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Sympathie mit den Mandschu-Kaiscrn gehabt, als der Norden. Außerdem hat sich das jetzige Regime als so verrottet und unfähig erwiesen, daß einsichtigeren Chinesen wohl der Gedanke nahe liegen muß, sich der barbarischen Oberherrschaft zu entziehen. Auch in chinesischen Köpfen scheint der Wunsch aufzudämmern, das Beispiel der Japaner nachzuahmen und vom Westen zu lernen.
Alnterhattender Teil.
Der Hackler von St. Afra.
Erzählung aus Oesterreichs Bergen von Oskar Linden.
(Nachdruck verboten.)
Dort, wo die steinigen Riesen der öfter- reichifchen Alpen hoch emporragen in die Wolken, die Gletscher glitzern und glänzen im goldigen Lichte der Sonne; dort liegt das einsame Dörfchen, das der Schuplatz jener Geschichte war. welche wir im Folgenden erzählen.
Das mißtrauische und zurückhaltende Volk der Aelpler freilich hört nicht gerne cs öffentlich erzählen, was sich in St. Afra abspielte, hört nicht gerne von dem Drama, das da oben im ewigen Schnee und Eis vor sich ging und wenn der Tourist nach St. Afra kommt und in seiner Neugierde frägt, welche Bedeutung das Doppel- kreuz inmitten des kleinen Ortsfricdhofes habe, dann zucken die Bauern die Achsel und — schweigen sich aus.
Und doch steht dieses Kreuz mit seinen grellrot angestrichenen Querbalken so aufdringlich da, als wollte cs Jedermanns Aufmerksamkeit erregen und zur Nachfrage auffordern. Doch umsonst ist des letzteren Bemühen, die Bauern sagen nichts und gehen nur scheuen Blickes an dem Kirchhofe vorüber.
Es giebt unter dem Alpenvolke ganz eigentümliche Sonderlinge und zu diesen gehörte auch seinerzeit der „Hackler-Toni" von St. Afra.
Er war ein fester Bursche mit einem Rücken von kollossaler Breite und einem Stirnnacken, dessen Stärke nicht verkennbar war. Wenn der Toni seine Aermel der Joppe sich „aufstrickte", dann konnte der Beobachter Muskeln sehen, deren kerniges Aussehen so ziemlich vereinzelt stand. Der Toni war auch der stärkste Bauerssohn in der ganzen Umgebung und genoß einen Ruf als „Raufer", der so manchem tollkühnen Burschen Respekt einflößte.
Respekt wußte sich der Tone von Schernbachhof zu verschaffen, das war wahr und wer ihm diesen nicht gab, den prügelte der Toni ihn dann ein. Und Gelegenheit fand der Bursche immer hierzu. Die Kirchweih und sonstige ländliche Feste sind ja mehr und minder dazu da, daß sich die Burschen am Tanz und so nebenbei nur am Raufen vergnügen und dieses Vergnügen liegt im Blute des Landvolkes so tief eingewurzelt, daß dagegen gar keine Präservative einer löblichen fürsorglichen Behörde Schutz bieten.
Mit der Behörde hatte der Schernbacher Toni freilich oft genügend zu thun und im nächsten Kreisgerichte war der reiche Bauerssohn eine sehr gut gekannte Persönlichkeit.
Wie ganz natürlich, war der Hackler-Toni auf die Gendarmerie nicht gar gut zu sprechen, denn mit dieser hatte er schon manchen harten Strauß ausgefochten und ihr verdankte er nicht wenige Stunden seines Lebens, wo ihm Zeit gelassen wurde, über verschiedene Dinge in der Einsamkeit nachzudenken.
Und nach St. Afra war im Spätherbste des Jahres 1874 ein neuer Wachtmeister der Gen- darmerie gekommen. Ein hübscher, junger Mann mit blonden Bart- und Kopfhaaren und schönen, dunkelblauen Augen. Es war gewiß kein Wunder, wenn die jungen Dirnen nach dem hübschen Soldaten mehr als notwendig schielten und wenn so mancher Bursche trotzig dem Wachtmeister entgegentrat
Am trotzigsten jedoch war der Schernbacher Toni. Ihm imponierte der Soldat ganz und gar nicht, schon deswegen nicht, weil die Rest, des Bürgermeisters Tochter, gar so heimlich nach dem Gendarm blickte und immer errötete, wenn er sie in des Vaters Wirtshaus ansprach.
Lorenz Woller, der Wachtmeister sah schon in den ersten Tagen seiner Anwesenheit in St. Afra, daß der Toni ihm feindlich gesinnt war; umsomehr hütete sich der pflichtgetreue Beamte, den jungen Burschen in irgend einer Weise herauszufordern , sondern wich dem Schernbacher aus. wo er nur konnte.
Das ärgerte wieder den Hackler-Toni gewaltig und er suchte Händel. Doch an der Ruhe und Würde Woller's scheiterten alle Versuche des rauflustigen Burschen, welchen noch insgeheim das Gebühren Resi's ärgerte. Das Mädchen war Toni in's Herz gewachsen und schon oft hatte dieser sich einen „Anwand" genommen, um dem stillgcliebten Mädchen zu sagen, wie es um sein Herz stünde. Doch der sonst so tollkühne Schernbacher.Toni befand sich Rest gegenüber stets in einem Dilemma. So oft er dem Mädchen sagen wollte, was er für dasselbe fühle, schnürte es dem berüchtigten „Hackler" die Kehle zu und blieb stumm gleich einem Fisch.
Rest wußte wohl was in dem Burschen vorging, doch sie selbst hütete sich, diese Gefühle noch mehr durch eine gewisse Koketterie zu entflammen.
Das ruhige und ernste Benehmen Woller's sagte dem stillen bescheidenen und für seine Stellung nicht dummen Mädchen mehr zu, als die rohe, ungeschlachte Art des jungen Bauern.
Die Bevorzugung, welche der Soldat genoß , machte Toni einen unendlichen Verdruß. Mit dem, dem Volke der Alpen eigenen Starrsinn, hatte Toni es sich noch außerdem in den Kopf gesetzt, daß Woller ihm das Mädchen abspenstig gemacht habe.
Von diesem Momente an als des Schern- bachers's Sohn zu dieser Ansicht gelangte, war Woller's Schicksal besiegelt und die Zukunft sollte für den Gendarmen nicht zu rosig sein.
Wenige Monate nachdem Woller seinen Posten in S. Afra bezogen, kam es in dem ganzen Revier zu argen und frevelhaften Wald- diebereien, so daß die Gendarmerie aufgeboten werden mußte, um den Wilddieb zu eruieren. Umsonst. Alle Nachforschungen nach dem Frevler blieben vergebens.
Woller selbst, welchem die Oberleitung der gegen den Wilddieb eingeleiteten Schritte oblag, hatte einen regen Verdacht gegen Toni, doch konnte er dem Burschen nicht an.
Der „Hackler-Toni" war schlau genug, sich nicht von dem Gendarmen überlisten zu lassen.
Dagegen hänselte er den Letzteren bei jeder Gelegenheit und zeigte offen, daß er mit Woller in Feindschaft lebe.
So standen die Dinge, als das Kirchweihfest nahte.
Die Burschen von St. Afra hatten sich Alle zusammengethan um den festlichen Tag nach altem Brauch in Saus und Braus zu feiern. Selbst der Schernbacher-Toni fehlte nicht.
Schon einige Tage vor dem Feste hatte der Wildfrevel ein Ende genommen, so daß Woller frei aufatmete. Doch dies war nur die Ruhe vor dem Sturme. Es sollte noch ärger kommen für den pflichtgetreuen Staatsdiener.
Im Gemeindewirtshaufe ging es hoch her. Die Musikanten spielten auf und die Burschen jauchzten, tanzten und tollten was Platz hielt.
Woller saß in voller Uniform in der Wirtsstube und iah dem bunten Treiben teilnahmlos zu. Nur hie und da glitt sein Blick über das frische und gesunde Gesicht Reschen's. welche am Schenkttsche Arbeit in Hülle und Fülle hatte.
(Fortsetzung folgt.)
Die in Buchdrucker- und Schriftstellerkreisen wohlberechtigte Klage über den Mangel einer einheitlichen deutschen Rechtschreibung hatte der letzten deutschen Lehrerversammlung Veranlassung gegeben, den engeren Ausschuß derselben zu beauftragen, eine Petition nebst Denkschrift an den deutschen Reichskanzler abzu- senden, um eine Regelung der leidigen Angelegenheit herbeizuführen. Herr von Bötticher hat nun in Vertretung des Reichskanzlers den Absendern der Denkschrift einen Bescheid zugehen
lassen, worin es u. A. heißt, „daß die Frage einer einheitlichen Regelung der deutschen Rechtschreibung den Gegenstand eingehender Erwägungen bildet, welche indessen noch nicht zum Abschlüsse gelangt sind."
München, 5. Juni. Unfreiwillige Komik An eine schweizerische Güterstclle ist folgender Bestellbrief gelangt: „Geehrter Herr! Ich ersuche sie daß sie werden so gut seien und für einen Bahnwagen sorgen den es müssen Mittwoch den 24. Zwei Stick Bie eingeladen werden und nach Zürich geliefert nemlich Fritz Küntzli in H. ein Ochse und Kaspar Berger ein Rind. Mit Gruß Kaspar Berger." — Eine bayerische Güterexpcdition erhielt folgende Postkarte: „liebe kulte Gitterexpedition. Sei doch so gut und schigg mir mainen Küfer, liebe warum schigst den mainen Küfer nit, braug in doch so notwendig, schige in mir ja gleig. rc. rc."
Der Moschusgeruch scheint die Eigenschaft zu haben, die Forellen anzulocken. Vor kurzer Zeit ist im Kanton Genf an der Rhone eine bedeutende Fabrik errichtet worden, in welcher „künstlich" bisamähnliche Wohlgerüche hergestellt werden. Und seit dem Tage, an dem die Fabrik in Betrieb gesetzt wurde, kommen die Forellen schaarenweise ans Ufer und die Schiffer machen unerhört reiche Netzzüge.
fEben deshalb.) Sie: „Der junge Müller wäre mir ganz erwünscht als Schwiegersohn, er ist so ruhig, so überlegt." Er: „Eben deshalb fürchte ich, daß er es niemals wird!" fWas die Frauen nicht haben.j Jede Frau hat den treuesten Mann, die intellegentesten Kinder, den größten Aerger mit den Dienstboten, die billigsten Einkaufsquellen — aber nichts zum Anziehen.
fKindermund.) Fritz, das fünfjährige Söhn- chen des Rechtsanwalt B , kommt weinend in das Zimmer seines Papas und ruft: „Denk' Dir, Papa, der Erich hat mir meine Stulle in den Hof geworfen." — „Was? in den Hof, sagst Lu, und mit Absicht?" — „Nein Papa," jammerte Fritz, „mit Preßwurst."
(Erblich.) Mutter (Frau eines Nachtwächters): Aber Junge, jetzt rüttle ich schon eine halbe Stunde an Dir herum, wie kommt es nur, daß Du gar nicht wach zu kriegen bist? — Sohn: Ach. Mutter, det Hab' ich von Vätern geerbt!
Ich brauche ein Cape, aber es muß nach der allerneusten Mode sein. — Allerneusten . . .? Bitte sich nur 5 Minuten zu gedulden, die Mode ändert sich soeben.
Telegramm.
Leipzig, 14. Juni. Der vierte Strafsenat des Reichsgerichts sprach aus, daß die Aufforderung zum Boykott als grober Unfug strafbar sei, wenn dadurch eine Beunruhigung des Publikums hervorgerufen werde. Gleichgiltig sei, daß der Boykott selbst straflos sei. Deshalb wurde die Freisprechung von Hartung und Genossen , wie sie im Urteil des Landgerichts Schweidnitz vom 19. Februar d. I. ausgesprochen war, auf die dagegen eingelegte Revision aufgehoben.
Aachen, 14. Juni. Der Alexianer- bruder Jrenäus im Haus Kamen bei Münster ist gestern in das hiesige Untersuchungsgefängnis eingeliefert worden. Die Alcxianeranstalt Mariaberg wurde heute durch eine entsprechende Mitteilung der Regierung an den Generalobern Bank geschlossen und die fernere Aufnahme von Kranken untersagt. Wegen Unterbringung der vorhandenen Kranken wird Näheres noch angeordnet. Heute Abend trifft der Oberpräsident Nasse hier ein.
Pest. 14. Juni. Gleichzeitig mit der Zivilehe tritt das Gesetz über die Religion der Kinder ins Leben. Der Kultusmnister hat zwei Vollzugsverordnungen ausgearbeitet, von denen eine die Czakische Wegtaufungsver- ordnung außer Kraft setzt. Die Gesetze treten am 1. Oktober ins Leben.
Redaktion» Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.