werden mußte, nimmt man an. habe sich in den oberen Regionen so viel Wasserstoff angesammelt, der nun als Regen oder sonstiger Niederschlag wieder Herabkommen sollte. Infolge der starken Regengüsse der letzten Monate war aber das Erdreich so getränkt, daß es nicht mehr im Stande war, die fortwährenden Wassermassen aufzunehmen. Dazu haben sich die Gewitter meist im Osten zusammengezogen, es erfolgten die Wolkenbrüche am 4.. 5. und 6. Juni und es stürzten die Wassermassen von den Bergen unseres Albgaus herab den Bächen und Flüssen zu und dies mit einer unerhörten Geschwindigkeit. Die Eyach selbst, die im Bezirk Balingen 6 Stunden läuft, windet sich meist durch enge Thäler, biegt bei Lautlingen scharf gegen Westen und hat sich öfter durch ganz enge Schluchten, die auf beiden Seiten von Felsen umgeben sind, durchzuschlängeln. Dazu kommen so viele Bieg­ungen und Wendungen, daß bei starkem Hoch­wasser ein Austreten mehr als wahrscheinlich ist. Und doch muß ein solches noch selten vorge­kommen sein, sonst könnten nicht gerade in den engsten Schluchten am Eyachuser die großen Mühlen und Sägwerke erbaut worden sein. Und gerade an diesen Mühlen waren überall reiche Holzvorräte, Stämme, Bretter, Abfallholz aufgespeichert. Indem diese ungeheuren Holz- Massen in rasender Wucht weggerisscn und fort- geschwemmt wurden, kann es nicht verwundern, daß so viele Brücken, Häuser und Wehranlagen zerstört wurden und bei engen Brückenbogen kolossale Stauungen eintraten. Durch die Ein» stürze wurde dreses Sperrmaterial noch um wesentliches vermehrt. Möge unser Heimat- land Württemberg künftighin von derartigen Unbilden der Elemente verschont bleiben! Auch in Oberschwaben und in manchen Thälern des Schwarzwalds hat das Unwetter gleichfalls schwer gehaust, so daß man die einzelnen Un­glücksfälle an dieser Stelle gar nicht aufzählen kann. Wie sich derartige Wolkenbrüche bilden, darüber gehen die Meinungen der Meteorologen noch allzusehr auseinander, als daß man ein wirksames Mittel zu deren Verhütung Vorschlägen könnte. ES ist zwar behauptet worden, daß man durch Einschränkung der Wiesenbewässerung im Eyachthale, durch Trockenlegung der Lachen u. s. w. die Wiederkehr einer solchen Katastrophe verhindern könne. Allein wenn auch ganz richtig ist, daß die Wolkenbrüche sich ebenso an dem­selben Orte bilden, wo sie niedersallen wie der Hagel, so wird doch mit dem erwähnten Vor­schlag nicht viel auszurichten sein. Eine einzige Windhose wäre z. B. im Stande, den Neckar und seine Seitenflüsse in einem Umkreis von 3 bis 4 Stunden zeitweilig ganz wasserleer zu machen, um dann die ungeheuren Wassermassen in einer Entfernung von 1 bis 2 Wegstunden wieder nach der Erde abzugeben und dagegen giebt es eben vorerst leider kein Mittel.

(Ueb er die Bekanntmachung von Holz­verkäufen aus den Staatswaldungen.) Bekanntlich hat der Abgeordnete Maurer in der Kammer wiederum eine Lanze gebrochen für sein Leibblättchen, den VaihingerEnzboten", der während der letzten Wahlcampagne in Bezug auf Sachlichkeit, Feinheit des Tons und zarte Rücksicht sogar derSchw. Tagwacht" weit über war. Bis jetzt war man allgemein der Ansicht, es sei Sache der betreffenden Forstbeamten, wie sie ihre Holzverkäufe bekannt zu machen haben, und sie werden, als mit den Verhältnissen genau > bekannt, dies auch wohl am besten wissen. Man wählte zu diesen Ausschreiben denAllgemeinen Anzeiger", denStaatsanzeiger", gelesene aus­wärtige Blätter und die betreffenden Amts­blätter. Letztere eignen sich schon deswegen am besten, weil sie in den meisten Wirtschaften auf­liegen und von den Ortsbehöcden gehalten wer- den, welche häufig bedeutende Brennholzverkäufe durch Ausschellen im Ort bekannt machen lassen. 2n den zunächst beteiligten Gemeinden ist dies stets der Fall. Nun verlangt man auf einmal, daß man die Holzverkäufe in jedem Hetzblättle bekannt machen soll auf Kosten der Steuer­zahler. Ist das die gepriesene Sparsamkeit im Staatshaushalt? Freilich, es sollen dann viel wehr Kausliebhaber kommen; so sagt man, aber wahr ist's nicht. Gewiß, es kann Vorkommen,

! daß man einmal eine Holzverkaufsanzeige über­sieht; wer sich aber dafür interessiert, der kann stets erfahren, wenn und wo für ihn geeignetes Holz zum Verkauf kommt; die Holzhändler, Küfer u. s. w. übersehen gewöhnlich keine Ver­kaufsanzeige. Wer aber jeden Verkauf in seinem Leibblatt lesen will, nun, der veranlasse dasselbe, die Holzverkaufsanzeigen unentgeltlich abzu­drucken. Diesen Gefallen wird es seinem Partei­freund gerne erweisen. (W. Bztg.)

Weinsberg, 12. Juni. Herr Landes­ökonomierat Mühlhäuser, Vorsteher der hiesigen Weinbauschule, hat seine Entlassung aus dem Staatsdienst nachgesucht. Dieselbe soll ihm auch bereits mit dem Ausdruck des Be­dauerns erteilt worden sein. Herr Mühlhäuser wird dieser Schritt nicht leicht gewesen sein, nachdem er seit der Begründung der Weinbau- ^ schule hier thätig gewesen ist, und unter viel­facher Anerkennung seitens der Vorgesetzten Be­hörden und der landwirtschaftlichen Kreise sein Amt verwaltete. Eine Zeit lang war er auch Vertreter des Bezirks im Landtag. Dem Ver­nehmen nach wird derselbe unter sehr vorteil­haften Bedingungen die Leitung eines größeren herrschaftlichen Gutes an der Mosel übernehmen.

Ludwigsdurg, 9. Juni. Seil einiger Zeit machte sich der zwanzigjährige Kommis eines hiesigen Modewarengeschäfts durch sein verschwenderisches, flottes Leben auffällig, so daß nach und nach der Verdacht der Unehrlich­keit auf ihn fiel. Die in den letzten Tagen eingeleitete Untersuchung ergab, daß der Kommis seit einiger Zeit den Betrag von etwa 1000 vfL aus der Geschäftskaffe unterschlagen hatte. Als der junge Mann verhaftet wurde, war derselbe noch im Besitz von etwa 300 »-L

Tuttlingen, 9. Juni. Besteuerungs­und ökonomische Verhältnisse der Stadt Tutt­lingen im Etatsjahr 1894/95. Auf 1 »fL Staats- steuer kamen 0,33 Amtsschaden und 1,36 vlL Stadtschaden. Auf den Kopf der Bevölkerung kommt eine Gesamtsteuer von 15,31 «/lL und ein Stadtschaden von 8,66 vfL Der Schuldenstand auf 1. April 1894 belief sich,auf 230900 Weniger Schulden unter den 16 ersten Städten Württembergs hat nur Biberach mit 130050 ^

Aus dem Oderamt Leonberg, 14. Juni. Unsere Metzger lassen sich das Schweinefleisch von ihren Kunden zwar gut bezahlen, aber sie selbst sind beim Einkauf den Landwirten gegen­über nichts weniger als splendid und drücken die Preise mehr als eigentlich billig erscheint. In verschiedenen Orten suchen sich die Landwirte dadurch zu helfen, daß sie ihre Schweine selbst schlachten und das Fleisch zu einem billigen Preise, bei dem sie aber bestehen können, an die Ortseinwohner verkaufen. Sogar auf das Wursteln haben sie sich in neuester Zeit verlegt und ihre Hausgemachten bringen sie zur Stadt, insbesondere nach Pforzheim, wohin sic auch Fleisch zum Preise von 50 ^ das Pfund liefern. An Abnehmern fehlt es selbstverständlich nicht.

Ausland.

In sehr kurzer Zeit ist eine großartige französische Kriegsflotte geschaffen wor­den. Dieselbe besitzt 122 im Gefecht brauchbare Kriegsschiffe. England, die größte Seemacht, hat deren 205. Die französischen Kriegsschiffe sind meist neu und gut, mit Benutzung aller Errungenschaften der modernen Technik erbaut. Für die Marine werden jetzt bereits 260 Mist. Fr. ausgegeben. Man sollte meinen, das müsse reichlich genügen. Aber es genügt der französi­schen Regierung keineswegs. In dem soeben zu Paris in der Deputiertenkammer verteilten Spe- zialbudget der Marine erklärt die Regierung: Die Fortschritte im Seewesen und die Sorge um Frankreichs Stellung in Europa fordern die Ver­vollständigung und Vervollkommnung der Kriegs­flotte. Hiezu ist die Kleinigkeit von 850 Mlll. Fr. nötig, deren Aufbringung auf 10 Jahre verteilt werden soll. Das franz. Heeresbudget beträgt 730 Mill. Mk. jährlich, das macht auf den Kopf der Bevölkerung 19,05 Mk. Die An­nahme der Regierungsforderung avürde für 10 Jahre eine Erhöhung des Heeresbudgets auf 800 Mlll. Mk. bedeuten. Nehmen die franzö­sischen Abgeordneten diese Ricsenforderung an,

l dann wird auch Deutschland zu vermehrten

> Marineausgaben gezwungen werden. Die fran­zösische Kriegsflotte hat gegenwärtig 86000 Mann Besatzung, die deutsche 42000.

Die japanische Flotte ist durch das von den Chinesen erbeutete schwimmende Kriegs- material um ein mächtiges Geschwader in Gestalt von einem Panzerschiff, zwei Kreuzern, neun Kanonen- und acht Torpedoböten verstärkt worden. Selbstverständlich wirdChenynen" als kostbarste Beute betrachtet, da Japan nun­mehr in ihm ein Schlachtschiff ersten Ranges mit 22 Geschützen, 7330 t besitzt.

Die neu gewählte italienische Kammer ist durch eine Thronrede des Königs eröffnet worden, welche als Hauptaufgabe die Ordnung der Finanzen bezeichnet, das gute Verhältnis Italiens zu allen Mächten und die spezielle Freundschaft Italiens zu England hervorhebt. Ministerpräsident Crispi will beantragen, daß alle Interpellationen auf ein halbes Jahr zurück­gestellt werden, damit die notwendigen Aufgaben umso rascher erledigt werden könnten. Der Deputierte Ferrari ist in Rimini seinen Ver­letzungen erlegen, die er bei dem bekannten Attentat erlitten hat.

Rußland will der chinesischen Regierung zu der Kriegskostenanleihe 320 Millionen Mark geben, verhandelt aber gleichzeitig wegen Ab­tretung eines Teils der chinesischen Mandschurei, um einen eisfreien Hafen zu gewinnen.

In England gehen die Wogen der Ent­rüstung gegen den türkischen Sultan hoch. Gerade England ist es bekanntlich, welches wegen der armenischen Greuel bei dem Sultan eine Untersuchung durch eine gemischte Kom­mission, bestehend aus türkischen Beamten, sowie Vertretern Englands, Frankreichs, Deutschlands und Rußlands durchsetzte. Die Untersuchung hat statlgefunden, aber die türkischen Mitglieder fälschten das Protokoll, nachdem sie vorher schon zahlreiche Zeugen eingeschüchlert hatten. Die auswärtigen Mitglieder der Untersuchungskom­mission protestierten gegen ein solch elendes Verfahren und der englische Botschafter in Kon- stantinopel ist so energisch ausgetreten, daß der Sultan den seitherigen Großvezier entließ und einen neuen einsetzte. Die öffentliche Meinung in England läßt sich aber durch ein derartiges diplomatisches Manöverchen durchaus nicht be­schwichtigen.

Paris, 5. Juni. In der Akademie der Wissenschaften erstattete der Astrolog Faye Be­richt über das Projekt des schwedischen Ingenieurs Andrö im Luftballon den Nordpol zu erreichen. Faye teilt die Ansicht, daß sich am Pol ein eis­freies Meer befinde und daß die Luftwärme im Juli dort erträglich sei. Zu dieser Zeit geht die Luftströmung von Spitzbergen nach dem Pol. Drei Tage Ballonfahrt mit mäßiger Geschwindig­keit würden genügen, den Ballon an das Ufer des freien Polmeeres zu führen. Die Schwierig­keit bestehe nicht in der Hinreise, wohl aber in der Rückreise, für deren glückliches Gelingen wenig Gewähr vorhanden sei. Es sei daher fraglich, ob man dem Vorhaben seine Zustim­mung geben könne.

Von Süd-China ist eine große Bittschrift an den Kaiser nach Peking abgegangen, die ge­wisse Reformen, u. a. die Abschaffung des Zopfes verlangt. Die letzte Forderung ist nicht so geringfügig, wie es den Anschein haben möchte. Die Bittschrift kommt von Süden, dem China der Chinesen, im Gegensatz zu dem China der Mandschus, dem Norden. Der Kaiser ist bekanntlich ein Mandschu. Erst die Mandschus führten den Zopf ein, als sie China eroberten. Die schwersten Strafen wurden angedroht, wenn einer sich den Zopf nicht wachsen ließ. Schließ­lich wurde das, was dem Volke anfänglich als verhaßter Zwang erschien, durch die Gewohnheit geheiligt, ein Gegenstand des Stolzes und des Verehrung. Ist es doch bekannt, daß die Chi- nesen lieber das Leben opfern, als daß sie sich ihren Zopf avjchneiden lassen. Wenn jetzt Chinesen die Abschaffung des Zopfes sordern,

> jo zeigt das eine gewaltige Aenderung in den Volksanschauungen. Die Forderung mag die Schrift an der Wand für die jetzige Dynastie bedeuten. Süd-China hat von jeher weniger