recht, wenn der Toni nit bei der Hochzeit dabei war?" Ober just nit! Jh hob's domols, als dös Dirndl mir die Lieb und Treu g'schwor'n hat. ihr g'sogt, daß ka Anderer nit kriegt, als ih!"
„Schernbergcr, Ihr lügt." fuhr Woller zorngerötet auf. Rest hat Euch nie ein solches Recht gegeben! Verstanden!"
Wieder schlug Toni eine gellende Lache auf. Es klang diese so schrill und durchdringend, daß Woller erschreckt zusammenfuhr.
„Hat sie Euch dos g'sagt, Wochtmaster! Na. dann muß schon so sei', daß ih mih täuscht hob! Na und wenn's murgen die Hochzeit hobt's, so vergeßt's nit an Hackler-Toni! Hört's Wochtmaster, auf mih sollt's nit vergess'n, denn ih will a dabei sein beim Brauttanz! Ohne meiner gibt es nix in St. Afra. Verstanden Wochtmaster! Sunst — sunst — könnt Euch noch a Kugel treff'n — aber dösmal nit von rückwärts, sondern von vurn, Wochtmaster, von vurn!"
Noch wohnte in dem Körper des Halbwahnsinnigen die alte Kraft und mit dieser hob er den kaum Genesenen hoch empor und wollte ihn mit aller Gewalt zu Boden schleudern.
Woller suchte sich Toni's Elsenfäusten zu entwinden.
Umsonst. Wie in einem Schraubstock gepreßt, hielt der Hackler-Toni seine Beute fest.
„Auslaß'!" schrie der Wachtmeister dem Burschen zu.
Toni schien sich den Wurf überlegt zu haben. Er ließ Weller los und grinste ihn höhnisch an.
Heunt nit, Wochtmaster! Na, Heunt nit! Aber murgen, murgen, da will ich Euch's beweis'«, daß der Toni noch der Ölte is und daß ich a bei ancr Hochzeit mein' Mann stell'! Na! Heunt nit! Murgen! Murgen!"
Der Hackler-Toni hatte die Thür geöffnet und stürzte hinaus in den Gang.
Mit rasender Schnelligkeit flog er die Treppe hinab und verschwand aus dem Hause Woller's. * *
*
Hochzeitsglocken klangen in St. Afra. Rest und der Wachtmeister Woller hatten den Bund der ewigen Treue zusammen geschlossen und nun trat die junge Frau am Arme ihres Mannes hinaus aus der Kirche und hinter den beiden Glücklichen drängte sich die große Schaar der Burschen und Mädchen, der Bauern und Hono- rationen des Ortes.
Da tönte ein gellendes Geschrei durch die stille Dorsstraße, Männer, Weiber, Kinder und Greise flüchteten durch die Straße und suchten Schutz, wo er zu finden war.
Mitten auf der Straße raste eine männliche Gestalt im Fluge daher. Das Haar wirr und zerraust über das glühend rote Gesicht hängend, weißen Schaum vor dem Munde und die Augen mit stierem Blick tief in ihren Höhlen liegend, rannte der Mann daher. Seine Hände hielten eine Mistgabel mit zwei scharfen, spitzen Zinken fest umschlossen und mit dieser stach er wild um sich.
„Der Hackler-Toni" schrie die Menge und stob auseinander, um sich vor dem Wahnsinnigen zu retten, welcher mitten in den Hochzeitszug hineinrannte. Knapp hatte er diesen erreicht, sank Toni ohnmächtig zusammen.*)
Wenige Minuten später hatte Toni ausge- rungcn. Der Tobsuchtsanfall hatte mit einem Herzschlag geendet. In St. Afra gab es an diesem Tage vier Tote, welche der Hackler-Toni mit der Gabel aufgespießt hatte. Auf Wunsch des Bürgermeisters wurde den Opfern des Wütenden das Doppelkreuz am Kirchhofe errichtet.
Auf demselben Kirchhofe befindet sich auch ein Grab. Ohne Schmuck liegt es in einer Ecke und am 13. Juni jeden Jahres kann man daselbst eine junge Frau stille ein Gebet für die Ruhe des unter diesem Grabe liegenden Burschen sprechen sehen. Sollte Rest wirklich eine Schuld zu büßen haben. Wer weiß es? Vielleicht nur Gott und Toni allein.
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Im Eyachthal.
Horch, wie toset es hinter den Bergen hervor,
Man glaubte es wäre des Meeres rauschen Und gläubig schaut die Mutier zum Himmel empor- Die Ruhe versagt, sie fängt an zu lauschen!
Seht, ihr Kinder, die schwarzen Wolken dort oben, Wie sie stürmen und sausen, die Blitze so fahl,
Wie sie beleuchten so grell unser Eyachthal.
Laßt uns gemeinsam den himmlischen Vater loben. - Und Näher und näher mit bangem Weilen Das Gewitter bricht los, des Sturmes Heulen Uebertönt das fromme Gebet der Bewohner.
Da stürzen unendliche Wasser herab,
Die Eyach, wie sie anfängt zu schwellen;
Schon treibt sie Brücken und Trümmer bergab Und höher und höher treiben die Wellen.
Da erfaßt des Thales Bewohner ein Grauen Solch' war seit Mensch' gedenken nicht zu erschauen. Sie rufen um Hilfe, die verlassenen Armen.
Doch siehe: Der Himmel hat kein Erbarmen Und menschliche Hilfe kann uns nicht erfassen.
Und die schäumenden Wellen umlechzen das Haus, Kein Retter wird Hilfe uns bringen,
Da, o Entsetzen, o furchtbarer Graus,
— Und zum Himmel die Hände sie ringen —
Ein Stoß und das Haus liegt in Trümmern,
Man hört nur noch leises Wimmern. —
Und Leichen sendet der Strom hinab,
Ja Alles fand hier ein schauriges Grab,
Und die Aecker, die Wiesen und Straßen, o hört Hat all dies furchtbare Element zerstört.
Leb wohl Du mein geliebtes Thal.
Da jammert ein Vater voll Schreckensblick:
Vernichtet ist all mein Lebensglück,
Mein Weib, meine Kinder, mein Hab und Gut Verlor ich alles in der Sturmesflut.
Und noch viele da weinen in bitterem Schmerz,
Weil sie verloren so manch liebes Herz.
Doch sieh! Ein Lichtstrahl dieser Schauernacht Fällt da hinein mit hehrer, hoher Pracht.
Ihr Schwaben, hört es in der Runde,
Wie euer König da vernahm die Trauerkunde,
Bringt schnell des Dampfes Roß den hohen Herrn, Denn helfen will er und lindern gern.
Strahlt hier nicht ein goldner Schein Von der Krone der Liebe ins Thal hinein? Tübingen. M. Reich.
*) Historisch und in Steiermark thatsächlich geschehen.
(Rollschuhe für Soldaten.) In der englischen Armee wird in kurzer Zeit das Zweirad verschwinden und durch verbesserte Rollschuhe ersetzt werden. Die Heeresverwaltung ist der Ansicht, daß das Rad dem Soldaten mehr hinderlich als nützlich ist, da er es z. B. beim Verlassen der Landstraße in vielen Fällen einfach im Stich lassen muß. Mit den Rollschuhen dagegen vermag nach verschiedenen Proben ein vollständig ausgerüsteter Soldat 60 bis 100 irm bequem zurückzulegen. Im Falle, daß es die Eile oder Vorsicht gebietet, vom geraden Wege abzuweichen, genügen einige Sekunden, um die Schuhe abzuschnallen. Der Soldat kann sie ohne Beschwerden über die Schulter werfen und an geeigneter Stelle in ebenso kurzer Zeit wieder anschnallen. -- NL. Zu Rollschuhen gehören gute Straßen; dann läßt sich aber auch mit diesem Vehikel etwas Ordentliches leisten.
(Ein sozialdemokratischer Zukunftsstaat) ist, wie in der letzten Sitzung der französischen Akademie Lson Caubert in einem ausführlichen Bortrag mitteilte, vor 800 Jahren in China schon einmal verwirklicht gewesen, aber dann jämmerlich gescheitert. Im elften Jahrhundert gab es in China einen redlichen Mann Namens Onang-Ngam-Che, der zugleich ein bedeutender Redner war. In der Absicht, das goldene Zeitalter wieder herbeizuführen, hatte er eine Reihe von Reformen ausgedacht, welche noch heute Grundlagen unseres Sozialismus sind: Verstaatlichung von Grund und Boden und seinen Erzeugnissen, Einführung der Staat-, nonopole u.s.w China hatte schwere Schicksalsschläge, Erdbeben, Hungersnot und Ueberschwemmung Überstunden und verlangte Reformen. Kaiser Chennsong berief daher Onang-Ngam-Che an die Spitze des Ministeriums, da dieser als Friedensrichter und Bezirksvorsteher einen großen Ruf erlangt. Das Eigentum an Grundbesitz wurde aufgehoben und dieser vom Staate an die einzelnen Familien verteilt, was nicht schwer fiel, da durch die Unglücksfälle nahezu die Hälfte der Einwohner vernichtet und somit Grundbesitz zur Genüge vorhanden war. Die Bestellung der Aecker wurde nach einem bestimmten Plane geregelt. Das Ergebnis sollte nach Abzug dessen,
was die Familie zum Essen und zur neuen Aus- saat brauchte, an den Staat abliefern, desgleichen sollten andere die Wälder abholzen, um Brenn- Holz für sich und ihr Mitbürger zu gewinnen. So lange die Sache neu war, ging alles gut. Nach Verlauf einiger Monate aber hielt es der Bauer, der vom Staate das Korn zur Aussaat erhalten hatte, für bequemer, cs direkt aufzu- esfen. Die Viehzüchter hatten das Interesse daran verloren, Vieh groß zu ziehen, und die Leute, die zum Holzfällen bestimmt waren, schlugen nicht mehr Bäume nieder, als sie selbst brauchten. Die Frauen die von aller Arbeit frei sein sollten, sahen sich gezwungen. Hand mit anzulegen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Der eine Bauer sagte, sein Boden sei nicht ertragsfähig, der andere, sein Nachbar habe ein größeres Stück Land als er. Kurz die Klagen häuften sich immer mehr, die Hungersnot kehrte zurück, und Onang-Ngam-Che mußte gehen. Der Reform-Vorschlag war undurchführbar.
(Eine interessante Heirat). In San Fran- zisko heiratete jüngst Hr. Haskell, Oberstaatsanwalt des Staates Montana, die „Staatsanwaltin" desselben Staates, Fräulein Knowles, einst seine größte politische Gegnerin. Diese Ehe ist der romantische Abschluß einer politischen Nebenbuhlerschaft, von welcher man im ganzen amerikanischen Westen viel gesprochen. Fräulein Knowles ist die einzige Juristin im Staate Montana, und 1892 wurde sie von der demokratischen Partei als Kandidatin für das Amt des Oberstaatsanwalts gegen Haskell den Kandidaten der Republikaner, aufgestellt. Sie erhielt damals eine erhebliche Anzahl Stimmen, aber nicht genug, um gewählt zu werden; der siegreiche Kandidat war jedoch so galant, sie sofort zu seiner Stellvertreterin, d. h. zum zweiten Staatsanwalt, zu ernennen. Die so schön eingeleitete Sache endete dann mit einer Eheschließung zwischen den beiven höchsten Vertretern der Gerichtsbarkeit in Montana.
(Eingesalzene Menschenköpfe.) Einen sehr erbaulichen Beitrag zu den marokkanischen Zuständen liefert folgende Mitteilung des Reuter- schen Bureaus in London aus Tanger: Vier Wagenladungen mit eingesalzenen Menschenköpfen befinden sich unterwegs von Nakaresch nach Fez. Es sind die Köpfe von Angehörigen des aufständischen Stammes der Rahamna. In Rabat mußten die Köpfe aufs neue eingesalzen werden, weil sie der Verwesung nahe waren. Juden mußten die Arbeit zwangsweise verrichten.
Selbsterkenntnis. Das „Beilngrieser Wochenblatt" enthält folgendes Inserat: „Zurücknahme. Ich Unterzeichneter nehme die von mir ausgegangenen Beleidigungen gegen Nikolaus Schools zurück und erkläre mich als einen recht saudummen Kerl. Pondorf, den 10. Mai 1895. Dietl, Josef, Bauerssohn." — Weiter kann man die Offenheit nicht treiben, als es dieser junge Bayer thut.
(Schlauheit ) „Also, Biermann, wie ist's mit unserer Wette? Ihr habt gewettet, vierzig Tage nicht zu essen und vierzig Nächte nicht zu schlafen — bleibt's dabei?" — „„Nattierlich! I Hab' schon vorgestern die Wett' ang'fangen!"" — „Na, und wie geht's? Verspürt Ihr noch nichts von Hunger und Schlaf?" — „„Nich im Geringsten. I eff' halt bei Nacht und schlaf' bei Tag!"
(Kindermund.) Kleiner Paul (auf einem Zeitungs-Abschnitt lesend): Durch ein Klopfen an der Thüre schreckte der Baron aus seinem
Brüten auf-- (zur Mutter): Mama,
brüten denn die Menschen auch?!
Auflösung der Figuren-Ausgabe in Nr. 90.
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Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.