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Anzahl von Bewohnern jener Gegend wurde > mit den Häusern ihre ganze Habe vernichtet, in den Feldern ungeheure Verwüstung angerichtet. Das über die betroffene Bevölkerung hereingebrochene Unglück ist um so größer, als sie weder für Häuser noch für ihre Mobilien irgend welchen Entschädigungsanspruch haben, sie ist in ihrem Unglück lediglich auf die Barmherzigkeit ihrer Mitmenschen angewiesen. — Im diesseitigen Bezirk erging bereits seitens des Gemeinschaft!. Oberamts ein Aufruf zur Linderung der ersten Not der im Bezirk Balingen so schwer Betroffenen, (s. Nr. 9l ds. Bl.) und es ist den Angehörigen des hiesigen Oberamtsbezirks Gelegenheit gegeben, ihre Gaben durch Vermittlung der gemeinschaftl. Aemter des bctr. Wohnorts an die Bezirkssammelstelle, die Obcr- amtspflege, gelangen zu lassen. Gewiß wird dieser Aufruf einen lebhaften Wiederhall finden bei unserer Bevölkerung, die sich selbst fernerliegendem Unglück gegenüber opferwillig gezeigt hat, daß jeder nach Kräften bereit ist, das unsägliche Elend zu lindern. Zur Empfangnahme von Gaben ist auch die Redaktion dieses Blattes bereit.
Pforzheim, 11. Juni. Das schwere Unglück, welches das württ. Oberamt Balingen betroffen, hat auch in unserer Stadt, deren Bewohnerschaft zu einem guten Drittteile aus Schwaben besteht, herzliche Teilnahme hervorgerufen. Bereits hat sich ein Konnte gebildet und in einem schon erschienenen Aufrufe wird zu milden Gaben für die notleidenden Ueberschwemm- ten aufgefordert. Die hiesigen Zeitungen haben ebenfalls Sammelstellen errichtet. Bei dem regen Wohlthätigkeitssinn unserer Bürger ist zu hoffen, daß ein ansehnlicher Betrag für die Unglücklichen zusammenkommt. Wie wir hören, beabsichtigt man auch in anderen Städten dem Beispiel der Pforzheimer zu folgen, was um so anerkennenswerter ist, als das badische Oberland ebenfalls von Wolkenbrüchen heimgesuchl wurde.
Calw, 11. Juni. Ein hies. Taglöhner geriet am Samstag abend mit seiner Frau in einen Wortwechsel, wobei er in der Aufregung derselben 4 Messerstiche beibrachte, so daß an ihrem Aufkommen gezweifelt wird. Die Frau wurde in das hiesige Krankenhaus verbracht. Der Thäter wurde in der Nacht verhaftet und in das Amtsgerichtsgesängnis eingeliefert.
Pforzheim, 2. Juni. Ein neues Kapitel zum unlauteren Wettbewerb ist von hier zu berichten. Fünfzehn hiesige Schuhwaren. Händler veröffentlichten eine Warnung gegen einen gewissen Karl Kaufmann aus Pirmasens, gegenwärtig hier, welcher u. a. Lederknopfstiefel und Lederknopfschuhe für Damen anpreist, deren Brandsohlen und Kappen, also die wichtigsten Bestandteile, von mehrfach zusammengeklebtem Papier, damit der Käufer den Betrug nicht sofort entdeckt, deren Sohlen mit dem Zeichen „Lederbrandsohlen" versehen sind. Die Eingangs bezeichneten hiesigen Geschäftsleute erklären öffentlich, daß diese Schundware am Schaufenster des Herren Ornstein und Schwarz zur allgemeinen Besichtigung ausgelegt ist. Das Interessanteste an der Sache ist, daß der erwähnte Karl Kaufmann aus Pirmasens sich rühmt, er verkaufe eigenes Fabrikat und beschäftige 4 bis 8000 Mann. Nun kommen die hiesigen Geschäftsleute und erklären in der Oeffentlichkeit, daß Kaufmann weder Fabrikant sei, noch einen einzigen Arbeiter beschäftige. Offenbar handelt es sich hier um eine beabsichtigte Täuschung des Publikums, welches glauben soll, der Verkäufer beschäftigte selbst so viele Arbeiter, während jener jedenfalls die Fabrik meint, von der er seine Ware bezieht. Die ansässigen Geschäftsleute erhoffen ein Einschreiten der Staatsanwaltschaft.
Deutsches Aeich.
Berlin, 10. Juni. Der Kolonialrat ist unter dem Vorsitz des Ministerialdirektors Dr. Kayser heute vormittag hier zusammengetreten. Die Mitgliederzahl ist von 20 auf 25 erhöht worden.
Breslau, 10. Juni. Der „Breslauer Morgenzeitung" wird aus Antouienhütte gemeldet: Die dem Grafen Hugo Henckel-Donners-
marck gehörende Steinkohlengrube „Segen Gottes" ist in Brand geraten. Von 400 eingefahrenen Bergleuten sind bisher nur 40 in Sicherheit gebracht worden.
Kiel, 11. Juni. Das österreichisch.ungarische Geschwader ist heute unter dem Befehl des Erzherzogs Karl Stephan auf der hiesigen Rhede eingetroffen.
Oberkirch (Baden), 7. Juni. Die regelmäßigen Kirschenmärkte, die jeweils Dienstag, Donnerstag und Samstag in den Frühstunden gehalten werden, haben begonnen. So waren dem gestrigen Wochenmarkte etwa 700 Körbe zugesührt. Der Preis schwankte Pr. Korb, etwa 40 Pfund, zwischen 4—6 Mark.
Württemberg.
Die Kammer der Abgeordneten trat am Freitag in die Generaldebatte über den Justiz-Etat und führte dieselbe am Samstag zu Ende. Ein Antrag der Finanzkommission und des Berichterstatters Haußmann-Gerabronn > Rechtsanwälten, die bei einem Amtsgerichte zugelassen sind, möge bei dem betreffenden Landgericht die Zulassung nur dann versagt werden, wenn im Einzelnfall besondere Anstände vorliegen, wurde mit allen gegen 3 Stimmen angenommen.
Lausen a. Eyach, 9. Juni. Heute hat man die aufgefundenen 10 Toten in einem gemeinsamen Grab bestattet. Der Friedhof war gedrückt voll von Teilnehmenden. Manche mußten ohnmächtig hinausgetragen werden. 5 Leichen sind immer noch nicht aufgcfunden worden. Der Schaden, den das Hochwasser in den Wäldern und Feldern angerichret hat, kommt jetzt erst recht zum Vorschein. Ganze Wälder sind abgerutscht. Der Fremdenandrang ist besonders heute ein so großer, daß man sich förmlich durch die Straßen drücken muß. Aufgestellte Sammelbüchsen werden tagsüber des öfteren gefüllt. Das Wasser ist ziemlich rasch gesunken. Die Pioniere haben wacker gearbeitet und solide Brücken geschlagen. Seine Majestät der König suchte in teilnahmsvollen Worten die Schwerbeschädigten zu trösten. Genau besichtigte Seine Majestät die verwüsteten Stätten, er trat in die zerfallenen Hütten und Ställe ein, drückte den Besitzern die Hand und fragte und ermutigte in äußerst leutseliger Weise. Es ist hauptsächlich diesem Besuch Seiner Majestät zu verdanken, daß sich die Niedergeschlagenheit der Einwohner gehoben hat und neue Hoffnungen belebt wurden. Beim Weggang versprach der König noch, daß von Ihm selbst und dem Staate geschehen werde, was möglich sei. Der König hat an diesem Tage alle Herzen gewonnen und lange und mit großem Dank werden sich die Schwerbetroffenen noch dieses Besuchs erinnern. — In Frommern wurden die Opfer der Katastrophe unter ungeheurem Zudrang von Leidtragenden aus der Nachbarschaft beerdigt. Zuerst eine hochbetagte Greisin und eine ledige Frauensperson; um 1 Uhr folgten das Leichenbegängnis der Familie Zimmermann, Vater, Mutter, Ibjähr. und 2V,jähr. Sohn. Die vier Särge wurden in die Kirche getragen, wo der Geistliche die ergreifende Leichenpredigt hielt Kein Auge blieb leer. Hierauf wurden weitere drei Särge heraufgetragen; sie enthielten den Vater der eben beerdigten Frau Zimmermann, sowie deren beide Schwiegersöhne, Väter mehrerer Unmündigen. Diese beiden Schwiegersöhne waren beim Rettungswerk im schwiegerelterlichen Hause ums Leben gekommen. Da das ganze untere Dorf für verloren gilt, weiß man noch nicht, was geschehen soll, zumal die Leute wenig Lust haben, sich wieder am Fluß anzusiedeln.
Von der Eyachkatastrophe. Ein ergreifendes Erlebnis auf einer Wanderung durch die Stätten der Verwüstung im Eyachthale wird uns von einem Freunde unseres Blattes mitgeteilt. Zwischen Balingen und Frommern, auf einem jener seltsam zusammengejpülten Haufen von Häusertrümmern, Geräten, Kleidern, Baumgestrüpp, Tierleichen und Schlamm, welche der in seine Ufer zurückgetretene Fluß überall auf den Wiesen des Thalgrundes zurückgelassen hat, lag obenauf ein Balken mit einer Inschrift, deren schwarze Buchstaben sich noch Verhältnis-
mäßig frisch von dem weißen Untergründe ab- hoben. Rechts und links an den Enden standen außer der Jahreszahl 1862 die Namen des Ehepaares, das einst die Inschrift hatte malen lassen, links: „Erbaut von Johannes Wißmann", rechts: „Lucila Wißmann, geb. Sauter." Die Inschrift selber aber lautete:
„Es ist der Herr, der baut und reißet ein,
Auch dieser Bau soll hievon Zeuge sein."
Armes Ehepaar Wißmann! Daran hast du wohl vor 33 Jahren nicht gedacht, daß das Los deines Hauses sich so bald schon erfüllen werde!
Stuttgart, 11. Juni. Für die Ueber- schwemmten in Stadt und Bezirk Balingen sind in «Stuttgart schon in letzter Woche die Sammlungen eingeleitet worden. Zahlreiche Sammelstellen sind veröffentlicht worden. Mit Genehmig- ung des Oberbürgermeisters hat sich auch die Städt. Sparkasse Stuttgart den Sammelstellen für die Wasserbeschädigten angcschlossen. Die Beiträge gehen den einzelnen Sammelstelle sehr rege ein, bei der Sammelsteüe des Schw. Merkur wurden bis jetzt gegen 4000 Mk. abgegeben, die am Samstag und heute den Notleidenden übermittelt wurden.
(Frühlingssest.) Der Besuch der Halle, der auch Samstag abend sehr stark war, betrug am letzten Tage, Sonntag, bei dem billige» Preise von 50 Pf. gegen 5000 Besucher. Nach 4 Uhr erschien Ihre Maj. die Königin mit Prinzessin Bathildis und Prinz Max zu Schaum- burg-Lippe. Der Ertrag dieses letzten Tages beziffert sich auf 5000—6000 »tL, welches den bedrängten Bewohnern des Eyachrhals zufließt. Die erste Anregung hinzu ist von Ihrer Maj. der Königin ausgegangen.
Der gesamte, durch das Hochwasser angerichtete Schaden wird zunächst auf anderthalb Millionen geschätzt, diese Schätzung dürfte aber viel zu nieder sein, da allein der Schaden der Amtskorporation auf 400000 M. veranschlagt wird. Die Hisskomites der betroffenen Gemeinden werden sofort daran gehen, den entstandenen Schaden aufzunehmen, und Gaben in Geld, Kleidern und Geräten enlgegennehmen. Der König hat dem Hilfskomite in Balingen die Summe von 5000 M., die Königin 3000 M., die Prinzessin Katharina 1000 M, gespendet. Herzog Albrecht hat für die Ueberschwemmlen 1000 M. gespendet. Weiter haben der Fürst von Hohenzollern 600 M., die Fürstin-Mutter 200 Mk. und die Fürstin-Infantin 200 Mk. übersandt. — Oberstudienrat v. Dillmann in Stuttgart hat eine Sammlung unter den Schülern veranstaltet mit dem Ertrag von 565 Mark.
Aus dem Bezirk Riedlingen, 9. Juni. Auch unser Bezirk hat schwere Gewitter, mitunter verbunden mit Hagel und Wolkenbrücheu erfahren müssen. In Hailtingen richtete das furchtbar schnell angestaute Wasser große Beschädigungen an Behausungen, Straßen und Feldern an. EinHausierwagen wurde plötzlich von den Fluten fortgerissen, der Vater wollte sein vierjähriges Töchterchen retten, wurde fortgerissen, das Mädchen entkam seinen Armen und wurde anderen Tages mit Schlamm bedeckt ausgefunden. Eine 17jährige Tochter, welche die Mutter retten wollte, wurde desgleichen vom Wasser sortgerisscn und ist bis heute noch nicht aufgefunden worden. — In Uttenweiler wütete das Gewitter und der Wolkenbruch volle vier Stunden. Ein Haus wurde ganz demoliert, drei weitere stark beschädigt. Sehr großen Schaden erlitt Bräumeffter Sauter, dem mehrere hundert Raumeter Holz fortgeschwemmt, gegen 200 Zentner Malz auf den Malzböden ver. dorben wurden und dessen herrlicher Garten radikal verwüstet wurde. Andere Hausbesitzer haben einen Schaden bis zu 2000 Mark zu beklagen. Im Rathauszimmer sieht es bunterkund aus, viele Akren sind heillos zugerichtet. — Weiterer großer Schaden entstand in den Gemeinden Ober- u. Unterwaichingen und Emerkingen in Feldern rc. Doch wurde hier das Vieh gerettet und ist gottlob ein Menschenleben nirgends zu beklagen.
Riedlin gen, 10. Juni. Das starke Hochwasser hält immer noch an und verursacht an Wiesen und Feldern ganz bedeutenden Schaden. Am Samstag brachte das Wasser