni schaute den jungen Beamten ganz eigentümlich an. In diesem Blicke lag eine ge- wlffe idiotische Verschlagenheit und bas Lächeln, das sich hiebei über des Burschen Lippen drängte, war sonderbar und glich einer verhaltenen Wut.

Wos ih will?" gegenfragte Toni schnell. Hm! Herr Wochtmaster soütens wohl, maa« ih, schon wissen, wos ih will!"

Ich glaub' nicht", lautete die Antwort. Der Toni lachte hell auf; gellend und doch bei­nahe ganz klanglos zum Schluffe.

Ihr hobt's a recht a kurz's G'dächtnis", meinte der Bursche sodann;und ih muß Euch wohl draufhelfcn! Nit?"

Woller hatte seinen Mantel abgelegt und ließ keinen Blick von seinem Besuch. Dem Wachtmeister scheinte, daß der Bursche einen tollen Streich im Sinne habe und er blieb da­her vorsichtig in seiner Beobachtung dem Burschen gegenüber.

Ihr hobt's murgen Hochzeit!" frug Toni sodann.Nit? Na! s'Reserl is mein' Dirndl g'wes'n und weg'n ihr hob ih"

Er wollte offenbar noch etwas sagen, doch schien er sich im letzten Moment noch überlegt zu haben.

Woller blieb ruhig.

Wenn Sie's wissen, Schernbacher, dann ist ja Ihre Frage ohnehin ganz unnötig und Ihr hättet Euch den Weg zu mir vollkommen ersparen können."

Maanes, Wochtmaster?" frug der Toni ! mit offenbarem Hohn.Dos wär Ihnen holt